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ACM-Mitteilungen vom 30. Juni 2018
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Liebe Leserin, lieber Leser,
kürzlich schickte uns ein Arzt aus Baden-Württemberg Unterschriftenlisten zur Petition mit etwa 100 Unterschriften. In einem begleitenden Brief schrieb er, dass er es sich leichter vorgestellt habe, viele Unterstützer zu finden, er habe feststellen müssen, dass die häufigste Reaktion „Schon wieder eine Petition!“ war.
An einer anderen Stelle heißt es in seinem Schreiben vom 20. Juni: „Diese Petition muss ein Erfolg werden. Denn der Alltag ist immer noch schlimm. (…) Wir erleben endlose, aufreibende Verfahren und am Ende so viele beschämende Ablehnungen, dass es nicht nur frustrierend ist, sondern auch anstachelnd. So darf das nicht bleiben.“
Der Brief spiegelt die Einschätzung auf der diesjährigen ACM-Mitgliederversammlung am 30. Juni 2018 in Soest wieder. Es gibt eine Petitionsmüdigkeit, gleichzeitig aber auch die Entschlossenheit, auch unsere zweite Petition nach der aus dem Jahr 2014 zum Erfolg zu führen. Auch für den Erfolg der diesjährigen Petition werden wir uns alle engagieren müssen.
Kürzlich ist der 5. Alternativer Drogen- und Suchtbericht 2018 erschienenen, der Wege aus der bisher gescheiterten Drogenpolitik skizziert. Der vollständige Bericht kann hier direkt als PDF-Datei heruntergeladen werden.
Mittlerweile unterstützen drei der im Bundestag vertretenen Parteien, Bündnis 90/Die Grünen, die Linke und die FDP, Schritte zur Beendigung der Strafverfolgung von Cannabiskonsumenten. Entsprechende Anträge wurden kürzlich im Gesundheitsausschuss im Rahmen einer Anhörung von Experten beraten.
Viel Spaß beim Lesen!
Franjo Grotenhermen
Vortragsveranstaltung „Medizinal-Cannabis – Hoffnung oder Hype“
Das Unternehmen Pedanios führt am 12.7.2018 in Berlin eine Veranstaltung unter dem Titel „Medizinal-Cannabis- Hoffnung oder Hype“ durch.
Medizinal Cannabis- Hoffnung oder Hype
ACM richtet Patiententelefon ein und wählt einen neuen Vorstand
Bei ihrer Mitgliederversammlung am 30. Juni hat die ACM die bisherigen Vorstandsmitglieder in ihrem Amt bestätigt und zudem mit Astrid Staffeldt erstmals eine Apothekerin in den Vorstand gewählt.
Der neue Vorstand besteht aus
Dr. med. Franjo Grotenhermen (1. Vorsitzender)
Professorin Dr. Kirsten Müller-Vahl (2. Vorsitzende)
Gabriele Gebhardt
Dr. med. Sylvia Miecke
Carsten Elferring
Rainer Thewes
Astrid Staffeldt
Marc Ziemann war zuvor aus dem Vorstand ausgeschieden. Er hat sich um den Aufbau von Selbsthilfestrukturen unter dem Namen „Patientenhilfe“ verdient gemacht. Diese Arbeit wollen andere Mitglieder fortführen und weiterentwickeln, unter anderem durch die Einrichtung eines Patiententelefons für Menschen, die Cannabis-Medikamente verwenden oder verwenden wollen.
