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ACM-Mitteilungen vom 27. Februar 2016

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Kurzmeldungen

Großzügiger Spender spendet 2000 Euro für die Arbeit der ACM

Der ACM-Vorstand bedankt sich herzlich bei Julian Hector für eine Spende von 2000 Euro an die ACM. „Wir werden das Geld gut gebrauchen können, denn wir gehen davon aus, dass auch nach der geplanten Gesetztesänderung vor allem Geldmittel für die Durchführung weiterer Musterprozesse benötigt werden“, erklärte Franjo Grotenhermen, Vorsitzender der ACM. „Wir gehen davon aus, dass das Thema „Eigenanbau von Cannabis“ durch die geplante Übernahme der Behandlungskosten für Cannabisblüten durch die Krankenkassen in Ausnahmefällen nicht vom Tisch sein wird, da wir bisher davon ausgehen müssen, dass die Ausnahmefälle sehr restriktiv formuliert werden. Zudem ist davon auszugehen, dass erst durch Klagen vor den Sozialgerichten geklärt werden kann, wann die Krankenkassen in Grenzfällen die Kosten einer Behandlung übernehmen müssen.“

Stadt Frankfurt führte Informationsabend über Cannabis als Medizin durch

Das Drogenreferat der Stadt Frankfurt führte am 16. Februar eine Informationsveranstaltung zu Cannabis als Medizin durch. Zu den Referenten zählten Dr. Franjo Grotenhermen, Rechtsanwalt Markus Cronjäger und Dr. Michael Schmid. Etwa 120 Zuhörer waren der Einladung in die Räume der Caritas Frankfurt gefolgt. Eine Zusammenfassung und die Präsentationen der Redner finden sich auf der Webseite des Drogenreferats".

Keine Anklageerhebung gegen Frank Josef Ackerman wegen illegalen Anbaus von Cannabispflanzen

Am 10. Februar hat das Amtsgericht Langen es abgelehnt, ein Strafverfahren gegen Frank Josef Ackerman wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz einzuleiten. Das Amtsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass ein entschuldigender Notstand gemäß §35 StGB vorliege.

Auch solche Urteile in Strafverfahren halten den Druck auf die Bundesregierung aufrecht, dafür zu sorgen, dass nicht nur theoretisch – durch eine Ausnahmeerlaubnis – ein Zugang zu Cannabisblüten besteht, sondern auch praktisch durch einen finanzierbaren Zugang.

Herr Ackerman hatte der Staatsanwaltschaft am 19. Oktober 2013" durch seinen behandelnden Arzt Dr. Franjo Grotenhermen mitteilen lassen, dass er eine Ausnahmeerlaubnis zur Verwendung von Cannabisblüten besitze, sich diese jedoch aus finanziellen Gründen nicht leisten könne und daher Cannabispflanzen anbaue, um seine chronischen Schmerzen und seine posttraumatische Belastungsstörung zu behandeln.

Wir hatten in den ACM-Mitteilungen"mehrmals über diesen Fall berichtet.

In dem Beschluss des Amtsgerichts Langen (32 Ds- 900 Js 57227/13) vom 10.2.2016 heißt es:

„In der Strafsache gegen

Frank Josef Ackerman,

geboren am 23.2.1971 in Frankfurt am Main,

wohnhaft XXX

ledig, Staatsangehörigkeit: deutsch,

Pflichtverteidiger:

Rechtsanwalt Dr. Oliver Tollmein, Borselstr. 26, 22765 Hamburg

wegen Anbau, Herstellung u.a. von Betäubungsmitteln wird die Eröffnung des Verfahrens a b g e l e h n t.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

Dem Angeschuldigten wird mit der Anklageschrift vom 1.10.2015 vorgeworfen, in der Zeit vom 19.5.2014 und in nicht verjährter Zeit zuvor in Dreieich Betäubungsmittel (Cannabis) unerlaubt angebaut zu haben. Die Anklage lautet wie folgt:

„Im Tatzeitpunkt baute der Angeschuldigte in einer in der Wohnung seiner Lebensgefährtin, der Zeugin Stefani Mahr, in der Frankfurter Straße 11 gelegenen Abstellkammer in zwei Aufzuchtzelten insgesamt 21 Cannabispflanzen mit einer Wuchshöhe von ca. 15 bis 20 cm an. Diese wurden im Rahmen der am 19.5.2014 durchgeführten Wohnungsdurchsuchung aufgefunden und sichergestellt.“

II.

Die Eröffnung des Hauptverfahrens und Zulassung der Anklage war nach § 204 StPO aus rechtlichen Gründen abzulehnen. Ein hinreichender Tatverdacht besteht nicht, da der Angeschuldigte nach dem Ergebnis der Ermittlungen nicht schuldhaft gehandelt hat. Es lag ein entschuldigender Notstand gemäß § 35 StGB vor.

Nach dem Ergebnis der Ermittlungen ist der Angeschuldigte Schmerzpatient. Er leidet an diversen physischen und psychischen Erkrankungen wie den Folgen einer Leukämieerkrankung, einem bewegungsunabhängigen diffusen Schmerzsyndrom und Arthrose sowie Depressionen und einer posttraumatischen Belastungsstörung nach Einsätzen als Soldat in Krisengebieten. Er ist schwerbehindert (GdB 60) und steht unter gesetzlicher Betreuung für die Bereiche Gesundheitsfürsorge, Wohnungsangelegenheiten, Vertretung bei Behörden, Ämtern und Versicherungen. Er lebt mit seiner Lebensgefährtin und 3 gemeinsamen Kindern von SGB II-Leistungen.

Nachdem der Angeschuldigte erfolglos mit verschiedenen Opiaten behandelt wurde und die behandelnden Ärzte keine wirksamen Therapieoptionen mehr anbieten konnten, war er auf die Einnahme von Cannabinoiden (THC) angewiesen, welche allein zu einer Verbesserung seiner gesundheitlichen Situation führten. Auf seinen ärztlich befürworteten Antrag erteilte ihm das Bundesamt für Arzneimittel (BfArM) im Juni 2013 die Erlaubnis, Medicinal-Cannabisblüten für einen 4-wöchigen Bedarf zu erwerben und zu verwenden.

