Veröffentlicht
Zuletzt aktualisiert
Lesezeit

ACM-Mitteilungen vom 13. Februar 2016

Authors

Stellungnahme der ACM zum Gesetzentwurf der Bundesregierung

Am 07. Januar 2016 hat die Bundesregierung einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften vorgelegt. Dadurch sollen Cannabisblüten verschreibungsfähig, Medikamente auf Cannabisbasis unter bestimmten Voraussetzungen erstattungsfähig und eine Cannabisagentur für den Anbau von Cannabis in Deutschland eingerichtet werden. Wir berichteten in den ACM-Mitteilungen vom 16. Januar 2016.

Das Bundesgesundheitsministerium hat Verbände aus dem Gesundheitsbereich, darunter auch die ACM, eingeladen, bis zum 05. Februar 2016 eine Stellungnahme abzugeben.

Hier ein Auszug aus der Stellungnahme der ACM vom 05. Februar 2016.

„Die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM) begrüßt die Pläne der Bundesregierung zur Erleichterung des Zugangs der Bevölkerung zu einer Therapie mit Cannabis bzw. auf Cannabis basierenden Medikamenten. Insbesondere begrüßt sie die Pläne zur Verschreibungsfähigkeit von Cannabisblüten, Möglichkeiten zur Erstattungsfähigkeit von Cannabis-basierten Medikamenten sowie den Aufbau einer Cannabis-Agentur zur Sicherstellung der Versorgung mit Medizinalcannabisblüten in Deutschland.

Nach Auffassung der ACM sollte die Entscheidung über eine Therapie mit Cannabis-basierten Medikamenten im Dialog zwischen Arzt und Patient über mögliche Ansätze zur Behandlung schwerer Erkrankungen erfolgen. Insbesondere sollte diese Entscheidung bzw. diese Behandlungsoption nicht von den finanziellen Ressourcen der betroffenen Patienten abhängen.

Daher ist der wichtigste kritische Punkt des Referentenentwurfes die Beschränkung der Kostenübernahme auf solche Ausnahmefälle, in denen keine Standardtherapien zur Verfügung stehen. Dieser restriktive Umgang wird dazu führen, dass die erforderliche Therapiefreiheit in anderen Fällen weiterhin nur für vermögende Patienten besteht.

Das Gesetz sollte mindestens vier Aspekte berücksichtigen und einen angemessenen Umgang mit diesen Fragen sicherstellen:

1. Neben pharmakologischen Therapieverfahren gibt es bei vielen Erkrankungen auch chirurgische Therapieoptionen, die oft mit schweren Risiken verbunden sein können. Die ACM ist daher der Auffassung, dass wenn mit Cannabis-basierten Medikamenten eine befriedigende konservative Therapie möglich ist, die Durchführung invasiver Therapieverfahren keine Voraussetzung für eine Kostenübernahme von Cannabis-Medikamenten durch die Krankenkassen sein darf. Die Bundesopiumstelle hat diesen Aspekt bei der Beurteilung von Anträgen auf eine Ausnahmeerlaubnis berücksichtigt. Es ist jedoch nicht sichergestellt, dass dies die Krankenkassen ebenso handhaben werden.

2. Es gibt Erkrankungen, bei denen viele verschiedene Standardtherapien zur Verfügung stehen. Es kann Fälle geben, bei denen das Ausprobieren der verschiedenen Standardtherapien mehrere Monate oder gar Jahre dauern kann, während bereits bekannt ist, dass Cannabis-basierte Medikamente eine gute Wirksamkeit entfalten. In dieser langwierigen Probierphase, in der der betroffene Patient unzureichend behandelt ist, muss dieser entsprechende negative Auswirkungen auf seine Gesundheit sowie sein privates und berufliches Leben eventuell mit Phasen der Arbeitsunfähigkeit erdulden, solange keine wirksame Therapie gefunden wurde. So gibt es beispielsweise viele Antiepileptika. Ein Durchprobieren dieser Medikamente kann von schweren epileptischen Anfällen mit möglichen schweren Verletzungen begleitet sein. Die ACM ist der Auffassung, dass dieses Vorgehen nur bis zu einem begrenzten Maß zumutbar ist. Die Bundesopiumstelle hat diesen Aspekt bei der Beurteilung von Anträgen auf eine Ausnahmeerlaubnis berücksichtigt. Es ist jedoch nicht sichergestellt, dass dies die Krankenkassen ebenso handhaben werden.

3. Es gibt Fälle, in denen eine Therapie mit Cannabisprodukten einer Behandlung mit zugelassenen Medikamenten vorzuziehen ist, weil die Behandlung mit Cannabisprodukten der Standardtherapie hinsichtlich des therapeutischen Erfolges und der akuten Nebenwirkungen gleichwertig ist, die Standardtherapie jedoch langfristig mit stärkeren unerwünschten Wirkungen, eventuell sogar tödlichen Folgewirkungen der Therapie, assoziiert sein kann. So sind beispielsweise mögliche gravierende Langzeitschäden durch immunsuppressive Medikamente zur Behandlung chronisch-entzündlicher Erkrankungen bekannt. Es ist deshalb notwendig, dass die Verpflichtung der Krankenkassen zur Kostenerstattung auch die langfristige Nutzen-Risiko-Bewertung berücksichtigt.

