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ACM-Mitteilungen vom 18. Oktober 2025
Liebe Leserin, lieber Leser,
in diesem Rundbrief geht es um die Pläne des Bundesgesundheitsministeriums von Frau Nina Warken (CDU) zur Eindämmung von Online-Verschreibungen cannabisbasierter Medikamente ohne vorherigen persönlichen Arztkontakt und das Verbot der Versendung von Cannabisblüten durch Apotheken. Mittlerweile wurde der Entwurf vom Bundeskabinett abgesegnet, sodass er in den Bundestag eingebracht werden kann.
Viele Patient:innen, die uns kontaktieren, sind – gelinde gesagt – besorgt, Einbußen bei der Versorgung mit Ihren Medikamenten zu erleiden. Sie haben Angst. Mit gravierenden Nachteilen ist insbesondere für Patienten im ländlichen Raum sowie solchen mit Mobilitätsproblemen zu rechnen, sollte das Gesetz so in Kraft treten. Allerdings wurde aus der SPD bereits signalisiert, dass das Gesetz so nicht die Zustimmung der Fraktion erhalten werde.
Zusammen mit anderen Initiativen aus dem Cannabisbereich diskutiert der ACM-Vorstand gegenwärtig, wie am besten dafür Sorge getragen werden kann, dass die gesundheitliche Versorgung von Cannabispatient:innen durch den geplanten Gesetzentwurf nicht verschlechtert wird.
Heiter weiter!
Franjo Grotenhermen
Strengere Regeln für medizinisches Cannabis (Bundesministerium für Gesundheit)
Der Referentenentwurf aus dem von der CDU geführten Bundesministerium für Gesundheit hat nun die das Kabinett passiert. Damit soll vor allem die Verschreibung von Cannabisblüten ohne ärztlichen Kontakt über Telemedizin-Plattformen unterbunden werden. Allerdings könnte das Gesetz auch die gesundheitliche Situation besonders schwerkranker Patienten verschlechtern.
Strengere Regeln für medizinisches Cannabis
Cannabis-Arzneimittel können in manchen Fällen sinnvoll sein – etwa zur Behandlung chronischer Schmerzen. Um jedoch möglichen Missbrauch von Cannabis einzudämmen, soll es nun strengere Regeln geben.
Nach den Daten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte ist der Import von Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken vom ersten zum zweiten Halbjahr 2024 um 170 Prozent gestiegen. Im gleichen Zeitraum stiegen die Verordnungen von Medizinal-Cannabis zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherungen um lediglich neun Prozent. Diese ungleichen Zahlen lassen vermuten, dass die steigenden Importe vor allem auf mehr Selbstzahler mit Privatrezepten zurückgehen. Zudem gibt es auf dem Markt mehr telemedizinische Plattformen, über die Medizinal-Cannabis ohne persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt bezogen werden können.
Um einen möglichen Missbrauch einzudämmen und die Patientensicherheit zu stärken, hat das Kabinett nun den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Medizinal-Cannabisgesetzes beschlossen. Er sieht strengere Regeln zur Verschreibung und Abgabe von Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken vor.
Verschreibungen nur nach persönlichem Arzt-Patienten-Kontakt
Das sind die wichtigsten Regelungen:
1. Cannabis soll künftig nur noch nach persönlichem Kontakt zwischen Arzt und Patient verschrieben werden dürfen. Reine Videosprechstunden reichen zur Erstverschreibung nicht aus. Bei Folgeverschreibungen muss es innerhalb von vier Quartalen mindestens einen Vor-Ort-Kontakt beziehungsweise Hausbesuch geben.
2. Außerdem: Mit Blick auf Sucht- und Gesundheitsrisiken soll Medizinal-Cannabis nur noch nach persönlicher Beratung in der Apotheke erhältlich sein. Der Versandhandel mit Medizinal-Cannabis-Blüten zu medizinischen Zwecken soll verboten werden.