Der Angeschuldigte war jedoch wegen der Kosten von etwa 120,- € pro 5 g Medizinalhanf nicht in der Lage, seinen täglichen Bedarf von ein bis 2 g Cannabis zu decken und begann deshalb, selbst Cannabisblüten anzubauen, um die ärztlich begleitete Schmerztherapie vorzuführen. Dies teilte er durch ein Schreiben seines Bandenarztes vom 19. Oktober 2013 der Staatsanwaltschaft mit, in welchem er erklärte, dass er zwar eine Ausnahmeerlaubnis des BfArM zum Bezug von Medizinalhanf aus der Apotheke besitze, nicht aber eine Erlaubnis für den Anbau von Cannabis. Zudem gibt der Angeschuldigte an, er sei finanziell nicht in der Lage, den Cannabisbezug aus der Apotheke zu bezahlen, gesundheitlich jedoch auf die Einnahme von Cannabis angewiesen. Schließlich bat er um Prüfung, ob von Strafverfolgungsmaßnahmen abgesehen werden könne und ob eine vorliege.

Der Angeschuldigte hat sich im Verfahren eingelassen und über seinen Verteidiger im Wesentlichen einen Notstand geltend gemacht.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH NStZ 1992, 487), dass sich auf eine Notstandslage nur derjenige berufen kann, der die Frage, ob die Gefahr auf andere zumutbare Weise abwendbar ist, nach besten Kräften geprüft hat (KG Berlin, Beschluss vom 18. November 2002 – (4) 1 Ss 273/02 (122/02) -, Rn. 5, juris)

Hierzu kann jedenfalls auch erforderlich sein, auf legale Weise zu versuchen, eine Anbaugenehmigung zu bekommen. Diese Voraussetzung ist durch den Angeschuldigten auch erfüllt worden, denn dieser hat bereits im Dezember 2013 unter Darlegung seines Gesundheitszustands versucht beim BfArM die Erlaubnis zum Anbau von Cannabis für sich und weitere zehn Personen die ebenso wie er auf den Bezug von Medizinalhanf angewiesen seien, zu erhalten. Er wolle sich und anderen Schmerzpatienten helfen und sein Verhalten legalisieren. Der Antrag wurde jedoch nicht beschieden.

Eine Privatperson kann mit einer Ausnahmebewilligung zur eigenen Heilbehandlung aber ohnehin nicht rechnen, da die Erlaubnis nach § 3 Abs.2 BtMG im öffentlichen Interesse liegen muß (vgl. Körner BtMG, 5.Aufl., § 3 Rdn.30; KG Berlin, Beschluss vom 18. November 2002 – (4) 1 Ss 273/02 (122/02) -, Rn. 6, juris).

Zudem liegt eine Ausnahmeerlaubnis des Bundesamtes für Arzneimittel zum Bezug von Medizinal-Cannabisblüten aus der Apotheke bereits vor. Darüber hinaus diente der Anbau von Cannabis allein der medizinischen Eigenversorgung des Angeschuldigten, sodass eine eventuell unkontrollierte Weitergabe der Cannabisblüten nicht zu befürchten ist. Die Angabe des Angeschuldigten bei der Bundesopiumstelle, er wolle eine Ausnahmeerlaubnis zum Anbau von Cannabis für ihn und zehn weitere Personen erhalten, war nach der glaubhaften Einlassung des Angeschuldigten eine spontane Idee, die dieser nicht weiter verfolgt hat. Bei der bei dem Angeschuldigten vorgefundenen Plantage mit 21 Pflanzen kann noch von einem Anbau zum Selbstverbrauch ausgegangen werden.

Dem Angeschuldigten standen auch aufgrund des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II keine adäquaten finanziellen Mittel zur Verfügung, seinen Eigenbedarf von ca. 2 Gramm täglich über Medizinalhanf aus der Apotheke zu sichern, zumal dies hochgerechnet einen Betrag von etwa 1440 € ausmacht.

Der Angeschuldigte bildet gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin und den drei gemeinsamen Kindern eine Bedarfsgemeinschaft und erhält letztendlich Leistungen in Höhe von insgesamt 1069 € monatlich. Folglich überschreiten schon die Kosten für das Medizinhanf aus der Apotheke die monatlichen Lebenshaltungskosten der gesamten Familie.

Die Kosten für die Behandlung wurden auch nicht von der Krankenkasse des Angeschuldigten übernommen, obwohl sie medizinisch indiziert waren.

Der Angeschuldigte leidet ausweislich des Berichts des behandelnden Arztes Dr. Grotenhermen an starken chronischen Schmerzen, einer posttraumatischen Belastungsstörung und zudem unter suizidalen Gedanken, die mit den zur Verfügung stehenden therapeutischen Möglichkeiten nicht ausreichend behandelt werden können. Zudem lindert der Konsum von Cannabis tatsächlich seine Krankheitssymptome. Andere Therapieverfahren hätten zudem in der Vergangenheit starke Nebenwirkungen verursacht und seien unbrauchbar gewesen. Zwar droht dem Angeschuldigten nicht der Verlust von Gliedmaßen und/ oder Organen. Sein Gesundheitszustand nach der durch die Staatsanwaltschaft erfolgten Sicherstellungen der von ihm angebauten Cannabisblüten hat sich aber in erheblichem Maße verschlechtert. Der auf ihm lastende psychische Druck und die damit verbundene Verhinderung der Medikation haben den Angeschuldigten derart destabilisiert, dass er zwischenzeitlich bei einer Körpergröße von 1,70 m auf 49 Kilo abgemagert war.

Allein dieser Zustand kann nachvollziehbar zu irreversiblen Schäden an der Gesundheit des Angeschuldigten führen.

Der Eigenanbau der Cannabisblüten durch den Angeschuldigten ist zudem jedenfalls erforderlich, da dieser aufgrund der zwingenden vorzunehmenden Einzelfallabwägung vorliegend das einzige zur Verfügung stehende Mittel des Angeschuldigten ist. Zwar besitzt er nur eine Ausnahmegenehmigung zum Erwerb von Cannabis. Diese ist für ihn jedoch aufgrund der vorgeschilderten Umstände ohne Wert, da ihm jedenfalls keine eigenen finanziellen Mittel zur Verfügung stehen eine ausreichende Schmerztherapie sicherzustellen und ihm auch durch die Krankenkasse keine weiteren Mittel zur Verfügung gestellt werden. Da die Hürden zur Erlangung einer Ausnahmegenehmigung zum Anbau von Cannabisblüten zudem hoch sind, kann dem Angeschuldigten nicht schon deshalb die Berufung auf eine Notstandslage verwehrt werden, weil dieser keinen verwaltungsrechtlichen Eilrechtschutz für sich in Anspruch genommen hat. Dem Angeschuldigten war nicht zuzumuten, den Ausgang eines Verwaltungs- oder sozialgerichtlichen Verfahrens medizinisch unterversorgt abzuwarten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.

