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ACM-Mitteilungen vom 19. November 2016
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Liebe Leserin, lieber Leser,
nach den gegenwärtigen Aussagen soll der geplante Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung der Versorgung der deutschen Bevölkerung mit Medikamenten auf Cannabisbasis im Dezember 2016 abschließend im Bundestag beraten werden, dann auf der ersten Sitzung des Bundesrats im Jahr 2017 am 10. Februar, sodass er danach in Kraft treten könnte.
Da die Bearbeitungsdauer von Anträgen auf eine Ausnahmeerlaubnis bei der Bundesopiumstelle zur Verwendung von Cannabisblüten aus der Apotheke zurzeit etwa bei 3 Monaten liegt, machen solche Anträge vermutlich keinen Sinn mehr. Denn nach dem Gesetzentwurf können diese Blüten dann ohne eine entsprechende Erlaubnis vom Arzt verschrieben werden.
Auf der Seite des Bundesgesundheitsministeriums werden die wichtigsten Fragen zum Gesetzentwurf beantwortet. Hier findet sich die Stellungnahme der ACM zum Gesetzentwurf.
Die Artikel in diesen ACM-Mitteilungen zeigen die gesamte Bandbreite der aktuellen Diskussion, von positiven Entwicklungen beim medizinischen Einsatz der Droge bis hin zu einer weiter anhaltenden Strafverfolgung in den deutschsprachigen Ländern.
Viel Spaß beim Lesen!
Franjo Grotenhermen
Presseschau: Gericht zeigt keine Gnade für kranken Joint-Raucher (Schleswiger Nachrichten)
Ein Amtsgericht in Schleswig-Holstein hat einen Erlaubnisinhaber zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil er Cannabis selbst angebaut hat. Wie die Artikelüberschrift bereits aussagt kannte der Richter keine Gnade. Man darf daher Zweifel daran haben, ob er „im Namen des Volkes“ geurteilt hat. Andere Patienten, die Cannabis aus medizinischen Gründen benötigen und sich die Droge illegal beschafft haben, weil sie sich diese aus der Apotheke nicht leisten können, wurden in der jüngeren Vergangenheit freigesprochen oder erhielten geringe Strafen. Der Anwalt des Betroffenen will das Urteil daher auch nicht hinnehmen.
Gericht zeigt keine Gnade für kranken Joint-Raucher
Er darf legal Marihuana rauchen. Doch wegen illegaler Cannabis-Pflanzen in seiner Wohnung, muss der Mann ins Gefängnis.
Ohne Marihuana läuft bei C. (58) gar nichts. So sieben bis acht Joints am Tag müssen es sein, sagt er, „sonst übernimmt mein Körper die Regie.“ Ein Zustand, den er mehr als alles andere fürchtet, denn er leidet seit seiner Kindheit unter dem sogenannten Tourette-Syndrom, das mit nervlichen Zuckungen und schweren Bewegungsstörungen einhergeht. Nur dank seines regelmäßigen Marihuana-Konsums könne er überhaupt mit dieser Krankheit leben, erklärt der Schleswiger, deshalb züchte er in seiner Wohnung („in Vaters altem Jagdschrank“) Cannabis-Blüten für den eigenen Verbrauch. Deshalb aber auch musste er sich nun vor dem Amtsgericht verantworten – und erhielt ein sehr hartes Urteil: Acht Monate Gefängnis.
Der Verurteilte ist einer von insgesamt 40 Patienten bundesweit, die eine medizinisch begründete Erlaubnis für Marihuana besitzen.
Die Anklage hatte auf „unerlaubten Anbau von Betäubungsmitteln sowie deren Besitz in nicht geringer Menge“ gelautet. Anklagepunkte, die C. nicht fremd sind – bereits fünf Mal war er mit seinem selbst produzierten Cannabis schon in die Mühlen der Justiz geraten. So geht sein beachtliches Vorstrafenregister stets in diese eine Richtung. „Nie würde ich schlagen, stehlen oder sonst etwas Gesetzloses tun. Ich bin ein friedlicher, ehrlicher Mensch,“ sagte er über sich vor Gericht.
Warum C. immer wieder wegen seiner Marihuana-Züchtung mit dem Gesetz in Konflikt gerät, verdeutlichte sein Verteidiger während der Verhandlung. Sein Mandant habe keine Alternative zur Einnahme von Marihuana als Medikament sowie dazu, diese Droge selbst zu produzieren. „Der tägliche Joint dient ihm nicht zum Vergnügen, sondern der Linderung der Symptome seiner Krankheit.“
Zudem verfüge sein Mandant über eine dem Gericht vorliegende behördliche Erlaubnis vom Bundesinstitut für Arzneimittel (BfA), nach der er unter ärztlicher Überwachung die nötige Marihuana-Menge von einer Apotheke in Schleswig bekommen könne. Der Haken aber sei: Das würde 1500 Euro im Monat kosten, was er als Frührentner, der mit etwa 500 Euro im Monat auskommen müsse, niemals leisten könne. Der Jurist verwies auf das „ansonsten straffreie Leben“ seines Mandanten und schilderte das Dilemma, in dem dieser stecke: Ohne Marihuana werde er von der Krankheit niedergedrückt, mit Marihuana handele er zwar gegen das Gesetz, führe dafür aber ein lebenswertes Leben.
In der gut dreistündigen Schöffenverhandlung zeigte sich C. offen gegenüber allen Fragen vom Amtsrichter und vom Staatsanwalt. Ja, er züchte die Cannabis-Pflanzen und medikamentiere sich mit dem Betäubungsmittel selbst. Ja, er beziehe den Samen aus Holland. Und ja, Drogen aus der Apotheke werde er sich trotz Genehmigung niemals leisten können, da auch von der Krankenkasse keine Hilfe zu erwarten sei. Dass Marihuana in einer bestimmten Dosis das wirksamste Therapie-Mittel für ihn sei, habe er vor vielen Jahren von seinen behandelnden Ärzten bestätigt bekommen.
Sein Verteidiger machte geltend, dass sein Mandant niemals gewerbsmäßig mit Drogen gehandelt habe, auch nicht, als er einen Hanfladen betrieb. Was die Gesetzeslage in Deutschland für den medizinischen Konsum von Marihuana angeht, sagte C.: „Ich informiere mich ständig im Internet, wie weit die Marihuana-Legalisierung in Deutschland vorankommt.“ Zumal in den USA in dieser Woche nach einer Volksabstimmung neben Kalifornien drei weitere Staaten für die Legalisierung und die Freigabe von Marihuana gestimmt hatten.
