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ACM-Mitteilungen vom 15. Dezember 2019

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Liebe Leserin, lieber Leser,

die Hauptthemen am Patiententelefon der ACM sind neben Schwierigkeiten, einen Arzt zu finden, gegenwärtig Probleme bei der medizinischen Cannabiserwendung mit der Führerscheinstelle und eine Tendenz der Krankenkassen, Bescheide gegen den Widerspruch einer Kostenablehnung über Wochen und Monate hinauszuzögern. Ein bekannter Anwalt für Patientenrecht wird uns Hinweise geben, wie sich Patienten in diesen und anderen Fällen am besten verhalten können. Diese werden wir in den nächsten ACM-Mitteilungen bekannt machen.

In den ACM-Mitteilungen vom 19. November hatten wir bereits von einem Urteil des Verwaltungsrechts Düsseldorf berichtet, nachdem Cannabispatienten grundsätzlich am Straßenverkehr teilnehmen dürfen, wenn sie die dafür notwendigen Voraussetzungen, insbesondere eine Einnahme gemäß ärztlicher Anweisung, erfüllen. Das vollständige Urteil sowie die Presseerklärung des Gerichts finden sich ebenfalls online.

Das Patiententelefon ist vor einigen Monaten in das ACM-Büro bzw. meine Praxis umgezogen, damit ich im Hintergrund für mögliche Rückfragen bei medizinischen Themen zur Verfügung stehe. Wir wollen, dass das Patiententelefon eine hohe Qualität hat, sodass wir die Zeiten der Erreichbarkeit nur langsam ausweiten können.

Krankenkassen, Politik und Wissenschaftler weisen immer wieder darauf hin, dass für viele Erkrankungen keine ausreichenden klinischen Daten vorliegen. Jetzt wurden zum zweiten Mal Gelder für eine Studie zur Wirksamkeit von Cannabisblüten bei ADHS an einer deutschen Hochschule, die von Fachkreisen als sehr gut befunden wurde, nicht genehmigt. Deutsche Politiker können nicht gleichzeitig den Mangel an klinischen Studien beklagen und andererseits nicht dafür sorgen, dass entsprechende Forschungsgelder bereitgestellt werden. In dieser Situation entstehen gleichzeitig so merkwürdige Artikel wie kürzlich in der Medical Tribune, nach der sich klinische Effekte von Cannabis nur bei Angst nachweisen lassen. Das ist natürlich völliger Unsinn. Wenn bei einer mögliche Indikation keine Studie durchgeführt wurde, weiß man nur, dass keine klinischen Studien durchgeführt wurden, und nicht ob Cannabis bei dieser Erkrankung wirksam sein könnte oder nicht.

Zum weiteren Ausbau des Service-Angebotes der ACM benötigen wir neue Mitglieder und Unterstützung von Firmen. Eine Möglichkeit der Unterstützung ist die, wie sie die neue Firma Endoxo leistet. ACM-Mitglieder bekommen 10 € Rabatt auf Hanfextrakte mit CBD, und zudem wird ein Teil des Erlöses des Unternehmens auf das ACM-Konto überwiesen. Bevor die Seite des Unternehmens online geht, sind diese Produkte nur bei Hanf-Zeit in Steinheim erhältlich. Rabatte für ACM-Mitglieder, wie sie beispielsweise auch Storz & Bickel gewähren, sind eine gute Möglichkeit, die Mitgliedschaft in der ACM attraktiv zu gestalten.

Im kommenden Monat erhalten alle ACM-Mitglieder einen hochwertigen Mitgliederausweis in Checkgrößenformat, um ihre Mitgliedschaft nachweisen zu können. Vorher reicht die Bestätigung der Beitrittserklärung.

Viel Spaß beim Lesen!

Franjo Grotenhermen

Presseschau: Apotheken befürchten Versorgungsengpässe bei medizinischem Cannabis (Deutsches Ärzteblatt)

Ein Problem, von dem wir dachten, dass es sich erledigt hat, weil es mittlerweile viele Importeure gibt, droht erneut: Versorgungsengpässe bei Medizinalcannabisblüten.

Apotheken befürchten Versorgungsengpässe bei medizinischem Cannabis (Deutsches Ärzteblatt)

Berlin – Die Apotheken befürchten Engpässe bei der Versorgung von Patienten mit medi­zinischem Cannabis. Grund dafür sind behördliche Auflagen zum Strahlenschutz, die bislang offenbar übersehen wurden, berichtet der Branchendienst Apotheke adhoc heute.

Cannabisblüten werden in der Regel mit ionisierender Strahlung behandelt, um sie dau­er­haft vor Bakterien und Schimmelbefall zu schützen beziehungsweise die vorhandenen Keime abzutöten. Laut Arzneimittelgesetz (AMG) ist es den Apotheken zufolge jedoch verboten, Arzneimittel, bei deren Herstellung ionisierende Strahlen verwendet worden sind, in den Verkehr zu bringen, wenn dafür keine Genehmigung gemäß der Verordnung über radioaktive oder mit ionisierenden Strahlen behandelte Arzneimittel (AMRadV) vorliegt.

