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IACM-Informationen vom 21. Januar 2017

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Deutschland — CannabisblĂŒten werden nach einem Gesetz, das vom Deutschen Bundestag verabschiedet wurde, vom MĂ€rz 2017 an fĂŒr medizinische Zwecke verschreibungsfĂ€hig

Der Deutsche Bundestag verabschiedete am 19. Januar ein Gesetz, das die Verwendung von Cannabis fĂŒr medizinische Zwecke legalisiert. Das Gesetz wurde von den Mitgliedern des Bundestages einstimmig und ohne Enthaltung angenommen. Personen, die an schweren Erkrankungen, wie Multiple Sklerose und chronischen Schmerzen, leiden, können CannabisblĂŒten, Cannabisextrakte und Cannabis-basierte Medikamente, wie der Cannabisextrakt Sativex, Dronabinol (THC) und Nabilon durch jeden Arzt auf einem BetĂ€ubungsmittelrezept verschrieben werden. Das Gesetz begrenzt die Möglichkeit der Verschreibung von Cannabis und Cannabis-basierten Medikamenten nicht auf bestimmte Erkrankungen.

Das Gesetz besagt, dass Patienten das Recht zur Behandlung mit Cannabis in begrĂŒndeten AusnahmefĂ€llen erhalten, aber es wird Patienten nicht erlaubt sein, ihr eigenes Cannabis anzubauen. „Schwerkranke Menschen mĂŒssen bestmöglich versorgt werden. Dazu gehört, dass die Kosten fĂŒr Cannabis als Medizin fĂŒr Schwerkranke von ihrer Krankenkasse ĂŒbernommen werden, wenn ihnen nicht anders wirksam geholfen werden kann“, erklĂ€rte Gesundheitsminister Hermann Gröhe. Eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums erklĂ€rte, dass Cannabis nur als letzte Möglichkeit eingesetzt werden wĂŒrde, wenn alles andere nicht zu funktionieren scheine. Sie erklĂ€rte, dass gleichzeitig eine wissenschaftliche Begleitforschung durchgefĂŒhrt werde, um die Wirkungen der Cannabis-Verwendung in solchen FĂ€llen beurteilen zu können. Die Krankenkassen mĂŒssen die Kosten der Behandlung bezahlen. Sie erklĂ€rte, dass das Gesetz vermutlich im MĂ€rz in Kraft treten werde, nach einer formalen Lesung im Deutschen Bundesrat. Es werden in Deutschland in der Zukunft staatlich ĂŒberwachte Cannabis-Plantagen aufgebaut. Bis dahin wird Cannabis importiert, gegenwĂ€rtig aus den Niederlanden und Kanada.

„Dies ist ein großartiger Erfolg aller Patienten, Ärzte und Juristen, die sich seit vielen Jahren innerhalb der deutschen Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM), zunehmend unterstĂŒtzt durch andere Personen, Organisationen und Politiker, fĂŒr die Verbesserung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung mit Cannabis einsetzen“, erklĂ€rte Dr. Franjo Grotenhermen, Vorsitzender der ACM. „Aber“, so fĂŒgte er hinzu, „dieser Kampf ist nicht beendet. Heute ist der Tag, um all den vielen zu danken, die an dieser Entwicklung mitgewirkt haben und weiter fĂŒr unsere Ziele arbeiten.“ Die entscheidenden Schritte, die schließlich zum aktuellen Gesetz gefĂŒhrt haben, wurden 1999 durch eine Verfassungsbeschwerde von 8 Patienten ins Rollen gebracht. Das Bundesverwaltungsgericht unterstrich in diesem Zusammenhang im Jahr 2005: den hohen Wert des im Grundgesetz verankerten Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Es schrieb: "In das Recht auf körperliche Unversehrtheit kann nicht nur dadurch eingegriffen werden, dass staatliche Organe selbst eine Körperverletzung vornehmen oder durch ihr Handeln Schmerzen zufĂŒgen. Der Schutzbereich des Grundrechts ist vielmehr auch berĂŒhrt, wenn der Staat Maßnahmen ergreift, die verhindern, dass eine Krankheit geheilt oder wenigstens gemildert werden kann und wenn dadurch körperliche Leiden ohne Not fortgesetzt und aufrechterhalten werden." Dadurch wurde die Bundesregierung gezwungen, Schwerkranken unter bestimmten Bedingungen eine Erlaubnis fĂŒr die Verwendung von CannabisblĂŒten zu erteilen.

