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ACM-Mitteilungen vom 24. Februar 2019
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Liebe Leserin, lieber Leser,
am 20. März 2019 findet im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags eine öffentliche Anhörung zu drei Anträgen der Fraktionen FDP, Die Linke und Bündnis 90/die GRÜNEN zum Thema Cannabis als Medizin statt. Da die Anhörung im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus öffentlich ist, können gern auch Patienten, ärztliche Kolleginnen und Kollegen und andere Interessierte nach entsprechender Voranmeldung beim Gesundheitsausschuss teilnehmen.
Zwei Mitglieder des ACM-Vorstandes wurden angefragt, ob sie den Ausschuss bei der Anhörung als Sachverständige zur Verfügung stehen, Professorin Kirsten Müller-Vahl, Ärztin für Psychiatrie und Neurologie an der medizinischen Hochschule Hannover und 2. Vorsitzende der ACM, und ich. Wir haben beide zugesagt.
Die FDP weist in ihrem Antrag darauf hin, dass die bisher von der deutschen Cannabisagentur ausgeschriebenen Mengen für den Anbau unzureichend sind. Es solle zudem die Möglichkeit geschaffen werden, Cannabisblüten aus deutschem Anbau zu exportieren.
Bündnis 90/Die GRÜNEN und Die Linke beantragen nach den bisherigen Erfahrungen mit Anträgen auf eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen die Streichung des Genehmigungsvorbehalts durch die Krankenkassen. Wenn ein Arzt eine Therapie für notwendig erachtet, wären die Krankenkassen dann gezwungen, die Kosten auch zu erstatten. Das würde ein großes Problem lösen, denn gegenwärtig werden Anträge auf eine Kostenübernahme zum Teil mit wenig überzeugenden Argumenten von Krankenkassen bzw. den Medizinischen Dienst der Krankenkassen abgelehnt. Auch die privaten Versicherer sind nicht kulanter als die gesetzlichen Versicherungen, nach den Erfahrungen einzelner Ärzte sogar strenger.
Nach den bisherigen Erfahrungen mit den Krankenkassen, die mit aller Macht versuchen, die Zahl der Kostenübernahmen gering zu halten, könnte allerdings durch den Wegfall des Genehmigungsvorbehalts ein neues Problem entstehen. Bereits jetzt informieren einige Krankenkassen nach Genehmigung der Kostenübernahme den jeweils behandelnden Arzt darüber, dass dies nicht gleichzeitig bedeutet, dass sie vor einer Regresszahlung, also einer Strafzahlung bei mangelnder Wirtschaftlichkeit, geschützt sind. Wir müssen leider davon ausgehen, dass die Krankenkassen diesen Hebel noch stärker nutzen werden, um sicherzustellen, dass Ängste behandelnder Ärztinnen und Ärzte vor Strafzahlungen noch verstärkt werden. Wir werden mit den Mitgliedern des Gesundheitsausschusses darüber sprechen müssen, wie sinnvoll mit dieser Problematik umgegangen werden kann.
Kein verantwortungsbewusster Arzt hat ein Interesse daran, dass Cannabis bzw. cannabisbasierte Medikamente verschrieben werden, obwohl sie nicht indiziert sind. Das ist in Deutschland rechtlich auch nicht zulässig, da der § 13 Betäubungmittelgesetz bereits grundsätzlich hohe Hürden für die Verschreibung von Betäubungsmitteln vorgibt. Viele Ärztinnen und Ärzte verzweifeln jedoch an der gegenwärtigen Rechtslage und werfen das Handtuch, in dem Sie sich entschließen, grundsätzlich keine solchen Präparate mehr zu verschreiben, oder nur noch auf einem Privatrezept. Eine sinnvolle Lösung ist daher dringend erforderlich, um die Frustration vieler Patientinnen und Patienten sowie Ihrer behandelnden Ärzte abzubauen. Insofern ist der Ansatz der Streichung des Genehmigungsvorbehalts ein richtiges Signal.