4. Die Verordnung von Cannabis-basierten Medikamenten sollte nicht am Praxisbudget bzw. drohenden Regressforderungen wegen Budgetüberschreitung scheitern. Daher ist es erforderlich, dass ihre Verschreibung als Praxisbesonderheit gilt.

Das gesundheitliche Wohl der Patienten sollte möglichst unabhängig von den Vermögensverhältnissen im Vordergrund stehen.

Die ACM bittet die Bundesregierung beim Übergang von der gegenwärtigen zur geplanten Gesetzeslage durch geeignete Maßnahmen zudem darum, dafür Sorge zu tragen bzw. darauf hinzuwirken,

- dass die Kosten für eine Behandlung mit Cannabisblüten für Erlaubnisinhaber nach § 3 Abs. 2 durch die Krankenkassen übernommen werden und keine erneute Prüfung der Erstattungsfähigkeit durch die Krankenkassen bzw. den Medizinischen Dienst der Krankenkassen erfolgt,

- dass Strafverfahren gegen Erlaubnisinhaber, die sich aufgrund mangelnder finanzieller Ressourcen die Cannabisblüten aus der Apotheke nicht in dem notwendigen Umfang leisten konnten und können und sich daher illegal versorgt haben, eingestellt und bereits erfolgte Geld- oder Freiheitsstrafen erlassen werden.“

Stellungnahme der ACM vom 05. Februar 2016.

Stellungnahmen von Bundesärztekammer, Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA)

Auch Bundesärztekammer, Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) haben Stellungnahmen abgegeben. Diese stehen zum Teil in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der ACM, denn alle Beteiligten ist klar, dass Verbesserungen bei der medizinischen Verwendung von Cannabis-basierten Medikamenten notwendig sind.

Zum Teil scheinen die Vertreter dieser Verbände jedoch im vergangenen Jahrhundert stehen geblieben zu sein. Zumindest blenden ihre Stellungnahmen die aktuellen gesellschaftlichen, politischen und juristischen Entwicklungen zum Thema teilweise aus. Das erinnert ein wenig an „Da stelle mer uns mal janz dumm“ von Lehrer Bömmel aus der Feuerzangenbowle von 1944, der eigentlich gar nicht so dumm war. Der bundesdeutschen Bevölkerung und den höchsten deutschen Gerichten ist seit langem klar, dass man der deutschen Bevölkerung eine angemessene Versorgung mit Cannabisprodukten nicht vorenthalten darf. Dies ist mittlerweile auch Konsens in der Politik.

Stellungnahme ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände

Stellungnahme der Bundesärztekammer und der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

Presseschau: Cannabis: ABDA begrüßt Gesetzentwurf (Pharmazeutische Zeitung online)

Die Pharmazeutische Zeitung berichtete über die Stellungnahme der ABDA, Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände.

Cannabis: ABDA begrüßt Gesetzentwurf

Ärzte sollen in Zukunft Cannabis verordnen dürfen, wenn dies medizinisch geboten ist. In einer Stellungnahme begrüßt die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände diese Initiative von Hermann Gröhe (CDU). Der Bundesgesundheitsminister hatte Anfang des Jahres den Referentenentwurf des Gesetzes zur Änderung betäubungsrechtlicher und anderer Vorschriften veröffentlicht. Die Apotheker fordern schon seit geraumer Zeit eine Regelung für die Verordnung von Cannabis durch die Ärzte.

Für den Präsidenten der Bundesapothekerkammer (BAK), Andreas Kiefer, ist die Qualitätssicherung von zentraler Bedeutung. Wenn Patienten aus medizinischen Gründen Cannabis als Arzneimittel anwendeten, dann müsse es aus der Apotheke kommen und eine kontrollierte Qualität haben. Als verschreibungspflichtiges Arzneimittel müsste Cannabis dann auch von den Krankenkassen erstattet werden.

In ihrer Stellungnahme weist die ABDA auch auf die Unterschiede zwischen verschiedenen Cannabissorten hin. Deren Gehalt an Inhaltsstoffen könne deutlich variieren. Daher sollten Ärzte bei der Verordnung von Cannabis Dosierung und Sorte auf dem Rezept angeben. Die Apotheker werden deshalb Qualitätsanforderungen definieren und Empfehlungen zu Darreichungsformen erstellen. Keine Option ist es für Apotheker, Cannabis zu therapeutischen Zwecken zu rauchen. Dies sei nicht akzeptabel.

Nach der Vorstellung der Bundesregierung soll das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) künftig als Cannabisagentur fungieren. Die von den Cannabis-Anbauern erzielte Ernte muss vollständig an die Agentur verkauft werden. Den geschätzten Bedarf legt das BfArM fest. Produzenten brauchen eine Genehmigung für den Anbau.