Das wünscht sich C. auch für Deutschland. „Und wenn man mir nicht zubilligt, dass ich das Mittel, das ich nicht bezahlen kann, selbst herstelle, dann bringt man mich um.“
Nach halbstündiger Beratung, zu der sich der Amtsrichter mit zwei Schöffinnen zurückgezogen hatte, fiel das Urteil für C. überraschend hart aus: Keine Bewährung, außer acht Monaten Haft kommen die Verhandlungskosten auf ihn zu, und: alles Zubehör für die Marihuana-Produktion wird eingezogen.
Der Angeklagte habe „keine gute Sozialprognose“, hieß es, da er auch vor Gericht zugegeben habe, sich nicht vom Marihuana-Anbau abbringen lassen zu wollen. Die Verteidigung hatte Freispruch gefordert, weil C. aus einer Notlage heraus handele und Dritte nicht betroffen seien. Er bringe mit seinem Handeln niemanden in Gefahr, sagte sein Verteidiger. Was wollen er und C. jetzt unternehmen? Dazu C.: „Ich werde nicht ins Gefängnis gehen. Auf gar keinen Fall. Da war ich schon mal, und nach drei Tagen mussten die mich wegen meiner Krankheit entlassen.“ Sein Anwalt will nun Rechtsmittel einlegen: „Entweder gehen wir in Berufung, in die nächste Instanz vor das Landgericht Flensburg, oder in Revision – gegebenenfalls ziehen wir am Ende bis vor das Bundesverfassungsgericht.“
Presseschau: Wirkt Cannabis zuverlässig gegen Epilepsie? (Ärztezeitung)
Die Ärztezeitung berichtete über das therapeutische Potenzial von Cannabidiol bei kindlicher Epilepsie. Dabei findet die jüngste kontrollierte Studie mit CBD, die einen guten Effekt demonstrieren konnte, noch keine Berücksichtigung, sodass der Beitrag eher zurückhaltend ausfällt.
Wirkt Cannabis zuverlässig gegen Epilepsie?
Eignet sich Cannabis als Antiepileptika? Forscher haben sowohl positive wie negative Effekte – ein zweischneidiges Schwert
Es sind Beispiele wie die der kleinen Charlotte Figgs, die schwerkranken Epilepsiepatienten Hoffnung geben: Im Alter von drei Monaten entwickelte das Mädchen die ersten Anfälle, mit drei Jahren erlitt sie bis zu 300 Grand-mal-Anfälle pro Woche, berichtet der Nachrichtensender CNN.
Die Ärzte diagnostizierten ein Dravet-Syndrom. Keine Therapie half, die Gehirnentwicklung kam zum Erliegen, das Mädchen stand an der Schwelle zum Tode. In ihrer Verzweiflung probierten die Eltern ein Cannabisöl mit wenig psychoaktivem THC, aber viel Cannabidiol.
Zum ersten Mal blieb das Kind über ein Woche anfallsfrei. Inzwischen kann Charlotte mit ein bis zwei meist nächtlichen Anfällen im Monat fast ein normales Leben führen.
Sowohl pro- als auch antikonvulsive Effekte
Kein Wunder, dass manche Epilepsieforen Cannabis als natürliches Antikonvulsivum preisen. Auf dem DGN-Kongress in Mannheim warnte Professor Heidrun Potschka jedoch vor der unkontrollierten Einnahme von Phytocannabinoiden: Diese hätten sowohl pro- als auch antikonvulsive Effekte.
So gebe es Berichte von Epilepsiekranken, die nach Joints immer wieder Anfälle erlitten. Cannabis sei wohl eher ein zweischneidiges Schwert, erläuterte die Pharmakologin von der LMU München.
Immerhin ist die Funktion der Cannabinoidrezeptoren im Gehirn gut untersucht. So bremst der präsynaptische CB1-Rezeptor über eine Rückkopplungsschleife überaktive Synapsen: Wird zu viel Transmitter ausgeschüttet, setzt die Postsynapse Endocannabinoide frei, die am CB1-Rezeptor andocken. Dieser drosselt dann die Transmitterproduktion.
Das geschieht jedoch sowohl bei exzitatorischen als auch inhibitorischen Verbindungen. Ob ein Joint mit dem berauschenden CB1-Agonist THC eher pro- oder antikonvulsiv wirke, hänge wohl vom augenblicklichen Status des Gehirns ab, sagte Potschka.
Können Cannabinoide Anfälle schnell zurückfahren?
Immerhin könnten Cannabinoide Anfälle schneller beenden. Dies wurde in Tiermodellen bestätigt und ist vom Mechanismus her auch plausibel: Die Wirkstoffe schalten beim Anfall überaktive Synapsen ab.
Möglicherweise ließen sich dadurch die Effekte beim Dravet-Syndrom erklären, auch mache dies Cannabinoide für die Behandlung beim Status epilepticus interessant.
Therapeutisch bedeutsamer als das berauschende THC sei jedoch Cannabidiol (CBD). Diese Substanz verursacht kein Hochgefühl und wirkt nicht nur über den CB1-Rezeptor. Allerdings, so Potschka, sei bislang wenig über die genaue Wirkweise von CBD bekannt.
In Tiermodellen konnten Forscher einen gewissen antikonvulsiven Effekt nachweisen. Derzeit wird der Wirkstoff beim Dravet- und Lennox-Gastaut-Syndrom klinisch geprüft.
"Eher Prinzip Hoffnung"
In einer Studie mit 162 therapierefraktären Epilepsiepatienten wurde unter CBD die Anfallsfrequenz um 37% reduziert. Allerdings war die Untersuchung nicht verblindet, was ihre Aussagekraft doch sehr einschränke, so Potschka.
Zu beachten sei zudem ein hohes Interaktionspotenzial: CBD hemmt diverse Cytochrom-P450-Enzyme, vor allem CYP2C und CYP3A. Dadurch werden bei einer Clobazambehandlung erhöhte Serumspiegel und Nebenwirkungen beobachtet.
Die Pharmakologin vermutet, dass ein Teil der beschriebenen Erfolge unter CBD letztlich auf erhöhten Clobazamspiegeln beruhen. "Von einer rationalen Therapie kann man bei Cannabinoiden folglich noch nicht sprechen, eher vom Prinzip Hoffnung", sagte sie.