Ausgefertigt

Amtsgericht Langen (Hessen), 10.02.2016

Presseschau: Schmerzpatient darf kein Cannabis mehr anbauen (RuhrNachrichten)

Das Strafverfahren gegen Andreas Wieczorek wegen illegalen Anbaus von Cannabis wurde eingestellt, vor allem mit Blick auf das geplante Gesetz der Bundesregierung zur Erleichterung des Zugangs zu Medikamenten auf Cannabisbasis.

Schmerzpatient darf kein Cannabis mehr anbauen

Obwohl er offiziell Cannabis konsumieren darf, darf der Dortmunder Schmerzpatient Andreas Wieczorek die Droge auch weiterhin nicht selbst anbauen. Verurteilt wurde der 46-Jährige am Mittwoch aber auch nicht. Das Verfahren wurde eingestellt - dank eines Gesetzes, das es noch gar nicht gibt.

Andreas Wieczorek leidet seit Jahren unter extremen Schmerzen. Nur Cannabis kann die Qualen noch lindern. Deshalb gehört der 46-Jährige zu einer kleinen Gruppe, die offiziell Cannabis-Medikamente einnehmen darf. Da er sich genau diese Medikamente aber nicht leisten kann, hatte er im Keller seiner Dortmunder Wohnung ein paar eigene Pflanzen großgezogen.

In erster Instanz war er sogar freigesprochen worden. Auf Berufung der Staatsanwaltschaft musste der Prozess vor dem Dortmunder Landgericht allerdings noch einmal neu aufgerollt werden. Und auch dort zeigten sich die Richter sichtlich beeindruckt vom traurigen Schicksal des 46-Jährigen. Verurteilt hätten sie ihn aber wohl trotzdem.

Geplantes Gesetz sieht Gratis-Cannabis für Patienten vor

Dass das Strafverfahren am Ende eingestellt wurde, hatte vor allem diesen Grund: Es ist gerade ein Gesetz in Vorbereitung, nachdem Cannabis in Zukunft kostenlos herausgegeben werden soll, wenn sich die Patienten die Medikamente nicht leisten können. Deshalb wäre die Schuld wohl eher gering.

Der Richter hatte sich am Ende der Verhandlung noch einmal persönlich an Andreas Wieczorek gewandt und gesagt: „Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihre Schmerzen ertragen können.“

Presseschau: Cannabispatientin scheitert im Eilverfahren (Westfalen-Blatt)

Erneut hat ein Sozialgericht bestätigt, dass Cannabisblüten nach der gegenwärtigen Gesetzeslage nicht von den Krankenkassen erstattet werden müssen.

Cannabispatientin scheitert im Eilverfahren

Für Cannabispatientin Claudia Russo aus Minden sieht es schlecht aus: Das Sozialgericht Detmold hat in einem Eilverfahren die vorübergehende Kostenübernahme ihrer Medizin durch die Krankenkasse abgelehnt.

»Meine Hoffnung ist erneut im Keller«, sagt die 43-Jährige. Sie ist Schmerzpatientin und leidet außerdem unter diversen Krankheiten (Posttraumatisches Belastungssyndrom, Depressionen, Schlaf- und Essstörungen, Krebs in Remission). Wegen einer schweren Lebererkrankung verträgt sie nach eigenen Angaben keine herkömmlichen Medikamente wie Opiate. Cannabis lindere ihre Beschwerden, sagt Claudia Russo. Knackpunkt sind die Kosten von etwa 1125 Euro monatlich. Dafür müsste die anerkannte Cannabispatientin derzeit alleine aufkommen, was sie aber nicht kann.

Mitte Januar hatte der Bad Oeynhausener Rechtsanwalt Stefan Ott für seine Mandantin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Detmold gestellt. Eineinhalb Jahre zuvor hatte Claudia Russo bei der Techniker-Krankenkasse zum ersten Mal die Kostenübernahme für Medizinal-Cannabisblüten beantragt. Ohne Erfolg.

Sozialgericht folgte der Argumentation der Krankenkasse

Erfolglos ging auch das Eilverfahren aus Sicht der Cannabispatientin aus. Das Sozialgericht Detmold folgte der Argumentation der Techniker-Krankenkasse. Diese sieht keinen Anspruch auf Therapie, weil es sich um eine »außervertragliche Behandlungsmethode« handele und keine lebensbedrohliche Erkrankung vorliege. Auch eine Eilbedürftigkeit sieht die Kasse nicht. Der Schmerzpatientin könne zugemutet werden, bis zum Hauptverfahren abzuwarten, fasste das Gericht den Standpunkt zusammen. Bei der Entscheidung des Gerichtes spielt auch die Tatsache eine Rolle, dass es die Erfolgsaussichten im Hauptverfahren als gering einschätzt.

»Um klären zu können, ob es in der Hauptsache Erfolgsaussichten gibt, braucht es medizinischen Sachverstand – und den hat der Richter nicht«, bemängelt Rechtsanwalt Ott. Er hat bereits Beschwerde gegen die Entscheidung in Detmold eingelegt.

Medizinal-Cannabisblüten kein offizielles Arzneimittel

Medizinal-Cannabisblüten gelten in Deutschland nicht als offizielles Arzneimittel. Sie werden aus den Niederlanden bezogen. »Die Kosten werden meist nur übernommen, wenn es um eine lebensbedrohliche Erkrankung wie zum Beispiel Krebs, Multiple Sklerose oder HIV geht. Das gilt für alle Krankenkassen«, sagte eine Sprecherin der Techniker-Krankenkasse.

Paradox ist: Menschen, die laut Betäubungsmittelgesetz als Cannabispatienten anerkannt sind, haben deshalb noch lange keinen Anspruch auf Kostenübernahme ihrer teuren Medikamente. Einfacher durchzusetzen könnte im Einzelfall der kostengünstigere Eigenanbau sein. Das Verwaltungsgericht Köln hat bereits im Juli 2014 zugunsten von drei Schmerzpatienten entschieden, die Cannabis selbst anbauen wollten Im Grundsatz bleibe der Anbau zwar verboten. In den Einzelfällen konnten die Patienten aber nachweisen, dass es für sie keine medizinische Alternative gibt und Cannabis aus der Apotheke für sie nicht bezahlbar ist.

Das Sozialgericht Dortmund hat kürzlich die Barmer GEK zur Kostenübernahme von Cannabis für einen Schmerzpatienten verurteilt. Der Grund: Die Kasse hatte zu lange gebraucht, um über den Antrag des Versicherten zu entscheiden und die gesetzliche Frist von fünf Wochen überschritten (Az: S 8 KR 435/14).

