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ACM-Mitteilungen vom 14. Mai 2022
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Liebe Leserin, lieber Leser,
da im Koalitionsvertrag der Bundesregierung nichts zur Zukunft der medizinischen Nutzung cannabisbasierter Medikamente steht, haben wir die drogenpolitischen Sprecher der Parteien angeschrieben und nach ihrer Position gefragt. Wir dokumentieren heute die Antwort von Kirsten Kappert-Gonther, drogenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen, die als erste geantwortet hat.
Noch in diesem Jahr soll vom Bundesgesundheitsministerium eine Gesetzesvorlage zur Legalisierung von Cannabis vorgelegt werden. Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung will sich zunächst ein Bild über Erfahrungen in anderen Ländern machen sowie nationale und internationale Experten zum Thema anhören. Die Neue Osnabrücker Zeitung hatte mit einem unzutreffenden Beitrag im Presseportal für Verwirrung gesorgt. Blienert erklärte daraufhin über Twitter, dass er nicht generell gegen Eigenanbau von Cannabis sei, „sondern gegen das Luxemburger Modell, das ausschließlich den Eigenanbau ermöglicht“.
Durch die Deckelung des Preises für Cannabis aus Deutschland sind die Preise bei Cannabisblüten aus der Apotheke in Bewegung geraten. Zudem erfahren wir regelmäßig von Sonderangeboten für Blüten und Extrakte, die kurz vor dem Ablauf stehen. Daher wollen wir unsere Übersicht zu Cannabissorten und ihren Inhaltsstoffen in Zukunft etwa einmal pro Monat auf den neuesten Stand bringen und dort auch über günstige Sorten und Sonderangebote berichten. Wir freuen uns über Hinweise und Änderungsvorschläge.
Die diesjährige Mitgliederversammlung der ACM findet am 25. Juni 2022 statt. ACM-Mitglieder erhalten dazu eine persönliche Einladung.
Viel Spaß beim Lesen!
Franjo Grotenhermen
Schreiben des ACM-Vorstandes an die drogenpolitischen Sprecher der im Bundestag vertretenen Parteien
„Sehr geehrte/r, liebe/r …
die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag im Kapitel Drogenpolitik beschlossen, "die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften" einzuführen (Seite 87 des Koalitionsvertrages von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP). Es fehlen darin aber jegliche Aussagen zu möglichen Erleichterungen des Zugangs für Bundesbürger:innen zu cannabisbasierten Medikamenten und zur Entkriminalisierung von Patientinnen und Patienten.
Im Gegensatz zu anderen Akteuren im Gesundheitswesen ist der Ansatz der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM e.V.) ausschließlich patientenorientiert. Wir setzen uns dafür ein, dass alle Patient:innen, die nach ärztlicher Auffassung eine Therapie mit cannabisbasierten Medikamenten benötigen, diese auch erhalten. Wir fordern zudem, dass die Strafverfolgung von Patientinnen und Patienten beendet wird.
Im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 haben am 30. April 2021 Expert:innen und Medizin:inner unter Federführung von Prof. Heino Stöver und Dr. Ingo Ilja Michels ein Positionspapier veröffentlicht mit
dem Titel "Cannabis als Medizin: Warum weitere Verbesserungen notwendig und möglich sind". Darin wird die gegenwärtige, seit dem vergangenen Jahr weitgehend unveränderte Situation analysiert und -
unterstützt von Fachpolitiker:innen aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Linke - Konsequenzen gezogen und notwendige Verbesserungen formuliert.
Das vollständige Papier vom April 2021 finden Sie hier:
Während in Israel gegenwärtig etwa 1,3 % der Bevölkerung einen legalen und kostengünstigen Zugang zu cannabisbasierten Medikamenten erhalten - mit weiter steigender Tendenz -, sind es in Deutschland auch nach 5 Jahren Cannabis als Medizin-Gesetz weniger als 0,1 %. Es besteht daher hierzulande eine deutliche Unterversorgung mit entsprechenden Medikamenten.
