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IACM-Informationen vom 11. Juni 2005
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USA — Oberster Gerichtshof erklärt die Verfolgung von medizinischen Cannabisnutzern durch die Bundesbehörden für rechtmäßig
Ein mit sechs zu drei Stimmen erfolgtes Urteil des Obersten Gerichtshofs hebt das Urteil eines Bundesberufungsgerichts aus dem Jahr 2003 auf, das das kalifornische medizinische Cannabisgesetz aus dem Jahre 1996 vor dem Zugriff durch die Bundesdrogenbehörden geschützt hat. Das Berufungsgericht war der Auffassung gewesen, dass der Kongress kein Recht habe, den nichtkommerziellen Anbau und die Verwendung von Cannabis zu regulieren, solange die Droge nicht die Staatengrenzen überschreitet. Der Oberste Gerichtshof ist anderer Auffassung.
Das Urteil des Obersten Gerichtshofs ist eine kräftige Wiederbehauptung der bundesbehördlichen Rechte und offenbart einen tiefen Riss zwischen den Richtern, die im vergangenen Jahrzehnt eine Mehrheit für eine Anzahl von Entscheidungen ergeben hat, die die Macht des Kongresses gezügelt und die Rolle der Staaten gestärkt haben. Die aktuelle Entscheidung ist nicht notwendigerweise das letzte Wort zu medizinischem Cannabis, weder von den Gerichten noch von anderen Stellen der Regierung.
Richter John Paul Stevens, der anmerkte, dass "vielleicht wichtiger als diese rechtlichen Wege der demokratische Prozess sei," schlug vor, dass die Exekutive Cannabis für medizinische Zwecke umklassifizieren könne, oder dass der Kongress das Thema aufgreift. Unterstützer der medizinischen Verwendung von Cannabis wiesen in der Zwischenzeit darauf hin, dass die staatlichen Gesetze in Kraft bleiben und dass der Einfluss der Bundesbehörden in diesem Bereich gering sei. Allen Hopper, ein Anwalt des Drogenreformprojektes der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, erklärte, dass die Bundesregierung nur ungefähr ein Prozent der Strafverfolgung wegen Cannabis durchführe.
Richterin Sandra Day O´Connor, eine der drei Abweichler, erklärte, dass obwohl sie nicht für die kalifornische medizinische Marihuanainitiative gestimmt hätte und sie nicht als öffentliche Politik unterstütze, sie eine Art von Innovation und "Experiment" sei, das sich innerhalb des Bereiches bewege, den die Verfassung den Staaten zugestehe. "Die staatlichen Kernpolitikbereiche haben immer das Recht beinhaltet, die Strafgesetze zu definieren und die Gesundheit, Sicherheit und Wohlfahrt ihrer Bürger zu schützen," erklärte sie.
Frau Angel Raich, eine der zwei Klägerinnen, erklärte gegenüber den Medien, dass sie mit der Verwendung von Cannabis, das ihr vom Arzt verschrieben worden sei und für sie von Freunden angebaut würde, fortfahren werde. "Ich habe keine andere Wahl, als damit weiterzumachen," sagte sie.
(Quellen: New York Times vom 6. Juni 2005, Reuters vom 6. Juni 2005)
Großbritannien — GW Pharmaceuticals muss auf eine Zulassung von Sativex in Großbritannien warten
Am 9. Juni wurde GW Pharmaceuticals informiert, dass die zuständige Behörde (MHRA, Medicines and Healthcare products Regulatory Agency) ihre Entscheidung aufrechterhält, dass eine weitere klinische Studie zur Spastik von Multiple-Sklerose-Patienten notwendig sei, bevor GWs Cannabisextrakt Sativex eine arzneimittelrechtliche Zulassung in Großbritannien erhalten könne. Im Dezember 2004 hatte die MHRA entschieden, dass die Beweise für die Wirksamkeit von Sativex bei MS-Spastik bisher nicht ausreichend überzeugend seien. GW legte gegen diese Entscheidung bei der Medizinischen Kommission, dem wichtigsten Beratungsgremium der Arzneimittelbehörde, Widerspruch ein.
Professor Mike Barnes, Präsident der Weltgesellschaft für Rehabilitation und Vorsitzender des königlichen Kollegs des ärztlichen Rehabilitationsrates, erklärte: "Es ist meine Meinung, dass es ausgezeichnete klinische Beweise dafür gibt, die Zulassung von Sativex in Großbritannien zu unterstützen. Ich bin sehr enttäuscht, dass die Medizinische Kommission nicht meiner Empfehlung und der anderer führender Experten in der Behandlung der MS gefolgt sind. Menschen mit MS haben einen erheblichen unerfüllten medizinischen Bedarf, und ich bin sehr traurig, dass die Behördenvertreter sich noch nicht in der Position fühlen, dieses wichtige Produkt zuzulassen."
Im Dezember 2004 kündigte GW seine Absicht an, eine weitere MS-Spastik-Studie parallel zum Verfahren mit der medizinischen Kommission zu beginnen. Diese Studie, die 280 Patienten umfassen wird, hat nun begonnenen. Ergebnisse sollen im Frühling 2006 vorliegen.