Reuters vom 19. Januar 2017

Video der Debatte im Deutschen Bundestag vom 19. Januar 2017

Informationen zum Gesetz auf der Webseite des Bundesgesundheitsministeriums

Wissenschaft USA — Der Bericht der Nationalen Akademie der Wissenschaften zu Cannabis

Im Jahr 1999 veröffentlichte das Medizininstitut der Nationalen Akademie der Wissenschaften der USA einen Bericht zu den gesundheitlichen Wirkungen von Marihuana. Nun veröffentlichte die Akademie einen neuen Bericht. Darin heißt es, dass die medizinische Wissenschaft bewiesen habe, dass es legitime medizinische Verwendungen fĂŒr Marihuana und Medikamente auf Cannabisbasis gebe. Es gibt deutliche Beweise, dass Cannabisprodukte wirksam bei der Behandlung chronischer Schmerzen, von Muskelspasmen durch Multiple Sklerose und bei der Linderung von Übelkeit durch Chemotherapie sind. Allerdings gibt es nur wenige oder keine Belege fĂŒr die vielen anderen gesundheitlichen Annahmen im Zusammenhang mit Marihuana, heißt es im Bericht.

Die Marihuanaverwendung geht mit einer Anzahl möglicher Gesundheitsrisiken einher, ob es nun fĂŒr medizinische oder Freizeitzwecke verwendet werde. So der Bericht. Der Bericht fordert die Regierung auf, Regeln zu erleichtern, die derzeit noch die Erforschung von Cannabis erschweren, sodass Wissenschaftler die Spreu vom Weizen trennen können, wenn es um medizinische Behauptungen und Gesundheitsrisiken im Zusammenhang mit Cannabis geht. Die Nationale Akademie der Wissenschaften veröffentlichte The Health Effects of Cannabis and Cannabinoids am 12. Januar, nach einer ausfĂŒhrlichen Übersicht der gesamten verfĂŒgbaren medizinischen Forschung. Zu den 16 Mitgliedern des Komitees, das den Bericht erstellte, zĂ€hlten das IACM-Vorstandsmitglied Dr. Donald Abrams von der UniversitĂ€t von Kalifornien und der Herausgeber von Cannabis and Cannabinoid Research Dr. Daniele Plomelli.

The Health Effects of Cannabis and Cannabinoids: The Current State of Evidence and Recommendations for Research

UPI vom 12. Januar 2017

Kurzmeldungen

Brasilien — Sativex wird unter dem Namen Mevatyl erhĂ€ltlich sein

Die brasilianische Gesundheitsbehörde Anvisa erklĂ€rte am 16. Januar, das es die erste Lizenz des Landes fĂŒr den Verkauf eines Cannabis-basierten Medikaments erteilt habe. Der orale Spray zur Behandlung der multiplen Sklerose wurde von dem britischen Unternehmen GW Pharmaceuticals entwickelt und ist international als Sativex bekannt. Er wird in Brasilien unter dem Markennamen Mevatyl verkauft.

Reuters vom 16. Januar 2017

Wissenschaft Irland — Die meisten praktischen Ärzte unterstĂŒtzen die medizinische Verwendung von Cannabis

In einer Umfrage unter irischen praktischen Ärzten mit einer RĂŒcklaufquote von 15 % (n = 565) unterstĂŒtzten mehr als die HĂ€lfte (58,6 %) die Legalisierung von Cannabis fĂŒr medizinische Zwecke.

Irish College of General Practitioners, Dublin, Irland.

Crowley D, et al. Harm Reduct J. 2017;14(1):4.

Wissenschaft/Mensch — Die Verwendung von Cannabis ist unter Menschen mit QuerschnittslĂ€hmung hĂ€ufiger als in der Allgemeinbevölkerung

In DĂ€nemark wurden 1101 Patienten mit QuerschnittslĂ€hmung befragt, und 537 Teilnehmer fĂŒllten den Fragebogen vollstĂ€ndig aus. Von diesen hatten 36 % Cannabis wenigstens einmal probiert und 9 % waren aktuelle Konsumenten. 59 % gaben wenigstens einen guten Effekt auf Schmerzen und Spastik an. Jene, die niemals Cannabis versucht hatten, berichteten, dass sie Cannabis vor allem verwenden wĂŒrden, um Schmerzen und Spastik zu lindern, wenn es legalisiert wĂŒrde.

