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ACM-Mitteilungen vom 4. Oktober 2025
Liebe Leserin, lieber Leser,
heute geht es vor allem um Ergebnisse einer ersten Zwischenauswertung der Folgen des Cannabiskonsumenten (KCanG). Danach hat die Teillegalisierung von Cannabis als Freizeitdroge am 1. April 2024 bisher keine wesentlichen Auswirkungen auf Menge und Häufigkeit des Cannabiskonsums. Es gebe danach keinen „dringenden Handlungsbedarf“, wie beispielsweise Gesetzesänderungen. Zudem sei auf einen Cannabisextrakt namens VER-01 hingewiesen, für den demnächst eine arzneimittelrechtliche Zulassung für die Behandlung von Rückenschmerzen erwartet wird.
Heiter weiter!
Franjo Grotenhermen
Presseschau: Teillegalisierung von Cannabis hatte bisher kaum Auswirkungen auf Konsumverhalten (Deutsches Ärzteblatt)
Der Konsum unter Kindern und Jugendlichen nimmt weiter ab, während der Cannabiskonsum bei jungen Erwachsenen zunimmt.
Teillegalisierung von Cannabis hatte bisher kaum Auswirkungen auf Konsumverhalten
Die Teillegalisierung von Cannabis als Freizeitdroge hat bisher keine wesentlichen Auswirkungen auf Menge und Häufigkeit des Cannabiskonsums sowie daraus resultierende Gesundheitsprobleme. Zu diesem Ergebnis kommt die erste Zwischenauswertung des Konsumcannabisgesetzes (KCanG).
Schätzungsweise 5,3 Millionen Erwachsene haben demnach im vergangenen Jahr Cannabis konsumiert. Auf die Konsumtrends hatte die Teillegalisierung jedoch keine messbaren Auswirkungen: Seit etwa 2011 ist ein kontinuierlicher prozentualer Anstieg derjenigen Erwachsenen zu beobachten, die in den vergangenen zwölf Monaten Cannabis konsumiert haben. Dieser setze sich fort, ohne dass ein Einfluss des Gesetzes erkennbar wäre.
Gleiches gilt dem Bericht zufolge unter umgekehrtem Vorzeichen für den Konsum unter Kindern und Jugendlichen. Dieser sinkt prozentual seit 2019, ohne dass sich seit vergangenem Jahr Veränderungen beobachten ließ.
Auch auf die Inanspruchnahme von Präventionsangeboten durch Jugendliche sind aus den bisher vorliegenden Daten keine kurzfristigen Auswirkungen zu erkennen. Allerdings gibt es Hinweise sowohl auf einen Rückgang der cannabisbezogenen Meldungen an die Jugendämter als auch auf die Zahl der Suchtberatungen, die durch Jugendliche in Anspruch genommen werden.
Derzeit nicht bestimmen lässt sich hingegen nach Aussagen des Reports ein möglicher Einfluss des Gesetzes auf akute oder chronische Gesundheitsprobleme infolge des Cannabiskonsums unter Jugendlichen. Cannabisvergiftungen sind demnach sowohl vor als auch nach der Teillegalisierung im April 2024 äußerst selten gewesen.
Ein leichter Anstieg lässt sich zwar bei akuten Gesundheitsproblemen infolge des Cannabiskonsums bei Erwachsenen erkennen. Ob und welchen genauen Einfluss das KCanG auf akute und chronische Gesundheitsprobleme hat, könne man jedoch erst nach weiteren Untersuchungen sagen, hieß es.
Auch hier liegt die Entwicklung zumindest im generellen Trend: Daten aus der ambulanten und stationären Versorgung zufolge wurden zwischen 2009 und 2023 immer mehr Erwachsene mit cannabisbezogenen Konsumproblemen diagnostiziert und behandelt.
Keine maßgeblichen Veränderungen hat es seit der Teillegalisierung auch bei der Zahl der Toten und Verletzten im Straßenverkehr gegeben.
