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ACM-Mitteilungen vom 15. März 2008
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Schweizer Nationalrat billigt Möglichkeiten zur therapeutischen Verwendung von Cannabis und Heroin
Nach einem Artikel der National Zeitung vom 5. März 2008 soll die therapeutische Verwendung von Betäubungsmitteln im Betäubungsmittelgesetz geregelt werden. In diesem Zeitungsartikel heißt es:
"Die Verwendung von Betäubungsmitteln zu therapeutischen Zwecken soll im Betäubungsmittelgesetz geregelt werden, im Zweckartikel aber hinter die Förderung von Abstinenz gestellt werden. Dies entschied der Nationalrat am Mittwoch. Das Geschäft geht mit kleineren Differenzen zurück an den Ständerat.
Die Verankerung der Vier-Säulen-Politik im Gesetz ist von National- und Ständerat bei der Beratung der Teilrevision des Betäubungsmittelgesetzes bereits im ersten Durchgang gutgeheissen worden. In der ersten Runde der Differenzbereinigung ging es für den Nationalrat darum, wie die therapeutische Verwendung von Betäubungsmitteln wie Cannabis oder Heroin geregelt werden kann.
Eine von Claude Ruey (Lib/VD) angeführte Minderheit wollte im Zweckartikel nur die Förderung von Abstinenz erwähnen, nicht aber die Möglichkeit der therapeutischen Verwendung von Betäubungsmitteln. «Drogen nehmen ist schlecht», sagte Ruey. Es gebe nicht ein bisschen Abstinenz. Auch die SVP wandte sich insbesondere gegen die Abgabe von Heroin an Drogenkonsumenten. Diese sei das sicherste Mittel, um Patienten in ihrer chemischen Zwangsjacke gefangen zu halten, sagte Jean-Henri Dunant (SVP/BS). Auch wenn die Abstinenz das Ziel sei, könnten im Gesetz keine Visionen verankert werden, entgegnete Ruth Humbel-Näf (CVP/AG). Der Minderheitsantrag wurde schliesslich mit 95 gegen 81 Stimmen abgelehnt.
Als «Scheingefecht» bezeichnete Bundespräsident Pascal Couchepin die Differenz von Kommissionsmehrheit und -minderheit in der Reihenfolge des Zweckartikels. Während die Mehrheit die Förderung von Abstinenz als erstes und die Regelung der Verwendung von Betäubungsmitteln zu medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken als zweites festschreiben wollte, beantragte die Minderheit angeführt von Jacqueline Fehr (SP/ZH), diese Reihenfolge umzudrehen und damit dem Ständerat zu folgen. Die Mehrheit obsiegte schliesslich mit 115 gegen 60 Stimmen.
Diskussionslos stimmte die Grosse Kammer dem Antrag ihrer Kommission zu, sowohl Cannabis als auch Heroin auf der Liste der verbotenen Stoffe zu belassen. Es soll jedoch eine Ausnahmebestimmung geschaffen werden, wonach ein verbotener Stoff, sobald er als Arzneimittel Verwendung findet und von Swissmedic registriert ist, dem Heilmittelgesetz untersteht, wie Nationalrätin Fehr ausführte.
Mit 99 gegen 77 Stimmen wurde ein Antrag von Erich von Siebenthal (SVP/BE) abgelehnt, der den Druck auf den Ausstieg von Drogensüchtigen erhöhen wollte. Die Heroinabgabe als letzte Möglichkeit dürfe jetzt nicht wieder ausgehebelt werden, sagte Humbel-Naef.
Das Geschäft geht mit zwei kleineren Differenzen zurück an den Ständerat."
(Quelle: National Zeitung vom 5. März 2008)
Schweizer Mediziner kritisieren, dass die Verwendung von Cannabis illegal bleibt
Während einer Veranstaltung am Kantonsspital St. Gallen kritisierten Prof. Thomas Cerny, Chefarzt der onkologischen Abteilung, und Privatdozent Dr. Markus Weber, leitender Arzt des Muskelzentrums/ALS-Klinik, die vom Gesetzgeber beabsichtigte anhaltende Kriminalisierung des Cannabiskonsums durch Erwachsene. In einem Artikel von nachrichten.ch heißt es:
"Der Cannabis-Konsum soll nicht straffrei werden. Ohne Legalisierung ist aber in der Medizin keine vernünftige Anwendung möglich, sagt der Onkologe Thomas Cerny vom Kantonsspital St. Gallen.
Cerny hatte am Kantonsspital St. Gallen (KSSG) das Cannabispräparat Dronabinol zu Studienzwecken verwendet. Mit der Abgabe der Tropfen an 250 Krebspatienten ist es seit 2006 aber wieder vorbei. Verschriebe Cerny Dronabinol weiterhin, würde er seine Patienten kriminalisieren, wie er sagt. Dienstagabend stand am KSSG eine öffentlichen Veranstaltung über rechtliche und medizinische Aspekte der Legalisierung von Cannabis auf dem Programm. Mit der Veranstaltung wollen Cerny und sein Kollege, der Neurologe Markus Weber, 'einen Beitrag zur Versachlichung der Hanfdebatte' leisten. 'Die politische Diskussion wurde nicht sachlich geführt', sagte Cerny auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA. Er sei für Jugendschutz, aber auch für mehr Eigenverantwortung.
