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ACM-Mitteilungen vom 20. Dezember 2014
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Gesicht zeigen für Cannabis als Medizin: ein Fachgespräch der Bundestagsfraktion Die Linke
Am 17. September 2014 veranstaltete die Bundestagsfraktion Die Linke im Reichstagsgebäude unter dem Titel "Verwendung von Cannabis als Medizin" ein öffentliches Fachgespräch. Die Teilnehmer wurden von der Parteivorsitzenden Katja Kipping und dem drogenpolitischen Sprecher der Partei, Frank Tempel, begrüßt. Die Referenten waren Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband, Anwalt Dr. Oliver Tolmein von der Kanzlei Menschen und Rechte in Hamburg, der im Auftrag der ACM Musterverfahren zur rechtlichen Durchsetzung der medizinischen Verwendung von Cannabisprodukten in Deutschland durchführt, Dr. Franjo Grotenhermen, Vorsitzender der ACM, sowie Kathrin Vogler, Sprecherin für Arzneimittelpolitik und Patientenrechte der Bundestagsfraktion Die Linke.
"Ich freue mich sehr darüber, dass sich erstmals die Vorsitzende einer im Deutschen Bundestag vertretenen Partei durch ihren öffentlichen Auftritt eindeutig zum Thema Cannabis als Medizin positioniert hat und damit dokumentiert, dass die gesamte Partei die aktuellen Probleme der betroffenen Patienten ernst nimmt. 'Gesicht zeigen für Cannabis als Medizin war ihre zentrale Botschaft', eine Botschaft, die zur Nachahmung anregen kann und sollte", erklärte Franjo Grotenhermen. "Zudem wurde durch den Auftritt des drogenpolitischen Sprechers und der Sprecherin für Arzneimittelpolitik und Patientenrechte bereits personell unterstrichen, dass es sich zwar auch um eine drogenpolitische, mehr aber noch um eine drängende gesundheitspolitische Aufgabe der Bundespolitik handelt."
Auf ihrer Nachrichtenseite berichtete Die Linke im Deutschen Bundestag ausführlich über die Veranstaltung. Sie wurde vom Veranstalter filmisch aufgezeichnet und soll in Kürze über diese Nachrichtenseite via YouTube der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Zugang zur medizinischen Verwendung von Cannabis muss verbessert werden
Fachgespräch „Verwendung von Cannabis als Medizin“ der Bundestagsfraktion DIE LINKE am 17. Dezember 2014 im Deutschen Bundestag mit einstimmiger Forderung
Auf Einladung von Frank Tempel, drogenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, und Kathrin Vogler, Sprecherin für Arzneimittelpolitik und Patientenrechte, kamen am 17. Dezember 2014 Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Organisationen und Parteien sowie interessierte Bürgerinnen und Bürger im Fraktionssaal der LINKEN zu einem Fachgespräch zum Thema "Verwendung von Cannabis als Medizin" zusammen.
Einführende Worte hielt die Abgeordnete und Parteivorsitzende der LINKEN Katja Kipping. Sie betonte, dass der Umgang mit Cannabis in Deutschland immer noch sehr umstritten ist, während der Gebrauch in anderen Ländern weit weniger problematisch erscheint. Gesundheit sei ein Menschenrecht. Leider werde Patientinnen und Patienten dieses Menschenrecht durch die restriktive Gesetzgebung im Bereich von Cannabis verwehrt.
Über Jahre kriminalisiert
Die Expertenrunde wurde dann durch Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband eröffnet. Anhand einer vom Hanfverband initiierten repräsentativen Umfrage erläuterte Wurth, dass eine überwältigende Mehrheit von 82 Prozent für die medizinische Verwendung von Cannabis existiert. Circa 800.000 Menschen könnte Cannabis als Medizin in Deutschland helfen, so Wurth. In den USA, wo die medizinische Verwendung von Cannabis in mittlerweile 23 Bundestaaten ermöglicht wurde, herrscht dazu zwar ein großer Flickenteppich von unterschiedlichen Regelungen. Trotzdem wäre es auch für uns in Deutschland sicherlich von Interesse, diese Regelungen einmal genauer anzuschauen, um auch hier die notwendigen Regelungen zum vereinfachten Zugang endlich umzusetzen.
