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ACM-Mitteilungen vom 18. März 2022
Liebe Leserin, lieber Leser,
der G-BA (Gemeinsame Bundesausschuss) hat am 16. März seinen Beschluss und eine Pressemitteilung zur Zukunft von Cannabis als Medizin in Deutschland veröffentlicht. Die Sitzung des G-BA zu diesem Thema wurde aufgezeichnet.
Hausärzte dürfen danach weiterhin cannabisbasierte Medikamente zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung vorschreiben. Allerdings muss die Verschreibung von Cannabisblüten begründet werden. Im Vorfeld hatte es Befürchtungen gegeben, der G-BA könne beschließen, dass in Zukunft nur noch Fachärzte cannabisbasierte Medikamente zulasten der GKV verschreiben dürfen.
Zusammen mit anderen Verbänden hat die ACM und das SCM am 17. März eine Pressemitteilung zum Beschluss herausgegeben. Der Vorsitzende des G-BA, Professor Josef Hecken (CDU), über den sich in Wikipedia interessante Informationen finden, äußerte sich in einem Podcast der Ärzte-Zeitung zum Beschluss.
Es gibt vielfältige Signale, dass mehrere Fraktionen des Deutschen Bundestags beim Thema Cannabis als Medizin tätig werden möchten, um die Situation der Patientinnen und Patienten, die von solchen Medikamenten profitieren, zu verbessern. Dies zeigen erneut ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag sowie ein Positionspapier der Berliner Grünen.
Auch zum Thema generelle Legalisierung gibt es Neuigkeiten. So fand in der vergangenen Woche eine Anhörung zum Thema im Gesundheitsausschluss des Deutschen Bundestages statt, in dem ein Antrag der Fraktion Die Linke diskutiert wurde. Der DHV (Deutsche Handverband) und der BvCW (Branchenverband Cannabiswirtschaft) haben dazu Stellungnahmen veröffentlicht.
Viel Spaß beim Lesen!
Franjo Grotenhermen
Presseschau: G-BA regelt Verordnung von medizinischem Cannabis bei schweren Erkrankungen: Keine zusätzlichen Anforderungen, die über die gesetzlich zwingenden und für den G-BA verbindlichen Verordnungsvoraussetzungen hinausgehen (Gemeinsamer Bundesausschuss)
Der GB-A (Gemeinsame Bundesausschuss) hat am 16. März seinen Beschluss und eine Pressemitteilung zur Zukunft von Cannabis als Medizin in Deutschland veröffentlicht. Die Sitzung des G-BA zu diesem Thema wurde aufgezeichnet.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am 16. März die Detailregelungen beschlossen, die zukünftig bei der ärztlichen Verordnung von medizinischem Cannabis als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung gelten.
Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA: „Wir haben heute Regelungen beschlossen, die keine zusätzlichen Anforderungen an die Verordnung von medizinischem Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten stellen, die über die gesetzlich zwingenden und für den G-BA verbindlichen gesetzlichen Verordnungsvoraussetzungen hinausgehen. Damit wollen wir die Patientenversorgung mit dieser zusätzlichen Therapieoption bei schweren Erkrankungen im Bedarfsfall sicherstellen. Die gefundenen Regelungen für die Verordnung von medizinischem Cannabis schöpfen den vom Gesetzgeber in § 31 Absatz 6 SGB V dem G-BA gegebenen Handlungsrahmen voll aus und sind ein fachlich ausgewogener und in der Versorgungspraxis sehr gut gangbarer Weg, um eine gute und rechtssichere Versorgung von Patientinnen und Patienten mit einer schwerwiegenden Erkrankung sicherzustellen.
Der Gemeinsame Bundesausschuss hatte hier zwischen dem Bestreben, schwerkranken Menschen mit einer zusätzlichen Therapieoption zu helfen, und der notwendigen Arzneimitteltherapiesicherheit abzuwägen. Denn die betroffenen Cannabisprodukte sind zum Teil gar nicht – bzw. nicht für den hier geregelten Einsatz – als Arzneimittel zugelassen und dementsprechend auch in keinem Zulassungsverfahren auf Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität geprüft worden. Deshalb hat auch der Gesetzgeber einen Genehmigungsvorbehalt statuiert, den der Gemeinsame Bundesausschuss umsetzt.