„Die vorliegenden Daten deuten darauf hin, dass sich infolge der Teillegalisierung im Jahr 2024 die Zahl der Konsumierenden und der Umfang gesundheitlicher Probleme durch Cannabiskonsum kurzfristig kaum verändert haben”, sagte Jakob Manthey, Koordinator der im KCanG vorgesehenen Evaluierung und Arbeitsgruppenleiter am Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
Aus den bisherigen Daten ergebe sich mit Blick auf eine etwaige Nachbesserung des Gesetzes „kein dringender Handlungsbedarf“, betonte er heute in Berlin bei der Vorstellung der Studie. Allerdings ließen sich auch noch keine konkreten Aussagen zu Auswirkungen und Handlungsbedarf beim Gesundheitsschutz aus den Ergebnissen ableiten. Dazu seien mehr Zeit und längere Zeitreihen notwendig.
Das von Manthey geleitete Projekt EKOCAN (Evaluation des Konsumcannabisgesetzes) startete am 1. Januar dieses Jahres und hat eine Laufzeit bis zum 30. April 2028. Neben dem ZIS in Hamburg sind das Centre for Health and Society (chs) am Universitätsklinikum Düsseldorf und das Institut für Kriminologie (IfK) der Universität Tübingen daran beteiligt. Für die Auswertung nutzten die Wissenschaftler Informationen aus zwölf Befragungen und 20 Routinedatenquellen.
Weiterhin viel riskanter Konsum unter Jugendlichen
Zwar setze sich der sinkende Trend im Anteil der Jugendlichen, die Cannabis konsumieren, fort und liege derzeit bei rund 4,6 Prozent – rund ein Zehntel der konsumierenden Jugendlichen betreibe jedoch einen riskanten Umgang mit Cannabis, erklärte Daniel Kotz, Leiter des Schwerpunkts Suchtforschung und klinische Epidemiologie am Universitätsklinikum Düsseldorf.
Auch hier gebe es aber keine Hinweise darauf, dass sich dieser Anteil durch die Teillegalisierung verändert hätte. Gleiches gelte für das Alter des Erstkonsums, das unverändert bei 15 bis 16 Jahren liege. Ob sich das KCanG auf cannabisbezogene Konsumprobleme bei Jugendlichen ausgewirkt hat, könne aktuell noch nicht beurteilt werden.
Bei Erwachsenen wiederum sei zwar eine Zunahme der cannabisbezogenen Konsumprobleme zu erkennen. Allerdings handele es sich auch dabei um eine Entwicklung, die bereits seit 2009 zu beobachten sei.
Zudem müssten die jährlichen Fallzahlen, insbesondere in der ambulanten Versorgung, mit großer Vorsicht interpretiert werden, da sie einerseits den Bedarf und andererseits das Inanspruchnahmeverhalten der Patientinnen und Patienten beschreiben würden.
Es sei „nicht auszuschließen“, dass die öffentliche Diskussion des KCanG sowie die neue (teilweise) Straffreiheit die Bereitschaft von Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzten erhöht habe, „über etwaige Probleme miteinander ins Gespräch zu kommen und sich bei akuten Problemen an die zuständigen Stellen zu wenden“, heißt es in der Studie.
Es seien weitere Analysen von Routine- und Befragungsdaten aus den Folgejahren notwendig, um die Entwicklung cannabisbezogener Konsumprobleme unter Erwachsenen in der Zeit nach Inkrafttreten des KCanG detailliert zu beschreiben und mögliche Auswirkungen der Teillegalisierung genau zu erfassen.
Keine Wirkung auf den Schwarzmarkt
Kaum wirksam sei das Gesetz bisher bei der Zurückdrängung des Schwarzmarkts gewesen, erklärte Manthey. Zwar würden die verfügbaren Daten daraus hindeuten, dass die legalen Marktanteile in den ersten zwölf Monaten seit Inkrafttreten des Gesetzes gewachsen und die illegalen zurückgegangen seien.
Auf 670 bis 823 Tonnen werde der Gesamtbedarf an Medizinal- und Konsumcannabis im Jahr 2024 geschätzt. Die im Gesetz vorgesehenen Anbauvereinigungen würden bisher nicht einmal 0,1 Prozent der benötigten Menge produzieren. Im April 2025 hätten gerade einmal zwei Prozent der erwachsenen Konsumierenden Mitglied einer solchen Vereinigung sein können.