Dr. Oliver Tolmein, Kanzlei Menschen und Rechte in Hamburg, referierte anschließend unter dem Motto "Sie benötigen den Passierschein A38" über den Sachstand zur medizinischen Verwendung von Cannabis als rechtlicher Perspektive. Dabei machte er anhand eines konkreten Fallbeispiels deutlich, in welcher extremen Art und Weise Patientinnen und Patienten durch Gerichte, Polizei und Bundesbehörden teilweise über Jahrzehnte kriminalisiert und deren medizinische Behandlung mit Cannabis verhindert wird. Tolmein sprach sich konkret dafür aus, dass Cannabis als verschreibungsfähiges Betäubungsmittel klassifiziert und dessen Kostenübernahme durch die Krankenkassen durch Änderungen im SGB V sichergestellt werden muss.
„"Gebt das Hanf – für Kranke – frei" war im Anschluss daran der Titel vom Vortrag von Dr. Franjo Grotenhermen, der aus Rüthen (NRW) zum Fachgespräch live zugeschaltet war. Der Geschäftsführer der International Association for Cannabinoid Medicines (IACM) nannte konkrete Beispiele von Patientinnen und Patienten aus seiner Praxis, die auf die Einnahme von Cannabis zu medizinischen Zwecken angewiesen sind. Er sprach zudem über aktuelle Versorgungsengpässe von Cannabisblüten für Menschen, die eine Ausnahmegenehmigung vom Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) besitzen. In Deutschland wäre der Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken noch immer verboten, so dass der gesamte Bedarf in Deutschland über den Import aus den Niederlanden gedeckt werden muss. Grotenhermen sprach sich deshalb dafür aus, den Cannabis-Anbau zur Herstellung von Medizinalblüten zu ermöglichen. Der beste Weg wäre aber, wenn der Eigenanbau in Deutschland erlaubt wäre.
Cannabis vollständig verschreibungsfähig machen
Im Anschluss daran stellte Kathrin Vogler ein Positionspapier von ihr und Frank Tempel zum Thema vor. In diesem betonen beide, dass wirksame Therapien nicht aus ideologischen Gründen verhindert werden dürften. Die Genehmigungspolitik der zuständigen Bundesbehörde müsse verändert werden. Außerdem müsse gewährleistet sein, dass Menschen mit einer Ausnahmegenehmigung auch tatsächlich Cannabis erhalten, sei es über die Genehmigung zum Eigenanbau oder über die Erstattungsfähigkeit von Cannabis-Blüten oder -Extrakt durch die Krankenkassen. Wichtig sei zudem, dass für die Sicherung von Cannabis gegen unerlaubten Zugriff keine höheren Anforderungen gestellt werden dürfen als für andere verschreibungsfähige Betäubungsmittel wie Morphin, Methadon oder Dronabinol. Zudem müssten die formalen Anforderungen für die Antragstellung herabgesetzt werden. Bestehende Forschungshemmnisse müssen abgebaut und Cannabis vollständig verschreibungsfähig gemacht werden. Forschungsvorhaben würden damit erleichtert und Cannabis als Medizin weiter enttabuisiert. Wichtig sei auch, dass die Herstellung standardisierter Medizinalblüten oder Extrakte in Deutschland für die Versorgung der Inhaberinnen und Inhaber einer Ausnahmegenehmigung rechtlich ermöglicht wird. So können die Bezugspreise und damit die Kosten für die Betroffenen bzw. die Krankenkassen gesenkt werden.
In einem abschließenden Resümee fasste Frank Tempel das Fachgespräch zusammen. Es liege dabei vor allem in den Händen der Politik, dass der Zugang zur medizinischen Verwendung endlich erleichtert wird. Es kann nicht sein, dass Patienten und Patienten, für die der Konsum von Cannabis die einzige Alternative zu Schmerz und Leiden darstellt, von der Bundesregierung immer noch wie Kriminelle behandelt werden. Das Recht auf Gesundheit, wie es die Parteivorsitzende Katja Kipping formuliert, gilt auch für diese.
Eine Dokumentation vom Fachgespräch finden Sie demnächst auf Youtube. Die entsprechende Verlinkung erfolgt an dieser Stelle.