Presseschau: Hanf als Medizin: "Du weißt, es hilft – aber es ist zu teuer" (Merkur)

Der Münchener Merkur berichtete über die Situation von Franz Wolf, der eine Erlaubnis zur Verwendung von Cannabisblüten besitzt, sich diese jedoch finanziell nicht leisten kann.

Hanf als Medizin: "Du weißt, es hilft – aber es ist zu teuer"

Franz Wolf lindert mit Cannabis seine chronischen Schmerzen. Er gründet einen Verein, um selbst anbauen zu dürfen

Als Franz Wolf die Tür zu seiner kleinen Pasinger Dachgeschosswohnung aufschließt, trägt er unter dem Arm eine schwarze Plastiktüte. Das klassische Zeichen für einen Einkauf, der Diskretion erfordert. In dem Beutel: Zwölf Döschen, gefüllt mit insgesamt 60 Gramm Cannabis. Wolfs Monatsration, frisch aus der Apotheke. Für den 49-Jährigen ist es Medizin. Er ist einer von 581 Menschen in Deutschland, die ganz legal kiffen dürfen. Uns hat er erklärt, woran das liegt und warum er findet, dass Cannabis vom Staat zugänglicher gemacht werden sollte.

Um Cannabis konsumieren zu dürfen, braucht man in Deutschland eine juristische Ausnahmegenehmigung.

Wie kamen Sie zu Ihrer, Herr Wolf?

Wolf: Ich leide an einem „mehrfach sequentiellen Trauma“, so heißt das in der Medizin. Ich selbst formuliere es gerne so: Ich habe in meinem Leben so viel Gewalt erfahren, dass es für drei Menschenleben reicht. Die Voraussetzung für die Ausnahmegenehmigung sind massive chronische Schmerzen. Im November 1984 hatte ich einen schweren Motorradunfall. Das Auto fährt rückwärts aus der Einfahrt raus, und ich weiß gleich: Das schaffe ich nicht. Wenn ich in den reinballer’, bin ich tot. Also bin ich in den Acker daneben ausgewichen. Da war alles gefroren. Ich bin in eine tiefe Furche geschossen und über den Lenker gestürzt. Auf dem Kopf gelandet, sechster Halswirbel angebrochen. Später hatte ich noch eine ganze Reihe von Autounfällen – jedesmal unverschuldet, möchte ich betonen. Seitdem ist nur noch ein ganz winziger Teil meiner Wirbelsäule schmerzfrei. Der Rest tut weh wie Sau.

Seit wann dürfen Sie Cannabis konsumieren?

Wolf: Seit dem 10. September 2015. Der Tag geht für mich in die Geschichte ein. Ich bring’s mal auf den Punkt: Seitdem bin ich froh und glücklich, mich nicht mehr auf dem Schwarzmarkt um meine Medizin bemühen zu müssen.

Wie kommen Sie an die Droge?

Wolf: Es gibt fünf verschiedene Sorten in der Apotheke. Damit kann ich es gut aushalten. Und ich habe überhaupt kein Verlangen, mich am schwarzen Markt zu bedienen. Ich rauche vor allem Hanfblüten, die werden aus Holland importiert. Davon konsumiere ich ungefähr zwei Gramm am Tag. Das ist eine Dosis, mit der ich mein Leben auf die Reihe bekomme. Die Schmerzen sind nicht weg. Aber sie sind erträglich.

Wieviel kostet Sie das Cannabis?

Wolf: In der Apotheke kostet das Gramm satte 15 Euro. Das heißt, ich gebe im Monat 900 Euro für Cannabis aus.

Zahlt das die Krankenkasse?

Wolf: Nein. Weil es kein zugelassenes Arzneimittel ist. Es ist, auf deutsch gesagt, nicht verordnungsfähig. Alles was ich vorher an Medikamenten eingeschmissen habe, war zwar verordnungsfähig, hat mir aber nicht gutgetan. Das synthetische Zeug packe ich nicht. Da begehe ich lieber Selbstmord.

Was halten Sie vom neuen Gesetzesentwurf des Gesundheitsministeriums für eine behördliche Cannabis-Agentur?

Wolf: Ich hab diesen Entwurf eingesehen. Da stehen einem die Haare zu Berge. Die wollen das unter dem Dach des des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte laufen lassen. Das fuktioniert meiner Meinung nach nicht. Wenn ich Cannabis als Medikament ernst nehme, muss ich eine komplett neue Verwaltung schaffen. So, wie es geplant ist, wird sich für den Patienten nichts ändern. Die Hürden bleiben endlos hoch.

Was sind das für Hürden?

Wolf: Es ist enorm schwierig, Medizinalhanf überhaupt genehmigt zu bekommen. Ich muss meine kompletten ärztlichen Unterlagen zusammentragen – die ganze Lebensgeschichte mit jedem noch so kleinen Krankheitsfall. Dann brauche ich einen Arzt, der Hanf befürwortet und mir den ganzen Schwachsinn nochmal so zusammenschreibt, dass die Bundesopiumstelle damit was anfangen kann. Und dann erdreistet sich eine Behörde zu entscheiden, ob mir das Medikament, das ich selbst bezahlen muss, zuteil wird oder nicht.

Nach welchen Kriterien wird entschieden, wer zu Cannabis greifen darf und wer nicht?

Wolf: Der Gesetzesentwurf vom Bundesgesundheitsministerium sieht explizit vor, dass nur Schwerstkranke und Chroniker etwas bekommen. Ehrlich gesagt, finde ich das bescheuert. Ich kann nicht verstehen, warum man die Nutzung dieser Pflanze nicht ausbaut, und vor allem: sie mal solide erforscht. Es geht ja nicht um viel Geld. In dem Referentenentwurf steht drin, dass Medizinalhanf im Jahr 2014 ingesamt Kosten in Höhe von 864 000 Euro verursacht hat. In welcher Solidargemeinschaft leben wir eigentlich? Das ist Trinkgeld!

Im Januar hat das Verfassungsgericht ein Volksbegehren zur Hanf-Legalisierung für unzulässig erklärt. An dem Begehren waren Sie maßgeblich beteiligt. Wie kam’s dazu?