Nach Kenntnis der Apotheken haben die Aufsichtsbehörden in der Vergangenheit an rund zwei Dutzend Zwischenhändler Importlizenzen ausgestellt, aber dabei offensichtlich nicht überprüft, ob diese eine solche Strahlenlizenz haben. Im November seien die Bezirksregierungen Köln und Düsseldorf schließlich tätig geworden und hätten einem Großhändler das Inverkehrbringen von bestrahlten Cannabisblüten untersagt, berichtet Apotheke adhoc.

Den Firmen drohten strafrechtliche Konsequenzen, wenn sie solche Blüten weiterhin vertreiben. Denn nur wenige Zwischenhändler haben den Apotheken zufolge die erforderliche Genehmigung des Bundesamtes für Strahlenschutz.

Erschwerend komme hinzu, dass es je nach Region unterschiedliche Einschätzungen der zuständigen Behörden gebe, was das Beschaffen, Lagern, Transportieren und Inverkehrbringen jener Cannabisblüten angeht. Die Streitfrage sei, ob es sich bei den Produkten um Fertigarzneimittel oder um Rezepturausgangsstoffe handelt.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn sieht hier zwar „Optimierungsbedarf“, wie Pressesprecher Maik Pommer dem Deutschen Ärzteblatt auf Nachfrage mitteilte. Grundsätzlich zuständig für die Aufsicht des Imports von Cannabis seien aber die Länderbehörden, deren jeweilige Regelungen sehr unterschiedlich sind.

Das BfArM steuert und kontrolliert hingegen über die Cannabisagentur den Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken in Deutschland. Die Bundesopiumstelle im BfArM führt darüber hinaus eine Begleiterhebung zur Anwendung von Cannabisarzneimitteln durch, um weitere Erkenntnisse über die Wirkung von Cannabis als Medizin zu gewinnen.

Mit dem am 10. März 2017 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften hat der Gesetzgeber die Möglichkeiten zur Verschreibung von Cannabisarzneimitteln von schwer kranken Patienten erweitert. Ärzte können seitdem Medizinal-Cannabisblüten oder Cannabisextrakt in pharmazeutischer Qualität in bestimmten Fällen auf einem Betäubungsmittelrezept verschreiben. Außerdem stehen Fertigarzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon zur Verfügung.

Presseschau: DGKN: Frühkindliche Epilepsie – DGKN warnt vor übersteigerten Erwartungen beim Cannabis-Wirkstoff Informationsdienst Wirtschaft

Die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung warnt vor übersteigerten Erwartungen bei der Wirksamkeit des CBD-Extraktes Epidiolex, der im Herbst in Deutschland zugelassen wurde. Die Wirksamkeit bei den zugelassen Indikationen ist oft geringer als bei Indikationen für Cannabisblüten, bei denen überhaupt keine Zulassung vorliegt, weil entsprechende Studien bisher nicht finanziert wurden.

DGKN: Frühkindliche Epilepsie – DGKN warnt vor übersteigerten Erwartungen beim Cannabis-Wirkstoff (Informationsdienst Wirtschaft)

Seit kurzem besteht für Kleinkinder mit zwei verschiedenen, schweren Formen der Epilepsie eine neue Behandlungsmöglichkeit: Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hat vor einigen Wochen den Wirkstoff Cannabidiol der Cannabis-Pflanze für die Therapie des Dravet-Syndroms und des Lennox-Gastaux Syndroms zugelassen. Die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung e. V. (DGKN) begrüßt prinzipiell die Erweiterung der Therapieoptionen für die schwer erkrankten Kinder – warnt jedoch zugleich vor übersteigerten Erwartungen und weist auf die relevanten Nebenwirkungen hin.

Unter fünf Prozent der von Epilepsie betroffenen Kinder können gegebenenfalls von dem Cannabis-Wirkstoff profitieren. Nicht immer äußern sich frühkindliche Epilepsien eindeutig mit Krampfanfällen. Manche Kinder wirken eher abwesend oder sind nicht ansprechbar. Deshalb wird die Störung zum Teil erst spät erkannt.

Das Dravet-Syndrom macht sich meist im Alter von etwa sechs bis zwölf Monaten zum ersten Mal bemerkbar: Dann führt ein genetischer Defekt, der das Gehirn übererregbar macht, meist bei Fieber erstmals zu einem epileptischen Anfall. „Die Anfälle treten im weiteren Verlauf meist mehrmals monatlich auf, fast alle betroffenen Kinder bleiben außerdem in ihrer geistigen und motorischen Entwicklung zurück“, beschreibt Professor Dr. med. Felix Rosenow, Leiter des Epilepsiezentrums Frankfurt Rhein-Main der Goethe Universität Frankfurt/Main, die schwere Erkrankung. Die Entwicklungsstörung, die mit dem Dravet-Syndrom einhergeht, lässt sich therapeutisch bislang nicht beeinflussen; Dravet-Patienten ab zwei Jahren, die bereits das Antikonvulsivum Clozapam erhalten, dürfen nun ergänzend auch mit Cannabidiol therapiert werden.