Gleichzeitig ziehen 37 Prozent der Deutschen, mehr als 26 Millionen Erwachsene über 18 Jahren, eine Therapie mit cannabisbasierten Medikamenten für sich selbst in Erwägung, sollte dies einmal für sie sinnvoll oder notwendig sein. Das zeigt eine aktuelle Umfrage, die in mehreren europäischen Ländern durchgeführt wurde.
Heute schreiben wir Ihnen, um zu erfahren, ob Sie die im Positionspapier aufgestellten Forderungen weiterhin unterstützen.
Gerne möchten wir Ihre Antworten, gegebenenfalls in Auszügen, den Leserinnen und Lesern der Mitteilungen der ACM bekannt geben.
Mit freundlichen Grüßen und bestem Dank
Dr. med. Franjo Grotenhermen, Geschäftsführer der ACM und 2. Vorsitzender
Prof. Dr. med. Kirsten R. Müller-Vahl, 1. Vorsitzende der ACM
Antwort von Dr. Kirsten Kappert-Gonther, drogenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/die Grünen
„Lieber Franjo,
vielen Dank für deine Zuschrift. Das Papier ist mir gut bekannt, ich habe es ja auch unterstützt, ebenso wie Burkhard Blienert und Dirk Heidenblut. Auch wenn der Fokus der Debatte im Moment bei der Umsetzung der kontrollierten Freigabe von Cannabis zu Genusszwecken liegt, ist uns bewusst, dass auch im Hinblick auf die Patient*innen, die auf Cannabis als Medizin angewiesen sind, Handlungsbedarf besteht.
Das "Cannabis als Medizin"-Gesetz war ein Meilenstein. Nun gibt es mit der Überprüfung durch den G-BA eine Perspektive für eine Überführung in die Regelversorgung. Die Begleiterhebung, auf der die Auswertung basiert, ist jedoch unvollständig. Durch den Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen wurden einige Indikationen vorab mehr oder weniger ausgeschlossen, sodass für sie keine ausreichenden Daten vorliegen. Dabei wäre es auch angesichts der geplanten Legalisierung wichtig, dass Menschen, die Cannabis zu medizinischen Zwecken benötigen, es mit ärztlicher Begleitung verlässlich erhalten können.
Die Verschreibung von Cannabis ist mit vielen Hürden und Bürokratie verbunden. Einerseits muss die Forschung zum Einsatz von Cannabis als Medizin gefördert werden, andererseits muss sichergestellt werden, dass Patientinnen und Patienten, denen Cannabis hilft, es auch unkompliziert bekommen können.
Mit freundlichen Grüßen
Kirsten Kappert-Gonther
Büro Dr. Kirsten Kappert-Gonther, MdB
Stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Deutscher Bundestag
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Presseschau: Cannabis auf Rezept: Warum die Bilanz der Legalisierung so gar nicht berauschend ist (RedaktionsNetzwerk Deutschland )
Das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtete über die unbefriedigende Realität der medizinischen Nutzung von Cannabis in Deutschland.
