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IACM-Informationen vom 14. Februar 2004

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Kanada — Patienten könnten von Cannabis wegen seines Drogen-Images abgehalten werden

Das Cannabis anhaftende Stigma hĂ€lt Schwerkranke davon ab, die Vorteile seiner medizinischen Möglichkeiten zu nutzen. So heißt es in einer Studie der Spezialistin fĂŒr Palliativ-Pflege Dr. Romayne Gallagher, Professorin an der UniversitĂ€t von British Columbia.

Sie fĂŒhrte eine Umfrage unter sterbenden Patienten der Palliativ-Pflege-Stationen in Kelowna und Vancouver durch, die zeigte, dass diese Patienten beunruhigt waren, dass Marihuana ihre Lunge schĂ€digen könnte, illegal ist oder AbhĂ€ngigkeit verursacht. Sie waren zudem ĂŒber die mögliche Auswirkung von Cannabisrauch auf Familienmitglieder besorgt.

Auch Morphium ist weiterhin stigmatisiert, erklĂ€rte Dr. Gallagher. Obwohl viele Patienten unter starken Schmerzen sterben wĂŒrden, machten sich viele Sorgen um Themen rund um den Drogenkonsum. Oft reflektieren ihre BefĂŒrchtungen die Sichtweise der Ärzte, die sie verschreiben, sagte sie. "Was frustrierend fĂŒr Patienten ist, dass die Ängste des Arztes ihnen das GefĂŒhl vermittelt, dass sie sich rechtfertigen mĂŒssen, dass sie die ganze Zeit Schmerzen haben. Ein Allgemeinmediziner mag sich unwohl fĂŒhlen, wenn er ein Opioid verschreibt, und der Patient ist gedemĂŒtigt, weil er immer rechtfertigen muss, dass er tatsĂ€chlich Schmerzen hat."

Öffentliche AufklĂ€rung könnte helfen, das Stigma, das mit der Cannabisverwendung zu medizinischen Zwecken verbunden ist, aufzuheben, erklĂ€rte sie. "Die Studie hat mich gelehrt, dass wir weiterhin viel AufklĂ€rung durchfĂŒhren sollten ĂŒber die Mittel, die wir haben und die recht gut wirken. Leute, die den grĂ¶ĂŸten Nutzen von Cannabis erhalten, sagen, dass es wunderbar ist, dass sie eine gute Schmerzlinderung davon bekommen, und dass sie nicht psychisch verĂ€ndert sind. Ich habe es bei Patienten verwendet, meistens bei anderen Erkrankungen als Krebs und nicht in palliativen Situationen, wie multiple Sklerose."

(Quelle: Haley L. Your bias may be keeping pot from pain patients. Medical Post vom 3. Februar 2004, Vol. 40(5))

Deutschland — Wortbruch der Bundesregierung zu Cannabis als Medizin

Das Bundesgesundheitsministerium teilte der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM) in einem Schreiben vom 29. Januar 2004 mit, dass das Ministerium "vorerst" keinen Cannabisextrakt verschreibungsfÀhig machen wolle. Der wissenschaftliche Erkenntnisstand zur medizinischen Wirkung von Cannabis reiche nicht aus, um einen solchen Schritt zu rechtfertigen.

Im FrĂŒhjahr 1999 hatte das Gesundheitsministerium die dafĂŒr zustĂ€ndige Institution der deutschen ApothekerverbĂ€nde gebeten, eine Rezepturvorschrift fĂŒr einen Cannabisextrakt zu entwickeln, damit Apotheker solche Extrakte herstellen könnten. Vertretern der ACM war zu dieser Zeit mitgeteilt worden, die Bundesregierung plane eine GesetzesĂ€nderung, um Ärzten die Verschreibung dieses Extraktes zu erlauben. Ein Cannabisextrakt könne bereits im Herbst 2001 verfĂŒgbar sein.

In einem gemeinsamen Beitrag eines Vertreters der BundesĂ€rztekammer und des Bundesgesundheitsministeriums fĂŒr das Deutsche Ärzteblatt, die Deutsche Apothekerzeitung und die Pharmazeutische Zeitung vom April 2001 wurde die Position des Bundesgesundheitsministeriums der Fachöffentlichkeit bekannt gemacht, nach der "die Aufnahme von Cannabisextrakt in die Anlage III des BtMG vorbereitet" werde. In einem Schreiben des Bundesgesundheitsministeriums an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages vom 28. September 2001 wird diese Absicht wiederholt.