Die Marktanteile des legalen Eigenanbaus sowie des aus illegaler Produktion oder Weitergabe stammenden Cannabis könnten demgegenüber derzeit nicht quantifiziert werden. Eine zentrale Rolle nehme jedoch der sogenannte „Social Supply“ ein, also die private Weitergabe von selbst erzeugtem Cannabis.
Zwölf bis 14 Prozent des Gesamtbedarfs seien durch Medizinalcannabis gedeckt gewesen. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) plant derzeit, diesem Bezugsweg, der meist von Onlinedienstleistern abgedeckt werde, durch ein eigenes Gesetz einen Riegel vorzuschieben.
Die Gesetzesinitiative wollte Manthey nicht kommentieren – das sei nicht sein Auftrag. Er sehe aber vor allem in der geringen Zahl der Anbauvereinigungen ein Problem. Etwa die Hälfte des Gesamtbedarfs an Cannabis gehe auf nur 16 Prozent der Konsumierenden zurück.
Gehe man davon aus, dass diese 0,8 bis 0,9 Millionen Erwachsenen ihr Konsumcannabis vollständig aus Anbauvereinigungen beziehen wollten, bräuchte es deutschlandweit mindestens 2.700 bis 3.000 Anbauvereinigungen mit jeweils etwa 300 Mitgliedern. Allerdings seien bis April 2025 bundesweit gerade einmal 222 Genehmigungen erteilt worden.
„Wenn der Gesetzgeber die Verdrängung des Schwarzmarktes priorisieren wollte, müssten die Rahmenbedingungen für die Genehmigung und den Betrieb von Anbauvereinigungen vereinfacht werden“, betonte Manthey.
Gemischte Reaktionen aus der Politik
Erste Reaktionen aus der Politik fallen gemischt aus. „Die Zwischenevaluation des Cannabisgesetzes zeigt trotz der teilweise noch fehlenden weiteren Datengrundlage bedenkliche Tendenzen“, sagte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) der Deutschen Presseagentur.
So seien ein Anstieg von Gesundheitsstörungen aufgrund von Cannabiskonsum und auch beim Gehalt des berauschenden Wirkstoffes THC „besorgniserregend“. In der Studie war ausgeführt worden, dass die THC-Konzentration in Blüten aus legalen Quellen im Schnitt höher sei als solchen aus illegalen Quellen.
Dies sei darauf zurückzuführen, dass durch die professionelle Produktion von Cannabis höhere Wirkstoffkonzentrationen erreicht werden können. Investitionen in derart professionellere Produktionen seien für illegale Hersteller nicht ökonomisch, ökonomisch sinnvoll, da eine bessere Qualität mangels Ausweisung und Konkurrenz nicht notwendigerweise einen höheren Verkaufspreis erziele.
Aus Beobachtungsstudien gehe hervor, dass der Konsum hochpotenter Cannabisprodukte mit einem erhöhten Risiko von psychotischen Erfahrungen und Cannabiskonsumstörungen einhergeht.
Allerdings sei der genaue Wirkungsmechanismus von der Art der THC-Dosierung und psychiatrischen oder somatischen Gesundheitsproblemen nicht ausreichend bekannt, sodass die gesundheitlichen Implikationen eines steigenden THC-Konsums zum aktuellen Zeitpunkt nicht genau beurteilt werden könnten.
Weitaus positiver als Warken beurteilt SPD-Gesundheitspolitiker Christos Pantazis die Zwischenergebnisse. „Die Ergebnisse der unabhängigen Evaluation sind ein wichtiges Signal: Die kontrollierte Teillegalisierung von Cannabis war richtig, notwendig und gesundheitspolitisch verantwortungsvoll“, erklärte er.
Bundesärztekammer: Nur eine Momentaufnahme
Die Bundesärztekammer (BÄK) betonte, bei den heute vorgestellten Ergebnisse handele es sich um eine Momentaufnahme. „Sie ist wenig aussagekräftig, weil viele gesundheitliche und gesellschaftliche Folgen der Cannabislegalisierung erst mit Verzögerung eintreten“, sagte ein BÄK-Sprecher.