Die ACM geht allerdings von anderen Zahlen zum medizinischen Cannabisbedarf in Deutschland aus als in dem Artikel genannten. Wir gehen davon aus, dass in Deutschland gegenwärtig weniger als 100.000 Patienten einen solchen legalen Zugang haben, darunter Zehntausende Selbstzahler. Zudem ist der Bedarf gemäß der internationalen Entwicklungen der letzten 2-3 Jahre eher bei 2 % der Bevölkerung, entsprechend 1,6 Millionen Bundesbürger. Schließlich liegen die Zahlen in Israel bereits heute bei über 1,3 % der Bevölkerung, bei einer monatlich stetig weiteren Zunahme. „Vor 5 Jahren konnte man noch von einem Bedarf von einem Prozent der Bevölkerung ausgehen, weil die Zahlen in Israel und Kanada damals noch deutlich niedriger lagen“, erklärte Dr. Franjo Grotenhermen, Geschäftsführer der ACM. „Diese Zahlen sind heute überholt. In einigen Staaten der USA liegen die aktuellen Zahlen bereits über 2 % der Bevölkerung, wie etwa die offiziellen Statistiken des Staates Oregon zeigen.“
Cannabis auf Rezept: Warum die Bilanz der Legalisierung so gar nicht berauschend ist
Es hätte schlimmer kommen können, findet Minyi Lü in einem Anflug von Fatalismus. „Ich habe nur vier Monate für meinen Antrag gebraucht“, sagt die in Bayern aufgewachsene Tochter chinesischer Einwanderer. 120 Tage können lang werden, wenn man medizinisches Cannabis beantragt, um chronische Schmerzen loszuwerden – und Nebenwirkungen von Opiaten.
2017 war Lü eine der ersten Patientinnen mit Antrag auf ein Cannabisrezept, nachdem der Bundestag damals die Pflanze unter Auflagen zum legalen Medikament gemacht hatte. Ihre Kasse habe damals schnell und positiv entschieden, insofern war es Glück, sagt Lü. Sie arbeitet in einer Apotheke und studiert Pharmazie.
Alles für den Antrag zusammenzutragen war aber auch für die medizinisch-pharmazeutisch Vorgebildete zeitraubend. Denn zu den Auflagen für ein Rezept gehört stets eine Genehmigung durch Krankenkassen. Die nehmen sich dafür oft Zeit und bewilligen längst nicht jeden Antrag. „35 Prozent werden aktuell abgelehnt“, weiß Thomas Vaterrodt. Genehmigungen könnten Monate dauern, bedauert der Neurologiechefarzt der Saarbrücker Sonnenberg-Kliniken und Referent beim Deutschen Zentrum für Medizinal-Cannabis.
Dabei sehe das Cannabisgesetz eine Ablehnung des Rezepts nur in begründeten Ausnahmefällen vor. In der Praxis sei es weit mehr als das, kritisieren Vaterrodt, aber auch Patientenverbände. Das bietet Gesprächsstoff, wenn das Cannabisgesetz nun evaluiert wird. Denn beschlossen wurde es mit einer Begleitstudie, deren Ergebnisse demnächst vorliegen sollen. Verbesserungspotenzial auf vielen Ebenen ist offensichtlich.
„Es gibt Vorbehalte bei Ärzten, und hat man einen Arzt, muss man auch noch eine Apotheke finden, die medizinisches Cannabis abgibt“, berichtet Lü. Nur etwa jede zehnte deutsche Apotheke gebe das Medikament aus, weil der Umgang damit aufwendig sei. Das gelte auch für Ärzte, wenn sie Patienten beim zeitraubenden Antrag auf ein Cannabisrezept helfen, unterstreicht Vaterrodt.
Neben dem bürokratischen Aufwand hemme das Fehlen von Zulassungsstudien die Mediziner. Cannabis sei ein altbekanntes Naturprodukt und keine Erfindung eines Pharmakonzerns. Folglich hätten die wenig Interesse an einer teuren Studie, die auch Konkurrenten zugutekäme.
Keine Zweifel an der Wirksamkeit bei vielen Indikationen
Zweifel an der Wirksamkeit bei vielen Indikationen hat Vaterrodt aber auch ohne Zulassungsstudie nicht. „Medizinisches Cannabis eignet sich vor allem auch zur Schmerztherapie“, sagt er und nennt weitere Anwendungsfälle wie posttraumatische Belastungsstörungen, Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsdefizitstörungen (ADHS) oder Tremor. Wer auf Cannabis angewiesen ist, hat wie Lü oft einen langen Leidensweg hinter sich.
