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ACM-Mitteilungen vom 8. Mai 2010

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Erster Patient aus Bayern hat Ausnahmegenehmigung zur medizinischen Verwendung von Cannabis erhalten

Die Main-Post berichtete am 4. Mai über den ersten Bundesbürger aus Bayern, der von der Bundesopiumstelle eine Ausnahmegenehmigung zur medizinischen Verwendung von Cannabis erhalten hat:

"Cannabis als Medikament: Der Kissinger Frank Clemens ist der Erste in Bayern, der die Droge vom Arzt zur Schmerztherapie verordnet bekommt.

Sie duftet unerhört süßlich. Nahezu betörend. Es ist die Pflanze, die seit jeher eine Flower-Power-Nostalgie umgibt. Für den Kissinger Frank Clemens ist sie die Medizin, die ihm das Leben erträglich macht. Der 44-Jährige ist der Erste in Bayern, der Cannabis als Medikament verordnet bekam. 'Mit Cannabis kann ich schmerzfrei leben.'

Clemens ist nach einem Badeunfall am Ellertshäuser See mit 17 Jahren vom Kopf abwärts gelähmt. 'Mit viel Glück und Willen bin ich aber wieder auf die Beine gekommen', sagt er heute. Eine Art medizinische Sensation sei das gewesen.

Angefangen zu kiffen habe er schon mit 18, erzählt er. 'Damit konnte ich vor allem meine Spastik gut behandeln.' Dass er entsprechende Kontakte zur Szene hatte inklusive Ärger mit Polizei und Justiz, liegt auf der Hand.

Vor acht Jahren trifft Clemens ein weiterer Schicksalsschlag. Am Deutschen Krebsforschungszentrum diagnostizieren Ärzte bei ihm ein Liposarkom. Das klang sehr nach 'bald waagrecht unter der Erde liegen', erinnert sich Clemens. Es folgten Chemotherapie und schwere Operationen, unter anderem eine so genannte Rippenteilresektion. Aber: 'Der scheiß' Krebs sollte mich nicht kleinkriegen.'

Seit ihm Rippen- und Muskelteile entfernt wurden, leidet der 44-Jährige an chronischen Schmerzen. 'Ein pochender, drückender Schmerz, ein Phantomschmerz.' Er könnte an besonders schlimmen Tagen direkt mit dem Rollstuhl die Wand hochfahren, sagt er. Doch der regelmäßige Cannabis-Konsum lindere die Schmerzen enorm. 'Die täglichen Joints erhalten mir die Lebensqualität.'

Mit Beharrlichkeit und anwaltlichem Engagement hat Clemens vor einem Jahr durchgesetzt, dass er Cannabis legal aus der Apotheke beziehen kann. Unter strengen Auflagen – 'und um ein Vierfaches teurer als auf dem Schwarzmarkt'. Die Hälfte seiner monatlichen Erwerbsunfähigkeitsrente gehe dafür drauf, sagt Clemens. 'Die Kasse zahlt das nicht.' (...)"

Ein begleitendes Interview mit Dr. Franjo Grotenhermen in der Main-Post liefert weitere Hintergründe zur medizinischen Verwendung von Cannabis.

"Franjo Grotenhermen plädiert für die Verwendung von Cannabisprodukten in der Medizin. (...) Er ist Vorsitzender der 1997 gegründeten Arbeitsgemeinschaft für Cannabis als Medizin (ACM). Der Kölner Mediziner hat sich als Autor vieler Bücher zum therapeutischen Potenzial der Cannabispflanze einen Namen gemacht und fungiert als Gutachter für Firmen, Gerichte und Institute. Der 53-Jährige leidet an einer seltenen chronischen Krankheit und muss liegen.

Frage: Wann ist die Einnahme von Cannabis als Medizin aus ärztlicher Sicht sinnvoll, ja sogar notwendig?

Franjo Grotenhermen: Cannabis und sein Inhaltsstoff Dronabinol üben eine Vielzahl von Wirkungen aus, von denen einige therapeutisch genutzt werden können. Dazu zählt die Linderung von Schmerzen. Es gibt zwar bereits zugelassene Medikamente, die jedoch nicht immer ausreichend wirksam sind oder starke Nebenwirkungen verursachen können. In diesen Fällen sollten Cannabisprodukte versucht und im Falle einer Wirksamkeit medizinisch verwendet werden dürfen.

Wie viele Menschen in Deutschland können Cannabis legal beziehen?