Presseschau: Weshalb fürchtet die Pharmabranche Cannabis als Medizin? (TAZ)
Die medizinische Verwendung von Cannabis in den USA hat zu einem Rückgang der Verwendung anderer Medikamente geführt. Das sieht die Pharmaindustrie nicht gerne.
Polen: Krebskranker Politiker kämpft für Legalisierung von Cannabis
Cannabis ist in Polen in allen Formen und Verabreichungen verboten. Der bekannte junge Politiker Tomasz Kalita, Jahrgang 1979, möchte dies ändern: Cannabis soll für medizinische Zwecke zugelassen werden. Kalita ist selbst an Krebs erkrankt und weiß, wovon er spricht, was er fordert. Für seine neue Mission rappelt er sich immer wieder auf. Inzwischen hat er das Thema schon ins Parlament gehievt.
"Es war wie ein Autounfall", sagt Tomasz Kalita, Jahrgang 1979. So plötzlich und unerwartet kam die Diagnose: Gehirntumor. Ende Mai ist er ohnmächtig geworden, kam ins Krankenhaus. Früher hatte er oft Kopfschmerzen, dachte es kommt von zu viel Stress und Arbeit. Jetzt ist die Diagnose ein halbes Jahr her und so vieles hat sich verändert. "Ein Kaffee oder ein Frühstück schmecken auf einmal viel besser. Ich genieße jeden Moment. Leider schätzen wir die kleinen Dinge erst, wenn wir dabei sind, sie zu verlieren." Der Tumor wurde herausoperiert. Jetzt unterzieht sich Kalita einer Chemotherapie, aber er rappelt sich doch auf, denn er hat ein Anliegen. Es ist wie eine Mission, bei der sein bekanntes Gesicht helfen kann. "Erst jetzt sehe ich, welch großen Einfluss die Politik auf das Leben von Menschen hat. Ich brauche viel Kraft, denn ich habe noch so einiges zu tun", sagt Kalita.
Kalita rechnet mit Legalisierung schon Anfang 2017
Seit Monaten setzt er sich für die Legalisierung von Cannabis zu medizinischen Zwecken ein. Vor Kurzem hat er vor dem Sejm, dem polnischen Parlament, eine Demonstration organisiert, vor ein paar Tagen hat er sich mit dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda getroffen. Zum ersten Mal sieht er ein Licht im Tunnel. "Endlich zeigen Politiker Verständnis. Die Mehrheit der Konservative will dem Projekt zustimmen. Wenn alles gut läuft, könnte Cannabis zu medizinischen Zwecken schon Anfang 2017 legalisiert werden. Das wäre es ein riesiger Erfolg", erzählt er uns voller Hoffnung.
Momentan steht fest: Die Kommission für Gesundheit im Sejm wird sich mit dem Gesetzentwurf befassen, der vorschlägt, das ein Patient die Möglichkeit haben sollte, selbst Cannabis anzubauen, wenn er die Erlaubnis dafür bekommt und es Teil seiner Therapie ist. Die Autoren dieses Entwurfs argumentieren, dass dadurch der behandelnde Arzt die Möglichkeit hätte, bei Patienten, bei denen die konventionelle Therapie nicht anschlägt, unkonventionelle Mittel aus Cannabis anzuwenden.
Kalita: Illegalität Zumutung für Kranke.
In Polen gibt es seit Jahren eine heftige Diskussion über die Zulassung von Cannabis für verschiedene Therapien. Es ist ein offenes Geheimnis, dass viele Patienten sich Mittel, die auf der Basis von Cannabis entstehen, aus dem Ausland holen oder zuschicken lassen. "Man muss sich da nicht wundern. Jemand, der den Tod vor Augen hat, wird alles ausprobieren um die Schmerzen zu mindern. Man sollte das Recht haben, selber zu entscheiden, welche Therapie man wählt", argumentiert Tomasz Kalita. Es geht um ein Öl, das aus Cannabis erzeugt wird. In Tschechien kann man es in Apotheken bekommen. "Wieso soll ich nach irgendwelchen illegalen Quellen in Polen suchen und mich strafbar machen, wenn man das alles auch legal machen könnte!", ist Kalita empört. Für Menschen, die krank sind, sei es eine Zumutung, ärgert er sich.
Im August ergriff der polnische Justizminister, Zbigniew Ziobro, das Wort in der Debatte. Er sage, er sei nicht grundsätzlich dagegen, aber man müsse vorsichtig sein, da Cannabis eine Droge sei, die "viel Schaden in den Köpfen besonders von jungen Menschen verursacht". Nach Angaben der Vereinigten Nationen raucht schon jeder vierte Jugendliche in Polen Cannabis.
"Zwei unterschiedliche Paar Schuhe", meint Tomasz Kalita, der die politische Diskussion wesentlich vorangetrieben hat.
Der polnische Staat zwingt mich dazu, dass ich mich wie ein Krimineller fühle. Er droht mir mit einer harten Strafe, wenn ich Cannabis zu medizinischen Zwecken benutze. Für jemanden, der sein Leben retten will, aber gleichzeitig nicht das Recht brechen möchte, ist das die Hölle.
Kranke keine Drogenkonsumenten
Tomasz Kalita war drei Jahre lang Pressesprecher des Bündnisses der Demokratischen Linken (SLD). Aus der Partei stammt auch der ehemalige polnische Präsident Aleksander Kwasniewski. Dass er jetzt Verständnis unter seinen politischen Gegnern, der regierenden PiS-Partei findet, freut ihn. Umso mehr ärgern ihn die Worte des polnischen stellvertretenden Gesundheitsministers Jaroslaw Pinkas, der sagte, Cannabis werde keinem helfen. "Herr Minister, reden Sie doch bitte mit denjenigen, die leiden und für die es eine Hoffnung sein könnte. Reden sie mit Müttern, deren Kinder an Epilepsie leiden. Wir wollen nicht in einen Topf geworfen werden mit denen, die Cannabis als Rauschmittel verwenden", reagierte Kalita auf Pinkas Äußerung.
Vor einigen Wochen hat Tomasz Kalita seine langjährige Freundin geheiratet, die jüngsten Untersuchungswerte geben Hoffnung. Was macht ihm am meisten Freude, fragen wir am Ende des Gesprächs: Das Planen. Wenn ich weiß, heute gehen wir ins Kino oder morgen trinken wir einen Kaffee irgendwo draußen - das ist ein schönes Gefühl. Das ist Lebensgenuss. Man schätzt das erst, wenn man das verliert.