Das Europaparlament hat eine Entschließung zugunsten einer besseren medizinischen Versorgung mit cannabisbasierten Medikamenten sowie ihrer Erforschung angenommen. Wie die Deutsche Apotheker Zeitung treffend formuliert, wurden dabei die Cannabisblüten „vergessen“. Ein Antrag der Grünen Fraktion, der die Therapie mit Cannabisblüten ebenfalls berücksichtigt, wurde mit knapper Mehrheit nicht angenommen, sodass die GRÜNEN dem Antrag auch nicht zugestimmt haben. Bisher werden in Europa Cannabisblüten immer noch mit dem Freizeitkonsum assoziiert, im Gegensatz zu den USA und Kanada. Daher ist das Engagement von Legalisierungsorganisationen, die sich in diesem Zusammenhang für die Cannabisblüten einsetzen, kritisch zu sehen. Ein solches Engagement kann bei konservativen Mitgliedern des Europaparlaments eher die Vorurteile verstärkten, nach denen es hier nicht um eine bessere medizinische Versorgung der Bevölkerung, sondern um medizinfremde Anliegen gehen könnte. Vielleicht wäre in diesem Zusammenhang Zurückhaltung besserer als ein gut gemeintes Engagement.
Viel Spaß beim Lesen!
Franjo Grotenhermen
Presseschau: Weltgesundheitsorganisation empfiehlt Neuklassifizierung von Cannabis (Ärzteblatt.de)
Auch das Deutsche Ärzteblatt berichtet über die Empfehlung der WHO zur Umstufung von Cannabis. Wir berichteten bereits in der letzten Ausgabe.
Weltgesundheitsorganisation empfiehlt Neuklassifizierung von Cannabis
Die 53 UN-Länder, die Mitglieder der Kommission für Suchtstoffe sind, werden im März dieses Jahres entscheiden, ob sie über die WHO-Empfehlungen zu Cannabis abstimmen oder die Abstimmung auf März 2020 verschieben wollen. /Adam, stock.adobe.com
Berlin – Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen eine Neuklassifizierung von Cannabis, die insbesondere die medizinische Nutzung von Cannabis erleichtern würde. Das geht aus einem Brief der WHO an UN-Generalsekretär António Guterres hervor, der sich auf eine Neuberwertung von Cannabis und seine Inhaltsstoffe THC und CBD beruft.
Seit 1961 hat der WHO-Sachverständigenausschuss für Drogenabhängigkeit das Potenzial für Schädigung, Abhängigkeit und Missbrauch von Cannabis nicht mehr überprüft. Im November 2018 untersuchte die wissenschaftliche Arbeitsgruppe der WHO erneut die Risiken von Cannabis, THC und CBD. Sie kamen zu dem Schluss, dass die aktuelle Einstufung, die Cannabis mit Heroin in eine Gruppe einordnet, nicht gerechtfertigt ist. Gleichzeitig wurde ein medizinischer Nutzen von Cannabis anerkannt. Weitere Wirkstoffe, wie Pregabalin, Fentanylderivate und Tremadol wurden ebenfalls einer Prüfung unterzogen.
Gemäß den Empfehlungen der WHO sollen Cannabisblüten und Haschisch aus der Liste der gefährlichsten Drogen, der Anlage IV der Single Convention, gestrichen werden und nur noch in der Liste der weniger gefährlichen Drogen der Anlage I verbleiben. CBD-Präparate sollen, solange der THC-Gehalt 0,2 Prozent nicht übersteigt, gänzlich aus der Single Convention entfernt werden.
Der bekannte Cannabiswirkstoff THC soll in den Anlagen der internationalen Drogenübereinkommen so verschoben werden, dass seine medizinische Anwendung erleichtert wird, nicht jedoch die Freizeitanwendung. Es liege nicht im Mandat der WHO, die Länder bei ihrer eigenen Kontrolle, einschließlich der Legalisierung von Cannabis, zu beraten, betont die WHO auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblatts (DÄ). Gemäß der Konvention von 1961 müsse Cannabis von den Unterzeichnerstaaten kontrolliert werden.
Die Empfehlungen der WHO folgen konsequenterweise dem medizinischen Wissensstand, den wir seit den 60er Jahren über den Einsatz von Cannabis als Medizin erlangt haben. Joachim Nadstawek, BVSD
Keine Auswirkung für das Betäubungsmittelgesetz in Deutschland
Der Vorsitzende des Berufsverbands der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland (BVSD), Joachim Nadstawek, würde eine Neuklassifizierung befürworten: „Die Empfehlungen der WHO folgen konsequenterweise dem medizinischen Wissensstand, den wir seit den 1960er-Jahren über den Einsatz von Cannabis als Medizin erlangt haben.“ Es sei daher richtig, dass die Expertenkommission der WHO in ihrem Review 2018 die Wirksamkeit von medizinischem Cannabis gerade im Bereich der Therapie chronischer Schmerzen anerkenne, sagt er dem DÄ.
