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IACM-Informationen vom 6. Dezember 2003

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IACM — Konferenz zu Cannabinoiden im Jahre 2004 in Oxford

Die dritte IACM-Konferenz zu Cannabinoiden in der Medizin findet vom 10. bis 11. September 2004 im Somerville College in Oxford, Großbritannien, statt. Ein Aufruf zur Zusendung von VortragsvorschlĂ€gen wird im Januar 2004 in den IACM-Informationen erscheinen.

Zwei Konferenz-Berichte der diesjĂ€hrigen Tagung an der UniversitĂ€t Köln erschienen im Dezember, einer in Expert Opinion on Pharmacotherapy (in englisch), der zweite im Rheinischen Ärzteblatt, der Zeitschrift der Ärztekammer Nordrhein (in deutsch), beide verfĂŒgbar auf der IACM-Internetseite.

Deutschland — Berliner Richter erlaubt einem Kranken den Anbau und die Verwendung von Cannabis

Am 27. November erhielt ein Patient mit Morbus Crohn die richterliche Erlaubnis zu Anbau und Verwendung von Cannabis. Richter Michael Zimmermann vom Berliner Amtsgericht urteilte, dass sich der Angeklagte Michael Grosse in einer Notstandslage befunden habe und die medizinische Verwendung von Cannabis daher gerechtfertigt sei. Der Staatsanwalt verzichtete darauf, Berufung einzulegen. Damit ist das Urteil rechtskrÀftig, und zum ersten Mal seit mehr als 40 Jahren darf ein Patient in Deutschland Cannabis zu medizinischen Zwecken anbauen und konsumieren.

Richter Zimmermann verurteilte den Angeklagten zwar zu einer Geldstrafe auf BewĂ€hrung – die mildeste mögliche Strafe -, allerdings nur weil er eine zu große Cannabismenge (59 Pflanzen) besessen habe. Eine kleinere Menge hĂ€tte ausgereicht, um sich ausreichend zu therapieren. Herr Grosse leidet seit 21 Jahren an einer entzĂŒndlichen Darm-Erkrankung, die Gewichtsverlust, DurchfĂ€lle und KrĂ€mpfe im Bauchraum verursacht. Im Jahre 2002 hatte ein anderer Richters des Amtsgerichts ihn zu einer fĂŒnfmonatigen Haftstrafe auf BewĂ€hrung verurteilt, das Berufungsgericht hatte das Urteil jedoch aufgehoben und das Amtsgericht aufgefordert, die UmstĂ€nde der Tat zu berĂŒcksichtigen.

Am 27. November erklĂ€rte Grosses HausĂ€rztin dem Gericht, dass sich seine Gesundheit durch die Selbstbehandlung deutlich gebessert habe. Zwei vom Gericht geladene SachverstĂ€ndige, Dr. Rommelspacher, Professor fĂŒr Pharmakologie an der Freien UniversitĂ€t Berlin, und Dr. Franjo Grotenhermen, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin, bestĂ€tigten, dass Cannabisprodukte hilfreich bei Appetitverlust mit Gewichtsverlust und schmerzhaften KrĂ€mpfen sein können. Dr. Grotenhermen wies zudem auf die entzĂŒndungshemmenden Eigenschaften der Cannabinoide hin. Schmerzhafte chronisch-entzĂŒndliche ZustĂ€nde stellten einen möglichen medizinischen Anwendungsbereich von Cannabis dar.

Am 15. Mai 2003 war erstmals ein Patient, der an multipler Sklerose leidet, in Deutschland von einem Mannheimer Amtsgericht freigesprochen worden. Allerdings hatte der Staatsanwalt Berufung eingelegt, so dass dieses Urteil noch nicht rechtskrÀftig ist.

(Quellen: Taz vom 28. November 2003, Berliner Zeitung vom 28. November 2003, persönliche Mitteilungen)

USA — Richter verhĂ€ngt keine GefĂ€ngnistrafe gegen drei Personen, die bei einem medizinischen Marihuana-Zentrum in Kalifornien arbeiteten

Ein Bundesrichter urteilte am 25. November, dass drei MĂ€nner, die ein medizinisches Marihuana-Zentrum in Los Angeles betrieben, keine GefĂ€ngnisstrafe erhalten wĂŒrden. US-Distrikt-Richter A. Howard Matz drĂŒckte seine Bewunderung fĂŒr die Arbeit der MĂ€nner aus, mit der sie kranken Menschen geholfen hĂ€tten. Er ordnete an, dass sie nur ein Jahr GefĂ€ngnis auf BewĂ€hrung erhielten und bis zu 250 Sozialstunden leisten sollten.