Presseschau: Wie sich Marihuana zur Seniorendroge entwickelt (Welt)
Eine jüngere Studie zeigte, dass die Legalisierung der medizinischen Verwendung von Cannabis mit einer besseren Gesundheit älterer Arbeitnehmer und geringeren krankheitsbedingten Fehlzeiten verbunden war. Eine Fernsehreportage berichtete vor nicht allzu langer Zeit von der Cannabisverwendung in einem israelischen Altersheim. Cannabis ist für viele Senioren ein interessantes Produkt.
Wie sich Marihuana zur Seniorendroge entwickelt
Die Achtundsechziger von gestern sind die 68-Jährigen von heute. Und Cannabis ist ihre Droge der Wahl. Sie entspannt, betäubt Schmerzen und macht nicht dick. Illegal ist sie immer noch.
Seit dem Sommer schläft Hans Beimer endlich wieder durch. Sein Nachbar und Hausarzt Dr. Flöter hat ihm (illegal) ein Büschelchen Gras besorgt, das er mithilfe eines Vaporizers auf exakt 200 Grad erhitzt, um den THC-Dampf zu inhalieren und sich am offenen Fenster mit Blick auf die Lindenstraße zurückzulehnen. Der Pantoffel rutscht ihm vom rechten nackten Fuß, er lächelt, sein vom Parkinson geschüttelter Körper entspannt.
Spätestens an jenem Sonntagabend muss jedem Fernsehzuschauer in Deutschland klar geworden sein: Marihuana ist nicht mehr die böse Einstiegsdroge, die zwangsläufig in der Heroinsucht endet. Kiffen ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Jeder tut es, sogar Vater Beimer. Was die "Lindenstraße" thematisiert, ist gesellschaftspolitisch relevant. Schwulenkuss, Asylrecht, Ökoaktivismus, Wehrpflicht, Veganismus, aktive Sterbehilfe – Hans W. Geißendörfer war der Stimmungslage der Republik schon oft ein paar Sonntagabende voraus. Die Einzigen, die sich über das Kiffen noch aufregen, sind Beimers Frau Anna (aber nur bis zur nächsten Folge) und die deutsche Rechtspflege. Cannabis ist in Deutschland eine illegale Droge, die unter das Betäubungsmittelgesetz fällt. Man darf sie weder besitzen noch anbauen oder seinem kranken Nachbarn besorgen. Ein neues Gesetz könnte aber ab Frühjahr 2017 dafür sorgen, dass niedergelassene Ärzte Cannabis als Schmerzmittel verschreiben dürfen. Die Entwicklung in den USA lässt vermuten, dass das der erste Schritt auf dem Weg zur Legalisierung sein könnte (siehe dazu etwa den Beitrag von Cem Özdemir in der "Welt").
Wenn man einmal kurz nachrechnet, ist das Thema Cannabis für Senioren keine wirkliche Überraschung. So wie die Popkultur zusammen mit den Rolling Stones in die Jahre gekommen ist, sind auch diejenigen, die 1968 kiffend gegen ihre spießige Elterngeneration rebellierten, inzwischen in Rente gegangen (anders als Mick Jagger und Keith Richards). Heißt das, dass sie mit dem Kiffen aufgehört haben? Viele ja, andere nicht.
Einer, der während seines Jura-Studiums Anfang der 70er-Jahre mit dem Kiffen angefangen hat, sitzt jetzt im Karohemd vor einer gut gefüllten Bücherwand im schicken Hamburger Elbvorort Othmarschen in einem "Poäng"-Schwingsessel von Ikea. Auf dem Couchtisch ein Aschenbecher mit halb runtergerauchtem Joint mit Kohlefilter. "Das ist der Rest von gestern Abend. Drei Züge, das reicht mir", sagt der 63-Jährige und lächelt verschmitzt. "Habe ,Blind Date' mit Bruce Willis geguckt – so ein affengeiler Film. Das ist das Tolle am Kiffen: Selbst ein Film, der einfach nur schöne Bilder hat wie ,Reise nach Indien' kommt wunderbar. Mit Alkohol geht das nicht."
Ohne Kalorien und gut verträglich
Gestern hat Hedobald Braxen, wie der Anwalt hier genannt werden möchte, sich allein berauscht, in regelmäßigen Abständen trifft er sich in einer Runde von Freunden zum Filmegucken, und dann geht auch mal eine Tüte rum. Bauen kann er sie auch nach 40 Jahren nicht. "Ich habe noch nie Gras gekauft, und ich habe nie gedreht." Das Marihuana bekommt er geschenkt, eine Freundin bastelt die Joints. Andere Drogen fand Braxen nie interessant, und ein Hänger ist offensichtlich auch nicht aus ihm geworden. Richterliche Beschlüsse, Paragrafen und Literatur-Zitate sprudeln aus ihm heraus, als sei er ein wandelndes Lexikon der deutschen Rechtsgeschichte. "In der Drogenpolitik hinkt die Gesetzgebung der gesellschaftlichen Realität weit hinterher", beklagt der Jurist. "Da sitzt man am Wochenende bei einer Fete und kifft mit diversen Leuten, die man noch aus dem Referendariat kennt, und schon am Montag wissen sie nichts mehr davon."
Braxen gießt sich ein Glas Sprite ein. "Das ist wie damals mit Paragraf 172 StGB zum Thema Ehebruch. Da verurteilten Richter, die selbst nie fremdgegangen sind? Das glaubt doch keiner." Heute raucht der Anwalt nur eine Zigarette, denn morgen steht wieder ein Filmabend mit Freunden an. Es wird gekocht, vielleicht gibt es ein Glas Wein und ganz bestimmt ein paar Züge vom frisch gedrehten Joint. "Noch ein Vorteil: Im Gegensatz zum Alkohol hat Cannabis keine Kalorien", lacht Braxen.
Dreihundert Kilometer südöstlich von Othmarschen wohnen Carla Schmitz (Name geändert) und ihr Mann in einer gemütlichen Vierzimmerwohnung mit Balkon in Berlin-Kreuzberg. Die pensionierte Krankenschwester mag Pflanzen, im Fenster des Wohnzimmers hängen so viele davon, dass man kaum hinausschauen kann. Durch die Durchreiche der Küche schiebt die 66-Jährige ein Stück selbst gebackenen Apfelkuchen mit einem großzügigen Klecks Schlagsahne darauf und serviert ihn zu einer Tasse Kaffee in der Fernsehecke.