Nadstawek warnte aber auch vor falschen Schlussfolgerungen. Eine Neubewertung und Umstufungen von Cannabis im UN-Einheitsabkommens über die Betäubungsmittel sei kein Signal, das bisherige Betäubungsmittelgesetz in Deutschland zu ändern. „Wie jedes Arzneimittel sollte auch Cannabis als Medizin mit Bedacht verordnet und unter ärztlicher Aufsicht Anwendung finden.“
In einem nächsten Schritt muss nun die Suchtstoffkommission ECDD darüber abstimmen, ob sie die Empfehlungen übernehmen wollen. Die nächste Gelegenheit wäre bereits bei einer Tagung im März 2019. Gleichzeitig benötigen auch die 53 Mitgliedstaaten Zeit, um die Empfehlung zu prüfen und zu kommentieren. Aufgrund des straffen Zeitplans könnte die Entscheidung der UN über die Neueinstufung von Cannabis auch in den März 2020 verschoben werden.
Presseschau: Nutzung von Arzneimitteln auf Cannabis-Basis fördern (Europäisches Parlament)
Das Europäische Parlament fordert eine Förderung der Forschung und einen erleichterten Zugang zu cannabisbasierten Medikamenten.
Nutzung von Arzneimitteln auf Cannabis-Basis fördern
In einer am Mittwoch angenommenen Entschließung fordern die Abgeordneten die Kommission und die nationalen Behörden auf, eindeutig zwischen Arzneimitteln auf Cannabis-Basis und anderen Anwendungen von Cannabis zu unterscheiden. Kommission und Mitgliedstaaten sollen die regulatorischen, finanziellen und kulturellen Hindernisse beseitigen, vor denen die Forschung hier steht. Die Forschung sollte angemessen finanziert und medizinisches Personal besser über medizinisches Cannabis informiert werden.
Zudem sollten die Forschungstätigkeiten in der EU ausgeweitet und die Innovation im Zusammenhang mit Projekten, bei denen es um den Einsatz von Cannabis in der Medizin geht, gefördert werden.
Ärzte sollen Arzneimittel auf Cannabis-Basis verschreiben dürfen
Die Abgeordneten fordern die Mitgliedstaaten auf, es dem professionellen Ermessen der Ärzte zu überlassen, Patienten mit entsprechenden Krankheiten offiziell zugelassene Arzneimittel auf Cannabis-Basis zu verschreiben. Wenn diese Medikamente wirksam sind, sollen sie von den Krankenversicherungen in gleicher Weise wie bei anderen Arzneimitteln übernommen werden, heißt es.
Das Parlament betont, dass sich eine Regulierung für Arzneimittel auf Cannabis-Basis in zusätzlichen Ressourcen für die Gebietskörperschaften niederschlagen würden und sich mit ihr der Schwarzmarkt eindämmen und die Qualität und eine korrekte Kennzeichnung sicherstellen ließe. Zudem würde sich der Zugang Minderjähriger zu diesem Stoff beschränken lassen.
Hintergrundinformationen
Die Abgeordneten sind der Ansicht, dass es dass es Beweise dafür gibt, dass Cannabis oder Cannabinoide im Zusammenhang mit HIV/Aids den Appetit anregen oder den Gewichtsverlust verringern, die Symptome von psychischen Störungen wie Psychosen, des Tourette-Syndroms und von Epilepsie, Alzheimer, Arthritis, Asthma, Krebs, Morbus Crohn und Grünem Star lindern, zur Verringerung des Risikos von Adipositas und Diabetes beitragen sowie Menstruationsbeschwerden lindern können.
Während die WHO im Dezember 2017 offiziell empfohlen hat, den Stoff Cannabidiol (CBD) – ein Bestandteil von Cannabis – nicht international als kontrollierten Stoff zu erfassen, sind die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zum Einsatz von Cannabis in der Medizin sehr unterschiedlich.
Presseschau: EU-Parlament will Cannabismedizin fördern und „vergisst“ die Blüten (Deutsche Apotheker Zeitung)
Die Deutsche Apotheker Zeitung weist in ihrem Artikel daraufhin, dass das europäische Parlament das Thema nur sehr zaghaft angegangen ist.
