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IACM-Informationen vom 13. September 2003

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IACM — Dr. Raphael Mechoulam als neuer Vorsitzender gewĂ€hlt

Die Mitgliederversammlung am 11. September in Köln, Deutschland, wĂ€hlte Dr. Raphael Mechoulam, Professor an der hebrĂ€ischen UniversitĂ€t in Jerusalem, Entdecker von THC im Jahre 1964 und Anandamid im Jahre 1992, zum neuen Vorsitzenden. Dr. Franjo Grotenhermen vom Kölner nova-Institut bleibt geschĂ€ftsfĂŒhrender Vorstand. Wie von der italienischen ACT (Associazione per la Cannabis Terapeutica) vorgeschlagen, wurde Dr. Vincenzo Di Marzo als neues Mitglied des IACM-Vorstandes gewĂ€hlt, der nun 10 Mitglieder umfasst.

Unter dem Eindruck von Drohungen gegen Ärzte, die ihren Patienten Cannabis empfehlen oder ihn als eine therapeutische Möglichkeit diskutieren, in verschiedenen LĂ€ndern und aktuell besonders in den USA, nahm die Mitgliederversammlung eine Resolution mit folgendem Wortlaut an: "Es ist das Recht von Ärzten, mit ihren Patienten die medizinische Verwendung von Cannabis zu diskutieren."

Beim Vorstandstreffen wurde entschieden, zu einem jĂ€hrlichen Rhythmus der wissenschaftliche Kongresse zu wechseln und die 3. IACM-Konferenz zu Cannabinoiden in der Medizin im spĂ€ten September oder frĂŒhen Oktober 2004 abzuhalten. Mögliche Orte sind Großbritannien, die Niederlande und Spanien.

Großbritannien — Regierung will Freizeitkonsum von Cannabis liberalisieren

Großbritannien: Regierung will Freizeitkonsum von Cannabis liberalisieren

Das Rauchen von Cannabis wird nach neuen RegierungsplĂ€nen nicht mehr gegen das Strafgesetz verstoßen. Mit Beginn des Jahres 2004 werden Freizeitkonsumenten nicht mehr strafverfolgt. Innenminister David Blunkett ĂŒbergab dem Parlament einen Gesetzentwurf, nach dem die Droge von der Klasse B zur Niedrig-Risiko-Klasse C herabgestuft werden soll, damit die Polizei sich auf harte Drogen wie Heroin konzentrieren kann.

"Nach der Umstufung werden die meisten Vergehen wegen Cannabisbesitz zu einer polizeilichen Verwarnung und Konfiszierung der Droge fĂŒhren," erklĂ€rte Blunkett. Es wĂŒrden keine weiteren Maßnahmen ergriffen, es sei denn, es gĂ€be Beschwerden, Beweise fĂŒr einen wiederholten Besitz oder Rauchen in der Öffentlichkeit. Personen, die in der NĂ€he von Schulen oder SpielplĂ€tzen rauchten, mĂŒssten jedoch mit einer Verhaftung rechnen.

Polizeichefs baten ihre Beamten, in Übereinstimmung mit der neuen Politik eine entspanntere Haltung im Umgang mit Cannabis einzunehmen. Andy Hayman, Sprecher fĂŒr Drogen der Vereinigung der Polizeichefs erklĂ€rte, dass die BegrĂŒndung fĂŒr die bestehenden Gesetze – dass Personen, die Cannabis versucht hĂ€tten, hĂ€ufiger zu harten Drogen wechseln wĂŒrden – widerlegt worden sei. "Die Theorie ĂŒber die Einstiegsdrogen hĂ€lt der Wirklichkeit nicht stand,” erklĂ€rte er.