Die Sitzflächen der beiden zum L angeordneten Sofas sind mit grasgrünen Wolldecken geschützt, Schmitz liebt es, die Abende auf der Couch zu verbringen und sich ein paar "Stickies" zu drehen – Zigaretten mit ein paar Krümeln Gras im Tabak. "Ich mach sie nicht so voll, immer nur 'n bisschen." In einem Blechdöschen, das auf der Ablagefläche unter dem Couchtisch steht, ist die abendliche Ration. Das reiche für fünf bis sechs kleine Joints pro Abend, so die Frau, die sich die grauen Haare zum Ballerina-Dutt auf dem Kopf zusammengesteckt hat. "Mehr gibt's nicht." Macht 150 Euro für Gras pro Monat, das ihr der Sohn über einen Freund besorgt. "Früher haben wir Codewörter benutzt. ,Kannste mir den Günter Grass besorgen?' – dann wusste der Bescheid", ihre hellblauen Augen blitzen lustig. "Aber nur Marihuana. Diese Blockschokolade mag ich nicht."
Im Gegensatz zu Braxen ist Carla Schmitz in ihrer Jugend nicht mit Cannabis in Berührung gekommen. "In der DDR gab's so was ja nicht. Ich hab damals nur von der Droge gehört, interessiert hat mich das schon." 1988 stellte die Familie einen Ausreiseantrag und zog von Greiz in Thüringen nach West-Berlin. Eine Krankenhaus-Kollegin führte Schmitz ins Berliner Nachtleben ein. "Die haben da dieses Harzzeugs geraucht, und meine Freundin meinte: "Riechst es?", aber ich kannte den Geruch ja noch gar nicht." Ihr Sohn begann mit 18 zu kiffen. "Er war volljährig, da konnte ich es ihm schlecht verbieten. Außerdem ist mir nicht aufgefallen, dass es ihn irgendwie beeinträchtigt hat, dass er gammelte oder lustlos wirkte."
Als der Nachwuchs auszog, begann ihr Mann in einem der vier Zimmer Gras anzubauen. "Wir haben die Fenster mit Silberpapier abgedichtet und einen Schlauch rausgehalten für die Frischluftzufuhr. Mein Mann hatte sich schlau gemacht. Die Samen haben wir aus der Schweiz mitgebracht, wo mein Sohn inzwischen wohnte. Das war eine super Ernte." Zum ersten Mal probierte Carla Schmitz es selbst. Da war sie 48. "Ich fand das schön, mich hat das auf angenehme Weise runtergebracht." Nach einem langen Tag im Krankenhaus war das Kiffen Entspannung. "Schokolade, Zigaretten, Alkohol, das sind doch alles Rauschmittel. Vom Kiffen hab ich allerdings keinen schweren Kopf am nächsten Morgen." Als das Paar Schmitz' schwer kranke Mutter bei sich aufnahm, wichen die Hanfpflanzen dem Krankenbett. Die Medien berichteten über die schmerzlindernde Wirkung von Cannabis. "Muddl, wie wär's denn, wenn ich dir mal ein paar Plätzchen backe?", schlug Schmitz vor. "Sie war eine feine, stille Dame. Den Keks zum Einschlafen hat sie ab dann aber immer verlangt."
In Rainer Schmidts neuem Roman "Legal High" kann die 92-Jährige Frau Knoll kaum die nachmittägliche "Fröhliche Runde" im Seniorenheim abwarten, zu der Hausmeister Kleinhagen selbst gebackene Plätzchen mitbringt. "Legal High" ist eine hellsichtige Gesellschaftssatire, in welcher der wegen illegalem Cannabisanbaus verurteilte "Dude" hinter Gittern miterleben muss, wie im Deutschland des Jahres 2018 ein grüner Goldrausch beginnt. Kaum hat die Kanzlerin die Legalisierung angedeutet, werden selbst aus reaktionären Drogengegnern begeisterte Cannabis-Befürworter. "Man könnte als Laie glauben, das sei total überzogen, doch wer sich auskennt, merkt, dass vieles im Buch real ist oder sein könnte", sagt der Autor. "Es hat sich in der letzten Zeit unfassbar viel getan." Insbesondere dass die USA, das Land, das den "war on drugs" führte, jetzt mit der Legalisierung einen radikal anderen Weg einschlägt, gibt auch den Politikern hierzulande zu denken. "Das ist wie ein riesiger empirischer Feldversuch", erklärt Schmidt. "Eine ideologisch geführte Diskussion wird endlich rationalisiert. Die Angst, dass man legalisiert und plötzlich alle kiffen, verliert jede Grundlage."
Die Angst, dass man legalisiert und plötzlich alle kiffen, verliert jede Grundlage
Der echte Hans Beimer heißt Friedo M. und lebt in Hamburg-Altona. Mit 61 ist der IT-Elektroniker zehn Jahre jünger als die Serienfigur, in seinem schwarzen Kapuzenpulli nimmt man ihm auch dieses Alter kaum ab. Seit einem Unfall als Teenager hat M. durchgehend Schmerzen. Starke Medikamente war er leid, Alkohol kam zur Betäubung nicht infrage. Er suchte eine natürliche Substanz und so begann M. sich vor zehn Jahren per Spray mit CBD, dem nicht berauschenden Cannabis-Wirkstoff, selbst zu therapieren. Seitdem er Marihuana mit einem hohem CBD- und einem leichtem THC-Gehalt inhaliert, kann er auch durchschlafen. "Und ich bin morgens gut gelaunt und fit." Die Mischung bekommt er von einem "Menschen seines Vertrauens", mit anderen Worten einem illegalen Grower. Anders geht's (noch) nicht, denn Cannabis wird nur verschrieben, wenn keine andere wirksame Therapie greift. Bis sich das ändert, umgeht M. wie viele andere Hans Beimers das Gesetz: "Nur abends, wenn die Schmerzen zu doll werden. Per Vaporizer – ich bin ja Nichtraucher."
Presseschau: Kiffverbot für Schmerzpatient (Bild)
Die Bildzeitung berichtete über einen Schmerzpatienten aus München, dem wegen illegalen Cannabiskonsums ein Strafverfahren droht.