EU-Parlament will Cannabismedizin fördern und „vergisst“ die Blüten
Mehr Forschung und Abbau kultureller Barrieren in der Cannabismedizin – dies und mehr fordert das EU-Parlament in einer Resolution, die am gestrigen Mittwoch in Straßburg verabschiedet wurde. Außerdem wollen die Abgeordneten von der EU-Kommission eine klare Definition des Begriffs „Cannabismedizin“. Die Präferenz des Parlaments, was darunter zu verstehen ist, geht aus dem Resolutionstext bereits hervor.
Der Einsatz von Cannabis als Medizin in Europa ist ein Flickenteppich. Der langjährige Status der Pflanze als illegale Droge hatte die Forschung erschwert, Fachkreise fordern mehr Evidenz. Wissenschaftliche Debatten werden häufig emotional geführt.
Diese Baustellen sind inzwischen im EU-Parlament angekommen. Am gestrigen Mittwoch verabschiedeten die Abgeordneten in Straßburg eine Resolution, mit der die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten dazu aufgefordert werden, die Nutzung und Erforschung von Cannabisarzneimitteln voranzutreiben.
Abgrenzung zur Freizeitanwendung
Darin werden die EU-Kommission und die nationalen Behörden dazu aufgefordert, eine Definition für den Begriff Cannabismedizin zu schaffen. Dabei solle zwischen Cannabisprodukten mit einer Arzneimittelzulassung und Cannabis, das nicht in klinischen Studien getestet wurde, unterschieden werden.
Außerdem soll die medizinische von der Freizeitanwendung differenziert werden. „Zu oft wird der Freizeitkonsum von Cannabis mit dem medizinischen Einsatz verwechselt“, erklärte Tiemo Wölken, SPD-Abgeordneter im EU-Parlament, nach der Abstimmung gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. „Patientinnen und Patienten, denen dieser Einsatz helfen kann, müssen legal und sicher versorgt werden können.“
Was ist Cannabismedizin?
Was bei der medizinischen Anwendung zu bevorzugen ist, dazu hat das EU-Parlament anscheinend bereits eine Meinung. So steht in der Resolution, dass seitens der Kommission sicherzustellen sei, „dass sicheres und kontrolliertes Cannabis, das für medizinische Zwecke eingesetzt wird, nur in Erzeugnissen auf Cannabis-Basis besteht, für die klinische Prüfungen durchgeführt wurden und eine Überprüfung und Zulassung durch die Regulierungsbehörden erfolgt ist.“
In Deutschland gibt es derzeit nur wenige zugelassene Fertigarzneimittel auf Cannabisbasis wie beispielsweise Sativex®. Cannabisblüten, die in der Versorgung derzeit eine größere Rolle spielen, sowie die Rezeptursubstanz Dronabinol haben dagegen keine Arzneimittelzulassung. Interessanterweise wird an einer anderen Stelle im Dokument auf die Vielfalt der in der Pflanze enthaltenen Cannabinoide und deren klinisches Potenzial hingewiesen. Hier ist anzumerken, dass Patienten von dem Inhaltsstoffspektrum vor allem dann in vollem Maße profitieren können, wenn sie die Blüten anwenden. Bei Präparaten, die auf Monosubstanzen beruhen, wie beispielsweise Dronabinol, wäre dies nicht der Fall.
Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen und Mitglied des Umwelt- und Gesundheitsausschusses im EU-Parlament hatte sich per Änderungsantrag dafür eingesetzt, dass mit der Resolution auch die Blüten gefördert werden, was allerdings nicht berücksichtigt wurde. „Ich werde mich weiterhin dafür einsetzen, dass die medizinische Verwendung von Cannabis in Blütenform gleichberechtigt zu anderen Formen des medizinischen Cannabis gefördert wird“, erklärte Häusling am gestrigen Mittwoch in einer Mitteilung.