Er wies darauf hin, dass sich psychische Erkrankungen, Abhängigkeiten und negative Entwicklungseffekte oft erst nach Jahren oder sogar Jahrzehnten zeigen. Eine Beobachtungsdauer von anderthalb Jahren vermittele daher ein unvollständiges Bild. „Unsere Sorge vor den negativen Effekten einer Legalisierung bleiben deshalb bestehen.“
Cannabis erhöhe das Risiko psychischer Erkrankungen wie Depressionen und Psychosen, könne zu Abhängigkeit führen und beeinträchtige Gedächtnis, Konzentration und Lernfähigkeit. „Besonders Jugendliche und junge Erwachsene, deren Gehirn sich noch in der Entwicklung befindet, sind gefährdet – mit entsprechenden Auswirkungen auf ihre Leistungsfähigkeit in Schule und Beruf“, so der BÄK-Sprecher.
Die Bundesärztekammer hat in der Vergangenheit wiederholt gewarnt, dass mit der Legalisierung eine Droge verharmlost wird, die nachweislich abhängig macht und zu schweren Entwicklungsschäden führt. Prävention, Aufklärung und Ausbau der Suchthilfe müssen stattdessen im Vordergrund stehen.
Presseschau: Cannabis-Schwarzmarkt bisher kaum verdrängt (Handelsblatt)
Cannabis-Anbauvereinigungen spielen bisher kaum eine Rolle bei Zugang zu Cannabis für den Konsum von Erwachsenen.
Cannabis-Schwarzmarkt bisher kaum verdrängt
Kiffen und Cannabis-Anbau sind inzwischen mit Auflagen für Erwachsene erlaubt. Jetzt liegt eine erste wissenschaftliche Überprüfung vor – und der Streit über die Legalisierung geht weiter.
Eineinhalb Jahre nach der umstrittenen Cannabis-Legalisierung in Deutschland sieht eine erste Auswertung keinen dringenden Korrekturbedarf – aber auch noch keine entscheidenden Effekte auf illegale Beschaffungswege.
Es zeichne sich ab, dass die nun zulässigen Anbauvereinigungen „für die vom Gesetzgeber beabsichtigte Verdrängung des Schwarzmarktes bislang keinen relevanten Beitrag leisten“, heißt es in einem in Berlin vorgelegten Bericht. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) sprach von „bedenklichen Tendenzen“ und kündigte an, über möglichen Handlungsbedarf zu beraten.
Der Suchtforscher Jakob Manthey vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf sagte bei der Vorstellung der ersten Erkenntnisse, offensichtlich sei die Erwartung der meisten Expertinnen und Experten eingetreten: „Es passiert kurzfristig relativ wenig.“ Er erläuterte mit Blick auf das deutsche Modell der Legalisierung, dass man sich nach wie vor anstrengen müsse, um an Cannabis zu gelangen, das nicht an jeder Straßenecke verkauft werde.
Die noch von der Ampel-Koalition umgesetzte Legalisierung lässt seit dem 1. April 2024 Konsum und Anbau für Volljährige mit vielen Beschränkungen zu. Erlaubt ist der Anbau von bis zu drei Pflanzen in Privatwohnungen. Aufbewahren darf man bis zu 50 Gramm Cannabis, unterwegs dabeihaben 25 Gramm. Vorgeschrieben sind Abstände etwa zu Spielplätzen und Schulen, Konsum vor Minderjährigen ist verboten. Zulässig sind auch nichtkommerzielle Anbauvereinigungen mit bis zu 500 Mitgliedern. Für Jugendliche unter 18 ist Cannabis weiterhin verboten.
Die Evaluation war bereits im Gesetz festgelegt worden. Im Blick standen nun zunächst Folgen für den Kinder- und Jugendschutz und die Besitzmengen. „Die vorliegenden Ergebnisse lassen bis jetzt keinen dringenden Handlungsbedarf in Bezug auf die untersuchten Bereiche erkennen“, heißt es in dem Bericht des Forschungsverbunds, zu dem auch Experten des Uniklinikums Düsseldorf und des Instituts für Kriminologie der Uni Tübingen gehören. „Robuste Aussagen“ könnten noch nicht abgeleitet werden. Weitere Analysen sind vorgesehen.