Kiffverbot für diesen Schmerzpatienten
Aus eigener Kraft kann sich der Münchner Roman U. (53) nicht einmal aufrichten. „Ich habe mit 17 angefangen, zu kiffen. Wegen der Schmerzen. Nur so komme ich über den Tag, habe Appetit und kann überhaupt schlafen.
Sein Körper ist sein Gefängnis. Roman U. (53) verbringt den Großteil seines Lebens im Bett. Sein Pfleger Stefan (47) bringt ihn zur Toilette oder zum Waschen.
Roman U. ist schwerstbehindert, leidet ständig unter Schmerzen. Jetzt soll er vor Gericht. Weil er zur Eigentherapie Marihuana raucht! Ihm droht ein Prozess.
„Ich brauche Gras, um halbwegs menschenwürdig zu leben. Dafür werde ich jetzt zum Kriminellen gemacht“, klagt der Frührentner. Er ist angeklagt wegen unerlaubtem Betäubungsmittelbesitz. Seit fast drei Jahren läuft das Verfahren.
Rückblick: Januar 2014. Polizisten ermitteln wegen Ruhestörung auf der Schwanthalerhöhe. Im Treppenhaus riechen sie Marihuana – und finden 421 Gramm bei Roman U. Seine private Plantage mit Speziallampen.
Franz Erlmeier (54), Verteidiger von U., erklärt auf Anfrage: „Erst verwehrt ihm der Staat den legalen Zugang zu Cannabis und legt ihm jetzt ein Verbrechen zur Last. Absurd.“
Roman hatte mit fünf Jahren einen schrecklichen Unfall. Eine Wäscheschleuder reißt ihm den rechten Arm ab. Er schlägt mit dem Kopf auf der Badewannenkante auf. Sechs Wochen Koma!
Seither sitzt er im Rollstuhl oder liegt im Bett, hat durch Nervenschädigungen permanent Schmerzen. Zudem quälen ihn ständige Abszesse am Gesäß.
Die Bundesopiumstelle gibt ihm aber keine Erlaubnis für den Cannabisanbau. Roman U. lehnt andere Schmerzmittel ab. „Die vertrage ich einfach nicht.“ Die AOK schmettert den Antrag auf Kostenübernahme für Cannabis aus der Apotheke (1200 Euro pro Monat) ab. „Ich brauche aber 5 bis 10 Gramm täglich. Die kann ich mir nicht leisten.“
Darum hatte Roman U. selbst angebaut und geraucht. „Ich hatte keine andere Wahl.“
Kommt jetzt tatsächlich ein Prozess? Die Staatsanwaltschaft prüft noch die Möglichkeit einer Einstellung des Verfahrens.
Verteidiger Erlmeier warnt: Der schwer kranke Roman U. müsste im Spezialbett zum Prozess transportiert werden. Weil das nicht durchs Treppenhaus passt, müsste ihn die Feuerwehr per Kran über den Balkon ins Freie hieven.
Presseschau: Kontroverse um Cannabis als Medizin in Spanien (Der Standard)
Der österreichische Standard berichtete über die ungeregelte Situation zur medizinischen Verwendung von Cannabis in Spanien.
Kontroverse um Cannabis als Medizin in Spanien
Cannabis als Arznei setzt sich bei Erkrankungen wie Krebs, Epilepsie und Schmerzen durch. Spaniens Konservative sind dagegen Ein schmerzfreies Leben war für Carola Pérez (37) unvorstellbar. Seit einem Steißbeinbruch, den sie im elften Lebensjahr beim Inline-Skaten erlitt, unterzog sie sich elf Operationen. Schlussendlich wurde der kompliziert gebrochene Knochen schlichtweg entfernt. Doch chronische Schmerzen brachten Pérez bis zu einem Punkt, als sie unter dem Einfluss opiathaltiger Schmerzmittel ihre eigenen Eltern um aktive Sterbehilfe bat. Sie hatte es satt: "Ich war in einem Tunnel, in dem es keinen Funken Licht mehr gab", sagt sie.
Heute leitet Peréz als Mitbegründerin von Dosemociones, eine NGO für Patientenberatung zur medizinischen Nutzung von Cannabis. Denn es war ein Tee aus Cannabisblüten und Milch, der ihr erstmals nach mehr als einer Dekade "das Gefühl der Erleichterung, der Ruhe gab". Peréz war für einige Stunden vom permanenten Schmerz abgelenkt, wenn nicht befreit, betont sie. Heute hat sie Zugang zu Wirkstoff-Tropfen mit Tetrahydrocannabinol (THC) und auf Inhalt, sowie möglichen Schwermetall- oder Pestizidgehalt hin analysierten Cannabis-Blüten, die sie mittels Verdampfer (engl. Vaporizer) konsumiert.
Weltweit befindet sich die Gesetzeslage, aber auch der Umgang der Mediziner im Thema Cannabis im Umbruch. Nicht nur in den USA, Kanada, Deutschland, Italien oder etwa Finnland, bis Uruguay und Neuseeland findet ein Umdenken statt. Weg von der "Droge" Cannabis, finden mehr und mehr Patienten Zugang zu einer Substanz, die seit Jahrzehnten verteufelt war.
Legal und illegal
Präparate wie CBD-Öle (Cannabidiol) etwa, die als Tropfen unter der Zunge verabreicht werden, oder wegen ihrer entzündungshemmenden Wirkung auch als Cremes gegen Schuppenflechte Einsatz finden, sind problemlos, meist als Lebensmittelzusatzstoffe legal erhältlich. Doch befindet man sich beim ebenso medizinisch wirksamen, aber psychoaktiven THC in Spanien in einer Grauzone.
Die rechtskonservative Regierung unter Interimspremier Mariano Rajoy (Partido Popular) versuchte zuletzt nicht nur gegen die "Cannabis Clubs" vorzugehen. Wo man dank einer Gesetzeslücke als Verein organisiert zum Eigenbedarf auch für den rekreativen Konsum Cannabisblüten aus vereinseigener Produktion erwerben kann. Zahlreiche solcher Vereine wurden nach einem Höchstgerichtsspruch zur Schließung gezwungen, wie der La Santa oder Le Club.
