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ACM-Mitteilungen vom 23. Januar 2021
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Liebe Leserin, lieber Leser,
es sind noch zwei Monate bis zur kostenlosen Online-Konferenz der ACM „Therapie mit cannabisbasierten Medikamenten: Grundlagen und Praxis“ am 20. März 2021. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, und eine Anmeldung wird in Kürze möglich sein.
Im Sommer dieses Jahres sollen die ersten Medizinalcannabisblüten aus deutscher Produktion in die Apotheken kommen. Das Handelsblatt stellt dazu fest, dass sich der Anstieg der Zahlen der Patienten, die cannabisbasierte Medikamente in Deutschland erhalten, verlangsamt hat. Statt ein Prozent der Bevölkerung, also etwa 800.000 Bundesbürger, bekämen nur etwa 0,1 Prozent, also etwa 80.000 Patienten, in Deutschland einen legalen Zugang zu solchen Präparaten, ein Zeichen für eine deutliche medizinische Unterversorgung der deutschen Bevölkerung. Dabei könnten Millionen Bundesbürger profitieren. Ursächlich für diese Unterversorgung dürften die hohen Preise für Cannabis in Deutschland sowie der restriktive Umgang der Krankenkassen mit der Kostenübernahme sein.
Der Vorstand der ACM unterstützt den Antrag der Bundestagsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke, Nutzhanf aus dem Betäubungsmittelgesetz herauszunehmen und Hanfprodukte mit natürlich vorkommenden CBD-Gehalten nicht als sogenannte „Neuartige Lebensmittel“ einzustufen.
Viel Spaß beim Lesen!
Franjo Grotenhermen
Fortbildung zur Verwendung von Cannabis als Medizin
Das Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg organisiert für das Drogenreferat der Stadt Frankfurt am Main zwei Onlineveranstaltungen zum Einsatz von Medizinischem Cannabis. Es handelt sich um zwei unabhängig voneinander buchbare Kurse:
Kurs A - Aktuelle Forschungsergebnisse und Basisinformationen zum Einsatz von Cannabis in der Medizin
am Mittwoch, den 24.02.2021 sowie
Kurs B - Praxisorientierte Informationen zur Verschreibung von Medizinischem Cannabis und interdisziplinärer Erfahrungsaustausch am Mittwoch, den 17.03.2021.
Die Onlinekurse wurden von der Landesärztekammer Hamburg als Fortbildungsveranstaltungen zertifiziert.
ACM-Vorstand unterstützt die Bundestagsinitiative von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke zu Nutzhanf
Der Vorstand der ACM unterstützt einen aktuellen Antrag der Bundestagsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke, Nutzhanf aus dem Betäubungsmittelgesetz herauszunehmen und Hanfprodukte mit natürlich vorkommenden CBD-Gehalten nicht als sogenannte „Neuartige Lebensmittel“ nach der Novel-food-Verordnung der EU aus 2015 zu behandeln.
Die Antragsteller fordern, Hürden beim Nutzhanf abzubauen. Der Antrag beinhaltet unter anderem die folgenden Einzelmaßnahmen:
1. Die Herausnahme von Nutzhanf aus dem Betäubungsmittelgesetz.
2. Produkte mit natürlich vorkommenden CBD-Gehalten sollen nicht als sogenannte “neuartiges Lebensmittel“ betrachtet werden. Gegenwärtig gehen Behörden in allen Bundesländern verstärkt gegen Hersteller solcher Produkte vor.
3. Der Aufbau einer sinnvollen Forschungsförderung zum Nutzhanf. Dies sollte Thema in den nächsten Haushaltsverhandlungen sein. Als schnell nachwachsender Rohstoff, bewährter Bodenreiniger oder als sinnvolle Zwischenfrucht sollte auch unter Klimaschutz-Aspekten die Forschungsförderung für Sorten, Anbautechniken und Verarbeitungsmöglichkeiten vorangetrieben werden.
Presseschau: Cannabis: Selektivverträge sollen Versorgung von Schmerzpatienten verbessern (Deutsches Ärzteblatt)
In Deutschland werden cannabisbasierte Medikamente häufig als Schmerzmittel wahrgenommen, was unter anderem auch daran liegt, dass die Kostenübernahme durch die Krankenkassen bei anderen Indikationen deutlich restriktiver gehandhabt wird. Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin möchte durch Verträge mit den Krankenkassen den Prozess der Kostenübernahme für Schmerzpatienten erleichtern.