Dazu wurde folgender Beschluss gefasst: „Die Mitgliederversammlung unterstützt Strukturen, die es Patienten ermöglicht, überregional und regional praktische Hilfe und Beratung zum Thema Cannabis und Cannabinoide zu erhalten. Dazu soll ein Patiententelefon der ACM eingerichtet werden, sodass Patienten schnell eine kompetente Beratung erhalten können, und der Aufbau regionaler Selbsthilfegruppen soll weiter gefördert werden.“
Es wurden konkrete Schritte besprochen, wie die Zusammenarbeit von SCM (Selbsthilfenetzwerk Cannabis Medizin), ACM-Patientenhilfe und ACM-Vorstand verbessert werden kann. Dazu soll beispielsweise auf der SCM-Webseite auf Kontakte zur Patientenhilfe, regionale Selbsthilfegruppen sowie das Patiententelefon, das demnächst eingerichtet werden soll, verwiesen werden.
– Die SCM ist eine Arbeitsgruppe von etwa 300 Patienten innerhalb der ACM, dessen Selbsthilfe-Schwerpunkt auf der politischen Arbeit und gegenseitigen Information, etwa zu neuen Cannabissorten oder Apotheken, innerhalb eines E-Mail-Verteiler liegt. Der Kontakt zum ACM-Vorstand geschieht vor allem über Gabriele Gebhardt, Sprecherin des SCM und Vorstandsmitglied.
– Die ACM-Patientenhilfe ist eine Gruppe von gegenwärtig etwa 20 Patienten, die individuelle Beratung durchführen, den Aufbau von bisher mehr als 15 Selbsthilfegruppen fördern und unterstützen sowie demnächst das ACM-Patiententelefon betreuen sollen. Der kontinuierliche Kontakt zum Vorstand wird über Franjo Grotenhermen und Astrid Staffeldt, Apothekerin, vermittelt.
– Die ACM trifft vorbereitende Maßnahmen zur Einrichtung des Patiententelefons. Technisch ist das Telefon nicht an einem bestimmten Ort lokalisiert, sondern durch Anrufweiterschaltungen so organisiert, dass Berater von zu Hause aus die möglichst umfassende Besetzung des Telefons sicherstellen. Das Patiententelefon soll Patienten beraten, wenn sie etwa Probleme mit Ihrer Krankenkasse oder mit ihrer Führerscheinstelle oder auch einfach nur Fragen haben, beraten. Dazu sollen Mitarbeiter hinsichtlich der fachlichen Fragen von Dr. Franjo Grotenhermen und hinsichtlich Beratungstechnik von Rainer Thewes, der langjährige Erfahrung in Konfliktberatung und Supervision besitzt, geschult werden. Dazu soll auch ein Netzwerk von Ärzten, Apothekern und Rechtsanwälten aufgebaut werden, damit Patientenberater an entsprechende Experten verweisen können.
Ein wichtiges Thema war auch die Petition für die Straffreiheit von Patienten, deren Ärzte eine Behandlung mit Cannabis unterstützen. In den kommenden Wochen wollen wir verstärkt Unterschriften auf Unterschriftenlisten sammeln und die Petition später in eine Online-Petition umwandeln.
Presseschau: Münchner Hasch-Doc im Visier der Ermittler (Abendzeitung)
Die Münchener Abendzeitung berichtete über die strafrechtliche Ermittlung gegen den Arzt Rolf Müller aus München.
Münchner Hasch-Doc im Visier der Ermittler
Rolf Müller (64) ist einer der gefragtesten Cannabis-Ärzte in Deutschland. Nun hat er massiven Ärger mit der Staatsanwaltschaft.
München - Deutschlands Cannabis-Arzt Nummer 2 ist schwer zu erreichen in diesen Tagen. Das Telefon in der Praxis von Rolf Müller beantwortet niemand, ein Anrufbeantworter ist nicht eingeschaltet.
Der Arzt für Naturheilverfahren hat massiven Ärger mit der Staatsanwaltschaft. Vor wenigen Wochen stand die Polizei unangemeldet vor der Tür. Die Ermittler durchsuchten seine Praxis und seine Privaträume und nahmen sämtliche Patientenakten mit.