Da der Wirkstoff aus der Cannabis-Pflanze gewonnen wird, gilt er manchen Eltern als sanftes Naturprodukt. „Das ist ein Irrtum“, sagt Rosenow. „Ob eine Substanz pflanzlich oder synthetisch hergestellt ist, hat keinen Einfluss darauf, wie wirksam oder wie verträglich sie ist.“ In den Studien, die der Zulassungsentscheidung zugrunde liegen, habe Cannabidiol sich zwar als wirksam erwiesen und die Zahl der motorischen epileptischen Anfälle um rund die Hälfte gesenkt. Etliche Kinder hätten jedoch mit Nebenwirkungen wie starker Müdigkeit, Fieber, Appetitlosigkeit und Durchfall zu kämpfen gehabt – bei einem Teil der Kinder habe Cannabidiol deshalb oder aufgrund erhöhter Leberwerte wieder abgesetzt werden müssen. Auf die geistige Entwicklung der kleinen Patienten hat vermutlich auch der neue Wirkstoff keinen Einfluss.

Außer für die Dravet-Epilepsie ist Cannabidiol auch zur Behandlung des Lennox-Gastaut-Syndroms zugelassen, einer weiteren seltenen Epilepsieform, die auf frühkindliche Gehirnschädigung unterschiedlichster Ursachen zurückgeht. „Zusammengenommen machen die beiden Syndrome nur weniger als fünf Prozent der frühkindlichen Epilepsien aus“, erklärt Rosenow. Für die überwiegende Mehrzahl der jungen Epilepsiepatienten spiele die Cannabidiol-Einführung somit zunächst keine Rolle.

Im Durchschnitt sind 5 von 1000 Kindern von irgendeiner Form der Epilepsie betroffen. Oftmals wird die Störung jedoch erst spät erkannt, denn nicht immer äußert sie sich wie bei Dravet Syndrom und Lennox-Gastaut Syndrom mit motorischen Anfällen und auffälligem Zucken des ganzen Körpers. Manche Epilepsieformen gehen vielmehr mit kurzen Zuckungen einzelner Muskelpartien – etwa der Schultern oder des Mundes – oder Muskelanspannungen einher. Bei Kindern am häufigsten sind jedoch kurze Abwesenheitszustände, so genannten Absencen, während derer die Kinder nicht ansprechbar sind und an die sie sich hinterher nicht mehr erinnern können. „Diese Zustände werden oft als Verträumtheit oder – gerade in der Schule – als Verstocktheit interpretiert“, sagt Rosenow. Auch wenn die geistige Entwicklung der Kinder durch die Erkrankung meist nicht beeinträchtigt sei, führe eine nicht erkannte Epilepsie daher oft zu Leistungsabfall und Schulversagen.

Eine Möglichkeit, um die Epilepsie-Diagnose zu beschleunigen und die therapeutische Betreuung gerade in ländlichen Gebieten zu verbessern, sieht die DGKN in der Telemedizin: EEG-Ableitungen und andere diagnostisch bedeutsame Untersuchungsergebnisse werden vom behandelnden Arzt an das nächstgelegene Epilepsiezentrum weitergeleitet, wo sie von Spezialisten bewertet werden. „Per Tele-EEG haben auch Patienten fernab der Zentren Zugang zu einer qualifizierten epileptologischen Betreuung, ohne lange Wege auf sich nehmen zu müssen“, sagt Rosenow. Die DGKN hat Richtlinien für die Umsetzung solcher Telekonsile aufgestellt und begleitet die bereits angelaufenen Tele-EEG-Projekte mit Studien. So soll die Behandlungsqualität ebenso gesichert sein wie beim direkten Arztkontakt – denn eine frühe Diagnose und eine konsequente Therapie können den Lebensweg eines Epilepsie-Patienten entscheidend beeinflussen.

Die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN) ist die medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft für Ärzte und Wissenschaftler in Deutschland, die auf dem Gebiet der klinischen und experimentellen Neurophysiologie tätig sind. Anliegen der DGKN ist es, die Forschung auf diesem Gebiet zu fördern sowie eine qualitätsgesicherte Aus-, Weiter- und Fortbildung zu garantieren. Zu diesem Zweck richtet die DGKN wissenschaftliche Tagungen, Symposien und Fortbildungsveranstaltungen aus. Sie erarbeitet Richtlinien und Empfehlungen für die Anwendung von Methoden wie EEG, EMG oder Ultraschall. Darüber hinaus setzt sich die DGKN für den wissenschaftlichen Nachwuchs ein, indem sie etwa Stipendien und Preise vor allem für junge Forscher vergibt. Die Methoden der klinischen Neurophysiologie kommen Patienten bei der Diagnose und Therapie neurologischer Erkrankungen wie Parkinson, Alzheimer, Migräne, Epilepsie, Schlaganfall oder Multiple Sklerose zugute.

Einige Pressemeldungen und Informationen der vergangenen Tage

Klinische Effekte von Cannabis lassen sich lediglich bei Angst nachweisen (Medical Tribune)

"Politisch ist der Rückwärtsgang eingelegt" (Salzburg 24)

25 Jahre Hanf Museum (taz blogs)