Der Gegenvorschlag der Gesundheitskommission des Ständerats (SGK) und des Zürcher FDP-Ständerates und Arzt Felix Gutzwiller wäre ein echter Fortschritt gewesen, sagt Cerny. Die SGK wollte Anbau, Besitz und Konsum von Cannabis bei über 18-Jährigen straffrei erklären. Voraussetzung wäre gewesen, dass es nur um den Eigenkonsum geht und Dritte nicht geschädigt würden. Weiterhin nicht erlaubt wäre der Verkauf von Cannabis. Der Entscheid des Ständerates vom Dienstag, die Hanf-Initiative zur Ablehnung zu empfehlen, sei ein schwarzer Tag für die Medizin.
'Hanftropfen sind nur noch illegal zu bekommen und dürfen in Apotheken nicht mehr abgegeben werden', sagt Cerny. Ohne Legalisierung von Cannabis werde auch die Forschung behindert.
Die positive Wirkung von Cannabis sei durch mehrere Studien belegt, sagt Cerny. Tetrahydrocannabinol (THC) helfe nicht nur bei Muskelkrämpfen und Übelkeit. Cannabis sei bislang das beste Mittel gegen Appetitlosigkeit, unter der viele Krebspatienten litten. Der Onkologe kritisiert, dass Hanf als Medikament verteufelt werde, während Opiate in unlimitierter Dosis abgegeben werden dürften. Beide Medikamente seien natürliche Substanzen, und der menschliche Körper sei seit jeher damit vertraut. Cannabis sei ausserdem günstig und einfach anzuwenden. Das synthetische THC-Medikament Marinol koste aber je nach Dosis bis zu 100 Franken pro Tag.
Cerny steht mit seinen Argumenten nicht alleine da. Thomas Hansjakob, der Erste Staatsanwalt im Kanton St. Gallen, hält das Verbot für wenig effizient. 'Es geht im Grunde um den Jugendschutz. Wenn man Jugendschutz betreiben will, könnte man das in einem kontrollierten Markt besser als in einem illegalen Markt, den wir - was wir einräumen müssen - nicht unter Kontrolle haben', erklärte er kürzlich in der 'Rundschau'."
Der vollständige Artikel ist verfügbar unter:
nachrichten.ch vom 11. März 2008
Milde Strafe für Cannabisgärtnerin wegen Verbotsirrtum
Eine Frau aus Bad Kissingen erhielt wegen Cannabisanbaus in nicht geringer Menge nur eine Geldstrafe, da sie die Droge zu medizinischen Zwecken verwendete und sich nicht darüber im Klaren war, dass sie damit eine Straftat begeht. Wünschenswert wäre allerdings in diesem Fall ein Freispruch gewesen, da nicht erkennbar ist, worin das Kriminelle ihres Handelns bestand, da niemand geschädigt wurde. In einem Artikel in der Mainpost wurde über den Fall berichtet:
"Er geht etwas sperrig über die Lippen, der juristische Faktor des 'vermeidbaren Verbotsirrtums'. Ihm hat eine Frau aus dem Landkreis Bad Kissingen zu verdanken, dass sie vor dem Amtsgericht Bad Kissingen glimpflich davon kam. Die chronisch schwer kranke Frau hatte von Frühjahr bis Sommer 2007 Cannabis-Pflanzen auf ihrem Balkon und in ihrem Garten angebaut.
Anfang 2007 habe sich ihr Gesundheitszustand dramatisch verschlechtert, schilderte sie dem Gericht. 'Ich war schmerzgeplagt über Wochen', so die Angeklagte, die mit den Tränen kämpfte. Bei einem Treffen mit Bekannten habe sie einen Joint angeboten bekommen. Der habe überaus positive Wirkung auf ihr Wohlbefinden gehabt. 'Ich habe kaum mehr Schmerzen gefühlt.'
Über den zweifelhaften Rat eines Bekannten, Cannabis-Pflanzen doch selbst anzubauen, 'hab ich mir keine weiteren Gedanken gemacht', so die begabte Hobby-Gärtnerin. Den Samen habe sie von dem Bekannten erhalten. 'Die Pflanzen waren nur für mich gedacht', sagte die Frau. 'Ich wollte damit meine Schmerzen lindern.' Gedanken machte sich statt der Angeklagten aber ein anonymer Bürger, der angesichts prächtig blühender Cannabis-Pflanzen auf dem Anwesen der Frau Anzeige erstattete.
'Erstaunlich schön grün' waren die Pflanzen auch nach Ansicht des Richters. 'Sie haben bei der Gartenarbeit wohl ein glückliches Händchen', scherzte er. Doch die Konsequenz war für die Frau alles andere als glücklich: Die Analyse der von der Polizei sichergestellten neun Pflanzen ergab rund 15 Gramm verwertbares Marihuana [Hier muss es statt 'Marihuana' 'THC' heißen, Anm. der Redaktion der ACM-Mitteilungen]. Ab einer Menge von 7,5 Gramm sieht das Gesetz eine Gefängnisstrafe von mindestens einem Jahr vor.
Dass die Frau aber nicht ins Gefängnis muss, sondern 3000 Euro Geldstrafe zahlen soll, begründete der Richter mit dem 'erheblichen Abweichen vom Normalfall'. Er hielt der Angeklagten ihre schwierige persönliche Situation zugute und berief sich zudem auf den so genannten vermeidbaren Verbotsirrtum: 'Sie waren sich wohl tatsächlich nicht bewusst, dass Sie etwas Kriminelles taten', so der Richter. 'Wie sonst hätten Sie die Pflanzen sichtbar für jedermann in den Garten setzen können.'"
(Quelle: Mainpost vom 7. März 2008)