Die Staatsanwaltschaft verdächtigt den Mediziner, gewerbsmäßig Cannabis an Patienten verschrieben zu haben, obwohl es dafür keine "ärztliche Begründetheit" gab. Oberstaatsanwältin Anne Leiding zur AZ: "Der Beschuldigte handelte unserer rechtlichen Auffassung nach in der Absicht, sich hierdurch eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen."
Der Arzt weist die Vorwürfe zurück. Zur AZ sagte er gestern: "Das ist die persönliche Rache eines früheren Mitarbeiters. Die Vorwürfe sind völlig an den Haaren herbeigezogen."
Er habe einem Sekretär gekündigt. Dieser habe gedroht, ihn "fertigzumachen".
Seit März 2017 dürfen Mediziner in Deutschland schwerkranken Patienten medizinisches Cannabis verschreiben. Doch nach wie vor gibt es nur wenige, die dies auch wirklich tun.
Wenn Patienten keine Kassenärzte finden, weichen sie auf Privatärzte wie Rolf Müller aus. Der Münchner ist Arzt für Naturheilverfahren, Patienten empfängt er in seiner Praxis am Maximiliansplatz.
Bis zu der Gesetzesänderung war der 64-Jährige spezialisiert auf die Therapie mit Bachblüten und Spagyrik, eine Arzneimittelherstellung nach den Regeln der Alchemie. "Dann kam die Cannabis-Geschichte über mich", sagt er. Innerhalb von wenigen Monaten wurde Müller zu einem der meistgefragten Cannabis-Ärzte in Deutschland.
Cannabis-Arzt: Verschreibung erfolgte nach strengen Vorgaben
Nach eigenen Angaben bekam er innerhalb eines Jahres über 500 neue Patienten. Folgerezepte stellt er mittlerweile nur noch samstags aus. 28 Termine à 15 Minuten vergibt er pro Tag. Die Patienten müssen dafür 60 Euro zahlen - in bar. Für eine Erstanamnese verlangt er 150 Euro. Die Kosten werden von den Kassen meist nicht übernommen.
Noch mehr Rezepte als Rolf Müller soll deutschlandweit nur ein Cannabis-Aktivist und Mediziner in Nordrhein-Westfalen ausgestellt haben.
Rolf Müllers Patienten leiden unter chronischen Schmerzen, an Krebs oder ADHS. Auf seinen Internetseiten informiert er, dass sie ihren aktuellen Gesundheitszustand mit Dokumenten von ihren Fachärzten belegen müssen. "Die Verschreibung erfolgte nach strengen Vorgaben, niemals ungerechtfertigt", gab der Arzt in einer Stellungnahme bekannt.
Auch zu den Kosten äußert er sich: Seine Preise seien "so gering wie möglich angesetzt worden". Andere Privatärzte würden für die Erstanamnese bis zu 450 Euro verlangen.
Presseschau: Cannabis bei Krebs: Arzneimittel-Wechselwirkungen? Beeinflussen THC und Cannabidiol die medikamentöse Krebstherapie? (Deutsches Krebsforschungszentrum)
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) berichtete über mögliche Wechselwirkungen zwischen Cannabinoiden und Krebsmedikamenten, vor allem hinsichtlich möglicher Wechselwirkungen beim Abbau dieser Medikamente in der Leber sowie der Beeinflussung von Transportproteinen. Die Datenlage ist noch sehr dünn. Zudem weisen die Autoren darauf hin, dass Wechselwirkungen in Zellexperimenten „größtenteils mit Konzentrationen erzielt [wurden], die weit über denen liegen, die Patienten bei bestimmungsgemäßem Gebrauch einnehmen.“
Weitere mögliche problematische Kombinationen stellen die gleichzeitige Verwendung von Tamoxifen und Cannabinoiden sowie die gleichzeitige Verwendung bestimmter Immuntherapien mit Cannabis dar. Tamoxifen bindet auch an Cannabinoidrezeptoren, sodass seine Wirksamkeit durch Cannabinoide beeinflusst werden könnte. Da THC und CBD immunsuppressive Eigenschaften besitzen, könnte die Wirksamkeit besimmter Immuntherapien ebenfalls beinträchtigt werden.
