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IACM-Informationen vom 25. Mai 2002

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Deutschland — Outing von Patienten, die Cannabis verwenden / Erneute Verfassungsbeschwerde eingelegt / Vorschlag für einen neuen Paragraphen 31b im Betäubungsmittelgesetz

Am 23. Mai bekannten sich 11 Schwerkranke mit Fotos und Wohnort in der Wochenzeitschrift Stern zu ihrem illegalen medizinischen Cannabiskonsum. Sie leiden an multipler Sklerose, Morbus Crohn (eine Darmerkrankung), Krebs, Asthma, Migräne, HIV und Hepatitis C. Sie fordern das Ende der Kriminalisierung medizinischer Cannabiskonsumenten.

Einer der Beteiligten, ein an multipler Sklerose Erkrankter, hat jüngst mit Unterstützung der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin erneut eine Verfassungsbeschwerde eingelegt. Er will damit erreichen, dass er sein Cannabis, das vor einigen Wochen von der Polizei beschlagnahmt wurde, zurückerhält. Das Landgericht Mannheim hatte die Beschlagnahme als rechtmäßig erklärt.

Die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin stellt zudem einen Vorschlag zur Aufnahme eines neuen Paragraphen in das Betäubungsmittelgesetz zur Diskussion, der Staatsanwälten und Richtern die Einstellung von Strafverfahren bei medizinischer Verwendung von Cannabisprodukten ermöglichen soll. Dieser neue Paragraph 31b würde das Vorliegen einer ärztlichen Empfehlung als Bedingung für Straffreiheit enthalten. Dieser Vorschlag wird von Dr. Hans-Harald Körner, Leiter der Zentralstelle für die Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität bei dem Generalstaatsanwalt in Frankfurt (Hessen), und anderen Juristen unterstützt.

(Quelle: Der Stern vom 23. Mai 2002)

Wissenschaft — Kleine Cannabisdosen sind unwirksam bei multipler Sklerose

Eine neue klinische Studie an der Universität von Amsterdam fand, dass THC nicht wirksam bei multipler Sklerose sei, wenn es in Dosen von maximal zweimal täglich 5 mg oral gegeben wird.

Dr. Joep Killestein und Kollegen führten eine doppelblinde, plazebokontrollierte Studie mit 16 MS-Patienten durch, die an starker Spastik litten, um die Sicherheit, Verträglichkeit und Wirksamkeit von oralem THC und einem oralen Cannabisextrakt zu untersuchen. Beide Medikamente waren sicher, jedoch traten unerwünschte Wirkungen häufiger bei der Behandlung mit dem Pflanzenextrakt auf. Verglichen mit Plazebo reduzierten weder THC noch Cannabis in den verwendeten Dosen (2,5 oder 5 mg zweimal täglich in oraler Verabreichung) die Spastik.

Dr. Thomas Ungerleider und Kollegen von der Universität von Kalifornien in Los Angeles hatten bereits in ihrer 1987 veröffentlichten Studie festgestellt, dass "die 7,5 mg-Dosis notwendig ist, um eine signifikante Reduzierung der Spastik zu erzielen", und 1999 hatte Dr. Roger Pertwee von der Universität von Aberdeen "ein gewisses Maß an Flexibilität hinsichtlich der Dosis" bei Studien mit THC bei multipler Sklerose empfohlen, und geraten, mit 2,5 oder 5 mg zweimal täglich zu beginnen.

(Quellen: Killestein J, et al. Safety, tolerability, and efficacy of orally administered cannabinoids in MS. Neurology 2002;58(9):1404-1407; Pertwee RG. Prescribing cannabinoids for multiple sclerosis. CNS Drugs 1999;11(5):327-334; Ungerleider JT, et al. Delta-9-THC in the treatment of spasticity associated with multiple sclerosis. Adv Alcohol Subst Abuse 1987;7(1):39-50.)

Großbritannien — Parlamentsausschuss empfiehlt Überprüfung der internationalen Drogenabkommen

In seinem langerwarteten Bericht zur Drogenpolitik, der am 22. Mai veröffentlicht wurde, empfiehlt der Innenausschuss des Parlaments, "dass die Regierung eine Diskussion innerhalb der Kommission zu Betäubungsmitteln über alternative Wege - inklusive der Möglichkeit der Legalisierung und Regulierung - initiiert, um das globale Drogendilemma zu lösen."