Wolf: Im Februar 2014 bin ich durch die Fußgängerzone gelatscht, auf dem Weg zum Doktor. Da sehe ich plötzlich ein Wohnmobil stehen. Und davor steht dieser Mann und sagt: „Wir müssen das Cannabis freigeben.“ Da hab’ ich gedacht: Wahnsinn, was ist das denn für ein Irrer? Steht da ganz alleine und predigt die Legalisierung. Er hatte das als Demonstration angemeldet. Wir haben dann kurz geplaudert, und er hat mir seine Position nahegebracht. Er meinte, das sei eigentlich ein Freiheitsthema. Es müsse den Leuten selbst überlassen sein, womit sie sich berauschen oder nicht. Nach meinem Arzttermin bin ich wieder zu ihm gegangen und wir haben vier Stunden lang geratscht. Danach war für mich klar: Ich bin dabei. Ich helfe, wo ich kann. Kurz darauf standen wir in der Fußgängerzone und haben Unterschriften gesammelt. So hat das mit dem Volksbegehren angefangen.

Was haben Sie sich damals davon versprochen?

Wolf: Zu dem Zeitpunkt wusste ja noch keiner, dass das Bayerische Verfassungsgericht nein sagen würde. Wir haben an die Möglichkeit geglaubt, zu prüfen, was die Leute wirklich denken. Wir wollten sehen, was passiert, wenn der Stimmzettel „Cannabis – ja oder nein?“ tatsächlich vorliegt. Das war die Triebfeder hinter dieser ganzen Bewegung – die CSU-Drogenbeauftragte Marlene Mortler würde sagen: „Hanfspinnern“.

Diesen Samstag planen Sie, einen Verein zu gründen. Wie heißt er und was steckt dahinter?

Wolf: „Grüne Hoffnung Bayern“ wird er heißen. Das ist ein Verein für Menschen, die im Besitz einer Ausnahmegenehmigung sind. Diesen Patienten ist nämlich eines gemein: Sie haben in aller Regel zu wenige oder gar keine Mittel, um ihre Medizin bezahlen zu können. Das ist ein fürchterliches Schicksal. Du lebst damit, dass du weißt: Es gibt etwas, das mir hilft – aber ich kann’s mir nicht leisten. Ich hoffe, dass der Verein auch wirklich zustande kommt.

Warum sollte er das nicht?

Wolf: Wir brauchen sieben Leute, um ihn ins Vereinsregister und ins Handelsregister eintragen zu können. So viele sind wir zwar – aber da kommt wieder dazu, was man bei allen Kiffern auf dem Schirm haben muss: Kiffer sind Maulhelden. Geredet wird viel, gemacht wird wenig. Ich hoffe, dass über Facebook noch ein paar Leute dazukommen.

Welches Ziel verfolgen Sie mit dem Verein?

Wolf: Wenn mit der Gründung alles klappt, dann wird am Samstag eine „juristische Person“ geboren. Die kann sich wiederum bei der Bundesopiumstelle um eine Anbauerlaubnis bemühen. Was nämlich alle Patienten betrifft, ist der übergesetzliche Notstand. Dieser Begriff bedeutet, dass zum einen die Versorgung nicht sichergestellt ist und zum anderen die wirtschaftliche Situation der meisten Patienten es ihnen gar nicht erlaubt, ihre volle Dosis abzurufen.

Mit dem Verein wären Sie also Ihr Beschaffungsproblem los?

Wolf: Ja. Wir könnten für unsere Vereinsmitglieder anbauen. Wir hoffen aber auch, durch diese Initiative eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen. Ich finde, dass Cannabis für jeden zugänglich sein sollte, der es braucht.

Das Interview führte Marian Meidel.

Presseschau: Ärzte in Deutschland gegen freies Marihuana auf Krankenschein (Heilpraxisnet.de)

Auch die offiziellen Vertreter der Ärzteschaft in Deutschland haben wie offizielle Vertreter der Ärzteschaft in andren Ländern, wie beispielsweise Kanada, Hemmschwellen, wenn es um die medizinische Verwendung von Cannabisblüten geht. „Wir können in Deutschland die gleichen Phänomene beobachten wie in anderen Ländern, in denen eine Erleichterung der medizinischen Verwendung von Cannabisblüten erfolgte“, erklärte Dr. Franjo Grotenhermen von der ACM. „Die offiziellen Vertreter haben meistens nur wenig Ahnung von der Praxis und argumentieren auf der Basis von Prinzipien und theoretischen Überlegungen. Das Schüren unbegründeter Ängste auf dem Rücken der Patienten gehört wohl leider dazu. Wie in anderen Ländern wird es sicherlich auch in Deutschland zu einer zunehmenden Akzeptanz und Unterstützung durch Ärzte kommen, die nah am Patienten sind. Das lässt sich bereits aus dem zunehmenden Interesse in der Ärzteschaft in den vergangenen zwei bis drei Jahren ablesen.“

Ärzte in Deutschland gegen freies Marihuana auf Krankenschein

Erst vor kurzem wurde bekannt gegeben, dass die schwarz-rote Bundesregierung plant, Marihuana für medizinische Zwecke zu legalisieren. Eine Cannabis-Agentur soll die qualitätsgesicherte Versorgung mit Cannabisarzneimitteln in Deutschland ermöglichen. Die Bundesärztekammer sperrt sich gegen die Pläne.

Marihuana dient der Gesundheit

Die Frage, ob man Hanf frei geben soll oder lieber nicht, wird seit Jahren teils erbittert geführt. Vielen Befürwortern geht es dabei auch um die gesundheitlichen Aspekte von Marihuana. Diese sind teilweise wissenschaftlich belegt, etwa bei Beschwerden wie Übelkeit und Erbrechen. Zudem wurde erst kürzlich in einer Studie bestätigt, dass Cannabis hilfreich gegen Migräne ist. Cannabis wird in der Medizin schon seit längerem unter anderem zur Behandlung von chronischen Schmerzen oder gegen spastische Lähmungen und Krämpfe bei Multipler Sklerose (MS) eingesetzt.

Patienten müssen Cannabis aus eigener Tasche zahlen

Trotzdem müssen Patienten die Kosten für sogenannten Medizinalhanf bislang aus eigener Tasche zahlen. Und die Cannabis-Präparate in den Apotheken sind teuer. Nur in Einzelfällen, beispielsweise bei MS-Patienten, zahlen die Kassen. Schwerkranke Schmerzpatienten, die Cannabis zur Linderung ihrer chronischen Erkrankungen brauchen, können derzeit wegen der gesetzlichen Einstufung von Marihuana als illegaler Droge schnell ins Visier der Justiz geraten. Bauen sie selbst Hanf an, droht ihnen ein Ermittlungsverfahren. Das Bundesgesundheitsministerium hat nun einen Entwurf vorgelegt, in dem unter anderem die Kostenübernahme der Krankenversicherungen für medizinisches Cannabis geplant ist. Die Ärzte in Deutschland sperren sich teilweise gegen den Plan.

