- Veröffentlicht
- Zuletzt aktualisiert
- Lesezeit
ACM-Mitteilungen vom 20. Oktober 2012
- Authors
Überraschung beim Prozess für den Eigenanbau von Cannabis: Die Krankenkasse von Michael F. übernimmt plötzlich die Kosten einer Behandlung mit Dronabinol
Die ACM unterstützt Michael F. bei seiner Musterklage gegen die Bundesopiumstelle für die Erlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis für medizinische Zwecke. Nun erfuhr der Prozess, der zurzeit in der 2. Instanz vor dem Oberverwaltungsgericht Münster geführt wird, eine überraschende Wendung. Herr F. erhielt nach einem, vom Gericht veranlassten erneuten Kostenübernahmeantrag für Dronabinol eine Kostenzusage. Dies ist insofern bemerkenswert, als der Patient, der an einer Ataxie auf der Grundlage seiner Multiplen Sklerose leidet, zuvor einen Prozess vor dem Sozialgericht für die Kostenübernahme von Dronabinol verloren hatte. Die AOK unterstützt damit Bemühungen der Bundesregierung, den Prozess für den Eigenanbau platzen zu lassen. Die aktuelle Entscheidung der zuständigen AOK Rhein-Neckar-Odenwald, Bezirksdirektion der AOK Baden-Württemberg, wurde bemerkenswerterweise ohne Einschaltung des MDK und nach Kommunikation mit dem Gericht getroffen.
Wie geht es weiter?
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) bat den Rechtsanwalt von Herrn F., Dr. Oliver Tolmein, in einem Schreiben vom 17. Oktober, zur neuen Situation „um kurzfristige Stellungnahme insbesondere auch zu der Frage der Abgabe einer verfahrensbeendenden Erklärung“. Dem ist unser Anwalt jedoch nicht nachgekommen. Zum Einen wirkt Dronabinol bei dem Patienten nicht so gut wie Cannabis und zum Anderen ist es unklar, ob die Entscheidung der AOK rechtmäßig ist und daher in der Zukunft wieder zurückgenommen werden könnte.
Das Schreiben der AOK vom 12. Oktober 2012
In der Genehmigung, die gleichzeitig auch an das Oberverwaltungsgericht geschickt wurde, heißt es: „Aufgrund der geschilderten Situation und der nachgereichten ärztlichen Befunde können wir Ihnen mitteilen, dass wir im vorliegenden Einzelfall unsere Leistungspflicht anerkennen und von der Geltendmachung eines sonstigen Schadens absehen. Die Verordnung soll der Arzt auf einem Vertragsrezept vornehmen. (…) Für die Behandlung wünschen wir einen guten Erfolg. Eine Kopie dieses Briefes werden wir an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zur Kenntnis schicken.“
Die AOK hofft, dem Gericht gedient zu haben
Die AOK füllt in diesem Prozess eine bemerkenswerte Rolle aus. Offensichtlich ist dem Sachbearbeiter bewusst, dass er der Bundesopiumstelle bzw. der Bundesregierung einen Gefallen tut, indem er seiner Hoffnung Ausdruck verleiht, die Klage von Herrn F. damit gegenstandslos gemacht zu haben.
So heißt es in einem Begleitschreiben des Bescheides an das OVG Münster: „Wir gehen davon aus, dass mit der Leistungszusage die für diesen Bereich verfolgte Streitsache für unseren Versicherten als erledigt zu betrachten ist.“
Kostenübernahme für Dronabinol für alle Patienten bei Klage auf Eigenanbau?
In einem Schreiben an den zuständigen Sachbearbeiter der AOK warf der Vorsitzende der ACM, Dr. Franjo Grotenhermen, die Frage auf, ob auch weitere Patienten, denen bisher die Kostenübernahme für Dronabinol durch die AOK verweigert wird, ebenfalls mit einer Änderung dieser Haltung ihrer Krankenkasse rechnen können, wenn sie einen Eigenanbau von Cannabis anstreben.