Seit über einem Jahr können Ärzte ihren schwerkranken Patienten im Einzelfall Cannabisblüten (Medizinalhanf) als Rezepturarzneimittel verordnen. Die Anwendung der darin enthaltenen Cannabinoide ist in der supportiven Krebsmedizin eigentlich nichts Neues. Dennoch erreichen den Krebsinformationsdienst – auch aufgrund der erhöhten medialen Aufmerksamkeit – immer wieder Anfragen zu möglichen Wechselwirkungen mit der Tumortherapie. Aus diesem Grund haben wir die derzeitige Evidenzlage zum Interaktionspotenzial von Cannabis mit Krebsmedikamenten für Sie recherchiert
Cannabis: Im medizinischen Versorgungsalltag angekommen
Im März 2018 – ein Jahr nach der Freigabe von Cannabis zu medizinischen Zwecken – resümierte Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer, dass Cannabisrezepturen zumindest teilweise im Versorgungsalltag angekommen sind. So verzeichnete die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) im Jahr 2017 einen von Quartal zu Quartal steigenden Absatz an Cannabisblüten bei gesetzlich Krankenversicherten.
Steigender Informationsbedarf zu Cannabis
Vor diesem Hintergrund steigt auch der Informationsbedarf der Patienten zu Cannabis-basierten Medikamenten und Rezepturen. Sowohl Ärzte als auch Apotheker werden deshalb mehr und mehr in der Beratung zu Cannabis gefordert. Das Thema Wechselwirkungen ist hier ein wichtiger Aspekt. Dass Müdigkeit zunehmen und Konzentrationsfähigkeit sowie Reaktionsvermögen abnehmen können, wenn Cannabis mit psychotropen Stoffen wie Alkohol, Sedativa oder Hypnotika kombiniert wird, ist unter Fachleuten bekannt. Doch wie sieht es bei der Frage nach Wechselwirkungen mit der antineoplastischen Tumortherapie aus?
Wechselwirkungen: Um diese Cannabis-Präparate geht es
Im Fokus der pharmakologischen Wirkungen von Cannabis stehen die beiden Cannabinoide Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC, psychoaktiv) und Cannabidiol (CBD, nicht psychoaktiv). Sie beeinflussen im Wesentlichen auch das Wechselwirkungspotenzial von Cannabis. Je nachdem welches Cannabis-basierte Arzneimittel eingesetzt wird, ist der Gehalt an THC und CBD unterschiedlich.
Übersicht der Cannabis-basierten Arzneimittel
Nabilon ist ein synthetisches Cannabinoid (THC-Derivat) in Kapselform.
Dronabinol (Tetrahydrocannabinol, THC) wird für medizinische Zwecke aus Orangenschalen synthetisiert. Es ist in Kapselform oder als ölige Lösung zur Einnahme sowie als ethanolische Lösung zur Inhalation verfügbar.
Cannabidiol (CBD) ist eine ölige Lösung zur Einnahme, die aus der Hanfpflanze (Cannabis sativa) gewonnen wird.
Nabiximols ist ein Extrakt aus der Hanfpflanze und als Mundspray verfügbar. Es beinhaltet eine 1:1-Kombination von THC und CBD in definierter Menge. Medizinisches Cannabis (Medizinalhanf) sind die Blüten der Hanfpflanze. Deren Konzentration an THC und CBD schwankt, je nach eingesetzter Sorte. Rezeptierbar sind etwa Tees oder Zubereitungen zur Inhalation nach Verdampfen.
Pharmakokinetische Wechselwirkungen: In vitro-Evidenz
In einer umfangreichen Übersichtsarbeit hat eine französische Expertengruppe die Evidenz zum Interaktionspotenzial von Cannabis mit Krebsmedikamenten zusammengestellt: Demnach zeigen sowohl Tetrahydrocannabinol (THC) als auch Cannabidiol (CBD) diverse mögliche pharmakokinetische Wechselwirkungsmechanismen. CBD scheint unter allen Cannabinoiden das größte Risiko für Interaktionen zu bergen.