Insgesamt ist die gefundene Regelung innerhalb des gesetzlichen Rahmens eine bürokratiearme Lösung, denn sie ermöglicht bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen eine gute Versorgung mit medizinischem Cannabis als zusätzlicher Therapieoption.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
· Nur die Erstverordnung von Cannabis sowie ein grundlegender Therapiewechsel bedürfen der Genehmigung durch die Krankenkassen. Folgeverordnungen, Dosisanpassungen oder der Wechsel zu anderen getrockneten Blüten oder zu anderen Extrakten in standardisierter Form bedürfen keiner erneuten Genehmigung. Sofern eine Genehmigung für eine Therapie mit Cannabis bereits vor Inkrafttreten der neuen Regelungen des G-BA erteilt worden ist, gilt diese auch weiterhin.
· Die Erstgenehmigung darf von den Krankenkassen nur in begründeten Ausnahmefällen versagt werden.
· Cannabis-Verordnungen im Rahmen der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV) bedürfen grundsätzlich keiner Genehmigung.
· Im Rahmen der Allgemeinen Ambulanten Palliativversorgung (AAPV) oder bei Beginn einer Cannabistherapie bereits während einer stationären Behandlung besteht zwar eine Genehmigungspflicht, die Prüffrist der Krankenkassen beträgt hier aber nur drei Tage.
· Es gibt keinen Facharztvorbehalt für die Verordnung von medizinischem Cannabis, das heißt alle Ärztinnen und Ärzte sind verordnungsbefugt. Dies ist vor allem für die Versorgung von Patientinnen und Patienten in der AAPV und der SAPV von erheblicher Bedeutung, weil hier Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner große Teile der Patientenversorgung sicherstellen.
Ich bin mir sicher, dass mit dem Verzicht auf erneute Genehmigungen von Folgeverordnungen und im Rahmen der SAPV, einer Verordnungsbefugnis für alle Ärztinnen und Ärzte, und dem auch im Gesetz angelegten verkürzten Prüfverfahren nach stationärer Behandlung und in der AAPV nicht nur der gesetzgeberische Wille umgesetzt worden ist, sondern auch eine im Bedarfsfall zeitnahe und bedarfsgerechte Versorgung von Patientinnen und Patienten mit medizinischem Cannabis ermöglicht wird.
Hier hat uns bei der Entscheidungsfindung auch das mit sehr vielen Fachgesellschaften, Expertinnen und Experten und sonstigen Beteiligten durchgeführte Stellungnahmeverfahren Erkenntnisse gebracht, die sich in wichtigen Regelungen des heutigen Beschlusses niederschlagen.“
Inkrafttreten
Der Beschluss wird in Kürze auf der Website des G-BA veröffentlicht. Er tritt in Kraft, wenn das Bundesministerium für Gesundheit ihn rechtlich nicht beanstandet und der G-BA ihn im Bundesanzeiger veröffentlicht hat.
Hintergrund: Regelungsauftrag des G-BA zu Cannabisarzneimitteln
Mit dem Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften, das am 10. März 2017 in Kraft getreten ist, wurde § 31 Absatz 6 SGB V ergänzt: Seitdem haben Versicherte unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf eine Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität sowie auf Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon.
Zudem hatte der Gesetzgeber festgelegt, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte von 2017 bis 2022 eine Begleiterhebung zum Einsatz von Cannabis durchführt und der G-BA auf dieser Grundlage das Nähere zum zukünftigen Leistungsanspruch regelt. Die Ergebnisse der Begleiterhebung erhielt der G-BA im Sommer 2022.
Presseschau: Cannabislegalisierung: Lauterbach zuversichtlich bei Freigabe durch EU (Deutsches Ärzteblatt)
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will in den kommenden Wochen ein Eckpunktepapier zur geplanten generelle Legalisierung von Cannabis vorlegen.
