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IACM-Informationen vom 5. Juli 2008

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Deutschland — Bundestag debattiert AntrĂ€ge zur medizinischen Verwendung von Cannabis

Am 26. Juni diskutierte der Deutsche Bundestag zwei Ă€hnliche AntrĂ€ge der GrĂŒnen und der Linksfraktion zur medizinischen Verwendung von Cannabis, an der sich Redner aller fĂŒnf im Bundestag vertretenen Parteien sowie die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine BĂ€tzing (Sozialdemokratische Partei), beteiligten. Am 15. Oktober 2008 soll im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages eine öffentliche Expertenanhörung zum Thema stattfinden.

Die Reden von Detlef Parr (Freie Demokraten), Monika Knoche (Die Linke) und Dr. Harald Terpe (GrĂŒne) beinhalteten klare Forderungen nach einer Verbesserung der Möglichkeiten zur medizinischen Verwendung von Cannabisprodukten und einer Beendigung der Strafverfolgung von Schwerkranken. "Wir mĂŒssen den Betroffenen helfen, indem wir rechtliche Klarheit schaffen", erklĂ€rte Herr Parr. Die beiden Vertreterinnen der Sozialdemokraten (Dr. Marlies Volkmer, Sabine BĂ€tzing) zeigten immerhin VerstĂ€ndnis fĂŒr das Leid der betroffenen Patienten, ohne jedoch eine GesetzesĂ€nderung in Aussicht zu stellen. Die Vertreterin der Christdemokraten Maria Eichhorn redete im Wesentlichen am Thema vorbei und betonte die Gefahren des Cannabiskonsums bei Jugendlichen.

"Niemand von uns hat Zweifel daran, dass fĂŒr viele Menschen Cannabis als Medizin hilfreich sein kann", erklĂ€rte Frau BĂ€tzing fĂŒr die Bundesregierung. Sie wies jedoch darauf hin, dass eine GesetzesĂ€nderung zugunsten der Patienten nicht in Frage komme, da "der therapeutische Nutzen von Cannabis - abgesehen von Dronabinol bei bestimmten Indikationsbereichen - bis heute nicht eindeutig wissenschaftlich nachgewiesen ist". Daher werde es "dabei bleiben mĂŒssen, dass das BfArM auch weiterhin sorgfĂ€ltig (...) die Unbedenklichkeit der therapeutischen Anwendung im konkreten Einzelfall prĂŒft", auch wenn das Antragsverfahren fĂŒr alle Beteiligten "ungleich aufwĂ€ndiger eingeschĂ€tzt" werde als eine Verschreibung eines BetĂ€ubungsmittels und den unter schwerwiegenden Krankheiten leidenden Patienten "kaum zuzumuten" sei. Bisher habe das BfArM (Bundesinstitut fĂŒr Arzneimittel und Medizinprodukte), eine Behörde des Bundesgesundheitsministeriums 10 Patienten eine Erlaubnis zur Verwendung von Cannabis erteilt und 32 AntrĂ€ge abgelehnt.

Die Texte der Reden finden sich auf der Internetseite der IACM unter:

http://www.cannabis-med.org/german/bundestag_2008.pdf

(Quelle: Deutscher Bundestag, Protokoll der 172. Sitzung der 16. Wahlperiode vom 26. Juni 2008)

Wirtschaft — Dronabinol als Generikum verfĂŒgbar

Am 30. Juni gab Watson Pharmaceuticals bekannt, dass Watson nach einer Liefervereinbarung mit Solvay Pharmaceuticals eine autorisierte generische Version von Dronabinol mit Kapseln zu 2,5 mg, 5 mg und 10 mg des Medikamentes auf den Markt gebracht hat. Dronabinol ist der Internationale Freiname (INN) fĂŒr ein natĂŒrliches Cannabinoid der Cannabispflanze. Marinol-Kapseln von Solvay Pharmaceuticals enthalten synthetisches Dronabinol, das fĂŒr die Behandlung von Übelkeit und Erbrechen bei einer Krebschemotherapie von Patienten, die nicht adĂ€quat auf konventionelle antiemetische Behandlungen angesprochen haben. Dronabinol ist zudem fĂŒr die Behandlung der Appetitlosigkeit bei Gewichtsverlust von Aids-Patienten zugelassen. FĂŒr das Jahr 2007 gab Solvay Verkaufszahlen von Marinol in einem Umfang von 105 Millionen US-Dollar (etwa 66 Millionen Euro) bekannt.