Imler drohten zusammen mit Jeff Yablan und Jeffrey Farrington bis zu 30 Monate im BundesgefĂ€ngnis. Sie betrieben das medizinische Marihuanazentrum 5 Jahre lang, bis Bundesbeamte dort im Jahre 2001 eine Razzia durchfĂŒhrten. Matz zitierte Briefe von lokalen AutoritĂ€ten, inklusive Sheriff Lee Baca und der Stadtverordneten Jackie Goldberg, nach denen Imler, PrĂ€sident des Cannabis Resource Center, die Betreibung des Zentrums offen mit ihnen diskutiert habe. Das Zentrum versorgte 960 Patienten mit Cannabis.

Matz erklĂ€rte, die drei Angeklagten hĂ€tten "ein Verbrechen begangen, um den Schaden grĂ¶ĂŸeren Leidens der Patienten zu vermeiden," indem sie ihnen Marihuana gaben. Er fĂŒgte hinzu, dass die gesamte Anklage "völlig fehlgeleitet" sei und dass er irritiert sei, dass die Bundesdrogenbehörde DEA und die StaatsanwĂ€lte so viel Zeit und Geld verschwendet hĂ€tten, um den Fall zur Anklage zu bringen.

(Quelle: Associated Press vom 24. November 2003)

Wissenschaft — Cannabinoide wirksam in einem Tier-Modell fĂŒr HyperaktivitĂ€tsstörungen

Aufmerksamkeitsmangel-HyperaktivitĂ€tsstörung (ADHD) ist ein neuropsychiatrisches Syndrom, das bei Kindern und Heranwachsenden auftritt. Das Syndrom ist charakterisiert durch gestörte Aufmerksamkeit und durch impulsiv-hyperaktives Verhalten. Italienische Forscher untersuchten ADHD in einem Tiermodell. Sie verwendeten dazu eine Rattenlinie, die spontan einen Bluthochdruck entwickelt (SHR-Ratten) und als Tiermodell fĂŒr ADHD gilt.

Die SHR-Ratten wurden mir normalen Ratten verglichen. Tests zeigten, dass es eine Untergruppe innerhalb der SHR-Ratten gibt, die sehr impulsiv reagiert. Die Forscher fanden heraus, dass Tiere dieser impulsiven SHR-Untergruppe eine reduzierte Dichte an Cannabinoid-Rezeptoren in der prĂ€frontalen Hirnrinde aufwiesen. Die Gabe eines synthetischen Cannabinoids, das – wie THC – an den CB1-Rezeptor bindet, normalisierte das impulsive Verhaltensprofil in dieser Gruppe von SHR-Ratten, war jedoch ohne Wirkung auf normale Ratten.

Bisher gibt es keine klinische Forschung mit Cannabis oder einzelnen Cannabinoiden bei der ADHD, aber einige Patienten berichten von positiven Wirkungen. Zudem hat eine klinische Studie beim Tourette-Syndrom eine Verbesserung von obsessiv-kompulsivem Verhalten gezeigt.

(Quelle: Adriani W, et al. The spontaneously hypertensive-rat as an animal model of ADHD: evidence for impulsive and non-impulsive subpopulations. Neurosci Biobehav Rev 2003;27(7):639-51)

Kanada — Grant Krieger zu nur einem Tag GefĂ€ngnis verurteilt

Am 3. Dezember verurteilte ein Geschworenengericht in Alberta einen medizinischen Marihuana-Patienten und -Aktivisten wegen Drogenhandels. Der Richter hatte den Geschworenen gesagt, sie hĂ€tten keine andere Wahl und mĂŒssten ihn fĂŒr schuldig befinden. Trotz dieser Aufforderung benötigten die Geschworenen 10 Stunden, um zu einer Entscheidung zu gelangen.

WĂ€hrend der Verhandlung baten zwei Geschworene den Richter, entlassen zu werden, da sie Grant Krieger, einen 49-jĂ€hrigen Multiple-Sklerose-Kranken, der Marihuana fĂŒr sich und andere Patienten angebaut hatte, nicht guten Gewissens fĂŒr schuldig befinden könnten. "Ich denke nicht, dass dieser Mann ein schuldiger Mann ist," erklĂ€rte einer der beiden Geschworenen. Richter Chrumka lehnte ihre Bitte ab, bevor er sie zur weiteren Beratung zurĂŒckschickte.

Richter Chrumka verurteilte Herrn Krieger zu einem Tag GefĂ€ngnis und erklĂ€rte sein Cannabisanbau sei nicht auf Gewinn ausgerichtet gewesen, und er habe damit Kranken helfen wollen. In Kriegers Haus wurde im Jahre 1999 eine Razzia durchgefĂŒhrt, bei der 29 Cannabispflanzen beschlagnahmt worden waren.