Mit 19 Jahren traten bei ihr starke Schmerzen im Zeigefinger der rechten Hand auf. Es folgten eine erfolglose Operation und Irrwege von Arzt zu Arzt, bis ihr Zustand sich zur chronischen Arthrose verschlimmert hatte. Nur hochdosierte Schmerzmittel und süchtig machende Opiate haben damals noch gewirkt, begleitet von üblen Nebenwirkungen wie Entzündungen im Rachen. „Ich konnte fast nichts mehr essen“, erzählt die damals in Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin stehende Patientin. Ihr späteres Pharmaziestudium hätte sie beinahe aufgeben müssen.
Dann kam das Cannabisgesetz, das Lü nur in Anspruch nehmen konnte, weil sie, wie gesetzlich verlangt, nachweisbar austherapiert war. Herkömmliche Methoden hatten bei ihr versagt, heißt das. Heute kommt Lü mit einem halben Gramm Cannabis täglich aus. „Meine Schmerzen sind jetzt tolerierbar“, sagt sie und hilft Leidensgefährten im Bund deutscher Cannabis-Patienten (Bdcan).
Knüppel zwischen den Beinen potenzieller Cannabispatienten verhindern vielfach, dass das Medikament zum Einsatz kommt, wo es heilende Wirkung entfalten könnte. „Bei 0,8 Prozent der Bevölkerung könnte eine Cannabistherapie helfen“, sagt Mario Eimuth. Das zeigten Erfahrungen im Cannabispionierland Kanada, erklärt der Gründer der Koblenzer Adrex Pharma, einem heimischen Cannabispionier.
650.000 Deutsche brauchen Cannabis, 130.000 Patienten erhalten es
Übertragen auf Deutschland heißt das, rund 650.000 Deutsche könnten Cannabisrezepte gebrauchen. „Aktuell sind es rund 130.000 Cannabispatienten“, weiß Eimuth. Auch er kennt die Hemmschwellen, hofft aber, dass die Sache nun langsam in Schwung kommt. Adrex Pharma habe als erste deutsche Pharmafirma mit Krankenkassen – darunter Schwergewichte wie AOK oder Techniker – Rabattverträge für medizinisches Cannabis geschlossen, was Rezeptvergaben erleichtern dürfte. Aber auch Eimuth sieht beim Cannabisgesetz Verbesserungsbedarf. „Bei einigen Indikationen wie zur Schmerztherapie ist die Wirksamkeit so offensichtlich, dass der Kassenvorbehalt mit Rezeptgenehmigung in jedem Fall abgeschafft gehört“, sagt er.
Vaterrodt unterstreicht das und sieht weitere Mängel. Wer etwa an ADHS leide, bekomme ein Cannabisrezept statistisch nur zu ein bis 3 Prozent genehmigt. „Manche Patienten werden durch das Genehmigungsverfahren erheblich benachteiligt“, kritisiert der Experte. Er würde auch gern den Passus streichen, dass alle anderen Therapieformen erst erfolglos ausprobiert werden müssen, bevor Cannabis infrage kommt.
Vaterrodt vermutet, dass Kassen mit ihrer Zurückhaltung vor allem Kosten sparen wollen. Lü hat es für sich durchgerechnet. „Etwa 300 Euro zahlt die Kasse für mein medizinisches Cannabis pro Monat, was etwa doppelt so viel ist wie für meine frühere Therapie.“ Dagegen stehe aber ein starker Gewinn an Lebensqualität, den man keinem Menschen verweigern darf, findet sie.
Presseschau: Haushaltsausschuss setzt Ministerium bei Cannabisgesetz unter Druck (Deutsches Ärzteblatt)
Noch in diesem Jahr will das Bundesgesundheitsministerium eine Gesetzesvorlage zur Legalisierung von Cannabis Vorliegen. Der Haushaltsausschuss des Bundestags drängte darauf, die Angelegenheit nicht auf die lange Bank zu schieben.