Jahresschlussendspurt der Spendenaktion: Von Patienten für Patienten
Die Spendenaktion für die juristische Unterstützung von Patienten mit einer Ausnahmeerlaubnis zur Verwendung von Cannabisblüten aus der Apotheke durch die Bundesopiumstelle, die wegen illegalen Cannabisbesitzes angeklagt werden, war bisher ein voller Erfolg. Über 13.000 € für Rechtsanwaltskosten sind seit Juni 2014 zusammengekommen. Jetzt zur Weihnachtszeit wollen wir die Marke von 15.000 € knacken, damit betroffene Patienten sich wenigstens juristisch wehren können.
Der aktuelle Spendenstand findet sich auf der
Straffreiheit für Cannabispatienten: Eine Spendenaktion gegen Angst und Drangsalierung
Meistens stimmt eine Ausnahmeerlaubnis zum Erwerb von Cannabisblüten Richter und Staatsanwälte milde. Das ist jedoch nicht immer der Fall, so dass Erlaubnisinhaber, die sich den Cannabis aus der Apotheke nicht leisten können und beispielsweise ihre Medizin selbst anbauen, von Strafverfolgung bedroht sind. Aufgrund der gegenwärtigen Lieferschwierigkeiten für Cannabisblüten haben die meisten Patienten zur Zeit zudem nur die Wahl, entweder vollständig auf ihre Medizin zu verzichten oder sich illegal zu versorgen.
Mehrere Patienten mit einer Ausnahmeerlaubnis zum Erwerb von Cannabisblüten aus der Apotheke durch die Bundesopiumstelle werden gegenwärtig wegen des illegalen Anbaus von Cannabis strafrechtlich verfolgt.
Spendenkonto
Kontoinhaber: Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin
Bankleitzahl: 41650001
Konto: 13030457
IBAN: DE80416500010013030457
BIC: WELADED1LIP
Verwendungszweck: Solidarität
Die aktuelle Situation widerspricht dem Geist der Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Mai 2005 (BVerwG 3 C 17.04) und des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 24. Juni 2004 (3 Ss 187/03).
Nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe aus dem Jahr 2004 müssen für das Vorliegen eines rechtfertigenden Notstands, der den Eigenanbau von Cannabis rechtfertigt, drei Voraussetzungen vorliegen:
- Es muss eine schwere Erkrankung vorliegen.
- Diese Erkrankung oder Symptome dieser Erkrankung sind mit den zur Verfügung stehenden therapeutischen Möglichkeiten nicht oder nicht ausreichend behandelbar.
- Die Verwendung von Cannabis-Produkten muss die Krankheitssymptome tatsächlich lindern.
Diese Voraussetzungen sind bei den Erlaubnisinhabern grundsätzlich gegeben, denn sonst hätten sie keine Ausnahmeerlaubnis von der Bundesopiumstelle erhalten. Die Bundesopiumstelle macht eine Erlaubnis grundsätzlich auch von der Frage abhängig, ob die bestehende schwere Erkrankung mit den zur Verfügung stehenden therapeutischen Möglichkeiten behandelbar ist oder nicht.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte im Jahr 2005 auf das Argument der Bundesopiumstelle, die Patienten könnten ja auch Dronabinol verwenden, auch wenn die Krankenkassen die Kosten nicht übernehmen, entgegnet: "Der Verweis auf ein Arzneimittel, das weder ohne weiteres verfügbar noch für den normalen Bürger erschwinglich ist, stellt aber keine Alternative dar, die das öffentliche Interesse am Einsatz von Cannabis zur Krankheitsbekämpfung entfallen lässt." Zudem hatte das Gericht festgehalten, dass "insbesondere bei Cannabis" die Erlaubnis zum Eigenanbau in Frage komme. Konkret heißt es im Urteil: "Die Entscheidung, einem Patienten den Erwerb oder, was insbesondere bei Cannabis in Betracht kommt, etwa den Anbau zu gestatten, bleibt stets eine Einzelfallentscheidung. Sie muss die konkreten Gefahren des Betäubungsmitteleinsatzes, aber auch dessen möglichen Nutzen in Rechnung stellen.“
Die staatliche Drangsalierung für eine Offensive zur Durchsetzung des Rechts auf Eigenanbau nutzen
Nun kommt es darauf an, dass möglichst alle strafverfolgten Patienten von den zuständigen Strafgerichten vom illegalen Besitz von Betäubungsmitteln aufgrund eines rechtfertigenden Notstands im Sinne des Urteils des Oberlandesgerichts Karlsruhe aus dem Jahr 2004 freigesprochen werden. Dazu benötigen sie kompetente Anwälte und ausreichend finanzielle Mittel, um die Strafverfahren bestreiten zu können. Auf diese Weise können vor allem zwei Ziele erreicht werden. Erstens werden Freisprüche in diesen Verfahren einen Signalcharakter für zukünftige Prozesse ähnlicher Art entwickeln. Die Bedrohung durch Strafverfolgung für alle heutigen und zukünftigen Erlaubnisinhaber und die damit verbundene Angst werden dadurch sinken. Zweitens erhöhen Freisprüche den Druck auf die Bundesregierung, vernünftige Lösungen für die betroffenen Patienten zu entwickeln, beispielsweise durch Genehmigungen des Eigenanbaus. Wenn die Politik nicht zu Veränderungen bereit ist, müssen sich die Patienten solche Erlaubnisse für den Eigenanbau eben durch Strafgerichte erkämpfen.