(Quellen: The Calgary Sun vom 4. Dezember 2003, Globe and Mail vom 4. Dezember 2003)

Kurzmeldungen

Kanada — Cannabis-Verwendung bei HIV

Nahezu einer von drei HIV-Patienten in Ontario verwendet nach einer Studie, die bei der jĂ€hrlichen Wissenschaftskonferenz des HIV-Behandlungs-Netztwerkes von Ontario vorgestellt wurde, Cannabis aus medizinischen GrĂŒnden. Von allen HIV-Positiven in Ontario verwendeten 29 % Marihuana medizinisch – etwa die doppelte Rate, die bei einer im Jahre 2001 veröffentlichten Studie aus British Columbia ermittelt worden war. Die Hauptziele waren Gewichtszunahme oder Appetitsteigerung, Verbesserung des Schlafes und die Linderung von Übelkeit und Erbrechen. Signifikant mehr Frauen als MĂ€nner (45 % gegenĂŒber 5 %) verwendeten die Droge zur SchmerzbekĂ€mpfung. (Quelle: Medical Post vom 25. November 2003)

Wissenschaft — Studie mit Krebs-Patienten

Unter der Leitung von Dr. Abrams von der UniversitĂ€t von Kalifornien in San Francisco haben Forscher eine klinische Studie zu den Wirkungen von Cannabis bei 16 Patienten mit Krebsschmerzen begonnen. Die Patienten werden gebeten, drei Marihuana-Zigaretten pro Tag nach einer standardisierten Art und Weise zu rauchen: FĂŒnf Sekunden inhalieren, zehn Sekunden einbehalten, dann ausatmen und diesen Zyklus alle 45 Sekunden wiederholen. (Quelle: KSL Television vom 5. Dezember 2003)

Wissenschaft — EntzĂŒndung

Eine LeberschĂ€digung wurde bei MĂ€usen durch eine Chemikalie verursacht. Ein neues synthetisches Cannabinoid (PRS-211,092), das keine psychischen Wirkungen verursacht, verringerte diesen Leberschaden. Die Cannabinoid-Wirkung war begleitet von einer Hemmung einiger entzĂŒndungsfördernder Botenstoffe, inklusive Interleukin-2, Interferon-Gamma und Tumor-Nekrose-Faktor-Alpha. Die Wissenschaftler folgerten, dass "dieser Cannabinoid-Abkömmling ein Immun-Modulator ist, der zu einem möglichen Medikament fĂŒr Hepatitis sowie fĂŒr andere kurz- oder langzeitige EntzĂŒndungen entwickelt werden könnte." (Quelle: Lavon I, et al. Mol Pharmacol 2003;64(6):1334-41)

Wissenschaft — Hanfsamen

In einer chinesischen Studie waren Extrakte aus Hanfsamen (Fructus Cannabis) wirksam bei der Verbesserung von LernfĂ€higkeit und Erinnerung bei MĂ€usen, bei denen durch eine Chemikalie eine Störung des GedĂ€chtnisses verursacht worden war. Der Extrakt erhöhte die Kalzineurin-AktivitĂ€t, was als Grund fĂŒr diese Wirkung interpretiert wurde. (Quelle: Luo J, et al. Acta Pharmacol Sin 2003;24(11):1137-42)

USA — New York

Der Aids-Beirat des Staates stimmte mit 8 zu 2 bei einer Enthaltung dafĂŒr, eine Gesetzesvorlage zu unterstĂŒtzen, die Patienten nach Verschreibung durch einen Arzt die Verwendung von Marihuana erlauben wĂŒrde. Ironischerweise waren die meisten der Ratsmitglieder von Gouverneur George Pataki ernannt worden, der sich gegen die medizinische Verwendung von Cannabis ausspricht. Der unbezahlte Aids-Beirat berĂ€t das staatliche Aids-Institut. (Quelle: Times Union vom 24. November 2003)

Großbritannien — GW Pharmaceuticals

GW Pharmaceuticals, das einen Cannabis-Spray entwickelt, erhÀlt möglicherweise keine Erlaubnis, um sein Medikament noch in diesem Jahr auf den Markt zu bringen. Bei Briefings mit Analysten hatte GW erklÀrt, dass es die Genehmigung bald erhalten werde, wÀhrend der Broker der Firma, Collins Stewart, seine Klienten gewarnt hat, dass es bis zum nÀchsten Herbst dauern könne. (Quelle: Independent vom 28 November 2003)