GemĂ€ĂŸ der Liefervereinbarung wird Solvay Pharmaceuticals Dronabinol-Kapseln an Watson Pharmaceuticals, die das Produkt in den Vereinigten Staaten vermarkten, verkaufen und verteilen werden, liefern. Solvay Pharmaceuticals wird einen Anteil des Gewinns aus dem Verkauf des Generikums auf dem US-Markt von Watson erhalten. Watson Pharmaceuticals hat seinen Hauptsitz in Corona (Kalifornien). Das Unternehmen entwickelt, produziert, vermarktet, verkauft und verteilt pharmazeutische Originalprodukte und Generika.

Mehr unter:

http://ir.watson.com/phoenix.zhtml?c=65778&p=irol-newsArticle&ID=1170280

(Quelle: Pressemitteilung von Watson Pharmaceuticals vom 30. Juni 2008)

Wissenschaft Welt — Nach einer Studie der WHO steht Cannabiskonsum nicht in einer einfachen Beziehung zur Drogenpolitik

Nach einer Studie, die Daten aus den ersten 17 LĂ€ndern, die an der Umfrageinitiative zur Weltgesundheit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschreibt, ist "Drogenkonsum nicht gleichmĂ€ĂŸig verteilt und steht nicht in einer einfachen Beziehung zur Drogenpolitik, da LĂ€nder mit einer stringenten Politik der Illegalisierung von Drogen auf Konsumentenebene keine niedrigeren Konsumraten aufwiesen als LĂ€nder mit einer liberaleren Politik".

Umfragen mit einer gesamten StichprobengrĂ¶ĂŸe von 85.052 wurden in Amerika (Kolumbien, Mexiko, Vereinigte Staaten), Europa (Belgien, Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Spanien, Ukraine), dem Nahen Osten und Afrika (Israel, Libanon, Nigeria, SĂŒdafrika), Asien (Japan, Volksrepublik China) und Ozeanien (Neuseeland) durchgefĂŒhrt. Es wurden die HĂ€ufigkeit und die Korrelationen einer großen Anzahl von seelischen und Substanzkonsumstörungen erfasst. Der Cannabiskonsum in den Vereinigten Staaten und Neuseeland (beide 42 Prozent) war bei Weitem höher als in jedem anderen Land und war mehr als doppelt so hoch wie der Cannabiskonsum in den Niederlanden. Der Anteil der Jugendlichen unter 15 Jahren, der schon einmal Cannabis konsumiert hatte, betrug in Italien 3,3 Prozent, in den Niederlanden 7,0 Prozent, in Spanien 8,5 Prozent, in Deutschland 13,0 Prozent, in Frankreich 15,3 Prozent und in den USA 20,2 Prozent.

"Die USA, die einen großen Teil der weltweiten Drogenforschung und der Vorstellungen zur Drogenpolitik vorangetrieben haben, zeichnen sich durch höhere Konsumniveaus fĂŒr Alkohol, Kokain und Cannabis aus, trotz einer strafenden Politik bei illegalen Drogen", folgerten die Autoren. "Die Niederlande mit einem weniger strafenden Ansatz beim Cannabiskonsum als die USA wiesen geringere Konsumniveaus, insbesondere bei jungen Erwachsenen auf. Es ist klar, dass eine strafende Politik hinsichtlich Besitz und Konsum allein fĂŒr eine begrenzte Variation der Konsumraten illegaler Drogen auf LĂ€nderniveau verantwortlich ist."