In dem Schreiben heißt es: „Unser langjähriges Mitglied Michael F. (…) hat uns die freudige Nachricht übermittelt, dass seine AOK nun doch die Behandlungskosten für den Cannabiswirkstoff Dronabinol übernehmen und von der Geltendmachung eines sonstigen Schadens absehen will.
Viele Patienten sind in einer ähnlichen Lage wie Herr Fischer, leiden an schweren chronischen Erkrankungen, für die ein Anspruch auf eine Kostenübernahme für Cannabinoidmedikamente leider nicht besteht. Wir freuen uns sehr über den mutigen Präzedenzfall der AOK Baden-Württemberg gegen den allgemeinen Trend, Kostenübernahmen mit Verweis auf die Rechtslage, die eine Verschreibung zulasten der Versichertengemeinschaft nicht ermögliche, grundsätzlich zu verweigern, geschaffen hat. Der Fall Ute Köhler, die jahrelang vergeblich dafür gekämpft hat, Dronabinol von der AOK Thüringen erstattet zu bekommen, hat große mediale Aufmerksamkeit erzielt. Jetzt können die Medien einmal über einen positiven Fall berichten.
Trotz aller Freude drängt sich der Verdacht auf, dass die Kostenübernahme mit dem Verfahren des Herrn Fischer gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zusammenhängt. Es wäre bedauerlich, wenn wir allen Patienten, deren Kosten für eine Behandlung mit Dronabinol zur Zeit nicht von der AOK übernommen werden, empfehlen sollten, bei der Bundesopiumstelle einen Antrag auf Eigenanbau von Cannabis zu stellen, um die gleiche bevorzugte Behandlung wie Herr Fischer durch ihre Krankenversicherung zu erfahren.“
Presseschau: Heiko Z. verzweifelt: Wer hat mir mein „Gras“ geklaut? (Hamburger Morgenpost)
Die Hamburger Morgenpost berichtete von den Erfahrungen unseres Mitglieds Heike Z. mit der Hamburger Polizei. Er ist Erlaubnishaber für die Verwendung von Cannabis und wurde bereits vom Vorwurf des illegalen Besitzes von Betäubungsmitteln freigesprochen. Seither baut er Cannabis an, um seine schweren Erkrankungen zu lindern. Als ihm kürzlich Cannabispflanzen entwendet wurden, und er die Polizei rief, bekam er erneut eine Anzeige wegen illegalen Betäubungsmittelbesitzes.
Heiko Z. verzweifelt: Wer hat mir mein „Gras“ geklaut?
Presseschau: Sativex® bestätigt klinische relevante Verbesserung bei MS-induzierter Spastik (Wallstreet-online)
Auf einem Kongress in Frankreich wurde kürzlich das Ergebnis einer in Deutschland durchgeführten Beobachtungsstudie mit Sativex bei MS-Patienten vorgestellt. Ein großer Prozentsatz profitierte deutlich von der Medikation.
Sativex® bestätigt klinische relevante Verbesserung bei MS-induzierter Spastik
Presseschau: Das Geheimnis um die staatliche Cannabiszucht (Der Standard)
In Österreich wird offiziell Cannabis angebaut, ganz legal durch ein Unternehmen. Der Anbau dient medizinischen Zwecken.
Das Geheimnis um die staatliche Cannabiszucht
Presseschau: Britische Kommission zur Drogenpolitik: Nicht gefährlicher als Junkfood (Die Tageszeitung)
Eine britische Kommission hat erneut bestätigt, dass die aktuelle repressive Drogenpolitik gegen den Besitz und Handel von Cannabis ineffektiv ist, und dass die Gefährlichkeit von Cannabis in der politischen Debatte übertrieben wird.
Britische Kommission zur Drogenpolitik: Nicht gefährlicher als Junkfood