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ACM-Mitteilungen vom 18. Dezember 2010
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Grüne und Linke im Bundestag kritisieren Bundesregierung wegen Zweiklassenmedizin bei der medizinischen Verwendung von Cannabisprodukten
Nach einem Bericht des Tagesspiegel wirft die Linkspartei der Regierung bei der Freigabe von Cannabis-Medikamenten Halbherzigkeit vor. In dem Artikel heißt es: "Man erteile zwar Ausnahmegenehmigungen für die Behandlung schwerer Krankheiten, interessiere sich aber nicht dafür, dass die Patienten die Cannabis-Produkte oft gar nicht bezahlen könnten, sagte der Drogenpolitik Sprecher der Linken, Frank Tempel, dem Tagesspiegel." Häufig bestehe das höchstrichterlich bestätigte Recht auf Behandlung mit Cannabis somit nur auf dem Papier, kritisierte Tempel. Die "äußerst geringe Zahl an Anträgen für Cannabis zur medizinischen Verwendung" sprechen Bände. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums dürfen in Deutschland derzeit nur 42 Personen Cannabis-Produkte zu Behandlung verwenden.
Der parlamentarische Staatssekretär im Gesundheitsministerium, Daniel Bahr (FDP), wies den Vorwurf, dass vermögende Patienten wegen der nicht geregelten Kostenübernahme besser gestellt seien, jedoch zurück. Zu dem beabsichtige man, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass cannabishaltige Fertigarzneien zugelassen werden können.
In einer Pressemitteilung kritisierte Harald Terpe (Bündnis 90/Die Grünen), Sprecher für Drogen- und Suchtpolitik aktuelle Äußerungen der Drogenbeauftragten der Bundesregierung zur Versorgung mit Schmerzmitteln auf Betäubungsmittelbasis. Die Jubelmeldungen der Drogenbeauftragten seien peinlich. "Die Wahrheit ist: Die Versorgung mit Schmerzmitteln auf Betäubungsmittelbasis wird noch immer vielfach durch ideologische Blockaden behindert. Die im Sommer durch die Bundesregierung groß angekündigten Verbesserungen bei Cannabismedikamenten sind bislang rechtlich nicht umgesetzt. Davon abgesehen, würde dadurch die Versorgung ohnehin nur für einen kleinen Teil der Patienten verbessert. Alle anderen Betroffenen können Cannabismedikamente nur mit Genehmigung der Bundesopiumstelle erhalten. Die monatlichen Therapiekosten reichen von etwa 400 Euro bis zu 3780 Euro und müssen von den Betroffenen in der Regel selbst finanziert werden. Bei cannabishaltigen Schmerzmitteln gibt es eine Zwei-Klassen-Medizin. Die kostengünstige Alternative, die Genehmigung zum Eigenanbau mit ärztlicher Begleitung, wird von der Bundesregierung mit fadenscheinigen Argumenten abgelehnt."
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(Quellen: Tagesspiegel vom 27. November 2010, Pressemitteilung von Harald Terpe vom 06. Dezember 2010)
THC Pharm stellt Antrag zur Umstufung von Cannabisextrakt als Rezeptur
Im Vorfeld der am morgigen Mittwoch in Berlin stattfindenden Anhörung zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes (BtmG) hat die THC Pharm GmbH die Umstufung Ihres seit 2007 hergestellten Cannabisextraktes beantragt. Das 1996 als Patienteninitiative gegründete Unternehmen versorgt schwerstkranke Patienten mit Dronabinol, dem auf Betäubungsmittelrezept verordnungsfähigen Hauptwirkstoff aus der Cannabispflanze, der bei vielen schwerstkranken Patienten zur Linderung von Übelkeit und Erbrechen , Schmerzen und Spastik eingesetzt wird. Parallel dazu wurde 2007 auf Anfrage des Bundesamtes für Arzneimittel ein Cannabisextrakt entwickelt, der allerdings aufgrund fehlender Verschreibungsfähigkeit nur gegen Sonderbewilligung an wenige Patienten abgegeben werden darf. Nun soll auch Cannabisextrakt verschreibungsfähig werden, die geplante Gesetzesänderung soll aber nur für Fertigarzneimittel und nicht für Rezepturen gelten. "Wird der vorliegende Entwurf beibehalten, verschlechtert sich die Versorgung der Patienten mit Cannabinoiden erheblich", so Holger Rönitz, Pressesprecher der THC Pharm GmbH in Frankfurt.
Vordergründig geht es zunächst nur um die notwendige Umstufung eines Cannabisextraktes, für den inzwischen ein Zulassungsantrag eines britischen Unternehmens vorliegt. Cannabisextrakte sind im Gegensatz zu der Monosubstanz Dronabinol bisher noch nicht verschreibungsfähig. Tatsächlich aber wird in einem Zusatz ein Monopol für das britische Fertigarzneimittel auf Jahre hinaus festgeschrieben. Hierdurch wird die Anwendung von Cannabisextrakt in Form von Rezepturen blockiert.
Generell sind Rezepturen ein fester Bestandteil der Verschreibungen in Deutschland, da sie im Gegensatz zu Fertigarzneimitteln individuell an den jeweiligen Patienten angepasst werden können, bzw. die Anwendung eines bestimmten Wirkstoffes überhaupt erst ermöglichen und somit einen wesentlichen Faktor für die medikamentöse Versorgung der Patienten darstellen. Dosierung und Applikation sind frei wählbar - ein wichtiger Punkt insbesondere für schwerstkranke Kinder, für die es wenig zugelassene Medikamente gibt.
Außerdem sind Rezepturen meist deutlich kostengünstiger als Fertigarzneimittel mit dem gleichen Wirkstoff. In Deutschland stellten die rund 21.000 Apotheken im Jahr 2009 etwa 16 Millionen Rezepturen allein für Patienten der gesetzlichen Krankenkassen her. Das Spektrum reicht dabei von der homöopathischen Hautsalbe bis hin zur sterilen Zytostatikarezeptur für die Chemotherapie in der Krebsbekämpfung.
Tatsächlich besitzt das englische Fertigarzneimittel nur eine Zulassung für die Behandlung schmerzhafter Spastiken bei Multiple Sklerose. "De facto würde durch die Annahme des bisherigen Entwurfes eine Monopolstruktur zementiert und dem angestrebten Wettbewerb im Gesundheitswesen auf diesem Gebiet die Grundlage entzogen" kommentiert Rönitz. Die zu erwartenden Mehrkosten für das Gesundheitssystem könnten dadurch in zweistelliger Millionenhöhe liegen bei gleichzeitiger Verschlechterung der Patientenversorgung.
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