(Quellen: UPI vom 12. September 2003, Reuters vom 12. September 2003)

IACM — Neues bei der 2. IACM-Konferenz zu Cannabinoiden in der Medizin (I)

IACM: Neues bei der 2. IACM-Konferenz zu Cannabinoiden in der Medizin (I)

Etwa 120 Personen nahmen an der Konferenz vom 12. – 13. September an den medizinischen UniversitĂ€tskliniken Köln, die von der IACM in Kooperation mit der Klinik fĂŒr Psychiatrie und Psychotherapie und der Klinik fĂŒr AnĂ€sthesiologie der UniversitĂ€t Köln organisiert worden war, teil. Die Direktoren beider Kliniken, Dr. Joachim Klosterkötter and Dr. Walter Buzello, nahmen als Vorsitzende bei den Übersichten von Dr. Mechoulam zu den nervenschĂŒtzenden Eigenschaften der Cannabinoide und von Dr. Di Marzo zur möglichen Verwendung von Medikamenten auf Endocannabinoid-Basis gegen Tumorwachstum teil.

Einige VortrÀge beim Kongress:

* THC wirksam bei Spastik von QuerschnittsgelÀhmten

Am REHAB in Basel nahmen 15 Patienten mit QuerschnittslÀhmung an einer doppelblinden placebokontrollierten Studie mit oralem und rektalen THC teil. Die mittlere tÀgliche Dosis betrug 31 mg bei der oralen Dosis (Dronabinol-Kapseln). THC resultierte in einer signifikanten Reduzierung der Spastik nach einer Einzeldosis von 10 mg THC sowie im Verlaufe von 6 Wochen mit individueller Dosierung. (Vortrag von Ulrike Hagenbach)

* Gerauchtes Cannabis reduziert neuropathische Schmerzen bei HIV

Eine Pilotstudie mit 16 Teilnehmern mit anhaltender schmerzhafter HIV-assoziierter Neuropathie trotz Behandlung mit Opiaten wurde an der UniversitĂ€t von Kalifornien in San Francisco durchgefĂŒhrt. 10 der 16 Teilnehmer erlebten eine mehr als 30-prozentige Reduzierung der Schmerzen nach einer siebentĂ€gigen Behandlung mit gerauchtem Cannabis. Eine placebokontrollierte Studie mit einer ZielgruppengrĂ¶ĂŸe von 50 wird zur Zeit durchgefĂŒhrt. (Vortrag von Donald Abrams)

* Abkömmlinge von Cannabidiol (CBD) könnten wirksam bei entzĂŒndlicher Darmerkrankung sein

Abkömmlinge von CBD wurden an MĂ€usen hinsichtlich ihrer möglichen therapeutischen Wirkungen bei entzĂŒndlichen Darmerkrankungen untersucht. CBD selbst und verschiedene Analoge hemmten die Darmbeweglichkeit. Die Forscher folgerten, dass "CBD-Analoge ohne zentrale Wirkungen ein therapeutisches Potenzial als entzĂŒndungshemmende Medikamente fĂŒr das Magen-Darm-System, mit Anwendung bei ZustĂ€nden wie entzĂŒndliche Darmerkrankung und Morbus Crohn." (Vortrag von Ester Fride)

* Cannabinoide beeinflussen die Knochenbildung

Nach Forschungsergebnissen an der hebrÀischen UniversitÀt in Jerusalem sind Endocannabinoide bei der Knochenbildung beteiligt. VorlÀufer von Knochen bildenden Zellen (Osteoblasten) zeigten eine kontinuierliche Zunahme der Dichte von CB2-Rezeptoren, jedoch nicht von CB1-Rezeptoren. Zudem zeigten MÀuse, die systematisch mit dem Endocannabinoid 2-AG oder dem spezifischen CB2-Agonisten behandelt worden waren, eine dosisabhÀngige Zunahme der Knochenbildung. Die Forscher nehmen an, dass "Endocannabinoide die Knochenbildung stimulieren." (Vortrag von Raphael Mechoulam)

* Erfolgreiche Verwendung von Dronabinol bei Kindern mit schweren neurologischen Erkrankungen

Acht Fallberichte von Kindern im Alter zwischen 3 und 14 Jahren, die an schweren neurologischen Störungen leiden, inklusive Spastik, Dystonie und KrampfanfĂ€lle, wurden vorgestellt. Sie wurden erfolgreich in eine Kinderarztpraxis mit Dronabinol (THC) behandelt. (Vortrag von RĂŒdiger Lorenz)