Selektivverträge sollen Versorgung von Schmerzpatienten verbessern
Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) will die Verordnung von Cannabinoiden zur Behandlung von Schmerzen erleichtern, unter anderem durch den Abschluss von Selektivverträgen mit Krankenkassen. Aktuell stünden einer ausreichenden Versorgung von Schmerzpatienten noch zu hohe bürokratische Hürden entgegen, sagte DGS-Präsident Johannes Horlemann heute bei einer Pressekonferenz.
Seit Inkrafttreten des Gesetzes „Cannabis in der Medizin“ vor vier Jahren gebe es keine Hinweise auf eine missbräuchliche Anwendung. Dennoch werde etwa ein Drittel der Anträge zur Verordnung von Cannabinoiden von den Krankenkassen abgelehnt, so der Schmerzmediziner.
Schätzungen zufolge führt dies dazu, dass circa die Hälfte der Schmerzpatienten, bei denen eine Behandlung mit Cannabis sinnvoll wäre, diese nicht erhalten. Horlemann betonte, dass es sich dabei um Patienten handele bei denen eine schwerwiegende Erkrankung vorliege und bei denen alle Standardtherapien ausgeschöpft seien.
„Diesen Patienten, denen wir sonst kein Angebot mehr machen können, mit Cannabis doch noch ein Angebot machen zu können, ist ein Segen“, so der DGS-Präsident. Doch eben an der Definition einer schwerwiegenden Erkrankung und speziell der Frage, ob wirklich schon alle Standardtherapien ausgeschöpft wurden, scheiden sich oft die Meinungen von behandelnden Ärzten, Patienten und Krankenkassen.
Um diese Situation für Ärzte und Schmerzpatienten zu verbessern, hat die DGS Verhandlungen mit Krankenkassen aufgenommen. Das Ziel ist die Aufhebung des Genehmigungsvorbehaltes einer Erstverordnung durch die Krankenkassen. Die Therapieentscheidung würde damit ausschließlich beim Arzt liegen.
Der Abschluss eines ersten entsprechenden Selektivvertrages sei mit der AOK Rheinland-Hamburg noch im ersten Halbjahr 2021 geplant, berichtete Horlemann. Er sieht vor, dass DGS-Mitglieder, die eine 40-stündige curriculare Qualifizierung durchlaufen haben, ohne einen Antrag stellen zu müssen, Cannabisarzneimittel verordnen dürfen.
Der Selektivvertrag soll Modellcharakter haben, geplant sei, allen Krankenkassen ein entsprechendes Angebot zu unterbreiten, so der DGS-Präsident. Die Pläne für Selektivverträge mit den Krankenkassen sind ein Teil eines Eckpunktepapiers, das die DGS gemeinsam mit Mitgliedern des Bundestages und Krankenkassenvertretern zur Verbesserung der Versorgung mit Cannabinoiden herausgegeben hat.
Es sieht darüber hinaus die Weiterentwicklung der Praxisleitlinie „Cannabis in der Schmerzmedizin“ vor, deren aktualisierte Version Ende des Jahres vorliegen soll.
Presseschau: Cannabisplantage in Neumünster plant erste Auslieferung vor Juli (Deutsches Ärzteblatt)
Zunächst war die erste Auslieferung von Cannabisblüten aus deutscher Produktion für Ende 2020
2020 geplant. Dann kam die Pandemie. Jetzt soll es im Sommer 2021 so weit sein.
Cannabisplantage in Neumünster plant erste Auslieferung vor Juli
In einer Indoorplantage in Neumünster soll in diesem Jahr und den drei kommenden Jahren jeweils eine Tonne Cannabis für medizinische Zwecke produziert werden. Die erste Lieferung werde im Verlauf des ersten Halbjahres erfolgen, sagte Aphria-Geschäftsführer Hendrik Knopp. „Wir werden damit voraussichtlich das erste Unternehmen in Deutschland sein.“
Seit 2017 können sich Patienten Cannabis für medizinische Zwecke vom Arzt verschreiben lassen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat neben Aphria RX aus Neumünster auch den Unternehmen Aurora und Demecan den Anbau erlaubt. Insgesamt geht es um 10,4 Tonnen.