Hinsichtlich Cannabis unterstützt der Ausschuss die Absicht der Regierung, die Droge von der Klasse B in die Klasse C umzustufen, was Cannabis in die gleiche Kategorie wie Antidepressiva und Steroide einstufen würde. Im Bericht heißt es dazu: "Egal ob Cannabis eine Einstiegsdroge ist oder nicht, wir glauben nicht, dass etwas damit gewonnen ist, wenn seine Schädlichkeit übertrieben wird."

Die Liberaldemokraten, die die Legalisierung von Cannabis unterstützen, erklärten, dass der Bericht nicht weit genug gehe. Diese Meinung wird von Lord Bingham, der älteste juristische Lord an Englands höchstem Gericht, geteilt. In einem Interview kritisierte er die "dumme" Herangehensweise der Regierung an Cannabis und fordert die Legalisierung der Droge.

Der gesamte Bericht ist erhältlich unter:

http://www.publications.parliament.uk/pa/cm200102/cmselect/cmhaff/318/31802.htm

(Quellen: Associated Press vom 22. Mai 2002, Reuters vom 23. Mai 2002)

Kurzmeldungen

Kanada — Cannabis von hoher Qualität

Die Firma, die Kanadas offiziellen Marihuanavorrat anbaut, erklärt, dass das Kraut sich als zu potent erwiesen habe. Das Marihuana sei nicht schlecht - das Problem sei, dass es zu gut sei, erklärte Prairie Plant Systems am 15. Mai in einem Brief an Gesundheitsministerin Anne McLellan. Firmenchef Brent Zettl ist wütend über den "beschädigten Ruf" der Firma, der aus den jüngsten Enthüllungen von Frau McLellan entstanden sei, nach dem das Projekt, kranke Kanadier mit Marihuana zu versorgen, verzögert wurde, weil das Material nicht rein sei. Das hat zu Meldungen über schlechte Qualität geführt. (Quellen: Ottawa Citizen vom 16. Mai 2002, Toronto Star vom 16. Mai 2002)

Wissenschaft — Schwangerschaft

Die geistige Leistungsfähigkeit von Neugeborenen von 354 Müttern wurde nach 6,5, 12 und 13 Monaten beurteilt. Alkoholkonsum während der Schwangerschaft war mit einer geringeren kognitiven Leistjungungsfähigkeit verbunden. Die Verwendung von Kokain und Tabak war mit einer geringeren Größe bei der Geburt assoziiert. Es wurden keine Wirkungen in Abhängigkeit von Cannabiskonsum entdeckt. (Quelle: Jacobson SW, et al. Pediatrics 2002 May;109(5):815-25)

USA — Vermont

Die kontroverse Frage, ob Vermont den Cannabiskonsum für Personen mit schweren Erkrankungen legalisieren sollte, scheint für diese Legislaturperiode erledigt zu sein. Am 24. Mai erzielte ein gemeinsames Komitee von Repräsentantenhaus und Senat eine vorläufige Übereinstimmung, die Gesetzesvorlage fallen zu lassen und statt dessen eine Sonderkommission einzusetzen, die das Thema untersuchen und seine Ergebnisse dem nächsten Gesetzgeber berichten soll. (Quelle: Rutland Herald vom 25. Mai 2002)

USA — Nevada

Es gibt nun 154 registrierte Nutzer von Nevadas medizinischem Marihuanaprogramm und zudem 18 Betreuer. Das erklärte Cecile Crofoot, die das Programm im Agrarministerium durchführt. Nach ihrer Kenntnis ist keiner dieser Registrierten wegen Drogenvergehen in rechtliche Schwierigkeiten geraten. Das Programm wurde 2001 vom Gesetzgeber genehmigt. Nevadas Programm ähnelt dem von Oregon, das ebenfalls von Bundesstaatsanwälten ignoriert wurde. (Quelle: Nevada Appeal vom 14. Mai 2002)

Welt — Doping

Die Welt-Anti-Dopingagentur (WADA) hat eine neue Dopingdefinition herausgegeben, die besagt, dass eine Dopingsubstanz oder -methode "das Potenzial besitzt, die sportliche Leistungsfähigkeit zu steigern". Frühere Definitionen hoben leistungsfördernde Drogen nicht besonders hervor. Rune Andersen, WADA-Direktor für Standards und Harmonisierung, erklärte, dass Cannabis und andere nicht leistungssteigernde Mittel nicht länger auf der Liste der verbotenen Dopingsubstanzen geführt würden. Sie würden statt dessen in einer neuen "Benimmcode"-Kategorie geführt. Es wird erwartet, dass der neue Code im Januar 2004 in Kraft tritt, sechs Monate vor den olympischen Spielen in Athen. (Quelle: Associated Press vom 24. Mai 2002)