(Quelle: Reader der 2. IACM-Konferenz zu Cannabinoiden in der Medizin,

www.cannabis-med.org/meeting/cologne2003/home.htm)

Belgien — Belgien könnte Holland folgen, indem es Cannabis fĂŒr Patienten verfĂŒgbar macht

Die belgische Regierung erklĂ€rte am 3. September, dass es keine EinwĂ€nde dagegen habe, dem hollĂ€ndischen Schritt zu folgen, Cannabis auf Rezept in Apotheken verfĂŒgbar zu machen. Gesundheitsminister Rudy Demotte bestĂ€tigte, dass Belgien das nĂ€chste europĂ€ische Land sein könnte, das den Verkauf von Cannabis in Apotheken legalisieren könnte.

"Dies ist ein Gebiet, wo die öffentliche Gesundheit am wichtigsten ist, und Forschung hat gezeigt, dass Cannabis von medizinischem Nutzen sein kann," heißt es in einer Stellungnahme des Gesundheitsministeriums. Zur Zeit wird an einigen belgischen UniversitĂ€ten Forschung durchgefĂŒhrt, die den medizinischen Nutzen von Cannabis beweisen soll, bevor die Substanz an Patienten abgegeben werden könnte.

Seit dem 1. September sind zwei Cannabissorten mit einem hohem Gehalt an Dronabinol (THC) in hollĂ€ndischen Apotheken erhĂ€ltlich, SIMM 18 mit ungefĂ€hr 15 % Dronabinol und 0,7 % Cannabidiol, das vom Stichting-Institut fĂŒr medizinisches Marihuana hergestellt wird und 8,80 Euro pro Gramm kostet, sowie BEDROCAN mit etwa 18 % THC und 0,8 % CBD, hergestellt von der Firma Bedrocan zu einem Preis von 10 Euro pro Gramm. Das resultiert in einem Preis von 0,056 Euro (etwa 0,05 US-Dollar) oder 5 – 6 Cents fĂŒr ein Milligramm Dronabinol.

(Quellen: Expatica.com vom 4. September 2003, Vortrag von Willem Scholten bei der IACM-Konferenz)

USA — Ein Bundesgericht ĂŒberstimmte in einem medizinischen Cannabis-Fall nicht ein staatliches kalifornisches Gericht

Erstmals hat ein Bundesrichter klargemacht, dass lokale Sheriffs nicht zu einem Bundesgericht laufen können, um die Anordnung eines staatlichen Richters zu umgehen, medizinischen Cannabis an seinen Besitzer zurĂŒckzugeben.

In einer bahnbrechenden Entscheidung hat US-Bezirksrichterin Marilyn Hall Patel am 29. August entschieden, dass Bundesrichter nicht die AutoritĂ€t besitzen, die Konfiszierung von Cannabis unter der Kontrolle eines Sheriffs anzuordnen, nachdem ein staatlicher Richter den Sheriff angewiesen hatte, die Unze Cannabis an seinen Besitzer, Christopher Giauque, zurĂŒckzugeben. "Bundesbehörden sollen sich nicht in staatliche VorgĂ€nge einmischen, um Kontrolle ĂŒber Besitz zu erlangen, der von staatlicher Polizei kontrolliert wird," schrieb Patel.

Dies ist ein Meilenstein,” erklĂ€rte Dale Gieringer, der kalifornische Koordinator der Nationalen Organisation fĂŒr die Reform der Marihuanagesetze. Es sei das erste Mal, dass irgendein Bundesgericht jemals die RĂŒckgabe von Marihuana in einem medizinischen Marihuana-Fall angeordnet hat, erklĂ€rte er. Die Bundesbehörden können ihre Entscheidung vor dem Berufungsgericht fĂŒr den 9. Bezirk anfechten.