Laut der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion vom Dezember wird der voraussichtliche Ankaufspreis pro Gramm bei etwa 2,20 Euro liegen. Es steht demnach aber noch nicht fest, wie viel Apotheken dafür zahlen müssen. Im ersten Halbjahr 2020 betrug der durchschnittliche Abgabepreis in den Apotheken pro Verordnung demnach 476 Euro. Für die Patienten fiel eine Zuzahlung in Höhe von höchstens zehn Euro pro Verordnung an.
Presseschau: Zahl der Cannabis-Patienten steigt – aber nicht so schnell wie erwartet (Handelsblatt)
Der restriktive Umgang mit der Kostenübernahme und die hohen Preise für Cannabisblüten in Deutschland zeigen Wirkung. Während weltweit in anderen Ländern, wie Kanada und Israel, der Anteil der Bevölkerung, der Cannabis aus medizinischen Gründen legal erhält, weiter wächst und entweder die 1-Prozent-Grenze bald erreicht oder bereits überschritten hat, ist in Deutschland eine Verlangsamung zu beobachten. In Deutschland liegt der Bevölkerungsanteil mit legalem Zugang zu cannabisbasierten Medikamenten eher bei 0,1 %, entsprechend etwa 80.000 Bundesbürger.
Zahl der Cannabis-Patienten steigt – aber nicht so schnell wie erwartet
Seit vier Jahren darf Cannabis zu medizinischen Zwecken in Deutschland eingesetzt werden. Die großen Wachstumserwartungen haben sich aber nicht erfüllt. Schwerkranke Patienten dürfen in Deutschland Cannabis auf Rezept erhalten. Laut Statistik der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist die Zahl der Verordnungen 2019 um 44 Prozent gestiegen, 2020 dürfte der Zuwachs bei rund 20 Prozent liegen.
Insgesamt sind in Deutschland im vergangenen Jahr mehr als 320.000 Verordnungen bewilligt worden, rechnet man die für die ersten neun Monate vorliegenden GKV-Zahlen auf das Gesamtjahr hoch. Die gesetzlichen Krankenkassen dürften damit brutto rund 150 Millionen Euro für Cannabis als Medizin ausgegeben haben.
„Der Markt für medizinisches Cannabis in Deutschland hat sich nicht so stürmisch entwickelt, wie es manche Anbieter anfangs erwartet hatten. Auch deshalb, weil die bürokratischen Hürden in Deutschland hoch sind, denn die Erstattung ist eine Einzelfallentscheidung“, sagt Tobias Haber, Cannabisexperte beim Marktforschungsinstitut Insight Health.
Außerdem hätten viele Ärzte noch Berührungsängste, sich dem Thema zu nähern. „Denn Cannabis ist vielerorts noch als Freizeitdroge stigmatisiert, und die Therapieentscheidungen erfordern sehr viel Spezialwissen“, so Haber.
Wie viele Patienten in Deutschland Cannabis auf Rezept bekommen, ist unklar, da es darüber keine bundesweite Statistik gibt. Die Erstattung der Kosten muss der Patient, der Medizinalhanf verordnet bekommt, bei seiner Krankenkasse beantragen.
Nach Recherchen des Handelsblatts sind bei den drei großen Krankenkassen AOK, Techniker und Barmer, die für mehr als die Hälfte des Marktes stehen, seit der Freigabe 2017 fast 70.000 Anträge eingegangen – knapp zwei Drittel davon wurden genehmigt.
Marktschätzungen gehen davon aus, dass derzeit mehr als 80.000 Menschen in Deutschland Cannabis für therapeutische Zwecke verordnet bekommen – Privatversicherte und Selbstzahler inklusive. Größter Einsatzbereich sind laut Krankenkassen-Erhebungen chronische Schmerzen, gefolgt von Multipler Sklerose, die häufig mit schmerzhaften Spastiken verbunden ist.
Große Cannabisproduzenten wurden enttäuscht
Als der Deutsche Bundestag im Januar 2017 beschloss, dass in Deutschland fortan auch Cannabisblüten und -extrakte zu medizinischen Zwecken auf Kassenrezept verordnet werden dürfen, war die Euphorie insbesondere bei kanadischen Cannabisproduzenten groß. Börsennotierte Unternehmen wie Canopy Growth, Aphria, Aurora und Tilray starteten mit eigenen Tochterunternehmen in Deutschland und kauften sich bei Großhändlern und anderen Spezialisten im Markt ein.