Knapp 80 Cannabis-Patienten, darunter auch Pérez, standen auf einmal ohne Zugang zu Blüten da. Auf der anderen Seite zeigt sich der Gesetzgeber auch in punkto Eigenanbau mit den umstrittenen "Knebelgesetzen" (span. Ley Mordaza) weit weniger tolerant. War einst der Eigenanbau von bis zu drei Pflanzen pro Person zumindest toleriert, drohen nun bis zu 1000 Euro Bußgeld den Kleingärtnern, pro Pflanze wohlgemerkt. Sofern die Stauden auf Balkon oder Terrasse erspäht werden.
Cannabis bei Gehirntumor
Es war der Molekularbiologe Manuel Guzmán von der Universidad Complutense in Madrid, der zuletzt mit einer Studie zum bösartigen Hirntumor Gliom und hochdosierten THC an Mäusen auch international für Aufsehen sorgte. Indem er nachweisen konnte, dass der Cannabiswirkstoff nicht nur das Wachstum der Krebszellen hemmt. Sondern auch deren Zelltod einleitet. "Mit Cannabis zu forschen ist extrem umständlich", betont Guzmán: "Weil Institutionen, wie Universitäten, aber auch Pharmakonzerne lieber mit einfacher-handhabbaren Substanzen arbeiten."
Die belegten positiven Wirkungen wären, wie Guzmán unterstreicht, "die Schmerzlinderung, bei neurodegenerativen Problemen mit der Motorik, aber auch Spasmen, in der Epilepsie bei Kindern, und eben als Appetitanreger bei chronischen Erkrankungen". Zudem könne es bei Depression, Schlafstörungen und Stress dienlich sein. Ergebnisse klinischer Studien am Menschen zu Cannabis-Wirkstoffen gibt jedoch bislang noch keine.
"Es ist das Paradox, dass wir bereits mit guten Ergebnissen Krebspatienten mit THC behandeln, und dass man noch immer keine valide, klinische Studie an Menschen zur Wirkung auf den Weg bringen konnte", kritisiert der Mediziner Mariano García de Palau. Er hat 2012 die Kalapa Clinic in Barcelona gegründet und behandelt derzeit zirka 450 Patienten, darunter auch einen Österreicher wie er sagt.
Cannabis bei Krebs und Epilepsie
Knapp die Hälfte davon wären Kinder mit Epilepsie. Ein Viertel Krebspatienten in Chemotherapie. Zu denen auch ein Kollege und Freund von ihm aus Finnland zähle. "Es ist weder legal noch illegal Cannabis in Spanien zu verwenden. Es ist nicht geregelt", sagt García de Palau, der selbst in Studienzeiten Cannabis konsumierte: Vom Joint-Rauchen rät er als Arzt ab, wegen der Krebsrisiken. Seinen Patienten rät er zum Verdampfen der Blüten mittels Vaporizer. Und dem Eigenanbau.
"Es spricht nichts dagegen im Garten neben den Tomaten zwei oder drei Cannabisstauden zu haben. Der Anbau der Pflanzen per se ist bereits ein therapeutischer Akt." Essenziell sei, dass die Cannabisblüten auf ihre Inhaltsstoffe analysiert werden, um sie auf ihren Wirkstoffgehalt hin wiegen und korrekt dosieren zu können.
Presseschau: Mann baut Hanf an, um krankem Vater zu helfen (20 Minuten)
In der Schweiz wurde ein Mann zur einer Gefängnisstrafe auf Bewährung verurteilt. Er hatte Cannabis für seinen erkrankten Vater angebaut, aber auch erhebliche Mengen davon an Dritte verkauft.
Mann baut Hanf an, um krankem Vater zu helfen
Aus den Pflanzen seiner Hanfplantage will ein 36-Jähriger ein Öl gepresst haben, das die Schmerzen seines kranken Vaters linderte. Nun wurde er verurteilt.
Der Beschuldigte habe einen Teil des Hanfs verkauft, um mit dem Erlös die Plantage zu betreiben. Einen lukrativen Handel zu betreiben, sei nie sein Ziel gewesen.
Die Hanfplantage in seinem Haus im Bezirk Meilen hatte der 36-Jährige zwei Jahre lang betrieben. Im Winter 2016 kam ihm die Polizei auf die Schliche. Beim Prozess am Bezirksgericht gab der Mann laut der «Zürichsee-Zeitung» einen aussergewöhnlichen Grund für den Anbau an: Sein Vater sei schwer krank – das Einzige, was seine Schmerzen lindern könne, seien Cannabis-Wirkstoffe.
Die Medizin verabreichte der 36-Jährige seinem Vater in Form eines selbstgepressten Öls mit hohem THC-Gehalt. Dieses habe ihm zum Beispiel ermöglicht, schmerzfrei durchzuschlafen.
Wegen Drogenverkaufs verurteilt
Einen Teil des Hanfs verkaufte der Beschuldigte jedoch – und zwar rund ein Kilo pro Jahr. Den Gewinn von 8000 Franken verwendete er nach eigenen Angaben dazu, die Plantage zu betreiben. Es sei nie sein Ziel gewesen, einen lukrativen Handel zu betreiben – deshalb habe er das Cannabis auch nicht auf der Strasse, sondern ausschliesslich an Freunde und Bekannte verkauft.
Obwohl die Richterin die edlen Motive des Hanfbauers anerkannte, sprach sie von einem Fokus auf den Drogenhandel. Der Verkauf von einem Kilo pro Jahr könne nicht als unerheblich eingestuft werden. Hinzu komme, dass die Pflanzen teils deutlich über dem THC-Grenzwert von einem Prozent lagen, etwa bei 25 oder gar 55 Prozent. Das Urteil: Acht Monate Gefängnis bedingt, bei einer Probezeit von drei Jahren. Zudem muss der 36-Jährige eine Busse von 300 Franken zahlen.
Presseschau: In Kalifornien entscheidet sich der „Krieg gegen Marihuana“ (Berliner Zeitung)
In mehr als der Hälfte der US-Staaten ist die medizinische Verwendung von Cannabis bereits legalisiert. Deutlich mehr als die Hälfte der US-Amerikaner spricht sich sogar für eine generelle Legalisierung aus.
In Kalifornien entscheidet sich der „Krieg gegen Marihuana“
In Colorado allein wurde im Cannabis-Geschäft im Jahr 2015 mehr als eine Milliarde US-Dollar umgesetzt.
