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ACM-Mitteilungen vom 24. August 2024
Liebe Leserin, lieber Leser,
es ist ein altes Spiel. Menschen, denen Unrecht geschieht, werden gegen andere Menschen, denen auf eine andere Art und Weise Unrecht geschieht, gegeneinander ausgespielt. So erklärt ein Schmerzpatient in der Süddeutschen Zeitung, dass er das gegenwärtige Cannabisgesetz gar nicht gut findet. Es wird als Konkurrenz zu seinem legitimen Anspruch auf Linderung nach dem Cannabis als Medizin Gesetz aus dem Jahr 2017 betrachtet.
Natürlich benötigen Cannabispatienten Cannabis zur Behandlung ihrer Erkrankungen. Dafür hat die ACM zwei Jahrzehnte lang gekämpft. Und natürlich sind Freizeitkonsumenten nicht auf ihre Droge angewiesen, genauso wenig wie andere Freizeitkonsumenten anderer Alltagsdrogen wie Kaffee, Tabak und Alkohol ihre Drogen nicht zum Leben benötigen. Aber es kann heute nicht mehr abgestritten werden, dass es legitim ist, wenn Freizeitkonsumenten von Cannabis Wege aus der Illegalität suchen.
Die gegenwärtige Situation ist unbefriedigend, auch wenn sich in den letzten Jahren vieles in die richtige Richtung bewegt hat. Aber Freizeitkonsumenten von Cannabis sind auch mit einem Cannabisrezept, das ihnen von willfährigen Geschäftemachern angeboten wird, keine Cannabispatienten. So ist auch die Behauptung, man wäre mit solch einem Rezept hinsichtlich eines möglichen Führerscheinverlustes abgesichert, eine skrupellose Täuschung. Solange Cannabis nicht einerseits als Medikament behandelt wird, wenn es ein Medikament ist, und andererseits Freizeitkonsumenten nicht einen selbstverständlichen legalen Zugang zu ihrer Droge haben, werden wir mit Widersprüchen leben müssen. Das sind zwar zwei verschiedene Dinge, die beiden Gruppen sollten sich allerdings heute nicht mehr gegeneinander ausspielen lassen.
Die Verweigerung von Cannabis als Medizin ist ein Verstoß gegen die körperliche Unversehrtheit, sagt uns das Bundesverwaltungsgericht.
Die Verweigerung von Cannabis als Alltagsdroge hat keine rationale Basis mehr, lehrt uns die Wissenschaft
Heiter weiter
Franjo Grotenhermen
Presseschau: Neue Regeln zu Cannabis am Steuer gelten ab sofort (ÄrzteZeitung)
Die Behauptung, die man in jedem rechtsmedizinischen Gutachten zu diesem Thema in den vergangenen Jahrzehnten lesen konnte, nach der man sich mit einer THC-Konzentration über 1 Nanogramm/Milliliter Blutserum unter dem akuten Einfluss von Cannabis befindet, war schon immer Unsinn. Daran wurde – endlich – eine kleine Korrektur vorgenommen.
Neue Regeln zu Cannabis am Steuer gelten ab sofort
Nach der Cannabis-Teillegalisierung in Deutschland folgen jetzt auch Regelungen zum Straßenverkehr – mit Toleranz-Limits und Sanktionen bei Verstößen.
Für Autofahrerinnen und Autofahrer gelten von diesem Donnerstag (22.8.) an neue Bestimmungen und Bußgelder für Cannabis am Steuer. Das von Bundestag und Bundesrat besiegelte Gesetz wurde am Mittwoch verkündet und tritt am Tag danach in Kraft.
Cannabis am Steuer: Was beim Arztgespräch jetzt wichtig ist
Für den berauschenden Wirkstoff THC wird damit ein Grenzwert von 3,5 Nanogramm je Milliliter Blut festgelegt – ähnlich wie die 0,5-Promille-Grenze für Alkohol. Für Fahranfänger und Mischkonsum mit Alkohol kommen strengere Regeln. Wer vorsätzlich oder fahrlässig mit 3,5 Nanogramm Tetrahydrocannabinol (THC) oder mehr fährt, riskiert demnach künftig in der Regel 500 Euro und einen Monat Fahrverbot. Wird dazu noch Alkohol getrunken, drohen in der Regel 1.000 Euro Buße.
Ähnlich wie bei Fahren unter Alkoholeinfluss
Wie bei Alkohol kommt in der zweijährigen Führerschein-Probezeit und für Fahrer und Fahrerinnen unter 21 Jahren ein Cannabis-Verbot - die Grenze von 3,5 Nanogramm gilt also nicht. Bei Verstößen drohen in der Regel 250 Euro Buße.