Barrieren abbauen
Des Weiteren will das EU-Parlament die Cannabis-Forschung fördern. Da Cannabismedizin ein weites Feld ist, soll die EU-Kommission Prioritäten bei den weiter zu untersuchenden Anwendungsgebieten vornehmen. Der Resolutionstext enthält zudem einen klaren Appell, das Potenzial der Cannabismedizin besser zu nutzen: „… fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die regulatorischen, finanziellen und kulturellen Hindernisse zu beseitigen, vor denen die wissenschaftliche Forschung zum Einsatz von Cannabis in der Medizin und die allgemeine Forschung im Bereich Cannabis steht.“
Dem Einsatz von Cannabis in der Praxis steht neben moralischen Vorbehalten häufig auch mangelndes Wissen und Erfahrung im Weg. Auch diese Hürde möchte das EU-Parlament beseitigen und fordert die Mitgliedstaaten dazu auf, das medizinische Fachpersonal in der Anwendung von Cannabisarzneien auszubilden.
Therapiehoheit des Arztes
Weitere Punkte in der Resolution betreffen die Patientenversorgung in der Praxis. Hier ist im Hinblick um die aktuelle Debatte um den Genehmigungsvorbehalt durch die Kassen möglicherweise folgende Passage interessant, in der die Therapiehoheit des Arztes hervorgehoben wird: „… fordert die Mitgliedstaaten ferner auf, es völlig dem professionellen Ermessen der Ärzte zu überlassen, Patienten mit entsprechenden Krankheiten offiziell zugelassene Arzneimittel auf Cannabis-Basis zu verschreiben, und es Apothekern zu gestatten, diese Rezepte einzulösen.“ Die Mitgliedstaaten sollen dafür sorgen, dass Cannabismedizin von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen wird.
Die Entschließung hat zwar keinen gesetzgeberischen Charakter, stellt jedoch ein starkes politisches Signal zur Cannabismedizin auf EU-Ebene dar. Auf internationaler Ebene bewegt sich Einiges beim Cannabis. So hatte vor kurzem die WHO der UN empfohlen, die „Gefahrenstufe“ von Cannabis als Droge zu verringern. Die Entscheidung der UN steht allerdings noch aus.
Presseschau: Patient*innen ohne Stoff (taz.de)
In den vergangenen Wochen gab es wieder vermehrt Lieferengpässe, vor allem aufgrund des geringen Angebots kanadischer Hersteller.
In den Sortimenten deutscher Apotheken herrscht derzeit eine Lücke: Medizinisches Cannabis ist dort akute Mangelware. So gibt es schon seit mehr als drei Wochen kein Marihuana aus Kanada mehr. Nur einige Blütensorten aus den Niederlanden sind noch verfügbar. Für Patient*innen hat das Folgen. Viele stünden derzeit ohne Medizin da, sagte Georg Wurth, Sprecher des Hanfverbands, der taz. „Einige Patienten erleiden dadurch eine erhebliche Verschlechterung ihrer Lebensqualität, etwa durch unnötige Schmerzen.“
Seit März 2017 gilt in Deutschland das „Cannabis als Medizin“-Gesetz, das die Abgabe von Cannabis an schwerkranke Patienten erleichtert. Gesetzliche Krankenkassen können nun neben den Kosten für cannabisbasierte Fertigarzneimittel auch die für getrocknete Cannabisblüten erstatten.
Vor dem Inkrafttreten des Gesetzes gab es laut Hanfverband gut 1.000 Cannabis-Patient*innen in Deutschland. Seit März 2017 gingen bei den drei größten gesetzlichen Krankenkassen, AOK, Barmer und TK, nun fast 32.000 Anträge auf Kostenübernahme ein, ungefähr zwei Drittel wurden genehmigt. Und die Gesamtzahl aller Cannabis-Patient*innen liegt noch weitaus höher. Denn AOK, Barmer und TK haben einen Marktanteil von rund 63 Prozent. Dazu kommen noch die Kund*innen der anderen gesetzlichen und privaten Krankenkassen.
Mit dem neuen Cannabis-Gesetz hätten auch die Versorgungsengpässe begonnen, sagte Christian Splett vom Deutschen Apothekerverband der taz. „Die hohe Nachfrage aufgrund der ärztlichen Verordnungen konnte nicht durch Importe aus dem Ausland gedeckt werden.“
Weltweit steigende Nachfrage nach Marihuana
Rezepte für Cannabis sind auf die genaue Sorte abgestimmt und nur sieben Tage gültig. Ist die Sorte nicht verfügbar, gehen die Patient*innen leer aus und können ihre Symptome nicht behandeln. Laut Hanfverband-Sprecher Wurth liegen die Lieferengpässe an der weltweit steigenden Nachfrage nach Marihuana. „Ein wesentlicher Faktor dürfte die Legalisierung in Kanada sein.“ Produktionsländer wie Kanada und die Niederlande versorgten erst ihre eigenen Märkte, bevor sie ins Ausland exportierten.