Nach einigen Verzögerungen legten die deutschen ApothekerverbĂ€nde im Sommer 2003 ihren Entwurf einer Rezepturvorschrift fĂŒr einen Cannabisextrakt vor. Das Bundesgesundheitsministerium schreibt nun, diese Rezepturvorschrift sei ihr "zugeleitet" worden, und ignoriert, dass sie diese angefordert hatte. Anstatt die notwendige GesetzesĂ€nderung vorzubereiten, beobachte "die Bundesregierung weiterhin sorgfĂ€ltig die wissenschaftlichen BemĂŒhungen um den Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit von Cannabisextrakt".

Der Vorsitzende der ACM, Dr. Franjo Grotenhermen, bezeichnete dieses Verhalten als "TĂ€uschung der Öffentlichkeit und unverfrorenen Wortbruch". Die im Brief vorgetragene BegrĂŒndung sei schwach, fragwĂŒrdig und durch eine "herzlose BĂŒrokratensprache" gekennzeichnet. "Die Bundesregierung steckt in politischen Schwierigkeiten und versucht offensichtlich, einen weiteren möglichen Angriffspunkt zu vermeiden, auf dem RĂŒcken von Patienten."

Wissenschaft — Die Wirkung von Cannabis auf die FahrtĂŒchtigkeit ist dosisabhĂ€ngig

In einer australischen Studie wurden Unfallursachen bei 3398 tödlich verunglĂŒckten Fahrern untersucht. WĂ€hrend Fahrer mit niedrigen THC-Konzentrationen im Blut eine geringere Wahrscheinlichkeit hatten, einen Unfall zu verursachen als drogenfreie Fahrer, waren höhere THC-Konzentrationen mit einer deutlich höheren Verschuldensrate verbunden.

FĂŒr alle Fahrer, die nur THC im Blut hatten, betrug das geschĂ€tzte relative Risiko (Odds Ratio, OR) fĂŒr die Verursachung eines Unfalls im Vergleich zu drogenfreien Fahrern 2,7 (das heißt 2,7 mal so hoch). FĂŒr Fahrer mit mehr als 5 ng/ml THC im Blut stieg die OR auf 6,6. Allerdings war die Verschuldensrate fĂŒr Fahrer mit 5 ng/ml THC oder weniger in ihrem Blut geringer als bei drogenfreien Fahrern. Drogenfrei bedeutet, dass keine legalen (Alkohol, Medikamente) oder illegalen Drogen gefunden worden waren.

Die Verschuldensrate fĂŒr Fahrer mit einer Blutalkoholkonzentration ĂŒber 0,5 Promille war mehr als dreimal so hoch wie bei der Gruppe mit nur THC im Blut. Die OR fĂŒr Fahrer mit THC und Alkohol im Blut im Vergleich mit den Fahrern mit alleinigem THC betrug 2,9, was auf einen additiven Effekt von THC und Alkohol auf die BeeintrĂ€chtigung der Fahrleistung hinweist.

Fahrer ĂŒber 60 Jahre und jĂŒnger als 25 wiesen eine höhere Verschuldensrate auf als Fahrer im Alter von 30 bis 59 Jahren, die ersten vermutlich wegen einer nachlassenden psychomotorischen LeistungsfĂ€higkeit, die zweiten vermutlich wegen Unerfahrenheit und höherer Risikobereitschaft. Die OR von Fahrern im Alter zwischen 18 und 25 Jahren verglichen mit Fahrern im Alter zwischen 30 und 39 Jahren betrug 1,7, die OR von Fahrern ĂŒber 60 verglichen mit den Fahrern im Alter zwischen 30 und 39 betrug 2,2.

(Quellen: Drummer O, et al. The involvement of drugs in drivers of motor vehicles killed in Australian road traffic crashes. Accid Anal Prev 2004;36(2):239-48; perönliche Mitteilung von Olaf Drummer)

Kurzmeldungen

Spanien — Umfrage zur medizinischen Verwendung

Der öffentliche Gesundheitsdienst von Andalusien fĂŒhrt eine Umfrage zur medizinischen Verwendung von Cannabis und Cannabinoiden in Spanien durch. Der Fragebogen ist auf der IACM-Internet-Seite erhĂ€ltlich, unter

www.cannabis-med.org/spanish/nav/home-patients.htm

Schweiz — Freispruch fĂŒr Ärzte

Ein Gericht in Neuenburg hat fĂŒnf Ärzte freigesprochen, die ihren Patienten Cannabis zur Schmerzlinderung verschrieben hatten. Nach Auffassung des Gerichts hĂ€tten die Ärzte nicht in der Absicht gehandelt, Gesetzesbestimmungen zu verletzen. Ihnen sei es darum gegangen, die Schmerzen der betroffenen Patienten zu lindern. Bereits der "Notstand", in welchem die Angeklagten gehandelt hĂ€tten, rechtfertige einen Freispruch, hielt das Gericht fest. (Quelle: Tagesanzeiger vom 3. Februar 2004)