(Quelle: Presseerklärung von GW Pharmaceuticals vom 10. Juni 2005)
Kurzmeldungen
Deutschland — Morbus Crohn
Für die Teilnahme an einer klinischen Studie mit einem Cannabisextrakt bei Morbus Crohn an der Universität München werden noch Teilnehmer gesucht. Mehr Informationen unter "Teilnahme an Therapiestudien" unter
http://med2.klinikum.uni-muenchen.de/bereich3/patienteninformationen/frame_haupt.htm
Die Studie stellt einen wichtigen Schritt für die Zulassung von Cannabis für die Behandlung von Morbus Crohn dar. (Quelle: Persönliche Mitteilung der Studienleiter)
Wissenschaft — Cannabinoidrezeptoren in der Haut
Deutsche Forscher untersuchten das Vorkommen von Cannabinoidrezeptoren in Zellen der menschlichen Haut. CB1- und CB2-Rezeptoren wurden in Nervenfasern der Haut, Hautzellen (Keratinozyten), Zellen der Haarfollikel, Schweißdrüsen und anderen Zellen gefunden. Die Autoren schreiben, das die "weite Verbreitung von Cannabinoidrezeptoren auf Nervenfasern der Haut und Mastzellen Bedeutung für die entzündungshemmende und schmerzlindernde Wirkung von Cannabinoidrezeptor-Agonisten hat." (Quelle: Stander S, et al. J Dermatol Sci 2005;38(3):177-88.)
USA — Rhode Island und Connecticut
Am 4. Juni nahm der staatliche Senat von Connecticut und am 7. Juni der Senat von Rhode Island Gesetzesvorlagen an, die die medizinische Verwendung von Cannabis in den beiden Staaten legalisieren würden. Beide Vorlagen werden wegen starker Widerstände vermutlich kein Gesetz. In Rhode Island hat Gouverneur Don Carcieri bereits sein Veto angkündigt, falls die Gesetzesvorlage auf seinen Tisch käme. (Quellen: The Stamford Advocate vom 5. Juni 2005, Associated Press vom 7. Juni 2005)
Großbritannien — Scotland Yard
Der neue Chef von Scotland Yard, Sir Ian Blair, hat sich gegen Pläne der Regierung ausgesprochen, Cannabisbesitz wieder zu einem Vergehen hochzustufen, das eine Verhaftung nach sich zieht. "Leute wegen geringer Mengen zu verhaften, ist eine Verschwendung von Zeit und Mitteln," erklärte er. (Quelle: The Independent vom 20. Mai 2005)
Wissenschaft — Depression
Das synthetische Cannabinoid HU-210 und der Endocannabinoid-Wiederaufnahmehemmer AM404 zeigten in einem Rattenmodell für Depressionen antidepressive Wirkungen. Diese wurden durch einen CB1-Antagonisten blockiert, was nahe legt, dass diese Wirkung durch CB1-Rezeptoren vermittelt wird. (Quelle: Hill MN and Gorzalka BB. Eur Neuropsychopharmacol, 22. Mai 2005; [Elektronische Veröffentlichung vor dem Druck])
USA — Diskussion zur Regulierung von Cannabis
In einem Bericht, der am 2. Juni veröffentlicht wurde, schätzte Dr. Jeffrey Miron, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Harvard-Universität, den Gewinn aus Steuern und gesparten Ausgaben bei einer Ersetzung des Cannabis-Verbotes durch ein Steuer- und Regulierungssystem ähnlich dem beim Alkohol auf zwischen 10 und 14 Milliarden US-Dollar pro Jahr. In Reaktion darauf veröffentlichte eine Gruppe von mehr als 500 Ökonomen, angeführt vom Nobelpreisträger Milton Friedman, einen offenen Brief an Präsident Bush, in dem sie zu "einer offenen und ehrlichen Diskussion über das Marihuanaverbot" auffordern. Der Bericht ist verfügbar unter: http://www.prohibitioncosts.org (Quelle: Pressemitteilung Marijuana Policy Project vom 2. Juni 2005)
Wissenschaft — Immunsystem bei multipler Sklerose
Während der britischen CAMS-Studie (Cannabis bei multipler Sklerose), die von Dr. John Zajicek geleitet wurde, wurde bei 100 Teilnehmern die Wirkung von THC und Cannabis auf Immunparameter untersucht. Es gab keine Hinweise für einen Einfluss der Cannabinoide auf die Blutspiegel der untersuchten Parameter Interferon-Gamma, Interleukin-10, Interleukin-12 und C-reaktives Protein. (Quelle: Katona S, et al. Clin Exp Immunol 2005;140(3):580-5.)
Wissenschaft — Ajulemische Säure
Das synthetische Cannabinoid ajulemische Säure (IP-751, CT-3) wurde in Tiermodellen für neuropathische Schmerzen untersucht. Es reduzierte die Schmerzen ohne die Bewegungsleistung einzuschränken, die üblicherweise nach der Verabreichung von THC und anderen CB1-Rezeptoragonisten auftritt. (Quelle: Mitchell VA, et al. Neurosci Lett 2005;382(3):231-5.)