Cannabis-Markt auf bis zu 823 Tonnen geschätzt
Die Produktion in Anbauvereinigungen, die seit Juli 2024 beantragt werden konnten, habe weniger als 0,1 Prozent des Gesamtbedarfs ausgemacht, heißt es in dem Zwischenbericht. Zwölf bis 14 Prozent seien durch medizinisches Cannabis gedeckt worden. rückabgewickelt“
Die Marktanteile des privaten Eigenanbaus und des Schwarzmarktes konnten noch nicht quantifiziert werden. Geschätzt wurde ein Gesamtbedarf für 2024 von 670 bis 823 Tonnen. Eine zentrale Rolle bei den Bezugsquellen nähmen weiter illegale Weitergaben im sozialen Umfeld ein.
Kinder und Jugendliche
Der Suchtforscher Daniel Kotz vom Uniklinikum Düsseldorf sagte mit Blick auf bisher vorliegende Daten, dass sich der sinkende Trend beim Anteil Cannabis konsumierender Jugendlicher nach der Teillegalisierung fortsetze. Laut Bericht gibt es Hinweise auf einen Rückgang bei cannabisbezogenen Meldungen an die Jugendämter – und auch bei Suchtberatungen, die Jugendliche in Anspruch nehmen. Ein möglicher Einfluss der Legalisierung auf akute oder chronische Gesundheitsprobleme bei Jugendlichen könne derzeit nicht bestimmt werden.
Gesundheitsschutz und Verkehr
Ein seit etwa 15 Jahren zu beobachtender Anstieg bei der Zahl erwachsener Konsumenten setze sich wahrscheinlich leicht fort, erläuterte Manthey. Genaue Implikationen für den Gesundheitsschutz, besonders im Straßenverkehr, ließen sich bisher nicht bestimmen.
Die Zahl der Unfälle unter Einfluss berauschender Mittel sei vor und nach Inkrafttreten des Gesetzes gestiegen, heißt es im Bericht – der konkrete Einfluss der Legalisierung sei mit weiteren Auswertungen zu ermitteln. Generell gibt es demnach Hinweise auf einen leichten Anstieg akuter Gesundheitsprobleme infolge von Cannabiskonsum unter Erwachsenen.
Kriminalität und Besitzmengen
Der Tübinger Kriminologe Jörg Kinzig sprach von der quantitativ bedeutendsten Entkriminalisierung in der Geschichte der Bundesrepublik. Laut Bericht gaben nur wenige befragte Konsumenten an, gelegentlich gegen Konsumverbote zu verstoßen. Das Ahndungsrisiko sei auch verschwindend gering.
Unter befragten Beamten von Polizei und Ordnungsbehörden monierten demnach viele praktische Probleme bei der Umsetzung. Die Besitzmenge von 25 Gramm sei zu groß und hinderlich für Ermittlungen. Eine Vereinfachung der Regeln und eine Harmonisierung mit Rauchverboten sei überlegenswert, empfiehlt der Bericht.
Presseschau: „Die vorliegenden Ergebnisse lassen derzeit keinen dringenden Handlungsbedarf erkennen“ (Deutsches Ärzteblatt)
Die Teillegalisierung hatte bisher kaum Einfluss auf bereits bestehende Trends beim Cannabiskonsum in Deutschland
„Die vorliegenden Ergebnisse lassen derzeit keinen dringenden Handlungsbedarf erkennen“
Die rot-grün-gelbe Ampelregierung hat im April des vergangenen Jahres mit der Einführung der Teillegalisierung von Cannabis auch eine wissenschaftliche Evaluation angeschoben. Ein Zwischenbericht ist heute – rund eineinhalb Jahre später – in Berlin vorgelegt worden. Wie die ersten Ergebnisse einzuordnen sind, darüber hat das Deutsche Ärzteblatt mit einem der beteiligten Wissenschaftler gesprochen.
5 Fragen an Jakob Manthey, Arbeitsgruppenleiter „Substanzkonsum und Public Health“, Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS)
Welche Veränderungen im allgemeinen Konsumverhalten konnten Sie auf Basis der ersten Ergebnisse ihres Gutachtens seit der Legalisierung von Cannabis als Freizeitdroge identifizieren?
Die Gesamtzahl der Konsumierenden steigt seit etwa 2011. Aus den verfügbaren Daten geht nicht hervor, dass die Teillegalisierung kurzfristig Einfluss auf diesen Trend hatte. Wir schätzen, dass im Jahr 2024 etwa 10,5 Prozent der 18- bis 64-jährigen Erwachsenen mindestens einmal Cannabis konsumiert hat.