Deutsche Ärzteschaft gegen Regierungspläne

Laut einer Meldung der Nachrichtenagentur AFP hat die Ärzteschaft in Deutschland Bedenken gegen Marihuana-Joints auf Krankenschein. „Eine Verordnungsfähigkeit von Cannabis in Form von getrockneten Blüten und Extrakten wird abgelehnt“, zitierte das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ am Samstag aus einer Stellungnahme der Bundesärztekammer (BÄK). Für die von der schwarz-roten Regierung ins Auge gefasste Legalisierung eines medizinischen Einsatzes fehle es demnach an Studien. Die Ärztekammer gab zu bedenken, dass sogenannter Medizinalhanf „keine genaue Dosierung“ erlaube. Wie es heißt, sei sein Gebrauch als Joint mit den „gesundheitlichen Gefahren des Tabakrauchens verbunden“. Die Kostenübernahme für Cannabis-Fertigarzneien und Rezepturen wird von der BÄK laut einer Pressemitteilung jedoch unterstützt.

Leichterer Zugang für schwer chronisch Kranke

Die Mediziner lehnen auch die geplante Einrichtung einer staatlichen Cannabis-Agentur ab, die den Anbau und Handel kontrollieren soll. Laut dem „Spiegel“ urteilte die Kassenärztliche Bundesvereinigung in ihrer Stellungnahme, Ärzten drohten bei einer Verordnung „mögliche haftungsrechtliche Probleme“. Ein Gesetzentwurf des Gesundheitsministeriums sieht unter anderem vor, dass schwer chronisch Kranke sich künftig auf Kassenrezept mit Medizinalhanf und mehr Arzneimitteln auf Cannabisbasis als bisher versorgen dürfen. (ad)

Presseschau: Bietet Cannabis neue Hoffnung im Kampf gegen Krebs? (Die Welt)

Die Medien berichten international wiederholt über die krebslindernden Eigenschaften von Cannabisprodukten. Dabei ist es nicht immer einfach das richtige Maß zu finden.

Bietet Cannabis neue Hoffnung im Kampf gegen Krebs?

Seit Jahren hoffen Forscher, dass Cannabinoide wie THC das Wachstum von Krebszellen hemmen könnten. In Zellkulturen und bei Mäusen ist das mehrfach gelungen – ein Anlass zu vorsichtigem Optimismus.

Cannabis kann Studien zufolge Krebszellen töten: Dieser Satz ist nicht ganz falsch, aber er ist leider auch nicht ganz richtig.

Menschen, die an Krebs erkrankt sind, können leider nicht auf Heilung durch Kiffen hoffen. Es gibt dafür jedenfalls keinen einzigen wissenschaftlichen Beleg. Es gibt kein einziges Medikament aus den Inhaltsstoffen der Cannabispflanze, das gegen irgendeine Form von Krebs eingesetzt werden kann. Es gibt noch nicht einmal die Vorstufe zu einem solchen Medikament.

Bisher jedenfalls. Vielleicht ändert sich das in den nächsten Jahren, es ist schwer vorherzusagen. Was man sagen kann, ist, dass Forscher seit vielen Jahren an den Zusammenhängen forschen – und dabei eine Reihe erster Erfolge erzielt haben.

Medizinisches Marihuana gegen Schmerzen und Spastiken

Diese Erfolge hat das National Cancer Institute, ein Krebsforschungszentrum, das zur obersten Gesundheitsbehörde der USA gehört, nun auf seiner Webseite aufgenommen. In vielen Bundesstaaten der USA können die Bürger inzwischen die medizinische Nutzung von Marihuana beantragen, es ist dann völlig legal, die Droge zu konsumieren.

Im ganzen Land wird über Cannabis als Medizin diskutiert, zur Linderung chronischer Schmerzen, um den Appetit von HIV-Patienten zu erhöhen, gegen Spastiken. Die Hoffnung, dass Cannabis auch gegen Krebs helfen könnte, ist riesig.

Die Behörde will über die Studienlage aufklären. Um die zu verstehen, muss man wissen, dass es verschiedene Typen medizinischer Studien gibt. Man muss sich ein Stufenmodell vorstellen. Wenn ein neuer Wirkstoff getestet werden soll, führen Forscher erst mal Laborversuche durch. In der nächsten Stufe wird der Wirkstoff an Tieren getestet, meist an Mäusen oder Ratten. Erst dann beginnen Versuche an Menschen, für die gibt es wiederum drei Stufen.

Tumorwachstum im Labor und bei Mäusen gebremst

Die neuen Wirkstoffe, um die es in diesem Fall geht, sind Cannabinoide. Neu im Sinne von: nicht wissenschaftlich erforscht. Schon vor Jahrtausenden haben Menschen die Cannabispflanze auch als Heilmittel angewendet. Cannabinoide sind die Stoffe aus der Pflanze, die high machen – und die das Wachstum von Tumorzellen hemmen können.

Zumindest in Versuchen mit Krebszellen im Labor – der allerersten Stufe – hat das inzwischen wiederholt funktioniert. Eine Studie aus dem vergangenen Jahr etwa zeigte, dass Dronabinol, synthetisch hergestelltes Tetrahydrocannabinol (THC) das Wachstum von Leukämiezellen bremste. In weiteren Laborversuchen haben Cannibinoide gegen Krebszellen verschiedenster Art gewirkt.

Bei einigen Krebsarten haben die Cannabinoide auch in Tierversuchen – der zweiten frühen Testphase – das Tumorwachstum gehemmt. Bei Mäusen halfen Cannabiswirkstoffe gegen Brustkrebs, der schon Metastasen bildete. Die Metastasen breiteten sich langsamer aus.

Auch Mäusen, denen Zellen aus Gliomen eingepflanzt wurden, halfen Cannabinoide. Wenn die Mäuse die Stoffe erhalten hatten, wirkten Bestrahlungen bei ihnen besser gegen den Krebs. Gliome sind aggressive Tumoren des Zentralen Nervensystems, meist treten sie im Gehirn auf. Auch bei Leberkrebs halfen Cannabinoide, auch hier bisher leider nur: in einem Versuch mit Mäusen.

Versuche an Menschen sind längst nicht abgeschlossen

Es gab bisher eine Untersuchung an Menschen, die kaum aussagekräftig ist, weil nur eine winzige Gruppe Todkranker behandelt wurde. Neun Patienten, die unheilbar an Gehirntumoren erkrankt waren, an Glioblastomen, wurden mit THC behandelt. Die Menschen hatten alle anderen Therapien durchlaufen und starben nach durchschnittlich einem halben Jahr. Nach Ansicht der Forscher ergab der Versuch immerhin, "dass THC das Tumorwachstum nicht steigert und das Überleben der Patienten nicht verkürzt." Die Studie erschien vor zehn Jahren.