SPD: Dieser Entwurf ist für uns „nicht zustimmungsfähig“ (Carmen Wegge)
Franjo Grotenhermen: (Aus einer E-Mail an den Gesundheitsausschuss vom 15.10.2025) „(…) Patientinnen und Patienten im ländlichen Raum und solche mit schweren Erkrankungen, (…) werden es häufig schwer haben. Ich finde diese Überlegung daher ganz fürchterlich – und gleichzeitig so unnötig. Viele meiner Patienten wurden bereits in Angst versetzt und hoffen, dass das Gesetz noch geändert wird. (…) Ich habe einige Patienten gebeten, einmal aufzuschreiben, was es für sie bedeutet, wenn sie sich ihr Medikament nicht mehr zuschicken lassen könnten. Ich füge 2 Beispiele an. (...)“
Carmen Wegge: (Aus einer E-Mail an Franjo Grotenhermen vom 17.10.2025)
„Sehr geehrte Damen und Herren,
mich haben in den letzten Tagen zahlreiche Nachrichte zum Kabinettsbeschluss zur Änderung des Medizinal-Cannabisgesetzes erreicht. Die Beratungen im Bundestag dazu haben noch nicht begonnen. Doch in seiner aktuellen Form ist dieser Entwurf für uns nicht zustimmungsfähig. Er vernachlässigt zentrale verfassungsrechtliche und europarechtliche Aspekte
Die geplanten Präsenzpflichten bei der ärztlichen Verschreibung und das Versandhandelsverbot greifen in die Berufsfreiheit von Ärzt*innen und Apotheken sowie in die Handlungsfreiheit der Patient*innen ein. Dabei sind telemedizinische Beratungen rechtlich zulässig und erfüllen moderne medizinische Standards. Der Entwurf pauschalisiert Risiken und missachtet das Verhältnismäßigkeitsprinzip, da mildere Mittel wie erweiterte Aufklärungspflichten möglich sind.
Außerdem benachteiligt das Versandverbot Anbieter aus dem EU-Ausland erheblich und verletzt somit die Dienstleistungsfreiheit und den freien Warenverkehr. Die Berufung auf Gesundheitsrisiken reicht nicht aus, um diese Grundfreiheiten einzuschränken, zumal vergleichbare Arzneimittel ohne diese Sonderregelungen gehandhabt werden. Besonders für chronisch kranke und mobilitätseingeschränkte Menschen stellt der Entwurf eine unangemessene Belastung dar.
Auch die Gefahr von Schwarzmarkt und Kriminalität darf keine pauschale Einschränkung rechtfertigen, ohne zuvor evidenzbasierte Gründe zu prüfen.
Wir fordern eine verfassungskonforme, europarechtskonforme Lösung, die Versorgungssicherheit, Gleichbehandlung und digitale Zugänglichkeit gewährleistet. Ein Gesetz in der vorgeschlagenen Fassung werden wir nicht unterstützen. In den nun anstehenden parlamentarischen Beratungen werden wir uns für grundlegende Änderungen einsetzen.“
Mit freundlichen Grüßen
Mitglied des Deutschen Bundestags
Presseschau: Kabinett beschließt Cannabis-Versandverbot (Pharmazeutische Zeitung)
Besonders das geplante Versandverbot für Cannabisblüten kann zu Nachteilen bei der Therapie von Patienten im ländlichen Raum und mit Mobilitätsproblemen führen.
Kabinett beschließt Cannabis-Versandverbot
Der Bezug von Medizinalcannabis per Online-Rezept wird zeitnah nicht mehr möglich sein. Heute hat das Bundeskabinett ein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht. Künftig ist für den Bezug ein persönlicher Arztbesuch nötig. Der Versand wird verboten.
Der Erwerb und Versand von Medizinalcannabis per Online-Verordnung wird künftig verboten. Das Bundeskabinett hat dazu heute eine Änderung des Medizinal-Cannabisgesetzes (MedCanG) beschlossen.