Der Artikel steht zum Download verfĂŒgbar unter:

http://medicine.plosjournals.org/perlserv/?request=get-document&doi=10.1371/journal.pmed.0050141&ct=1

Zwei Artikel von Reuters zu dieser Forschung sind verfĂŒgbar unter:

http://www.reuters.com/article/latestCrisis/idUSN01254783

http://www.reuters.com/article/reutersComService4/idUSL0320469420080704

(Quellen: Reuters vom 1. und 3. Juli 2008; Degenhardt L, Chiu WT, Sampson N, Kessler RC, Anthony JC, Angermeyer M, Bruffaerts R, de Girolamo G, Gureje O, Huang Y, Karam A, Kostyuchenko S, Lepine JP, Mora ME, Neumark Y, Ormel JH, Pinto-Meza A, Posada-Villa J, Stein DJ, Takeshima T, Wells JE. Toward a Global View of Alcohol, Tobacco, Cannabis, and Cocaine Use: Findings from the WHO World Mental Health Surveys. PLoS Med 2008;5(7):e141.)

Europa — EU-Drogenbeobachtungsstelle veröffentlicht umfangreiche Monografie zur Cannabis-Thematik

SchĂ€tzungen zufolge hat es einer von fĂŒnf erwachsenen EuropĂ€ern bereits probiert, und mehr als 13 Millionen EuropĂ€er haben es im letzten Monat konsumiert. Weltweit werden jĂ€hrlich nahezu 50 000 Tonnen Cannabis als Kraut oder Harz fĂŒr den Konsum hergestellt. Kaum ĂŒberraschend also, dass Cannabis zu einem kontroversen kulturellen PhĂ€nomen geworden ist.

Eine neue mehr als 700-seitige Monografie der EBDD (EuropĂ€ische Beobachtungsstelle fĂŒr Drogen und Drogensucht) weist auf eines besonders hin: Cannabis ist nicht einfach nur eine statische und unverĂ€nderliche Pflanze, sondern ein dynamisches Produkt, dessen StĂ€rke, PrĂ€valenz und Anbau sich schrittweise Ă€ndern. In der Veröffentlichung vermitteln fĂŒhrende Experten knappe und prĂ€gnante Einblicke in verschiedene Themen des Cannabisumfelds mit ergĂ€nzenden Empfehlungen zur weiterfĂŒhrenden LektĂŒre. Die kurzen redaktionellen Hinweise bieten eine zielgerichtete EinfĂŒhrung in die einzelnen Themen. Die Monographie enthĂ€lt ein Kapitel zu Cannabis als Medizin in Europa im 19. Jahrhundert von Dr. Manfred Fankhauser und ein Kapitel ĂŒber die Wiederentdeckung der therapeutischen Verwendung von Cannabisprodukten von Dr. John Witton.

Die Monographie ist in englisch frei verfĂŒgbar unter:

http://www.emcdda.europa.eu/publications/monographs/cannabis

(Quelle: Pressemitteilung der EBDD vom 26. Juni 2008)

Kurzmeldungen

Wissenschaft — Caryophyllen

Schweizer Wissenschaftler fanden heraus, das Beta-Caryophyllen ein CB2-Rezeptoragonist ist. Dieses Cannabinoid tritt nicht nur in Cannabis auf, sondern ist ein Bestandteil von militĂ€rischen Ölen einer Vielzahl von GewĂŒrz- und ErnĂ€hrungspflanzen. Beta-Caryophyllen wird in Ă€therischen Ölen von Nelke, Hanf und Rosmarin gefunden. Die Aktivierung des CB2-Rezeptors kann zu einer Reduzierung von EntzĂŒndungen und einer Verlangsamung der Entwicklung der Arteriosklerose fĂŒhren. (Quelle: Gertsch J, et al. Proc Natl Acad Sci U S A, 23. Juni 2008 [elektronische Veröffentlichung vor dem Druck])

