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IACM-Informationen vom 29. April 2006
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USA — Arzneimittelbehörde verliert Glaubwürdigkeit nach einer Stellungnahme zum medizinischen Wert von Cannabis
In einer Stellungnahme vom 20. April erklärte die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA (Food and Drug Administration) erklärte, dass "es keine stichhaltigen wissenschaftlichen Studien gibt, die die medizinischen Verwendung von Marihuana für die Behandlung in den Vereinigten Staaten unterstützen, und keine am Tier oder Menschen erhobenen Daten die Sicherheit oder Wirksamkeit von Marihuana für die allgemeine medizinische Verwendung unterstützen".
Viele Kommentatoren in den Medien stellten fest, dass die FDA durch diesen Schritt an Glaubwürdigkeit eingebüßt habe. Die New York Times berichtete über das Thema wie folgt: "Die Gewohnheit der Bush-Administration, wissenschaftliche Einrichtungen zu politisieren, war in dieser Woche wieder auf dem Bildschirm, als die Food and Drug Administration ohne zwingenden Grund unerwartet eine kurze, schlecht begründete Stellungnahme veröffentlichte, die den therapeutischen Wert von Marihuana verneinte. Die Stellungnahme wurde als Antwort auf vielfältige Anfragen aus dem Weißen Haus beschrieben, ihre wahrscheinliche Absicht besteht jedoch in der Unterstützung von Razzien gegen Personen, die Marihuana aus medizinischen Gründen rauchen, und in dem Widerstand gegen Bemühungen von Bundesstaaten, dieses Verhalten zu legalisieren. (…) Wenn die FDA ein heikles Thema behandelt, setzt sie im Allgemeinen eine Expertengruppe ein, die die jüngsten Erkenntnisse durchsieht und dann eine Meinung abgibt, ob eine Substanz sicher und wirksam für die Verwendung ist. Dieses Mal veröffentlichte die Behörde eine knappe einseitige Stellungnahme, die versichert, dass 'keine stichhaltigen wissenschaftlichen Studien' die medizinische Verwendung von Marihuana unterstützten."
Die britische Zeitschrift Economist schrieb: "Wenn Cannabis unbekannt wäre und Sucher nach pflanzlichen Wirkstoffen ihn plötzlich in einer abgelegenen Felsspalte finden würden, so würde seine Entdeckung ohne Zweifel als ein medizinischer Durchbruch gefeiert. Wissenschaftler würden sein Potenzial für die Behandlung von allem zwischen Schmerz und Krebs preisen und über seine reichhaltigen arzneilichen Möglichkeiten staunen – viele seiner Bestandteile immitieren lebensnotwendige Moleküle im menschlichen Körper. In der Wirklichkeit hat Cannabis die Menschheit seit Tausenden von Jahren begleitet und wird von vielen Regierungen (besonders der amerikanischen) als gefährliche Droge ohne Nutzen betrachtet." In dem Artikel heißt es, dass es der Stellungnahme der FDA an "gesundem Menschenverstand" fehle.
Dr. Daniele Piomelli, Professor für Pharmakologie an der Universität von Kalifornien, wurde von der New York Times zitiert, dass er "niemals einen Wissenschaftler getroffen hat, der sagen würde, dass Marihuana entweder gefährlich oder nutzlos ist". Studien zeigen deutlich, dass Marihuana einigen Nutzen für einige Patienten hat, erklärte Dr. Piomelli. "Wir stimmen alle darin überein."
(Quellen: New York Times vom 21. und 22. April 2006, The Economist vom 27. April 2006, www.fda.gov)
Deutschland — Kein Zusammenhang zwischen Strafverfolgung und Umfang des Cannabiskonsums
Nach einer Studie des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums bestehen in Deutschland "große Differenzen" bei der Strafverfolgung von Cannabiskonsumenten in den verschiedenen Bundesländern. Ein Vergleich mit einer Erhebung des Instituts für Therapieforschung zeigt, dass die Verbreitung des Cannabiskonsums keine Beziehung zur Strafverfolgungspraxis aufweist.
Das Max-Planck-Institut hatte die strafrechtliche Praxis in sechs der 16 deutschen Bundesländer untersucht, in Bayern, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Schleswig-Holstein. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Jahre 1994 gefordert, dass beim Besitz einer "geringen Menge" das Strafverfahren eingestellt werden soll. Jedoch unterscheiden sich die von den Ländern erlassenen Richtlinien deutlich. So liegt die Höchstgrenze, bei der ein Strafverfahren eingestellt werden soll, in Bayern oder Sachsen bei sechs Gramm, in Nordrhein-Westfalen bei zehn Gramm, in Berlin und Hessen bei 15 Gramm und in Schleswig-Holstein bei 30 Gramm. Weitere Unterschiede, beispielsweise hinsichtlich der Berücksichtigung der Wiederholung des Drogenbesitzes, führen dazu, dass die prozentualen Anteile der Einstellungen ohne Auflagen zwischen 40 und 60 Prozent in Bayern und 80 bis 90 Prozent in Schleswig-Holstein und Berlin schwanken.