Zentrum fĂŒr QuerschnittslĂ€hmung von WestdĂ€nemark, Regionalkrankenhaus von Viborg, DĂ€nemark.

Andresen SR, et al. J Rehabil Med, 18. Januar 2017 [Im Druck]

Wissenschaft/Tier — Die Anzahl der CB2-Rezeptoren ist bei Hunden mit SchĂ€den am RĂŒckenmark erhöht

Im RĂŒckenmark von Hunden mit degenerativer Myelopathie war die Zahl der CB2-Rezeptoren erhöht, vor allem in aktivierten Astrozyten. Die Autoren schrieben, dass „diese Rezeptoren als ein möglicher Angriffspunkt zur VerstĂ€rkung der nervenschĂŒtzenden Wirkungen durch diese Gliazellen genutzt werden könnten“.

Medizinische FakultÀt, Complutense-UniversitÀt, Madrid, Spanien.

FernĂĄndez-Trapero M, et al. Dis Model Mech, 9. Januar 2017 [Im Druck]

Wissenschaft/Tier — Warum CB2-Rezeptoren einen vielversprechenden Angriffspunkt fĂŒr entzĂŒndliche Schmerzen darstellen könnten

Studien mit erwachsenen Ratten zeigen, dass die Endocannabinoid-Signalgebung in einer Region des zentralen Nervensystems, die sehr wichtig fĂŒr die Schmerzverarbeitung ist, die rostrale ventromediale Medulla, bei einer anhaltenden EntzĂŒndung verĂ€ndert ist. Die Autoren schrieben, dass diese Beobachtung „eine weitere rationale Grundlage fĂŒr die Entwicklung von CB2-Rezeptor-selektiven Agonisten als nĂŒtzliche Therapeutika fĂŒr chronisch entzĂŒndliche Schmerzen darstellt“.

Klinik fĂŒr neurologische Chirurgie, Gesundheits- und WissenschaftsuniversitĂ€t von Oregon, Portland, USA.

Li MH, et al. J Neurosci. 2017;37(3):626-636.

Wissenschaft/Tier — MĂ€use, die mit viel Fett und Zucker gefĂŒttert werden, wiesen ein gestörtes Endocannabinoidsystem auf

Verglichen mit MĂ€usen, die eine StandardernĂ€hrung fĂŒr Nagetiere erhielten, zeigten MĂ€use, die 60 Tage lang mit einer fett- und zuckerreichen ErnĂ€hrung (westliche DiĂ€t, WD) gefĂŒttert wurden, eine starke Zunahme des Körpergewichts. Dies war mit einer Störung des Endocannabinoidsystems verbunden. Die Autoren schrieben, dass ihre Ergebnisse „nahelegen, dass ein vermehrtes Fressen, das mit einem WD-induzierten Übergewicht verbunden ist, durch eine verstĂ€rkte Endocannabinoid-Signalgebung an peripheren“ CB1-Rezeptoren angetrieben wird.

UniversitÀt von Kalifornien, Riverside, USA.

Argueta DA, et al. Physiol Behav. 2017;171:32-39.

Wissenschaft/Mensch — Cannabiskonsum wĂ€hrend der Jugendzeit ist nicht mit dem Gewicht im mittleren Alter verbunden

In einer Analyse von 712 dÀnischen Heranwachsenden, die zu Beginn der Studie zwischen 15 und 19 Jahre alt waren, war Cannabiskonsum nicht mit den GewichtsverÀnderungen vom Jugendalter ins mittlere Lebensalter verbunden. Das zeigen Daten, die 20 bis 22 Jahre spÀter erhoben wurden.

Institut fĂŒr molekulare Biowissenschaften, UniversitĂ€t von Sydney, Camperdown, Australien.

Jin LZ, et al. PLoS One. 2017;12(1):e0168897.

Wissenschaft/Mensch — Keine relevante Beziehung zwischen Cannabiskonsum und Angst in der allgemeinen Bevölkerung

Eine Analyse von 5 qualitativ hochwertigen Studien zum Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und Angst in der Allgemeinbevölkerung fand keine signifikante Beziehung (Odds Ratio: 1,04; 95 %-Konfidenzintervall: 0,91-1,19).

Psychologisches Institut, UniversitĂ€t von Southampton, Großbritannien.

Twomey CD. J Epidemiol Community Health. 2017 Jan 4. [in press]