Nachdem Kiffen und privater Cannabis-Anbau für Volljährige seit 1. April mit vielen Vorgaben legal sind, folgen nun begleitenden Verkehrsregelungen. Bisher galt die strikte Linie, dass schon beim Nachweis von THC Folgen drohen. Dafür hatte sich in der Rechtsprechung ein Wert von 1 Nanogramm etabliert.
Beim Verkehrsgerichtstag sprachen sich Experten aber schon 2022 für eine „angemessene“ Heraufsetzung aus. Denn dies sei so niedrig, dass viele sanktioniert würden, bei denen sich eine Fahrsicherheitsminderung nicht begründen lasse. Unter anderem von Polizeivertretern kam aber auch Kritik an den Neuregelungen.
Presseschau: BMG will Auge auf Online-Plattformen haben (Pharmazeutische Zeitung)
In den letzten Jahren, insbesondere seit dem 1. April 2024, als Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz gestrichen wurde, sind fragwürdige Anbieter von Telemedizin-Dienstleistungen für Cannabis auf den Plan getreten und locken Freizeitkonsumenten von Cannabis mit dem Angebot, ihnen ohne relevante Prüfung Cannabis als Medizin zu verschreiben. Dadurch geraten viele Patienten und Ärzte unter Generalsverdacht. Handelt es sich wirklich um Patienten, die Cannabis aus medizinischen Gründen benötigen? Handelt ein Arzt, der auch Telemedizin einsetzt, seriös?
BMG will Auge auf Online-Plattformen haben
Wer an einer schweren Krankheit leidet, kann schon seit Jahren legal Haschisch rauchen oder Cannabis-Tropfen nehmen. Nun drängen immer neue Online-Plattformen in den Markt. Die Methoden sind fragwürdig.
Da es noch immer kaum legales Cannabis gibt, weichen viele Menschen auf medizinisches Cannabis aus dem Internet aus.
Cannabis auf Rezept zu bekommen, habe am Computer nur ein paar Minuten gedauert, erzählt ein Mann aus Berlin. Er habe online bei einer Plattform eine kurze Arztsprechstunde besucht. »Die Sprechstunde ging nicht mal fünf Minuten«, erzählt er. »Mir wurden vier Leiden zur Auswahl gegeben und ich habe mich für Rückenschmerzen entschieden und schon hatte ich das Rezept.«
Mit seiner Erfahrung ist der Mann nicht allein. Die Zahl der Verschreibungen von medizinischem Cannabis steigt offensichtlich, das bestätigt auch das Bundesgesundheitsministerium auf Anfrage. Deutlich wird das an den Importmengen: Nach Zahlen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stieg die Einfuhr von getrockneten Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken zuletzt um 40 Prozent: von 8,1 Tonnen im ersten Quartal des Jahres auf 11,7 Tonnen im zweiten Quartal.
Die Möglichkeiten, Cannabis als Medizin zu beziehen – etwa als Blüten, Kapseln oder Cannabis-Extrakte –, gibt es seit 2017 in Deutschland. Im Gesetz ist die Rede von einer Anwendung bei einer »schwerwiegenden Erkrankung«. Laut Ministerium könne es bei einer Schmerztherapie, bei bestimmten chronischen Erkrankungen wie etwa Multipler Sklerose oder bei schwerer Appetitlosigkeit und Übelkeit verschrieben werden.
Drei Monate bis zur Ernte
In den vergangenen Jahren gingen die Einfuhren von medizinischem Cannabis fast stetig nach oben – doch in diesem Jahr war der Sprung besonders gewaltig. Fachleute gehen davon aus, dass das auch mit der Teil-Legalisierung zusammenhängt, welche zur Entstigmatisierung beitrug. Cannabis ist in Deutschland seit April für alle Erwachsenen freigegeben, nicht nur für Schwerkranke.
Aber woher soll das Cannabis kommen? Der Handel mit der Droge ist weiterhin verboten. Der Anbau von bis zu drei Pflanzen zu Hause braucht Platz, Equipment, Wissen und die Möglichkeit, Kinder und Teenager fernzuhalten. Die Anbauvereine durften erst im Juli starten, und nicht überall läuft es rund. In Berlin wurde etwa noch kein Antrag eines Cannabis-Clubs genehmigt. Außerdem braucht so eine Pflanze etwa drei Monate, ehe sie geerntet werden kann.
Weitere Meldungen der vergangenen Tage
Verschreibung von Cannabisarzneimitteln an Selbstzahlende (Deutsches Ärzteblatt)
Wiesbaden will Cannabis in Apotheken verkaufen (Hessenschau)