Geringe Datenlage, viel Ungewissheit
Allerdings weisen die Autoren des Reviews darauf hin, dass zu diesem Thema noch zu wenige Daten vorliegen und diese wenig aussagekräftig sind. So stammen die meisten Ergebnisse aus in vitro-Versuchen. Zudem wurden sie größtenteils mit Konzentrationen erzielt, die weit über denen liegen, die Patienten bei bestimmungsgemäßem Gebrauch einnehmen. Unabhängig davon, gehen Experten davon aus, dass die klinische Relevanz Cannabinoid-induzierter Wechselwirkungen erheblich variieren kann, je nachdem welches Produkt, auf welchem Weg und unter welchen Begleitumständen eingesetzt wird.
Wechselwirkungen über Membrantransporter
Substrate von Membrantransportern (Beispiele): P-Glykoprotein: Doxorubicin, Etoposid, Methotrexat, Paclitaxel, Nilotinib,
Sunitinib Breast Cancer Resistance Proteine (BCRP): Topotecan, Mitoxantron, Lapatinib, Dasatinib, Doxorubicin
Multidrug Resistance-Related Proteine 1 (MRP1): Cyclophosphamid, Irinotecan, Vinblastin
Verschiedene in vitro-Daten weisen auf einen hemmenden Effekt von THC und CBD auf transmembranäre Arzneimitteltransportsysteme hin. Dazu gehören beispielsweise das P-Glykoprotein (P-gp), das Breast Cancer Resistance Protein (BCRP) oder das Multidrug Resistance-Related Proteine 1 (MRP1).
Transportproteine schleusen fremde Stoffe wie Zytostatika (Substrate) aus einer Zelle heraus und bestimmen damit wesentlich die Wirksamkeit einer Tumortherapie. Werden die Transportproteine in ihrer Aktivität inhibiert, kann beispielsweise die Bioverfügbarkeit der entsprechenden Krebsmedikamente steigen. Ob und wie sich klinisch eine Hemmung von Arzneistofftransportern durch Cannabinoide auf die Toxizität und Wirksamkeit von Krebsmedikamenten auswirkt, lässt sich auf Basis dieser Daten allerdings noch nicht beurteilen.
Wechselwirkungen über Cytochrom P450
Substrate von CYP-Enzymen (Beispiele):
CYP3A4: Cyclophosphamid (Prodrug), Docetaxel, Paclitaxel, Tyrosinkinasehemmer (z. B. Imatinib, Sorafenib, Sunitinib, Nilotinib), Tamoxifen (Prodrug)
CYP2D6: Tamoxifen (Prodrug)
CYP2C9: Cyclophosphamid (Prodrug)
Die Cannabinoide Tetrahydrocannabinol (THC) als auch Cannabidiol (CBD) werden in der Leber über Enzyme der Cytochrom-P450-Familie – darunter CYP2C9 und CYP3A4 – verstoffwechselt. Deshalb gehen Experten von Wechselwirkungen mit Medikamenten aus, die auf gleichem Wege metabolisiert werden.
In vitro-Experimente scheinen diese Vermutung zu bestätigen:
So hemmten THC und CBD die Aktivität verschiedenster CYP-Enzyme, darunter CYP3A4, CYP2D6 und CYP2C9. Die Folgen können je nach Substrat unterschiedlich sein: Sind die CYP-Enzyme am Abbau des Medikaments beteiligt, würde eine Hemmung den Plasmaspiegel der Wirkstoffe und damit das Risiko für Nebenwirkungen erhöhen. Wird das CYP-Enzym benötigt, um ein Prodrug in den wirksamen Metaboliten umzuwandeln, könnte eine Hemmung die Wirksamkeit des Krebsmedikaments vermindern.