Großbritannien — Doktor kaufte Cannabis fĂŒr Patienten

Einem Àrztlichen Ausschuss wurde am 2. Februar berichtet, dass ein Arzt Cannabis von einem Patienten kaufte, um einem anderen, der an Krebs starb, zu helfen. Der Arzt gab zu, die Droge zweimal an eine 56-jÀhrige Frau mit einem Lymphom verabreicht zu haben. Sie hatte eine Chemotherapie und Strahlentherapie erhalten, diese jedoch eingestellt, nachdem ihr mitgeteilt worden war, dass der Krebs nicht geheilt werden könne. (Quelle: Daily Telegraph vom 3. Februar 2004)

Wissenschaft — Schmerzen bei HIV

Die Presseagentur Reuters berichtete von einer Studie mit gerauchtem Cannabis bei neuropathischen Schmerzen von 16 HIV-Patienten, die bei der 11. jĂ€hrlichen Retrovirus-Konferenz vom 8. – 11. Februar in San Francisco vorgestellt worden war. Zwölf der 16 Teilnehmer erlebten eine mehr als 30-prozentige Schmerzreduzierung. Die Kurzfassung der Studie von Donald Abrams und seinen Kollegen ("The effects of smoked cannabis in painful peripheral neuropathy and cancer pain refractory to opioids") war bereits im September bei der IACM-Konferenz in Köln vorgestellt worden und ist online verfĂŒgbar unter

http://www.cannabis-med.org/studies/study.php

(Quelle: Reuters vom 12. Februar 2004)

USA — Oakland

Die kalifornische Stadt Oakland wird vier medizinischen Marihuana-Verkaufsstellen Gewerbegenehmigungen erteilen und acht weitere zwingen zu schließen. Beginnend mit dem 1. Juni mĂŒssen medizinische Marihuana-Klubs, die nach dem staatlichen Marihuanagesetz (Proposition 215) arbeiten, Gewerbegenehmigungen beantragen. Die Stadt will aus den Antragstellern vier auswĂ€hlen. (Quelle: San Francisco Chronicle vom 5. Februar 2004)

Wissenschaft — Psychose

Eine Analyse der Literatur zum Zusammenhang zwischen Cannabis und Psychosen wurde von britischen Wissenschaftlern durchgefĂŒhrt. FĂŒnf Studien wurden aufgenommen. Cannabiskonsum war mit einer zweifachen Zunahme des relativen Risikos fĂŒr die spĂ€tere Entwicklung einer Schizophrenie assoziiert. Die Wissenschaftler nehmen an, dass die Eliminierung von Cannabis zu einer Reduzierung der Schizophrenie um etwa 8 Prozent fĂŒhren wĂŒrde, "unter der Annahme einer ursĂ€chlichen Beziehung". Cannabiskonsum "scheint weder eine ausreichende noch eine notwendige Ursache fĂŒr eine Psychose zu sein." (Quelle: Arseneault L, et al. Br J Psychiatry. 2004 Feb;184(2):110-117.)

USA — Hanflebensmittel

Am 6. Februar verlor die amerikanische Drogenbehörde DEA (Drug Enforcement Administration) ihren Kampf fĂŒr das Verbot von Lebensmitteln aus Hanfsamen wie etwa Speiseöl, die nur geringe THC-Konzentrationen enthalten. Ein Berufungsgericht in San Francisco urteilte, dass die DEA fĂŒr die Regulierung dieser Lebensmittel nicht zustĂ€ndig ist, da sie keine Drogen seien. Die DEA hatte das Verbot damit begrĂŒndet, dass alle Substanzen, die THC enthalten, illegale Drogen seien. (Quelle: PresseerklĂ€rung der Hemp Industries Association vom 6. Februar 2004)

Deutschland — Umfrage

Die UniversitĂ€t DĂŒsseldorf sucht ehemalige oder aktuelle Cannabiskonsumenten, die an einer anonymen Umfrage zum Cannabiskonsum teilnehmen möchte. Der Fragebogen kann unter www.datenerhebung.de herunter geladen werden.

IACM — Korrektur der IACM-Informationen

In den IACM-Informationen vom 18. Januar 2004 berichteten wir, dass die Zahl der Personen aus Oregon, die medizinische Marihuana-Ausweiskarten besitzen nun 7.584 Personen betrage, was nicht mehr als 2 Prozent sind, wie wir schrieben, sondern 0,2 Prozent der Bevölkerung Oregons von 3,4 Millionen.