Wer sollte sich an der Spendenaktion beteiligen?
- Alle Erlaubnisinhaber, die Cannabis selbst anbauen möchten bzw. müssen oder bereits anbauen, denn sie zahlen in einen Topf, von dem sie selbst möglicherweise einmal profitieren könnten. Eine starke finanzielle Basis in der Auseinandersetzung mit den Strafgerichten kann die Angst vor der eigenen Strafverfolgung reduzieren. Ein gut gefüllter Spendentopf ist zwar keine Rechtschutzversicherung, schafft jedoch eine gewisse Sicherheit für Erlaubnisinhaber, die sich an der Aktion mit mindestens 50 € beteiligen. Vermögendere Erlaubnisinhaber oder solche, bei denen die Krankenkassen die Kosten übernehmen, zeigen durch ihre Beteiligung an der Spendenaktion ihre Solidarität mit denen, die weniger Glück haben.
- Alle anderen Menschen, die Cannabis aus medizinischen Gründen ohne eine Erlaubnis verwenden, denn Freisprüche vor den Strafgerichten wegen der medizinischen Verwendung von Cannabis können auch eine weitergehende Ausstrahlung auf andere Strafverfahren haben.
- Alle Menschen, die diese Strafverfolgung von Erlaubnisinhabern als ungerecht empfinden und dazu beitragen möchten, diese Ungerechtigkeit zu beenden.
- Alle Menschen, die sich dafür einsetzen, dass auch in Deutschland sinnvolle politische Lösungen für die medizinische Verwendung von Cannabisprodukten gefunden werden und die Zweiklassenmedizin in diesem Bereich endlich beendet wird.
Spendendosen und Sponsoren auf der Internetseite
- Spendendosen stehen bereits in einigen Läden wie der Kaya Foundation in Berlin oder werden in Kürze aufgestellt, wie etwa im Hanfhaus Reutlingen. Alle an der Aktion Interessierten können eine Art Patenschaft für eine Spendendose, die in einem Geschäft aufgestellt wird, übernehmen und dafür sorgen, dass diese regelmäßig geleert wird. Die Spendendosen können bei der ACM (info@cannabis-med.org) bestellt werden.
- Geschäfte, in denen Spendendosen aufgestellt werden, werden auf der IACM-Webseite als Sponsoren mit einem Link auf die eigene Webseite aufgelistet, wenn sie das möchten.
- Unternehmen, Geschäfte und Initiativen können zudem als Sponsoren auf der IACM-Webseite genannt werden, wenn sie mehr als 400 € gespendet haben.
Presseschau: Ab Januar Cannabis als Arzneimittel in Slowenien erlaubt (Kroatien News Magazine)
In Slowenien sollen Möglichkeiten zur Verwendung von Medikamenten auf Cannabisbasis geschaffen werden. Aus der Meldung ergibt sich nicht, um welche Medikamente es sich handelt. Auch in Kroatien findet zur Zeit eine Diskussion statt, ob beispielsweise der Eigenanbau von Cannabis beim Vorliegen bestimmter Erkrankungen erlaubt werden soll.
Ab Januar Cannabis als Arzneimittel in Slowenien erlaubt
Presseschau: Cannabis-Staatsmonopol mit Aussicht auf Milliardeneinnahmen (Heise Online)
In Frankreich hat die bürgerliche Zeitung Le Monde eine Diskussion zur Legalisierung von Cannabis unter ökonomischen Gesichtspunkten eingeleitet.