Das sind die Änderungen im Detail:
· Medizinalcannabis kann künftig ausschließlich nach persönlichem Kontakt zwischen Patient und Arzt in der Praxis oder bei einem Hausbesuch verschrieben werden. Dabei sind Gesundheitszustand, individuelle Erkrankungen und weitere anzuwendende Arzneimittel zu berücksichtigen, was in der Regel eine sorgfältige Anamnese und körperliche Untersuchung erfordert. Es bedarf zudem einer fortlaufenden Aufklärung über die Suchtgefahr sowie mögliche körperliche oder psychische Folgen des Konsums, die sich mit Umfang und Zeitspanne des Konsums verändern können.
· Bei Folgeverschreibungen muss eine persönliche Konsultation pro vier Quartale erfolgen, wobei der vorherige Kontakt innerhalb des genannten Zeitraums im Zusammenhang mit der Verschreibung von Cannabis zu medizinischen Zwecken stehen muss. Unter dieser Voraussetzung kann in den folgenden drei Quartalen eine Verschreibung auch auf telemedizinischem Weg erfolgen.
· Der Versandweg von Medizinalcannabis wird ausgeschlossen, da es umfassende Aufklärungs- und Beratungspflichten gibt, die im Rahmen einer persönlichen Beratung in der Apotheke erfolgen müssen. Der Botendienst der Apotheken bleibt davon unberührt.
Mit dem Verbot reagiert die Koalition auf umstrittene Internet-Plattformen zum Cannabisbezug. Dort erhalten Konsumenten ohne direkte Arztkonsultation, lediglich per Fragebogen-Check, ein Rezept, können sich die gewünschte Cannabis-Sorte im Anschluss aussuchen und direkt nach Hause senden lassen. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hatte bereits im Juli einen Referentenentwurf zu dem geplanten Verbot vorgestellt.
Presseschau: Kabinett verabschiedet Gesetzesentwurf zur Änderung des MedCanGs – SPD kündigt parlamentarischen Widerstand an (Krautinvest)
Die SPD hat bereits ihren Widerstand gegen den Gesetzentwurf der Bundesregierung angekündigt. Ohne Zustimmung der SPD kann das Gesetz nicht den Bundestag passieren.
Das Kabinett hat heute das vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ausgearbeitete Gesetz zur Änderung des Medizinalcannabisgesetzes (MedCanG) trotz wiederholter öffentlicher Bedenken aus der SPD-Fraktion verabschiedet. Bereits am Donnerstag vergangene Woche hatte das BMG den Entwurf zur Notifizierung der Europäischen Kommission vorgelegt – mit der Bitte um Dringlichkeit. Nun steht also der parlamentarische Prozess bevor – das Gesetz geht in die relevanten Ausschüsse und benötigt eine einfache Mehrheit im Bundestag. Der Bundesrat kann lediglich Einspruch einlegen, was allerdings ohnehin sehr unwahrscheinlich ist.
Damit hat sich das BMG über die wiederholten öffentlichen Bedenken aus Reihen des eigenen Koalitionspartners hinweggesetzt – im Kabinett allerdings mit Unterstützung der Vertreter der SPD-Fraktion. Bereits unmittelbar nach Bekanntwerden des Referentenentwurfs hatte Matthias Mieves, stellvertretender gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, auf Linkedin verlauten lassen: „Gerade Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen sind dabei im besonderen Maße auf einen verantwortungsvollen Einsatz digitaler Versorgungsformen angewiesen.“ Ähnliche Bedenken äußerte auch Christo Pantazis, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Und Carmen Wegge, Sprecherin für Recht und Verbraucherschutz der SPD-Bundestagsfraktion, hatte auf Abgeordnetenwatch versichert: „Den Gesetzentwurf in der aktuellen Fassung werden wir daher in keinem Fall mittragen.“ Sie verwies Anfang August auf „noch viele Verhandlungsschritte“ im Bundestag und in den zuständigen Fachausschüssen.
