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IACM-Informationen vom 3. August 2002
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Wissenschaft — Endocannabinoide löschen schlechte Gedanken im Gehirn aus
Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München haben gezeigt, dass das endogene Cannabinoidsystem eine zentrale Rolle bei der Auslöschung unangenehmer Erinnerungen spielt.
Transgene Mäuse, die keine Gehirn-Cannabinoidrezeptoren (CB1) haben, und Mäuse, die mit einem CB1-Rezeptorantagonisten behandelt worden waren, zeigten in Experimenten eine deutlich beeinträchtigte Auslöschung der Angst. Die Tiere, die darin konditioniert worden waren, einen Musikton mit einem elektrischen Schock zu assoziieren, produzierten eine Angstreaktion und reagierten auch weiterhin auf diese Weise, als der Ton nicht mehr von einem Schock gefolgt wurde. Normale Mäuse hörten schnell damit auf, auf den Ton zu reagieren, wenn er nicht mehr mit einem Schock assoziiert war, aber die behandelten Mäuse brauchten wesentlich länger, um die Angst zu vergessen.
Dr. Beat Lutz und sein Team fanden heraus, dass die Amygdala, eine Region des Gehirns, die wichtig für die Speicherung von Erinnerung und Furcht ist, mit Endocannabinoiden überflutet wurde, wenn die Mäuse nach und nach die gelernte Antwort auf den Schock vergaßen. Die Verwendung von Cannabis würde nicht die gleiche Wirkung beim Menschen verursachen, erklärte Lutz, weil es das ganze Gehirn überfluten würde und nicht spezifisch genug sei.
Dr. Pankaj Sah, ein Neurowissenschaftler an der australischen nationalen Universität in Canberra sagte in einem Kommentar, dass die jüngsten Befunde erklären könnten, warum einige Menschen mit psychiatrischen Problemen versuchen würden, Linderung mit Marihuana zu finden. Er meinte, dass Menschen mit bestimmten psychiatrischen Problemen sich vielleicht selbst behandeln würden, in einem Versuch, ihren Gehirnen zu helfen, einige schmerzhafte und traumatische Erinnerungen und Gedanken auszulöschen.
(Quellen: Marsicano G, et al. The endogenous cannabinoid system controls extinction of aversive memories. Nature 2002 Aug 1;418(6897):530-4; Sah P. Neurobiology: Never fear, cannabinoids are here. Nature 2002 Aug 1;418(6897):488-9; Reuters vom 31. Juli 2002; Seattle Times vom 1. August 2002; Abstract von Giovanni Marsicano et al. bei der ICRS-Tagung von 2002)
Wissenschaft — Neues beim Treffen der ICRS des Jahres 2002 (I)
Unten finden sich einige Forschungsergebnisse, die beim 12. jährlichen Symposium zu Cannabinoiden der Internationalen Forschungsgesellschaft für Cannabinoide vom 10. bis 14. Juli in den USA (Kalifornien) präsentiert wurden. (Siehe auch die nächsten IACM-Informationen.)
(1) Die Wirkungen von Cannabinoiden auf Autoimmunerkrankungen des zentralen Nervensystems wurden in Tiermodellen untersucht. Autoimmunerkrankungen des Gehirns und Rückenmarks (EAE) und des Auges (EAU) wurden bei normalen Mäusen und bei transgenen Mäusen, die keine CB1-Rezeptoren besitzen, ausgelöst. Das Fortschreiten der Erkrankung geschah bei den transgenen Mäusen wesentlich schneller als bei normalen Mäusen. Von außen zugeführte Cannabinoide (THC und WIN 55,212-2) produzierten in signifikantem Umfang eine Bewahrung der Retina bei der EAU. Dies legt nahe, dass Cannabinoide einige nervenschützende Eigenschaften bei der multiplen Sklerose aufweisen. (Abstract von Gareth Pryce et al.)
(2) Die mögliche Rolle von Endocannabinoiden bei der Hemmung des Wachstums von Dickdarmkrebs wurde in gesundem Gewebe und in Krebsgewebe, die beide durch Biopsien von Menschen gewonnen worden waren, untersucht. Sowohl gesundes als auch krebsiges Dickdarmgewebe exprimierte CB1- und CB2-Rezeptoren. Die Anandamid- und die 2-AG-Konzentrationen im Dickdarmkrebsgewebe waren etwa zweimal so hoch wie in gesundem Dickdarmgewebe. Zudem hemmte Anandamid dosisabhängig das Wachstum von Dickdarmkrebszellen, was durch einen CB1-Rezeptorantagonisten gehemmt wurde. (Abstract von Vinzenzo di Marzo et al.)
(3) Das nicht-psychotrope Pflanzencannabinoid Cannabidiol (CBD) reduzierte Entzündung und Schmerzüberempfindlichkeit in einem Rattenmodell für akute Entzündung. Zudem wiesen Tiere, die CBD erhalten hatten, geringere Mengen an Entzündungsparametern auf, eine niedrigere Konzentration von Prostaglandinen E2 (PGE2) im Plasma, eine niedrigere Aktivität der Cyclooxygenase (COX) in der entzündeten Pfote und eine geringere Konzentration von Stickstoffoxid und freien Radikalen in der Pfote. (Abstract von Barbara Costa et al.)