Die Hoffnung war, dass wie in Kanada auch in Deutschland innerhalb weniger Jahre ein Prozent der Bevölkerung mit therapeutischem Cannabis versorgt werden könnte, was etwa 800.000 Patenten entspricht. „Die Erwartungen des Kapitalmarkts waren damals sehr hoch. So haben die Unternehmen höhere Absatzzahlen formuliert, als der tatsächliche Bedarf hergab“, sagt Benedikt Sons, Mitgründer und CEO des 2017 gegründeten deutschen Medizinalcannabis-Händlers Cansativa.
Wie Cansativa stiegen auch viele andere deutsche Start-ups in den Markt ein. Nach den Daten von Insight Health gibt es derzeit etwa 90 Anbieter in Deutschland, die Cannabisblüten, -extrakte oder -arzneimittel vertreiben. 70 bis 80 davon importieren Blüten, teilweise aber nur sehr kleine Mengen.
Denn der Hauptlieferant für Deutschland ist die niederländische Bedrocan, deren Liefermenge für Deutschland von der niederländischen Cannabisbehörde OMC auf 200 Kilogramm pro Monat begrenzt ist. Wer als Importeur ausschließlich auf Bedrocan setzte, bekam in den letzten Monaten nur drei Kilogramm Cannabisblüten pro Monat zugeteilt.
Neben Bedrocan sind die kanadischen Unternehmen die großen Lieferanten für den deutschen Markt, die aus ihren Anlagen in Kanada und teilweise auch schon aus neu errichteten Anlagen in Europa exportieren. Auch von Anbauern in Portugal, Spanien und neuerdings auch Australien werden Blüten eingeführt.
2017, im Jahr der Freigabe von Cannabis für therapeutische Zwecke, wurden laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm) rund 1,2 Tonnen Cannabisblüten für medizinische Zwecke importiert. 2019 waren es bereits mehr als 6,7 Tonnen und im vergangenen Jahr bis Ende September knapp sechs Tonnen.
Cannabis aus Deutschland
Demnächst wird es auch Cannabis „made in Germany“ geben. Drei Unternehmen haben die entsprechende Ausschreibung des Bfarm gewonnen und hierzulande eigene Cannabisplantagen hochgezogen: die deutschen Tochterunternehmen von Aphria und Aurora aus Kanada sowie das 2017 gegründete Berliner Unternehmen Demecan.
Die ersten Blüten sollen nach Angaben des Bfarm am Ende des ersten Quartals dieses Jahres geliefert werden. Die Corona-Pandemie hat einige Prozesse verzögert, Demecan etwa gibt an, die ersten Cannabisblüten in der zweiten Jahreshälfte liefern zu wollen.
Bis die einst anvisierte Marke von 800.000 und mehr Patienten in Deutschland erreicht wird, dürfte wohl noch einige Zeit vergehen. Dennoch sieht Branchenexperte Haber von Insight Health noch ein hohes Wachstumspotenzial für Medizinalcannabis: „Denn es gibt Millionen Patienten, für die eine Therapie infrage kommen könnte“, sagt er. Auch die Zahl der Ärzte, die sich dem Thema öffnen, steige. „Wir sehen, dass Ärzte aus allen Fachgruppen mittlerweile Cannabis als Medizin verordnen.“
Cannabis als Medizin gibt es in Form von Blüten, Extrakten, Dronabinol mit dem Cannabiswirkstoff THC oder Fertigarzneimittel. Das Mundspray Sativex beispielsweise ist schon seit 2011 zur Behandlung von Verkrampfungen bei Multipler Sklerose zugelassen.
Laut der Statistik der gesetzlichen Krankenkassen entfielen von Januar bis September 2020 rund 19 Prozent der Verordnungen auf Fertigarzneimittel, 38 Prozent auf Cannabisblüten und 42 Prozent auf Dronabinol und Extrakte.
Laut Barmer-Krankenkasse lagen die Kosten pro Patient und Monat im vergangenen Jahr bei etwas mehr als 1200 Euro, wenn unverarbeitete Cannabisblüten verordnet wurden, und bei rund 550 Euro bei anderen Cannabismitteln. Mit den brutto rund 150 Millionen Euro Kosten gehört Cannabis im mehr als 50 Milliarden Euro schweren GKV-Arzneimittelmarkt nicht zu den teuren Arzneimittelgruppen.
Eine Pressemeldung der vergangenen Tage
Hype um Hanföl: Was ist dran am neuen Trend? (Hessischer Rundfunk)