Deutsche Apotheken dürfen bisher nur Cannabis aus Kanada und den Niederlanden importieren. Zwar wird auch in Uruguay seit 2017 Marihuana staatlich angebaut. Die dortige Legalisierung als Genussmittel verstoße aber gegen UN-Konventionen, so das Bundesgesundheitsministerium zur taz. Deshalb habe sich die Bundesregierung gegen einen Import entschieden.
Indes: Auch Kanada hat Marihuana 2018 als Genussmittel legalisiert. Auf Nachfrage der taz, warum der Import aus Kanada dennoch legal sei, antwortete das Gesundheitsministerium, dass Kanada im Gegensatz zu Uruguay „in einem getrennten System die Versorgung mit medizinischem Cannabis aufrecht erhalten“ wolle.
In Deutschland produzieren Unternehmen noch kein medizinisches Marihuana. Daher sind die Apotheken auf die Importe angewiesen. Der Anbaubeginn von medizinischem Cannabis war für 2019 geplant. Für die Produktionserlaubnis lief auch bereits ein Ausschreibungsverfahren, das aber wurde vom Oberlandesgericht Düsseldorf aufgrund von Klagen mehrerer Unternehmen gekippt. Nun läuft ein zweites Verfahren, dessen Zuschlag Mitte 2019 erfolgen soll. Die erste Ernte in Deutschland erwartet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Ende 2020. Geplant ist die Produktion von 10.400 Kilogramm medizinischem Marihuana in vier Jahren.
„Bundesregierung hat den Bedarf unterschätzt“
Kritik an der Planung der Bundesregierung kommt von den Grünen. „Die Bundesregierung hat den Bedarf nach Cannabis von Anfang an unterschätzt“, sagte Kirsten Kappert-Gonther, drogenpolitische Sprecherin der Grünen, der taz. Die Regierung hätte den Anbau in Deutschland stärker vorantreiben müssen. „Schon heute ist der Bedarf größer als die geplante Anbaumenge.“
Ähnlich äußert sich die Linke. „Die Bundesregierung muss endlich dafür sorgen, dass Cannabis-Patient*innen ihr Medikament in der Apotheke auch erhalten können“, erklärte Niema Movassat, drogenpolitischer Sprecher der Linken. Die Regierung habe sich „beim Thema Cannabisanbau in Deutschland stümperhaft verhalten“. Die Anbaumengen seien viel zu gering angesetzt. „Wenn Deutschland den Import komplett durch eigenen Anbau ersetzen wollen würde, müssten etwa 25 Tonnen pro Jahr ausgeschrieben werden.“
Die Situation könnte sich jedoch bald etwas entspannen. Ende Januar erlaubte Israels Regierung den Cannabisexport. Dieser soll in einem halben Jahr beginnen. Das Bundesgesundheitsministerium teilte mit, dass deutsche Unternehmen nun Anträge für eine Importerlaubnis stellen könnten. Auch liege ein neuer Gesetzentwurf vor, der es Patient*innen und Ärzten einfacher mache, auf mögliche Lieferengpässe zu reagieren. So sei vorgesehen, dass die Patient*innen künftig keinen neuen Antrag bei ihrer Krankenkasse stellen müssten, wenn sie nur die Dosierung ändern oder die Blütensorte wechseln wollten.
Einige Pressemeldungen und Informationen der vergangenen Tage
Kann Cannabis Tote aufwecken? (derFreitag)
Es fehlen klare Regeln zur Anwendung von Cannabisblüten (Medical Tribune)
Dank Hasch zu neuer Blüte für Philips alte Leuchtmittelfirma (Welt.de)
Millionen für die Cannabis-Brüder (Frankfurter Allgemeine)
Medizinisches Cannabis für München: Eine Plantage auf Stadtgebiet? (Abendzeitung)
EU-Parlament will Cannabiseinsatz in der Medizin vorantreiben (Krankenkassen Deutschland)
Cannabiseinsatz in der Medizin soll gefördert werden (ÄrzteZeitung)