(4) Die tägliche gleichzeitige Gabe von niedrigen Dosen THC und Morphin beugte der Toleranzentwicklung des Morphin vor, wie sie bei täglichen Gaben von hohen Morphindosen auftritt, erzielte jedoch ähnliche schmerzlindernde Wirkungen bei Mäusen. (Abstract von Diana C. Cichewicz und Sandra P. Welch)
(5) Beim Glaukom kann der Zelltod in der Retina wegen der Giftigkeit des vermehrt gebildeten Neurotransmitters NMDA eintreten. Die Wirkung von Cannabinoiden (CB1-Agonisten) auf den durch NMDA-induzierten Nervenzelltod in der Retina wurde untersucht. Augen, die sowohl mit einem Cannabinoid als auch mit NMDA behandelt worden waren, behielten zweimal so viele Nervenzellen in der Retina wie Augen, die nur dem NMDA ausgesetzt waren, was einen nervenschützenden Effekt des Cannabinoids zeigt. (Abstract von G. Ayoub et al.)
(Quelle: Tagungsband des ICRS-Treffens von 2002. Der 182-seitige Tagungsband mit allen Abstracts ist zum Download erhältlich bei: www.cannabinoidsociety.org.)
Kurzmeldungen
Wissenschaft — THC-Aerosol
Ein THC-Aerosol wurde Mäusen mit einem Dosierinhalator verabreicht, um seine physiochemischen und pharmakologischen Eigenschaften zu testen. Die Ergebnisse zeigten, dass die weitere Entwicklung eines THC-Dosierinhalators eine angemessene Applikationsform für die therapeutische Verwendung von Cannabinoiden liefern könnte. (Quelle: Wilson DM, et al. Drug Alcohol Depend 2002 Aug 1;67(3):259-67)
Freiexemplare des Journal of Cannabis Therapeutics und des neuen Journal of Industrial Hemp sind erhältlich bei:
Sample Copy Dept
The Haworth Press, Inc.
10 Alice Street
Binghamton, NY 13904
USA
USA — Pressekonferenz am Kapitol
Am 24. Juli schlossen sich die Mitglieder des Repräsentantenhauses Barney Frank (Demokrat), Ron Paul (Republikaner), Dana Rohrabacher (Republikaner) und Janice Schakowsky (Demokrat) dem ehemaligen Helfer von Ronald Reagan Lyn Nofziger und einigen Patienten in einer Pressekonferenz am Kapitol in Washington an, um den Kongress aufzufordern, den Staaten zu erlauben, die medizinische Verwendung von Cannabis zu erlauben. (Quelle: AP vom 24. Juli 2002)
Frustriert durch den Entschluss der Bundesregierung, die medizinischen Marihuanaklubs zu schließen, denkt die Stadt San Francisco darüber nach, ihr eigenes Cannabis anzubauen. Ein Gesetzesvorschlag soll auf den Abstimmungszettel für die Wahlen vom November gesetzt werden, der darauf abzielt, dass Stadtvertreter die Möglichkeit erkunden, Marihuana auf öffentlichem Besitz anzubauen und es an kranke Patienten zu verteilen. (Quellen: Associated Press vom 23. Juli 2002, New York Times vom 24. Juli 2002)
Wissenschaft — Lungenfunktion
Die Wirkungen von Cannabis- und Tabakkonsum auf die Lungenfunktion von 900 jungen Erwachsenen aus Neuseeland, die im Alter von 18, 21 und 26 Jahren untersucht worden waren, wurde erforscht. Die Wirkung des kumulativen Cannabiskonsums auf das Verhältnis des forcierten 1-Sekundenausatmungsvolumens (FEV1) und der Vitalkapazität war grenzwertig signifikant (p < 0,09), während Zigarettenrauchen (p < 0,05), Alter (p < 0,001) und Gewicht (p < 0,001) signifikante Vorhersageparameter für die Lungenfunktion waren. (Quelle: Taylor DR, et al. Addiction 2002 Aug;97(8):1055-61)
Wissenschaft — Apoptose I
Ceramid wurde verwendet, um eine Apoptose (programmierter Zelltod) bei Astrozyten (bestimmte Hirnzellen, die keine Nervenzellen sind) auszulösen. Cannabinoide retteten Astrozyten vor der Ceramid-induzierten Apoptose in einer dosis- und zeitabhängigen Weise. (Quelle: Taylor DR, et al. et al. J Biol Chem 2002 Jul 19)
Wissenschaft — Apoptose II
Experimente mit Zellkulturen und Mäusen zeigten, dass die immununterdrückenden Wirkungen von THC zum Teil auf einer Induzierung der Apoptose von Immunzellen beruhen könnten (Quelle: McKallip RJ, et al. J Pharmacol Exp Ther 2002 Aug;302(2):451-65)
Kanada — Asylsuchende aus den USA
Es ist unwahrscheinlich, dass Cannabis rauchende politische Asylsuchende aus den Vereinigten Staaten einen Flüchtlingsstatus in Kanada erhalten werden. Das erklärten Einwanderungsexperten am 23. Juli. Mindestens drei Amerikaner (Steve Kubby, Ken Hayes und Renee Boje) leben in Kanada und argumentieren, dass sie in ihrem Heimatland verfolgt werden, weil sie versucht haben, Marihuana für medizinische Zwecke anzubauen und zu verwenden. (Quelle: Globe and Mail vom 24. Juli 2002)
Wissenschaft — Dexanabinol
Am 24. Juli erhielt Pharmos Corporation die Genehmigung des israelischen Gesundheitsministeriums, Dexanabinol zur Vorbeugung von leichten kognitiven Beeinträchtigungen, die nach Herzoperationen auftreten können, zu testen. Dexanabinol ist ein nicht-psychotroper THC-Abkömmling. Eine Abnahme der Denkleistung nach Herzoperationen wurde bis vor zwei Jahren nicht als großes Problem angesehen. Dann zeigte eine Studie, dass die Beeinträchtigung, die durch die Unterbrechung des Blutflusses zum Gehirn während der Operation auftritt, lang andauert. (Quelle: Jerusalem Post vom 25. Juli 2002)