Seitdem wurde weiter an Zellen und Mäusen geforscht.

Das National Cancer Institute berichtet, dass derzeit neue Versuche an Menschen laufen. An Patienten, die ebenfalls unter Glioblastomen leiden, wird ein Spray getestet, in dem die Wirkstoffe THC und Cannabinoid enthalten sind. Die Kombination hatte schon Mäusen am besten geholfen. Die Ergebnisse des Versuchs stehen noch aus.

Presseschau: Bremer Haschisch-Politik: Lieber nur als Medizin (taz)

Die Bremerbürgerschaft führte am 26. Februar eine Expertenanhörung zum Umgang mit Cannabis durch. Zu den eingeladenen Experten zählte Professorin Kirsten Müller-Vahl aus dem ACM-Vorstand.

Bremer Haschisch-Politik: Lieber nur als Medizin

Bei einer Expertenanhörung zum Umgang mit Cannabis überwiegen zunächst im Haus der Bügerschaft die kritischen Stimmen.

Weitgehend unstrittig ist die Frage nur dort, wo es um die reine Medizin geht. Da befürworten sie alle die Legalisierung von Cannabis, alle fünf ExpertInnen, die die Bürgerschaft am Freitag über „Neue Wege in der Drogen- und Präventionspolitik“ befragte.

Hintergrund der Debatte ist der Plan von Rot-Grün, in Bremen einen Modellversuch zur kontrollierten Abgabe und medizinischen Nutzung von Cannabis zu starten. Dass das so im Regierungsprogramm steht, war einer der grünen Erfolge in den Verhandlungen mit der SPD. Nur: In Berlin scheiterte ein ähnliches Projekt im vergangenen Jahr. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte lehnte es ab.

Ganz aufgeben wollen SPD und Grüne die Idee aber nicht, demnächst wollen sie dazu einen Antrag in die Bürgerschaft einbringen. Für den Fall, dass aus dem Modellversuch nichts wird, könnte es zumindest eine Bremer Bundesratsinitiative geben. Und ein Konzept, dass Rot-Grün aus der Schublade ziehen kann, sollte der Bund seine Drogenpolitik liberalisieren. Außerdem setzen SPD und Grüne sich dafür ein, dass der bloße Besitz von Cannabis zum Eigengebrauch nicht mehr strafrechtlich verfolgt wird.

Der gesellschaftliche Umgang mit Cannabis solle dem mit Alkohol „angenähert“ werden, forderte Henning Schmidt-Semisch vom Institut für Public Health der Uni Bremen, denn auch die Risiken der beiden Drogen seien vergleichbar. Die repressive Drogenpolitik solle „konsequent zurückgefahren“ werden, so Schmidt-Semisch.

Die anderen ExpertInnen waren da weniger eindeutig. Der medizinische Nutzen von Cannabis stehe „außer Frage“, sagte etwa Rainer Matthias Holm-Hadulla, Professor für psychotherapeutische Medizin in Heidelberg. Er wirbt dafür, Cannabis überhaupt wie ein Medikament zu behandeln – die Kommerzialisierung dieser „Apathiedroge“ sei „so problematisch“, so Holm-Hadulla, der auch die „verharmlosende öffentliche Debatte“ kritisiert. „Substanzielle Schäden“ durch regelmäßigen Konsum seien „eindeutig nachgewiesen“, sagt er, zudem Cannabis bei der Mehrheit aller behandlungsbedürftigen PatientInnen die „Einstiegsdroge“.

„Das ist keine Droge light“, sagt auch Eva Carneiro-Alves, die Leiterin der Bremer Drogenberatungsstellen. Dort werden etwa 1.500 Menschen im Jahr beraten, jeder fünfte von ihnen konsumiere vor allem Cannabis. Dessen Wirkstoffgehalt – da waren sich die ExpertInnen einig – sei heute wesentlich höher als noch in den 1970ern. Das Einstiegsalter der Kiffer in Bremen habe im vergangenen Jahr bei 15 gelegen, so Carneiro-Alves, jene, die sich in Behandlung begeben, seien dann aber schon 28. Dass eine Legalisierung den Schwarzmarkt für Haschisch und Marihuana eliminiert, glaubt sie übrigens nicht.

Auch der Leiter des Rehabilitationszentrums Alt-Osterholz, der Psychiater Thomas Hempel, mochte sich nur für eine „sehr begrenzte und „genau definierte“ Legalisierung von Cannabis aussprechen. Früher Konsum wirke sich negativ auf die Hirnentwicklung aus, so Hempel, der zudem vor „schwerwiegenden“ – vor allem seelischen – Abhängigkeiten und einem erhöhten Schizophrenie-Risiko warnt. „Große Sorgen“ machten ihm vor allem Hunderte von legalen und „sehr wirksamen“ synthetischen Cannabinoiden, die es im Netz zu kaufen gebe.

In der Medizin seien cannabisbasierte Medikamente zwar seit „Hunderten von Jahren“ bekannt, sagt Kirsten Müller-Vahl, Oberärztin an der Medizinischen Hochschule Hannover – hier zugelassen sind sie aber nur für Spastiker mit Multipler Sklerose. Und selbst dort, wo Cannabis zu Therapiezwecken erlaubt sei, scheitere eine Behandlung oft an den hohen Kosten – die die Krankenkassen oft nicht übernehmen. Insgesamt sei der medizinische Nutzen von Cannabis aber noch „unbefriedigend“ erforscht.

Presseschau: Mehr Akzeptanz für Hanf-Arznei (Wochen-Zeitung)

In allen Ländern des deutschsprachigen Raums wird über Verbesserungen beim Zugang zu Cannabis als Medizin diskutiert. Die Wochen-Zeitung berichtete über die Situation in der Schweiz.

Mehr Akzeptanz für Hanf-Arznei

Medikamente aus Cannabis sollen auf der offiziellen Medikamentenliste stehen. Einer, der sich seit Jahren mit Hanf beschäftigt, ist Manfred Fankhauser.