Allerdings fehlen auch hier entsprechende in vivo-Daten und Ergebnisse aus Interaktionsstudien mit Krebspatienten, die Aussagen über die klinische Relevanz dieser Hemmung erlauben.
Zu beachten ist außerdem: Da THC und CBD vor allem über CYP3A4 verstoffwechselt werden, können Inhibitoren von CYP3A4 wie beispielsweise das Antiemetikum Aprepitant oder bestimmte Antibiotika (Clarithromycin oder Erythromycin) die Konzentration der beiden Cannabinoide erhöhen.
Fazit für die Praxis
Daten aus der Grundlagenforschung und daraus abgeleitete theoretische Überlegungen lassen vermuten, dass Wechselwirkungen zwischen Cannabis-basierten Arzneimitteln und Krebsmedikamenten grundsätzlich möglich sind. Da konkrete Interaktionsstudien mit Krebspatienten fehlen, lässt sich die klinische Relevanz dieser Beobachtungen jedoch nicht abschließend bewerten. Aus diesem Grund empfiehlt es sich für Ärzte und Apotheker, an die Möglichkeit von Cannabis-basierten Wechselwirkungen mit Krebsmedikamenten zu denken – vor allem dann, wenn sich bei Patienten unter Cannabis-Therapie Auffälligkeiten bei ihrer Tumortherapie ergeben.
Presseschau: Experten für – und Experten gegen Cannabis in der Apotheke – Rauschmittel (Der Standard, Österreich)
In Österreich diskutieren Experten darüber, ob die medizinische Verwendung von Cannabisblüten erlaubt werden sollte, oder ob die bisher verfügbaren Medikamente auf Cannabisbasis (reines THC/Dronabinol, Sativex, Canemes) für die Versorgung der Bevölkerung ausreicht.
Experten für – und Experten gegen Cannabis in der Apotheke - Rauschmittel
Bis Ende des Jahres soll das Gesundheitsministerium die Zulassung von medizinischem Cannabis in Österreich prüfen
Wien – Während im Gesundheitsministerium bis Ende des Jahres ein Bericht zum medizinischen Einsatz von Cannabis verfasst wird, streiten sich Experten über den künftigen Umgang mit der Pflanze in der Medizin.
Hans-Georg Kress sprach sich vor wenigen Tagen gegen den Einsatz von Medizinalhanf aus. Die Wirkung werde überschätzt und sei nicht wissenschaftlich belegt. Kress leitet die Abteilung für spezielle Anästhesie und Schmerztherapie am AKH in Wien und ist Vorstand der Schmerzgesellschaft.
Vorwürfe seien "absurd"
Der Chemiker und Toxikologe Rainer Schmid sieht das anders: "Es war bis auf wenige Ausnahmen bis vor Kurzem weltweit gar nicht möglich, Cannabis offiziell und systematisch in einer bestimmten Sortenvielfalt nach wissenschaftlichen Kriterien zu züchten und für Forschung und Medizin zur Verfügung zu stellen. Der Vorwurf fehlender klinischer Studien ist daher absurd", sagt Schmid. Er leitete die Abteilung Toxikologie und Medikamentenanalytik am AKH Wien und war in der Drogenprävention tätig.
Dass sich die Schmerzgesellschaft vehement gegen natürliche Cannabinoide in der Medizin und für synthetische Fertigprodukte ausgesprochen hat, liege außerdem an der Nähe zu Pharmafirmen, kritisiert die "Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin". Bionorica – Hersteller des Cannabispräparates Dronabinol – steht auf der Sponsorenliste der Schmerzgesellschaft.
Bessere Verträglichkeit
Die Arbeitsgemeinschaft appelliert für eine Gesetzesänderung "im Sinne der Patienten" und zitiert mehrere Mediziner und Pharmazeuten, die den Verkauf von Medizinalhanf befürworten.