Unter den 5,3 Millionen Erwachsenen sind rund eine Million Personen, die Cannabis täglich oder fast täglich konsumieren und sich damit einem erhöhten Konsumrisiko aussetzen. Auch dieser Anteil scheint sich durch die Teillegalisierung nicht verändert zu haben.
Haben sich die Befürchtungen bewahrheitet, dass die Freigabe von Cannabis zu einem Anstieg des Konsums unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen führt?
Nein. Wir sehen in mehreren Surveys einen Rückgang der Konsumprävalenz unter Jugendlichen im Alter von 15 bis 17 Jahren. Dieser Trend lässt sich deutschlandweit seit 2019 beobachten und setzt sich auch nach der Teillegalisierung fort. Ebenfalls sehen wir keine maßgeblichen Veränderungen im Alter des ersten Konsums.
Während Jugendliche weiterhin Abstand von Cannabis nehmen, beobachten wir allerdings bei jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 24 Jahren ein zunehmendes Interesse an Cannabis. In dieser Altersgruppe berichten 20 bis 25 Prozent, dass sie Cannabis konsumiert hätten. Dieser Anteil steigt seit mehr als zehn Jahren und hat sich kurzfristig durch die Teillegalisierung kaum verändert.
Fachleute in der Suchthilfe haben die Hoffnung geäußert, dass Betroffene aufgrund der Enttabuisierung des Cannabiskonsums früher und schneller psychiatrische und psychotherapeutische Hilfsangebote in Anspruch nehmen. Gibt es Anzeichen dafür, dass dies zutrifft?
Diese Hoffnung kann ich sehr gut nachvollziehen, denn ein frühzeitiger Kontakt zum Hilfesystem kann die Entwicklung schwerer Suchtprobleme verhindern. Allerdings muss ich die Hoffnungen etwas dämpfen. Erstens dauern gesellschaftliche Enttabuisierungsprozesse vermutlich länger als ein paar Monate, sodass entsprechende Effekte nicht bereits im Jahr 2025 zu erwarten wären.
Zweitens zeigt sich, dass weniger Jugendliche den Weg in die Suchthilfe finden, da aufgrund der Entkriminalisierung der Weg der gerichtlichen beziehungsweise polizeilichen Zuweisung, zum Beispiel in das FreD-Programm, nicht mehr im gewohnten Umfang stattfindet. Tatsächlich zeigen auch Daten aus den USA, dass mit einem Rückgang der Suchtberatungen infolge einer Legalisierung zu rechnen ist – zum Teil auch wegen einer reduzierten Risikowahrnehmung in der Gesellschaft.
Die Erfahrungen aus den USA und die vorläufigen Daten aus Deutschland zeigen also, dass künftig mehr Anstrengungen unternommen werden müssen, um Personen mit Konsumproblemen den Weg in die Hilfesysteme zu ebnen. Cannabisinduzierte Psychosen sind sehr selten und können nur in begrenztem Umfang durch Routinedaten abgebildet werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können keine Aussagen zur Entwicklung dieses Störungsbildes nach dem 1. April 2024 getroffen werden.
Wie gut gelingt es bisher, auf Grundlage der getroffenen Regelungen den Zugang Minderjähriger zu Konsumcannabis zu begrenzen?
Insgesamt zeigen verschiedene Befragungen, dass Jugendliche infolge der Teillegalisierung keinen leichteren Zugang zu Cannabis haben. Vielmehr deuten die Daten darauf hin, dass die subjektive Verfügbarkeit – also die Einschätzung von Jugendlichen, dass Cannabis leicht zu beschaffen ist – konstant geblieben oder leicht zurückgegangen ist.
Den genauen Grund hierfür kennen wir nicht, aber ich vermute, dass ein Rückgang der Konsumprävalenz unter Jugendlichen auch mit einem schlechteren Zugang einhergeht. Da Jugendliche – wie auch Erwachsene – in der Regel Cannabis über ihr soziales Umfeld beziehen und nicht über den klassischen Schwarzmarkt (zum Beispiel Straßendealer), bedeutet ein Rückgang des Konsums in ihrem Umfeld auch einen Rückgang der Verfügbarkeit.
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