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ACM-Mitteilungen vom 31. Juli 2010

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Nach langem Rechtsstreit vor dem Sozialgericht muss die Krankenkasse einem Kerpener mit einer seltenen Erkrankung eine Behandlung mit Dronabinol bezahlen

Wie der Kölner Stadtanzeiger am 26. Juli berichtete, hat das Sozialgericht Köln die DAK (Deutsche Angestellten-Krankenkasse) dazu verurteilt, einem 31-Jährigen, der an einer Friedreichschen Ataxie leidet, die Behandlung mit dem Cannabiswirkstoff Dronabinol zu erstatten. Die Zeitung hatte in den vergangenen Jahren mehrfach über den Fall berichtet. Die Friedreichsche Ataxie ist wie die multiple Sklerose oder die amyotrophe Lateralsklerose eine degenerative Erkrankung des Nervensystems, die mit unterschiedlichen Symptomen einhergehen kann. Wie andere degenerative Erkrankungen verläuft sie progredient, wobei die Symptome allerdings auch jahrelang stabil bleiben können. In dem Artikel vom 26. Juli heißt es:

"Nach einem jahrelangen Rechtsstreit bekommt der Kerpener Stephan Thielen das Medikament Dronabinol von seiner Krankenkasse bezahlt. Die hatte das Schmerzmittel abgelehnt, weil es in Deutschland nicht zugelassen ist.

'Ich bin wahnsinnig erleichtert, das gibt mir einen Riesenschwung', sagt Stephan Thielen. Der 31-jährige schwer kranke Kerpener freut sich über das Urteil des Sozialgerichtes Köln, das ihm nach einem jahrelangen Rechtsstreit in seiner Klage gegen die Krankenkasse DAK Recht gegeben hat. Die DAK muss nun das Medikament Dronabinol bezahlen, das Thielen hilft, seine oft heftigen Schmerzen zu ertragen. Da die Krankenkasse das Urteil nicht angefochten hat, ist es rechtskräftig.

Stephan Thielen leidet seit seiner Kindheit an einer äußerst seltenen Krankheit - der Friedreichschen Ataxie mit Lähmungsskoliose -, sitzt deshalb im Rollstuhl, kann nur mit Mühe sprechen und sich bewegen. Bis vor wenigen Monaten wurde er noch von seinen Eltern zu Hause in Kerpen gepflegt. Jetzt lebt er in einem Heim in Köln und kommt nur am Wochenende nach Hause.

Die unheilbare Krankheit führt zu einem chronischen Schmerzsyndrom mit Krampfanfällen. Gängige Schmerzmittel wie Morphium alleine reichen zur Linderung nicht aus. Schon vor vier Jahren hatte die Schmerzambulanz der Universitätsklinik Köln bescheinigt, dass Stephan Thielen zusätzlich zu Morphiumpräparaten nur mit Dronabinol geholfen werden könne.

Doch das aus Cannabis, also Haschisch, hergestellte Medikament ist in Deutschland bislang als Schmerzmittel nicht zugelassen. Die Krankenkasse lehnte deshalb eine Kostenübernahme ab. Da Stephan Thielen das Medikament aber braucht, hat es seine Familie bisher aus der eigenen Tasche bezahlt. Rund 500 Euro kostet es im Monat. Nachdem der 'Kölner Stadt-Anzeiger' vor zwei Jahren über den Fall berichtet hatte, gab es Hilfe aus der Leserschaft: So sammelte beispielsweise die ehemalige Schule von Stephan Thielen, die Realschule Kerpen, mehrmals Geld für das Medikament, Porsche-Clubs luden den bekennenden Porsche-Fan Stephan Thielen zu einer Rundfahrt ein. Der hat das nicht vergessen und bedankt sich 'für die in den zurückliegenden Jahren von vielen geleistete moralische und finanzielle Hilfe'. Aufgrund des Urteils kann Thielen Dronabinol nun auf Krankenschein beziehen. Zudem hat die DAK rückwirkend der Familie ihre Medikamentenkosten erstattet. 'Sie hat kommentarlos und ohne eine Rechnung das Geld schon überwiesen', berichtet Vater Klaus Thielen. Seinem Sohn ist anzusehen, dass es ihm nun wieder besser geht.

In einer sieben Seiten langen Begründung erläutert das Gericht, warum es von einer 'ausnahmsweisen Leistungspflicht' der Krankenkasse ausgeht, obwohl das Medikament Dronabinol hierzulande nicht anerkannt ist: Eine 'Leistungsverweigerung' verstoße nämlich gegen das Grundgesetz, 'wenn 1. eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vorliegt, 2. bezüglich dieser Krankheit eine dem allgemein anerkannten medizinischen Stand entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht und 3. bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Verlauf vorliegt'.

Klaus Thielen berichtet, dass das Urteil auch von der Schmerzambulanz der Uniklinik mit Interesse registriert wurde. Es werde möglicherweise eine Präzedenzwirkung für die Zulassung von Medikamenten auf Cannabis-Basis in Deutschland haben. 'Dann kann auch anderen Kranken geholfen werden.'"

Bericht unter:

Kölner Stadtanzeiger vom 26. Juli 2010

Laut EMNID-Umfrage ist die Mehrheit der Deutschen für ein liberaleres Cannabisrecht

Laut einer aktuellen EMNID-Umfrage spricht sich eine Mehrheit der Befragten dafür aus, entspannter mit Cannabis-Konsumenten umzugehen. Nur 40 Prozent sind dafür, die bisherige harte Linie gegen Kiffer fortzusetzen oder sogar zu verschärfen. 19 Prozent wollen Cannabis sogar "wie bei Alkohol und Tabak vollständig staatlich regulieren und besteuern; mit Verkauf an Erwachsene in speziellen Fachgeschäften". Noch mehr Befragte sprachen sich dafür aus, Hanffreunde zu entkriminalisieren.

30 Prozent wollen den Besitz kleiner Cannabismengen zum Eigenkonsum weniger hart bestrafen, z.B. indem Cannabisbesitz, ähnlich wie Falschparken, als Ordnungswidrigkeit per Bußgeld, aber ohne Strafverfahren geahndet wird. Eine andere Möglichkeit wäre, die "geringe Menge" höher anzusetzen, bis zu der die Strafverfahren eingestellt werden, und darüber hinaus auch bei "Wiederholungstätern" die Verfahren regelmäßig einzustellen. Weitere 5 Prozent wollen den "Besitz und Anbau von Hanf in geringer Menge zum Eigenkonsum ohne jegliche Verfolgung erlauben".

Mehr unter:

Pressemitteilung des Deutschen Hanf Verbandes vom 30. Juli 2010