Warum? "Die Verträglichkeit von Cannabisblüten ist meist besser. Hinzu kommt, dass die Blüte aufgrund standardisierter Wirkstoffzusammensetzungen gut dosiert werden kann", sagt der Arzt und Cannabisspezialist Franjo Grotenhermen. Länder wie Kanada, Israel, die Niederlande und Deutschland würden das zeigen. "Von miserablen Erfahrungen sprechen nahezu ausschließlich Ärzte, die keine Blüten einsetzen und daher auch keine Erfahrung damit haben", sagt Grotenhermen.
Wer das Riesengeschäft macht
Kress ging in seiner Kritik auch auf das "Riesengeschäft der Cannabis-Industrie" ein, das durch den Verkauf der Blüte gewährleistet werde. Grotenhermen sieht das anders: Das größere Geschäft werde mit synthetischen und halbsynthetischen Produkten wie Dronabinol gemacht. "Diese Arzneimittel sind wesentlich teurer, und die Gewinnspannen sind höher."
Für den Verkauf von Blüten in der Apotheke – mit Rezept – spricht sich auch Wolfgang Kubelka vom Pharmaziezentrum der Universität Wien aus, "als kostengünstige, wirksame und nebenwirkungsarme Behandlungsform."
Mit der Legalisierung als Arzneimittel könne laut dem Pharmazeuten die illegale Anwendung zur Selbstmedikation vermieden werden. "Eine Behandlung unter ärztlicher Beratung und Kontrolle wäre so für die Patienten möglich."
Dieses Argument führt auch Kurt Blaas an. Der Allgemeinmediziner ist seit 1998 auf Cannabismedizin spezialisiert. "Die Patienten lassen sich heute nicht mehr mit überteuerten synthetischen Produkten abfertigen, wenn leistbare, hochwertige Extrakte und Cannabisblüten besser und ohne Nebenwirkungen sind. Und diese Patienten haben ein Recht darauf, nicht länger kriminalisiert zu werden"
Monografie gefordert
Das Department für Pharmakognosie forscht seit vielen Jahren zu den Inhaltsstoffen und dem Wirkungsspektrum der Pflanze. Einige Fragen seien noch offen. Etwa welcher Pflanzentyp mit welcher Wirkstoffzusammensetzung optimal ist, bei welcher Indikation oder Applikationsform. Kubelka plädiert dafür, dass die Qualität der zugelassenen Arzneidrogen möglichst bald durch eine erste Monografie, etwa im europäischen oder österreichischen Arzneibuch, festgelegt wird.
Einige Pressemeldungen und Informationen der vergangenen Tage
So stehen Schmerzmediziner zu Cannabis (Kleine Zeitung)
Noch nie so viel Drogenkonsum wie heute (Hamburger Abendblatt)
Erstes Arzneimittel aus der Cannabis-Pflanze in den USA zugelassen (Deutsche Apotheker Zeitung)
BÄK stellt sich gegen Freigabe von Cannabis (Ärzte Zeitung)
Kölner Startup gegen Lieferengpass von Medizinal-Cannabis (openPR)
FDP: Der Joint aus der Apotheke (Deutsche Apotheker Zeitung)
Drei Tropfen für ein Wunder (Tages Anzeiger)
Wird das Kiffen in Luxemburg bald legal? (Saarbrücker Zeitung)
Parlament gibt medizinischem Cannabis grünes Licht (Tagesblatt, Luxemburg)
Cannabis-Rausch: Ist die Schweiz bald am Zug? (finews, Schweiz)
Holzinger: „Die Wirksamkeit von Cannabis in der Medizin ist schlüssig bewiesen“ (APA OTS, Österreich)
Apothekerkammer: Ja zu Cannabis für medizinische Zwecke (APA OTS, Österreich)
Experten pochen auf Legalisierung von Medizinalhanf (APA OTS, Österreich)