Haushaltsausschuss setzt Ministerium bei Cannabisgesetz unter Druck
Impfstoffbeschaffung, Bürgertests, Impfkampagne, Cannabiskontrolle und Suchtprävention: Der Haus¬haltsausschuss des Bundestags hat dem Bundes¬ge¬sundheitsministerium (BMG) eine ganze Reihe von Aufga¬ben ins Stammbuch geschrieben. Um das Cannabiskontrollgesetz voranzubringen, haben die Haushälter zu härteren Mitteln gegriffen.
Beim Cannabiskontrollgesetz wies Paula Piechotta, Berichterstatterin der Grünen Bundestags-fraktion, heute darauf hin, dass die Berichterstatter der drei Ampel¬fraktionen für den Haushalt des Bundesgesundheitsminis¬teriums mit einer „vorläufigen Sperre der Mittel für die Öffentlich-keitsarbeit des Hauses“ erreicht hätten, dass das Cannabiskontrollgesetz doch noch in diesem Jahr komme.
„Wir müssen als Ampel jetzt auch die Gesundheitsprojekte im Koalitionsvertrag neben der Coronabekämpfung angehen und zügig umsetzen“, betonte Piechotta. Sie freue sich, dass man im Haushaltsausschuss nun dafür habe sorgen können, dass das Cannabiskontrollgesetz noch im zweiten Halbjahr 2022 vorgelegt werde
.
„Unser grüner Gesetzesentwurf aus dem Jahr 2015 ist dafür eine gute Basis. Geschieht das nicht, verfallen dem Bundesgesundheitsministerium Gelder. Gleichzeitig erhöhen wir die Mittel für die Suchtprävention für einen starken Verbraucher- und Jugendschutz“, sagte Piechotta.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte erst Anfang Mai seinen Fahrplan für das laufende Jahr vorgeleg – neu war auch das Cannabis¬gesetz.
Sie betonte zudem, dass die drei Haushälter die Suchtprävention um vier Millionen Euro zusätzlich erhöht hätten. Daraus sollen Aufklärungsmaßnahmen auf dem Gebiet des Drogen- und Suchmittelmissbrauchs sowie Maßnahmen zur Tabakentwöhnung finanziert werden.
Hinzugekommen ist auch, dass Aufklärungsma߬nah¬men zum Missbrauch von Methamphetaminen finanziell gestärkt werden sollen. Piechotta sprach von einem „wichtigen Schritt, die Aufklärungsmaßnahmen im Bereich Crystal Meth endlich zu stärken“. (…)
Presseschau: Gesundheitskioske, Cannabis, GKV: Lauterbachs Fahrplan bis zur nächsten Welle (Deutsches Ärzteblatt )
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will im Sommer mehrere gesundheitspolitische Projekte auf den Weg bringen, darunter die Legalisieung von Cannabis.
Gesundheitskioske, Cannabis, GKV: Lauterbachs Fahrplan bis zur nächsten Welle
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will den Sommer für einen „Zwischenspurt in der Gesundheitspolitik“ nutzen: Er rechne mit einer erneuten Verschärfung der Coronasituation im Herbst und wolle deshalb die Zeit bis dahin mit fünf großen Reformvorhaben füllen, kündigte er heute Nachmittag in Berlin an.
Da im Herbst wieder steigende Fallzahlen zu erwarten seien, müsse die Zeit im Sommer genutzt werden, „um gesundheitspolitische Vorhaben mit Kraft anzuschieben, die im Herbst schon gut laufen müssen und sich dann nicht anschieben ließen, weil wir dann wieder Pandemiearbeiten haben“, sagte Lauterbach. Für die von ihm erwarteten steigenden Fallzahlen im Herbst wolle er noch im Mai ein „Pandemiebekämpfungskonzept“ vorlegen.
Bis das in der Praxis gebraucht werde, gebe es an der Zahl aber noch vier weitere große Vorhaben, die er in den kommenden Monaten mit Hochdruck angehen wolle: Zuallererst müsse die Digitalisierung des Gesundheitswesens vorangetrieben werden, wobei es im Wesentlichen zwei kurzfristige und ein mittelfristiges Projekt umzusetzen gebe.