Grotenhermen: Etwa 40 Patienten besitzen eine Ausnahmegenehmigung zur medizinischen Verwendung eines Cannabisextrakts. Darüber hinaus geben deutsche Apotheken jährlich etwa 7500 Gramm Dronabinol ab. Legt man eine durchschnittliche Tagesdosis von 15 Milligramm zu Grunde, so ließen sich damit etwa 1400 Patienten behandeln. (...)"

Mehr unter:

- www.mainpost.de/(...)/art766,5562262

- www.mainpost.de/(...)/art766,5562265

(Quelle: Main-Post vom 4. Mai 2010)

Dronabinol lindert die Leiden schwerstkranker Kinder

Im Informationsdienst Wissenschaft erschien am 20. März ein Beitrag zur Verwendung des seit 1998 in Deutschland verschreibungsfähigen Cannabinoid Dronabinol am Kinderkrankenhaus der Universitätsklinik des Saarlandes in Homburg. Unter dem Titel "Cannabinoid lindert die Leiden schwerstkranker Kinder" heißt es in dem Beitrag:

"Der Kinderarzt, Schmerz- und Palliativmediziner Priv. Doz. Dr. Sven Gottschling vom Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg/Saar behandelt Kinder, die aufgrund von Erkrankungen wie Krebs, Erbleiden oder Behinderungen unter starken Schmerzen leiden. Wenn er mit den herkömmlichen Medikamenten die Pein seiner kleinen Patienten nicht mehr in den Griff bekommt, verordnet Gottschling seit fünf Jahren Dronabinol, den halbsynthetisch hergestellten Hauptwirkstoff der Cannabis-Pflanze. Die Präsentation seiner Fallserie auf dem Deutschen Schmerz- und Palliativtag in Frankfurt/Main wurde Sven Gottschling heute mit dem 1. Posterpreis ausgezeichnet.

Noah ist fünf Jahre alt. Er kam mit einem schweren Herzfehler zur Welt, weitere komplexe Fehlbildungen und ein Krampfleiden kamen hinzu. 'Die Diagnoseliste von Noah umfasst zwei Seiten', sagt Priv. Doz. Dr. Sven Gottschling, der den kleinen Jungen seit 2007 betreut. Gottschling gehört zu jener Handvoll Kinderärzte in Deutschland, die auch eine Zusatzausbildung als Schmerz- und Palliativmediziner haben. Er ist Leiter des Zentrums für Kinderschmerztherapie und Palliativmedizin am Universitätsklinikum des Saarlandes.

Noah ist auch auf dem Poster zu sehen, mit dem der 38-jährige Mediziner seine Kollegen auf dem Deutschen Schmerz- und Palliativtag in Frankfurt über seine Behandlungsergebnisse mit Dronabinol bei insgesamt acht schwerkranken Kindern informiert. Seine Präsentation wurde am heutigen Samstag mit dem 1. Posterpreis ausgezeichnet, der Jury-Beschluss fiel einstimmig.

Als Gottschling im Jahr 2000 seine Arbeit an der Uniklinik in Homburg aufnahm, setzten seine Kollegen das Cannabinoid aufgrund seiner appetitanregenden Wirkung bereits bei krebskranken Kindern ein. Da Gottschling aber auch bei Kindern mit anderen schweren Erkrankungen mit einer konventionellen Behandlung immer wieder an Grenzen stieß, begann er, das Medikament auch bei anderen Erkrankungen einzusetzen. Inzwischen hat er acht Kinder mit schwersten Mehrfachbehinderungen behandelt, bei denen er mit der konventionellen Therapie am Ende der Fahnenstange angekommen war. (...)

Wie Gottschling in Frankfurt berichtet, kam es - nach subjektiver Einschätzung der Eltern - bei allen acht Kindern zum Teil zu einer deutlichen Besserung der Schmerzen und der Spastik binnen zwei Wochen. Bei sechs der acht Kinder besserte sich das Durchschlafverhalten. Bei einigen Kindern konnten die Ärzte auch die Schmerzmitteldosis reduzieren. Fünf Kinder sind unter Dauertherapie. Die Therapiedauer liegt zwischen 3 Monaten und 5 Jahren. Gewöhnungseffekte, die eine Dosissteigerung erforderlich machen würden, hat Gottschling auch bei der Langzeitanwendung bislang nicht feststellen können. (...)"

Mehr unter:

Informationsdienst Wissenschaft vom 20. März 2010