(Quelle: Los Angeles Daily Journal vom 2. September 2003)

Kurzmeldungen

Wissenschaft — Umfrage

Ein Fragebogen war von Forschern der UniversitĂ€t von Calgary an 780 Kanadier mit multipler Sklerose verschickt worden. 62 % der Fragebögen wurden vollstĂ€ndig zurĂŒckgeschickt. 72 % der RĂŒcksender unterstĂŒtzen die Legalisierung zu medizinischen Zwecken, 43 % hatten Cannabis zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens konsumiert, 16 % zu medizinischen Zwecken. Zu den Symptomen, die verbessert wurden, zĂ€hlten: Angst/Depression, Spastik und chronische Schmerzen. (Quelle: Page SA, et al. Can J Neurol Sci. 2003 Aug;30(3):201-5.)

USA — Erneute Legalisierung in Alaska

Das Gesetz, das jeden Besitz von Cannabis in Alaska illegal erklĂ€rt, sei verfassungswidrig, urteilte ein Berufungsgericht in Alaska am 19. August. Das Urteil bekrĂ€ftigt die Entscheidung des obersten Gerichtshofes von Alaska aus dem Jahre 1975, nachdem der Besitz von 112 Gramm Cannabis im eigenen Zuhause legal ist. 1990 hatten die WĂ€hler in Alaska ein Gesetz angenommen, das den Besitz einer jeden Menge der Droge an jedem Ort fĂŒr illegal erklĂ€rt. Gouverneur Frank H. Murkowski erklĂ€rte, er sei "sehr besorgt" ĂŒber die erneute Legalisierung der Droge, und dass "Bewohner Alaskas, die Marihuana verwenden, sich daran erinnern sollten, dass sein Konsum oder Besitz nach den Bundesgesetzen illegal bleibt.” (Quellen: Guelph Mercury vom 30. August 2003, Capital Weekly vom 2. September 2003)

Wissenschaft — Epilepsie

In einem Tiermodell fĂŒr Epilepsie verhinderte THC und ein synthetisches Cannabinoid vollstĂ€ndig die epileptischen KrampfanfĂ€lle. Die KrampfanfĂ€lle waren in den Tieren durch Pilocarpin induziert worden. Ein Cannabinoid-Rezeptor-Blocker (SR141716A) erhöhte sowohl die Krampfdauer als auch ihre HĂ€ufigkeit, was nahe legt, das das Endocannabinoid-System hinsichtlich der KrampfaktivitĂ€t tonisch aktiv ist. (Quelle: Wallace MJ, et al. J Pharmacol Exp Ther. 2003 Sep 3 [elektonische Publikation vor dem Druck.)

Wissenschaft — Dickdarmkrebs

In Gewebe von Dickdarm-Karzinomen war die Endocannabinoid-Konzentration gegenĂŒber normalem Dickdarmgewebe um das 2- bis 3-fache erhöht. Die Gewebeproben waren von 21 Patienten durch Biopsien wĂ€hrend einer Dickdarmspiegelung entnommen worden. Die Forscher folgern aus ihren Beobachtungen, dass die Endocannabinoid-Spiegel bei Dickdarmkrebs erhöht sind, "möglicherweise um die Vermehrung zu hemmen." (Quelle: Ligresti A, et al. Gastroenterology. 2003 Sep;125(3):677-87)

Argentinien — UnterstĂŒtzung fĂŒr die medizinische Verwendung

In einem ausfĂŒhrlichen Interview fĂŒr La Capital sprach sich Aquiles Roncoroni, emeritierter Professor fĂŒr Pneumologie an der UniversitĂ€t von Buones Aires, fĂŒr die medizinische Verwendung von Cannabis fĂŒr mehrere Indikationen aus. Marihuana sei ein Opfer moralischer Einstellungen geworden, erklĂ€rte er. Roncoroni sprach ĂŒber das Thema ebenfalls bei einer Tagung der argentinischen Vereinigung fĂŒr Schadensreduzierung. Wenn auch andere Medikamente fĂŒr mögliche Indikationen fĂŒr Cannabis verfĂŒgbar seien, so wĂŒrden sie nicht immer wirken oder könnten nicht tolerierbare Nebenwirkungen verursachen. (Quelle: La Capital vom 24. August 2003)