Noch heftigere Kritik hatte der SPD-Gesundheitspolitiker Serdar Yüksel gestern im Handelsblatt geäußert. Unter anderem sprach er von „Symbolpolitik auf Kosten der Patienten“ und einem „Rückfall ins analoge Zeitalter“. Der Entwurf lese sich, so Yüksel, „als würde die Generation Schreibmaschine versuchen, das Internet zu regulieren.“
Der aktuell vorliegende Entwurf berücksichtigt diese Einwände in keiner Weise. Sowohl das Versandverbot für Apotheken als auch das verpflichtende, mindestens jährliche Gespräch vor Ort in der Arztpraxis, auch vor Beginn einer Therapie mit Cannabisblüten, sind weiterhin vorgesehen. Bereits in diesem Jahr könnte die erste Lesung im Bundestag stattfinden, die angesichts der gegensätzlichen Auffassungen in der Koalition Brisanz bergen kann.
Presseschau: Zahl der Verfahren bei Cannabis-Verstößen sinkt (ZDF)
Noch sind die Folgen der Cannabislegalisierung aus dem Jahr 2024 nicht absehbar. Es zeigen sich jedoch einige Entwicklungen, über die wir bereits auch in den letzten ACM-Mitteilungen berichtet hatten.
Zahl der Verfahren bei Cannabis-Verstößen sinkt
Nach über einem Jahr Teillegalisierung von Cannabis zeigen sich erste Auswirkungen: Es gibt weniger Verstöße - aber auch weniger abgeschlossene Verfahren.
Die Teillegalisierung des Cannabiskonsums in Deutschland hat die Zahl der Verfahren wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz erheblich reduziert.
Dennoch erreichte die Zahl der unerledigten Ermittlungsverfahren bei den deutschen Staatsanwaltschaften mit 950.900 einen neuen Rekordstand, wie das Statistische Bundesamt am Montag in Wiesbaden mitteilte.
Im Jahr 2024 gab es demnach bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz mit rund 315.000 erledigten Verfahren 26 Prozent weniger Verfahren als im Jahr 2023. Die Teillegalisierung des Besitzes und Anbaus von Cannabis gilt seit April 2024.
· Zwischenbericht zu neuem Gesetz: Cannabis-Legalisierung verändert Konsum kaum
Zahl der offenen Verfahren steigt um drei Prozent
Insgesamt erhöhte sich der Statistik zufolge der Gesamtbestand an offenen Verfahren im vergangenen Jahr aber um drei Prozent oder rund 27.400. Zwar sei die Zahl der neuen Ermittlungsverfahren um 1,4 Prozent auf 5,492 Millionen gesunken, so die Statistiker.
Gleichzeitig habe sich aber auch die Zahl erledigter Verfahren um 0,7 Prozent auf 5,46 Millionen Verfahren verringert.
Rund 83 Prozent der erledigten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren wurden von der Polizei eingeleitet. Die übrigen Verfahren wurden von Staatsanwaltschaften selbst, von Steuer- und Zollfahndungsstellen oder von Verwaltungsbehörden eingeleitet.
Mit einem Anteil von rund 60 Prozent seien wie in den Vorjahren die meisten Verfahren eingestellt worden. Dies liege etwa daran, dass kein hinreichender Tatverdacht festgestellt wurde oder wegen Geringfügigkeit der zur Last gelegten Tat.
In nur sieben Prozent der Fälle kommt es zur Anklage
Zu einer Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft oder zu einem Antrag auf ein besonderes Verfahren führten rund sieben Prozent aller Ermittlungsverfahren.
· Studie zu Sucht: Erkrankungen durch Cannabis stark gestiegen
In weiteren rund zehn Prozent der Ermittlungsverfahren stellte die Staatsanwaltschaft beim zuständigen Gericht einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls, bei dem das Gericht eine Geldstrafe oder - seltener - eine Freiheitsstrafe zur Bewährung auch ohne Hauptverhandlung aussprechen kann.
Manche Fälle verbunden mit anderen Straftaten
Die übrigen rund 24 Prozent der Ermittlungsverfahren seien auf andere Art erledigt worden.
Dazu zählten unter anderem die Verbindung mit einer anderen Strafsache, die Abgabe der Strafsache an eine andere zuständige Staatsanwaltschaft oder die Abgabe als Ordnungswidrigkeit an zuständige Verwaltungsbehörden.
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