Cannabislegalisierung: Lauterbach zuversichtlich bei Freigabe durch EU
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat sich zuversichtlich gezeigt, dass die Europäische Union (EU) seine Pläne zur Legalisierung von Cannabis freigeben wird. Er habe „sehr gute Rückmeldungen“ von der Europäischen Kommission erhalten, sagte Lauterbach heute in Brüssel vor einem Treffen mit EU-Amtskollegen.
Wegen Bedenken, ob eine Legalisierung im Einklang mit europäischem Recht steht, hatte Lauterbach sein Vorhaben erst von der EU-Kommission prüfen lassen. Er kündigte an, „in den nächsten Wochen“ einen Gesetzentwurf zur Legalisierung von Cannabis in Deutschland vorzulegen.
„Wir werden demnächst einen Vorschlag vorlegen, der funktioniert, der also europarechtlich konform ist“, sagte Lauterbach. Der Minister war optimistisch, dass mit dem Vorschlag die Drogenkriminalität zurückgedrängt werden könne und der Cannabiskonsum sicherer werde. „Diese Ziele werden wir erreichen.“
Der SPD-Politiker hatte im Oktober Eckpunkte zur Legalisierung von Cannabis vorgestellt. Diese sehen unter anderem vor, dass Erwerb und Besitz von bis zu 20 bis 30 Gramm straffrei sein sollen. Lieferung und Vertrieb sollten nur innerhalb eines lizenzierten und staatlich kontrollierten Rahmens zugelassen werden. Der private Eigenanbau soll in begrenztem Umfang erlaubt werden – vorgesehen sind drei Pflanzen pro Person.
Mit der Vorlage, für die nun ein Gesetzentwurf folgen soll, setzt Lauterbach eine Festlegung aus dem Koalitionsvertrag der Ampelregierung um. In früheren Äußerungen hieß es von Lauterbach, eine Legalität im Jahr 2024 sei denkbar. Kritiker bemängeln, dass die Pläne sowohl gegen EU-Recht als auch gegen internationales Recht verstoßen dürften.
„Das ursprüngliche Eckpunktepapier haben wir mittlerweile etwas verändert“, sagte Lauterbach ohne Details zu nennen. Der Vorschlag, den er demnächst vorlegen werde, werde zum einen europarechtskonform sein, und zum anderen die Ziele der Bundesregierung erreichen. Dazu gehörten etwa weniger Drogenkriminalität und mehr Jugendschutz. Erwachsene sollten einfacheren Zugang zu sauberen Produkten bekommen.
Presseschau: Krankenkassen wollen medizinisches Cannabis auf den Prüfstand stellen (Deutsches Ärzteblatt)
Es gibt Stimmen bei den gesetzlichen Krankenkassen, die die medizinische Verwendung von Cannabis in Deutschland zurückdrängen möchten-, anstatt die Möglichkeiten zu verbessern, so wie es für eine bessere gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung notwendig wäre.
Krankenkassen wollen medizinisches Cannabis auf den Prüfstand stellen
Medizinalcannabis sollte einem regulären Verfahren der Nutzenbewertung unterzogen werden. Dafür hat sich der Verband der Ersatzkassen (vdek) in einem neuen Positionspapier ausgesprochen.
Hintergrund ist die anstehende Erarbeitung der Richtlinie für den Einsatz von medizinischem Cannabis durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Dieser will sich am 16. März mit Medizinalcannabis befassen.
„Seit 2017 besteht ein gesetzlicher Leistungsanspruch auf medizinisches Cannabis. Doch es fehlen nach wie vor die erforderlichen Wirkungsnachweise und Nutzenbelege“, sagte Ulrike Elsner, vdek-Vorstandsvorsitzende.