Österreich — Anbau von Cannabis

Die Agentur fĂŒr Gesundheit und ErnĂ€hrungssicherheit (AGES) darf Cannabis fĂŒr medizinische Zwecke und unter Aufsicht und Kontrolle des Gesundheitsministeriums anbauen. Dies ermöglicht eine am 1. Juli vom Gesundheitsausschuss gebilligte Novelle des Suchtmittelgesetzes. Durch die Änderung darf Cannabis zur Wirkstoffgewinnung fĂŒr die Arzneimittelherstellung angebaut werden. (Quelle: Der Standard vom 2. Juli 2008)

USA — Medizinstudenten

Die Abteilung der Medizinstudenten der amerikanischen Ärztegesellschaft (AMA) verabschiedete einstimmig eine Resolution, die die AMA drĂ€ngt, beim jĂ€hrlichen Kongress der AMA eine Umstufung von Cannabis fĂŒr medizinische Zwecke zu unterstĂŒtzen. Die Resolution geht nun zum Delegiertenparlament der AMA fĂŒr eine letzte Abstimmung bei einem Zwischentreffen im November 2008. Mehr unter:

http://stopthedrugwar.org/chronicle/541/ama_medical_student_section_supports_medical_marijuana (Quelle: Drug War Chronicle vom 27. Juni 2008)

Wissenschaft — Studie mit Cannador

Nach einer Zwischenauswertung der laufenden Studie mit Cannador bei Spastik aufgrund von multipler Sklerose sind nun 200 Patienten in die Studie aufgenommen. Cannador ist ein kapsulierter Cannabisextrakt. Das interne Monitoringzentrum (IDMC) gab die folgende Stellungnahme heraus. "(1) Das IDMC empfiehlt die FortfĂŒhrung der Studie. (2) Das IDMC ist sich der Schwierigkeiten hinsichtlich der Rekrutierung fĂŒr die Studie bewusst. (3) Das IDMC denkt, dass es empfehlenswert ist, wegen statistischer GrĂŒnde bis zu einer Gesamtzahl von 300 randomisierten Patienten fortzufahren." (Quelle: Persönliche Mitteilung von Dr. Martin Schnelle, Institut fĂŒr klinische Forschung, Berlin)

Wissenschaft — Glaukom

In einer experimentellen Studie von amerikanischen Wissenschaftlern wurde gezeigt, dass das Endocannabinoid 2-AG (2-Arachidonylglycerol) den wÀssrigen Ausfluss aus den Augen erhöhte. (Quelle: Njie YF, et al. Exp Eye Res, 14. Mai 2008 [elektronische Veröffentlichung vor dem Druck])

Wissenschaft — Schmerzen

In einer Studie mit 18 Gesunden war Dronabinol unwirksam bei der Reduzierung verschiedener Arten experimenteller akuter Schmerzen. (Quelle: Kraft B, et al. Anesthesiology 2008;109(1):101-10.)

Wissenschaft — Straßenverkehr

Kanadische Forscher fĂŒhrten bei 1021 Personen, die wegen des Missbrauchs von Kokain oder Cannabis behandelt wurden, eine Umfrage zu den Wirkungen dieser Drogen auf die Teilnahme am Straßenverkehr durch. Sie folgerten, dass "sowohl Cannabis als auch Kokain nachteilige, jedoch verschiedene Wirkungen auf die FahrtĂŒchtigkeit haben. Die negativen körperlichen Wirkungen von Cannabis können die Wahrscheinlichkeit der Teilnahme am Straßenverkehr unter dem Einfluss von Cannabis reduzieren." (Quelle: MacDonald S, et al. Traffic Inj Prev 2008;9(3):190-4.)

Wissenschaft — Schmerzen

Niedrige Cannabinoiddosen verstÀrkten in Studien mit Ratten die schmerzlindernden Wirkungen von Agonisten am metabotropen Glutamatrezeptor. (Quelle: Lee MK, et al. Pain, 18. Juni 2008[elektronische Veröffentlichung vor dem Druck])