Das Institut für Therapieforschung hatte im Jahre 2003 im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums die Häufigkeit des Drogenkonsums in Deutschland untersucht und dazu 8.061 Personen im Alter von 18 bis 59 Jahren schriftlich befragt. Danach hatten 4,4 Prozent der Teilnehmer im drogenpolitisch liberalsten Bundesland Schleswig-Holstein in den letzten 12 Monaten Cannabis konsumiert. In Sachsen und Bayern, zwei der repressivsten Bundesländer, betrugen die Raten 4,7 und 5,5 Prozent. Das Max-Planck-Institut stellte daher fest, dass die unterschiedliche Strafverfolgungspraxis den Konsum illegaler Drogen wahrscheinlich nicht direkt beeinflusst, weist jedoch darauf hin, dass die unzureichende Aussagekraft des Datenmaterials keine fundierte wissenschaftliche Aussage zu dieser Frage zulasse.
(Quelle: Schäfer C, Paoli L. Drogenkonsum und Strafverfolgungspraxis. Max-Planck-Institut, Berlin 2006)
Kurzmeldungen
Wissenschaft — Vaporizer
Forscher der Universität Leiden untersuchten die Leistungsfähigkeit des Vaporizers Volcano hinsichtlich der reproduzierbaren Abgabe von THC. Sie fassten ihre Beobachtungen wie folgt zusammen: "Es zeigte sich, dass durchschnittlich etwa 54% des THC auf eine reproduzierbare Art und Weise in den Ballon des Vaporizers abgegeben wurde. Wenn der Vaporizer für die klinische Verabreichung von inhaliertem THC verwendet wurde, zeigte sich, dass durchschnittlich 35% des inhalierten THC sofort wieder ausgeatmet wurde. Unsere Ergebnisse zeigen, dass mit dem Volcano ein sicheres und wirksames Verabreichungssystem für Cannabinoide für Patienten verfügbar zu sein scheint. Die Aufnahme von THC durch die Lunge ist vergleichbar der beim Rauchen von Cannabis, unter Vermeidung der respiratorischen Nachteile des Rauchens." (Quelle: Hazekamp A, et al. J Pharm Sci, 24. April 2006; [elektronische Veröffentlichung vor dem Druck])
Beide Kammern des Parlaments haben eine Gesetzesvorlage angenommen, nach der der Besitz geringer Mengen verschiedener Drogen (Cannabis, Opiate, Kokain, etc.) legalisiert werden soll. Die Höchstgrenze für Cannabis soll bei 5 Gramm liegen. Das Büro von Präsident Vicente Fox hat bereits erklärt, dass der Präsident das Gesetz unterzeichnen werde. (Quellen: La Segunda vom 28. April 2006, elNuevoHerald.com vom 28. April 2006)
Wissenschaft — Kinderkrebs
Wissenschaftler der Universität von Nord-Carolina untersuchten eine mögliche Beziehung zwischen dem Neuroblastom, einem von der Nebenniere ausgehenden Kinderkrebs, und Drogenkonsum während der Schwangerschaft bei 538 Kindern mit Neuroblastom. Die mütterliche Verwendung illegaler Drogen verdoppelte nahezu das Risiko für die Entwicklung eines Neuroblastoms (OR = 1,82). Das Risiko war am höchsten für die Verwendung von Cannabis in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft, mit einem nahezu fünffach erhöhten Risiko (OR = 4,75). Ein Cannabiskonsum in dem Monat vor der Schwangerschaft erhöhte das Risiko nicht. Die Wirkung von Cannabis war am stärksten bei Kindern, deren Diagnose innerhalb des ersten Lebensjahres gestellt worden war. (Quelle: Bluhm EC, et al. Cancer Causes Control 2006;17(5):663-9)
Wissenschaft — Husten
Grundlagenforschung zeigt, dass die Hemmung des Abbaus von Anandamid den Husten bei Mäusen reduzierte, der durch Capsaicin ausgelöst worden war. Die Forscher verwendeten den Anandamid-Transporthemmer VDM11. Sie schlossen daraus, dass Anandamid die Empfindlichkeit für Husten modulieren und Husten lindernde Wirkungen haben kann. (Quelle: Kamei J, et al. Cough 2006;2(1):2)
USA — Ed Rosenthal
Ein Bundesberufungsgericht in Kalifornien hob am 26. April die Verurteilung von Ed Rosenthal wegen Irreführung der Geschworenen auf. Rosenthal war im Juni 2003 durch ein Bezirksgericht wegen des Anbaus mehrerer Hundert Cannabispflanzen für das medizinische Cannabisprogramm der Stadt Oakland verurteilt worden. Es war den Geschworenen nicht erlaubt zu erfahren, dass das Cannabis für medizinische Zwecke angebaut worden war. Das Berufungsgericht hielt allerdings das Recht der Bundesbehörden aufrecht, den Cannabisanbau auch für medizinische Zwecke zu bestrafen. (Quelle: Associated Press vom 26. April 2006)