(…)
Bisher nicht öffentlich verkündet hatte der Gesundheitsminister sein letztes Vorhaben: „Ich werde die Gesetzesinitiative zur Cannabis-Legalisierung starten“, sagte Lauterbach. Der Prozess werde damit beginnen, dass der Bundesdrogenbeauftragte Burkhardt Blienert (SPD) in Lauterbachs Auftrag Grundfragen mit nationalen und internationalen Experten erörtert.
Er selbst habe sich in den vergangenen Jahren sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt und seine frühere Meinung revidiert. Er sei zur Einsicht gelangt, dass die Gefahren einer Nichtlegalisierung größer zu sein schienen als die einer Legalisierung.
„Verunreinigte Cannabis-Verabreichungen sind aus meiner Sicht mittlerweile ein größeres Risiko als eine kontrollierte Abgabe an Menschen, die Cannabis in der entsprechenden Qualität kontrolliert konsumieren.“ In der zweiten Jahreshälfte werde er deshalb einen Gesetzesentwurf vorlegen.
Presseschau: Konsultationsprozess für Cannabisabgabe soll starten (Deutsches Ärzteblatt)
Der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert (SPD) hat vom Bundesgesundheitsminister freie Bahn bekommen, bereits in diesem Jahr eine Gesetzesvorlage zur Legalisierung von Cannabis vorzulegen.
Konsultationsprozess für Cannabisabgabe soll starten
Der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert plant umfassende fachliche Vorbereitungen für die vorgesehene kontrollierte Freigabe von Cannabis in Deutschland. Dafür werde er jetzt gemeinsam mit dem Bundesgesundheitsministerium und weiteren Ressorts „einen gründlichen Konsultationsprozess“ starten, sagte der SPD-Politiker.
„Es geht darum, das Wissen und die Erfahrungen zu bündeln, aber auch Einwände und Vorbehalte sehr offen anzusprechen.“ In die Vorbereitungen sollten auch Länder, Kommunen, Verbände, Wissenschaft und die Zivilgesellschaft eingebunden werden.
„Kaum ein anderes drogenpolitisches Thema beschäftigt die Menschen seit Jahrzehnten so sehr wie Cannabis“, sagte Blienert. „Wir alle wissen, wie komplex dieses Vorhaben ist.“
Bis zum Herbst solle daher jetzt mit führenden Fachleuten über die relevantesten Fragen zum Gesundheitsschutz, zu Anbau, Lieferketten und zur Besteuerung diskutiert werden. „So unterstützen wir den Gesetzgebungsprozess fachlich und politisch durch ein gutes Fundament.“
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte den Start mit Fachgesprächen über den Sommer vorgestern angekündigt. In der zweiten Jahreshälfte soll dann ein Gesetzentwurf folgen.
SPD, Grüne und FDP haben im Koalitionsvertrag vereinbart, eine „kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ einzuführen. Lauterbach machte deutlich, dass er seine ursprünglich ablehnende Position dazu revidiert habe.
Blienert sagte, ihm sei wichtig, bei den fachlichen Beratungen die Bereiche Jugend- und Gesundheitsschutz besonders in den Fokus zu rücken. „Denn am Ende sollen in Deutschland natürlich nicht mehr, sondern weniger Jugendliche Cannabis konsumieren.“ Auch internationale Erfahrungen, etwa aus Kanada, sollten seiner Meinung nach angeschaut werden.
Er sei sicher, dass dieser Prozess eine gute Grundlage für das Gesetz schaffe, auf das so viele lange gewartet hätten – ihn eingeschlossen. „Mit dem Koalitionsvertrag haben wir uns auf einen Paradigmenwechsel in der Drogen- und Suchtpolitik verständigt: weniger Repression, mehr Schutz und Hilfe“, sagte der Beauftragte der Bundesregierung.
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Cannabis am Lebensende (Tagesspiegel Background)