Für die Ersatzkassen habe eine qualitätsgesicherte Versorgung ihrer Versicherten oberste Priorität. Solange die Nutzenbelege nicht vorlägen, könnten die gegenwärtig vom G-BA zu treffenden Entscheidungen zur weiteren gesetzlichen Implementierung von medizinischem Cannabis nur einen befristeten Übergangscharakter haben, so Elsner.
Der Kassenverband spricht sich dafür aus, dass künftig nur noch qualifizierte Ärzte Medizinalcannabis verordnen können sollten. Darüber hinaus wollen die Krankenkassen am Genehmigungsvorbehalt festhalten. Sie mahnen auch, die Therapie grundsätzlich zeitlich zu begrenzen.
Der Kassenverband will auch, dass die Genehmigung einer Cannabistherapie grundsätzlich auf den erstverordnenden Arzt begrenzt werden sollte.
Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für die Versorgung Versicherter mit medizinischem Cannabis steigen seit 2017 den Angaben des vdek zufolge an. Betrugen sie 2018 noch knapp 74 Millionen Euro, waren es 2021 bereits mehr als 185 Millionen Euro. Die Zahlen für 2022 liegen noch nicht vor.
Presseschau: UN-Drogenkontrollrat warnt Deutschland vor Legalisierung von Cannabis (Deutsches Ärzteblatt)
Der Drogenkontrollrat der Vereinten Nationen kritisiert die geplante generelle Legalisierung von Cannabis in Deutschland. Beispiele aus anderen Ländern, wie Kanada, Uruguay und Malta zeigen, dass es dennoch Möglichkeiten gibt, die erfolglose Prohibitionspolitik zu beenden.
UN-Drogenkontrollrat warnt Deutschland vor Legalisierung von Cannabis
Die geplante Legalisierung von Cannabis in Deutschland birgt nach Ansicht des UN-Drogenkontrollrats (INCB) das Risiko von erhöhtem Konsum unter Jugendlichen und eines wachsenden Schwarzmarkts für diese Droge.
Das Gremium, das die Einhaltung der internationalen Drogenkonventionen überwacht, wies heute in seinem Jahresbericht außerdem darauf hin, dass die Freigabe von Cannabis als Genussmittel „unvereinbar“ mit diesen Abkommen sei. Nur der medizinische und wissenschaftliche Gebrauch sei erlaubt.
In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP vereinbart, die kontrollierte Abgabe der Droge an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften möglich zu machen. Cannabis soll staatlich reguliert angebaut und verkauft werden. Erlaubt werden soll auch der Eigenanbau von wenigen Pflanzen.
Die Koalition argumentiert, dass dies dem Jugend- und Gesundheitsschutz dient, weil die Qualität von Cannabis überwacht wird und die Gefahren von Überdosierungen sinken. Außerdem sollen der Schwarzmarkt und die Kriminalität eingedämmt werden.
In anderen Ländern und in US-Bundesstaaten, in denen Cannabis bereits legalisiert wurde, konnten diese Ziele laut INCB bislang weitgehend nicht erreicht werden. Der Konsum der Droge sei dort höher als anderswo, in den USA gelte dies auch für Teenager. „Legalisierung hat Jugendliche nicht vom Cannabiskonsum abgebracht.
Der Schwarzmarkt wurde teilweise eingeschränkt, aber in manchen Ländern überlebt und floriert er nach wie vor“, hieß es in dem Bericht. Demnach wenden sich etwa in Kanada und Uruguay junge Käufer an illegale Händler, weil sie noch zu jung sind, um legal Cannabis zu kaufen.
Einige weitere Meldungen der vergangenen Tage
Die geplante Legalisierung von Cannabis ist sinnvoll (Neue Richtervereinigung)
Cannabis auf Rezept ohne neue Hürden (Hamburger Abendblatt)
Hausärzte dürfen weiterhin Cannabis verordnen (Ärzte Zeitung)
„Ein Wunder“ – So hat Cannabis als Medizin das Leben eines Patienten verändert (Südwest Presse)
Welche Qualifikation brauchen Ärzte jetzt, um Cannabis verordnen zu können, Professor Hecken? (Ärzte Zeitung)