Damian Marley hat schon vorgesorgt. Vor kurzem kaufte der jüngste Sohn von Reggae-Legende Bob Marley zusammen mit Partnern für mehr als vier Millionen US-Dollar ein aufgelassenes Gefängnis im kalifornischen Coalinga. Wo früher Menschen wegen Drogendelikten eingesperrt waren, soll künftig Marihuana angebaut werden. Das Projekt des Musikers ist das jüngste Beispiel für einen Trend, der sich in den USA durchzusetzen scheint: 25 US-Bundesstaaten haben die Droge bereits zu medizinischen Zwecken als Schmerzmittel freigegeben. In vier Staaten und dem Hauptstadtbezirk Washington, D.C., ist sogar das Kiffen ohne Krankenschein legal. Und nach der Präsidentschaftswahl am 8. November könnte ein noch größerer Teil der USA legal dem Cannabis verfallen. In neun Bundesstaaten finden an diesem Tag Volksabstimmungen über die Freigabe von Marihuana statt.
Für die Befürworter der Marihuana-Legalisierung ist vor allem Kalifornien wichtig. Sollten die Wähler dort das Rauschmittel für legal erklären, dann wäre das ein Signal für den Rest des Landes. Im bevölkerungsreichsten Bundesstaat der USA mit knapp 40 Millionen Einwohnern ist Cannabis als Schmerzmittel auf Rezept schon seit 1996 legal. 2010 lehnten die Wähler die vollständige Freigabe der Droge als Genussmittel für den Freizeitgebrauch ab. Nach aktuellen Umfragen hat sich das Meinungsbild allerdings zugunsten der Drogenlegalisierung verändert.
Unaufhaltsamer Trend
Ähnlich sieht es in Bundesstaaten Arizona, Nevada, Maine und Massachusetts aus, wo ebenfalls über die Freigabe des Rauschmittels unter Auflagen an Erwachsende über 21 Jahren entschieden wird. In Arkansas, Florida, Montana und North Dakota Marihuana geht es zwar nur um die Legalisierung von Marihuana als Schmerzmittel, für das Konsumenten ein Rezept verlegen müssen. Doch der Trend wäre nach Ansicht von Experten kaum noch aufzuhalten, wenn Kalifornien das Cannabis zu einer legalen Droge wie Tabak und Alkohol erklärt. „Wenn wir erfolgreich sind“, sagt Kaliforniens Vize-Gouverneur Gavin Newsom, ein Befürworter der Freigabe, „dann ist das der Anfang vom Ende des Krieges gegen Marihuana.“ Dann werde das auch in Kalifornien Nachbarland Mexiko und anderen Staaten Lateinamerikas zu Debatten über die Freigabe von Cannabis führen.
„Dann ist der Zug nicht mehr zu stoppen“, sagt auch Ricardo Baca, der in Denver im Bundesstaat Colorado für die örtliche Zeitung als erster und bislang einziger Marihuana-Redakteur der USA arbeitet. Die Website thecannabist.co der „Denver Post“ gilt inzwischen US-weit als Autorität in Sachen Cannabis. In Colorado ist Marihuana seit Anfang 2014 legal. Der Bundesstaat sei wie ein Labor für die USA, sagt Baca.
Das Geschäft ist lukrativ. In Colorado allein wurde im Cannabis-Geschäft im Jahr 2015 mehr als eine Milliarde US-Dollar umgesetzt. US-weit waren es fast sieben Milliarden Dollar. Der Umsatz, so sagen Branchenkenner, werde bis zum Jahr 2020 auf mehr als 22 Milliarden Dollar ansteigen. Es gibt inzwischen einen Aktienindex für die Branche. In Denver haben sich Arbeitsvermittler niedergelassen, die Jobbörsen für die sogenannte Marihuana-Industrie veranstalten. Selbst der (bei der Wahl am 8. November chancenlose) Präsidentschaftsbewerber Gary Johnson ist in das Geschäft eingestiegen.
Immer mehr Zustimmung in der Bevölkerung
Während Marihuana-Gegner kurz vor den Abstimmungen in Zeitungsanzeigen, Fernsehspots und im Internet gegen die Legalisierung zu Felde ziehen, ist in der US-Bevölkerung allgemein die Zustimmung zur Cannabis-Freigabe gestiegen. Mittlerweile, so eine Umfrage des Instituts Gallup, halten mehr als 60 Prozent der US-Amerikaner ein Marihuana-Verbot für überholt. Vor zehn Jahren waren es gerade einmal gut 30 Prozent.
Das übt auch Druck auf den nächsten Präsidenten aus, das Marihuana-Verbot auf US-Bundesebene zu überdenken. Amtsinhaber Barack Obama hat zwar Sympathien für die Entscheidungen in den einzelnen Bundesstaaten gezeigt, sich aber nie daran gemacht, die US-weit immer noch gültige Marihuana-Prohibition zu beenden. Das führt zu bemerkenswerten Problemen. US-weit tätige Banken geben kaum Kredite für das Marihuana-Geschäft auf lokaler Ebene aus, weil sie fürchten müssen, wegen Geldwäsche belangt zu werden. Und im Hauptstadtbezirk Washington, wo das Kiffen zu Genusszwecken legal, haben Cannabis-Konsumenten auch ein Problem. Weil viele Grundstücksflächen in der Hauptstadt unter Bundesverwaltung stehen, machen sie sich theoretisch strafbar, wenn sie Parkanlagen wie die National Mall überqueren und Marihuana in der Tasche haben.
Ein Beispiel an Colorado
Die Befürworter einer Marihuana-Freigabe in Kalifornien und anderswo argumentieren, dass sich am Beispiel Colorado ablesen lasse, wie unproblematisch eine Legalisierung in Wirklichkeit sei. Es sei nachweisbar, dass der Schwarzmarkt für Marihuana einen heftigen Schlag erlitten habe. Auch habe die Freigabe weder die Zahl der minderjährigen Kiffer erhöht noch zu mehr drogenbedingten Verkehrsunfällen geführt. Stattdessen seien die Steuereinnahmen für die Bundesstaaten in die Höhe geschossen.
So hat etwa der Musiker Damian Marley dem zentralkalifornischen Städtchen Coalinga nach einem Bericht des Magazins „Billboard“ aus der Finanzmisere geholfen. Coalinga hatte Schulden von 3,3 Millionen US-Dollar. Dann kam der Sohn der Reggae-Legende Bob Marley und blätterte mehr als vier Millionen hin, um ein altes Gefängnis zur Marihuana-Plantage umzubauen.