Im gesicherten Raum, eingeschlossen im Tresor, lagert ein Stoff, in den viele schwerst leidene Patienten ihre Hoffnung setzen: Dronabinol, reines THC. Vorsichtig spannt Manfred Fankhauser eine Ampulle in eine Vorrichtung, um die geruchslose, glasklare und zähe Flüssigkeit zu erwärmen. «Hier handelt es sich um synthetisches THC, welches nicht aus Cannabis hergestellt wird», erklärt der Inhaber der Bahnhof Apotheke Langnau. Sie ist aber auch als einzige Apotheke in der Schweiz befugt, Medikamente aus natürlichem Cannabis herzustellen. «Die meisten unserer Patienten haben einen langen Leidensweg hinter sich. Sie haben unzählige Therapien ausprobiert, die nicht den gewünschten Erfolg brachten», sagt Manfred Fankhauser. Viele leiden an starken und schmerzhaften Spasmen wie zum Beispiel Patienten mit MS oder dem Tourette-Syndrom. Besonders MS-Patienten erlebten dank der Medikamente aus Cannabis oft eine grosse Verbesserung.

Zum Thema Hanf als Arznei kam der Apotheker über seine Dissertation. «Als ich mit meiner Arbeit begann, wurde die Diskussion um Cannabis in der Medizin entfacht. Zu diesem Zeitpunkt verbot das Betäubungsmittelgesetz aber noch sämtliche Produkte aus Hanf», erinnert er sich.

Bewilligung für synthetisches THC

1997 wurde Manfred Fankhauser Ansprechperson der «Arbeitsgemeinschaft Cannabis in der Medizin» in der Schweiz. Fankhauser hielt viele Vorträge vor Ärzten und Laien und tauchte immer mehr in das Thema ein. «Eines Tages hatte ich den Geistesblitz, reines, künstlich hergestelltes THC als Arzneimittel einzusetzen. Ich fragte beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) an, dieses liess meine Anfrage von Juristen abklären. Schliesslich erhielt ich die Bewilligung.» Die ersten Jahre stellte der Apotheker seine Medikamente ausschliesslich aus dem synthetischen Dronabinol her. Seit der Änderung des Betäubungsmittelgesetzes 2011, welches Cannabispräparate für medizinische Zwecke erlaubt, stellt Manfred Fankhauser auch Cannabistinkturen und -öle her. Die Wirkung von Dronabinol und Cannabis sei sehr ähnlich. Die natürlichen Präparate enthalten nebst THC weitere Inhaltsstoffe, welche zum Beispiel entzündungshemmend wirken. Die Präparate werden in der Regel so dosiert, dass sie keine berauschende Wirkung haben. «Die Patienten benötigen nur wenige Milligramm THC; das ist zu wenig, um einen Rausch hervorzurufen. Diese therapeutischen Dosen bergen auch keine Suchtgefahr», weiss Fankhauser. Den Hanf lässt er selber anbauen, mit einer entsprechenden Bewilligung, wie er betont. Das Feld steht bewacht an einem geheimen Ort. «Mit Hilfe eines Chemikers haben wir eine eigene Hanfsorte gezüchtet, welche ein optimales Wirkstoffspektrum enthält. Aus einer Ernte von 300 Kilogramm der Blüten können wir den Bedarf an Tinkturen und Ölen von eineinhalb Jahren abdecken», so Manfred Fankhauser.

Krankenkassen müssen nicht zahlen

Mittlerweile ist das Dronabinol flüssig geworden und Fankhauser kippt zu den fünf Gramm THC ein Trägeröl, und so entstehen 200 Milliliter der fertigen Lösung. Auf einer Wärmeplatte werden die Flüssigkeiten während 20 Minuten vermischt. Manfred Fankhauser hat strenge Auflagen zu erfüllen und erstellt zu jeder Serie ein Protokoll. Die Arbeit an sich sei nicht aufwändig, die Abgabe der Medikamente aus Cannabis hingegen mit einem hohen administrativen Aufwand verbunden. Jeder Patient, der ein Präparat beziehen möchte, muss eine Bewilligung beantragen. Die Krankenkassen sind nicht verpflichtet, die Behandlungskosten von bis zu 20 Franken pro Tag zu übernehmen. «Viele Patienten sind nicht in der Lage, dies selber zu finanzieren und müssen auf eine solche Therapie verzichten», bedauert Fankhauser. Das könnte sich ändern, wenn die Arzneimittel aus Cannabis von Swissmedic zugelassen würden (siehe Kasten).

600 Patienten schweizweit

Die Betreuung der Kunden sei zeitintensiv, aber das A und O, erläutert Fankhauser. Für jeden Patienten müsse die Dosierung und die Eignung individuell abgeklärt werden. «Um die vielen Anfragen und Beratungen bewältigen zu können, haben wir in der Apotheke einen eigenen Bereich geschaffen», beschreibt Fankhauser. Für jeden Kunden wird ein Dossier geführt, in dem die Dosierung des jeweiligen Medikaments und der Therapieverlauf genau festgehalten werden. Aktuell beziehen schweizweit rund 600 Patienten Cannabis-Medikamente in der Bahnhof Apotheke. «In den vergangenen neun Jahren haben wir um 1700 Personen betreut. Nie musste eine Behandlung wegen bedrohlicher Nebenwirkungen abgesetzt werden», hält er fest. Kam früher die Initiative, Schmerzen mit Cannabis zu behandeln, meist vom Patienten, gehe diese heute auch von Ärzten aus. Die Akzeptanz sei deutlich grösser geworden. Dies sei auch der Tatsache zu verdanken, dass 2013 der Sativex-Spray, der auf Cannabisbasis hergestellt wird, bei Swissmedics registriert worden ist. «MS-Patienten können ihn ohne Bewilligung beziehen, er unterliegt nicht dem Betäubungsmittelgesetz.» Sorgfältig giesst Fankhauser die Lösung in die bereitstehenden Fläschchen ab. Später werden sie an die Patienten verschickt, die auf Linderung ihrer Schmerzen hoffen.

Studie belegt Wirksamkeit

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) finanzierte eine Studie über die Anwendung von Cannabis in der Medizin. «Die Studie hat ergeben, dass es eine Reihe von Indikationen wie zum Beispiel MS, Krebs oder HIV gibt, bei denen die schmerzlindernde, appetitfördernde oder entspannende Wirkung von Cannabis belegt ist», sagt Catherine Cossy vom BAG. Aufgrund der vom Parlament überwiesenen Motion «Cannabis für Schwerkranke» hat das BAG nun eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Diese solle aufzeigen, welche fachlichen und rechtlichen Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit Arzneimittel auf Cannabisbasis von Swissmedic zugelassen und vom BAG zwecks Vergütung durch die Krankenversicherer auf die so genannte Spezialitätenliste aufgenommen werden können.