Presseschau: GKV-Stellungnahme zum Cannabis-Gesetzentwurf: Apotheken-Aufschlag für Cannabis „unangemessen hoch“ (Deutsche Apotheker Zeitung)

Die Deutsche Apotheker Zeitung berichtete über die Stellungnahme der GKV (Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen).

GKV-Stellungnahme zum Cannabis-Gesetzentwurf: Apotheken-Aufschlag für Cannabis „unangemessen hoch“

Der GKV-Spitzenverband befürchtet, die Pläne von Gesundheitsminister Hermann Gröhe, Patienten den Zugang zu Cannabis zu erleichtern, könnten zu weit gehen - und die Kassen teuer zu stehen kommen. Angesichts der dürftigen Evidenz sollte der Patientenkreis stark eingeschränkt werden. Der Preis von Medizinalhanf soll besser bestimmt werden

Grundsätzlich begrüßt der GKV-Spitzenverband die Intention des aktuell vorliegenden Referentenentwurfs zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften: Schwerkranken, denen andere Therapien nicht helfen, soll der Zugang zu Cannabis zu medizinischen Zwecken erleichtert werden. Dennoch meldet der Verband in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf einige Bedenken an.

Unbefriedigende Evidenzlage

Ausgangspunkt ist für ihn dabei, eine unbefriedigende Evidenz bei nicht zugelassenen Cannabis-Arzneimitteln. „Dies betrifft sowohl mangelhafte Belege einer Wirkung von Cannabis als auch Unsicherheiten bezüglich des Nebenwirkungsspektrums und steht im Widerspruch zu den durch eine breite Versorgung mit Cannabis geweckten Hoffnungen bei Patienten. Der Spitzenverband verweist dazu auf eine im vergangenen Jahr veröffentlichte Studie im US-amerikanischen Fachblatt JAMA.

Cannabisarznei in die GKV-Regelversorgung aufzunehmen, ohne dass eine ausreichende Evidenz vorliege, würde das Wirtschaftlichkeitsgebot durchbrechen, kritisiert der Spitzenverband. Daher sollte eine Therapie mit Cannabisarzneimitteln nur im Einzelfall und nur einem sehr umgrenzten Personenkreis ermöglicht werden. Der Gesetzentwurf führt als eine Voraussetzung für den Versorgungsanspruch an, dass „eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf dein spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht“. Der GKV-Spitzenverband hätte es gerne strenger: Aufgrund der Datenlage müsse die begründe Aussicht bestehen, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann. Zusätzlich will er Personen ausschließen, die eine Abhängigkeitsanamnese aufweisen.

Der Gesetzgeber scheine den Evidenzmangel auch erkannt zu haben, so der GKV-Spitzenverband. Denn er fordert die Teilnahme der Patienten an einer Begleitforschung. Der Gesetzentwurf lasse jedoch Regelungen vermissen, wie und durch welche Institution die Begleitforschung organisiert und durchgeführt werden soll – und wie sie finanziert werden soll.

Standardisierte Extrakte und Wirkstoffgehalte

Der GKV-Spitzenverband kritisiert ferner, dass der Gesetzentwurf keine Qualitätsanforderungen an die abzugebenden Cannabisblüten vorsieht. Zum Schutz der Patienten müsse die Verordnungsfähigkeit auf standardisierte Extrakte beschränkt sein. Zumindest der Wirkstoffgehalt müsse standardisiert sein und das Cannabis müsse toxikologisch untersucht sein, um sicherzustellen, dass es nicht verunreinigt ist. Weiterhin fordern die Kassen eine gesetzliche Regelung zulässiger Applikationswege und Zubereitungen durch die Patienten.

Zu viel Geld für Apotheken?

Nicht zuletzt hat der GKV-Spitzenverband finanzielle Einwände. Schon die Preisbildung für Cannabisblüten sei zu unbestimmt. Da es sich bei der Abgabe in der Apotheke um eine Abgabe von Stoffen in unveränderter Form handele, würde ein 100-prozentiger Aufschlag auf den Einkaufspreis berechnet. „Dies erscheint vor dem Hintergrund des für die Apotheke anfallenden Arbeitsaufwandes unangemessen hoch“.

Darüber hinaus: Laut Gesetzentwurf kostet die Therapie mit Medizinalhanf bis zu 1800 Euro im Monat. Diese Kosten seien im Vergleich zu den Kosten für zugelassene Arzneimittel – etwa Sativex® – deutlich höher. Durch den Gesetzentwurf werde es zu einer Ausweitung der Versorgung mit Cannabisarzneimitteln kommen, so der GKV-Spitzenverband, zu welchen Konditionen, sei jedoch unklar. Insbesondere im ersten Jahr, wenn das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte den Anbau noch nicht kontrollieren könne, müsse der Bedarf wohl durch Importe gedeckt werden. Dann könnte die erhöhte Nachfrage zu Versorgungsproblemen und unkalkulierbar steigenden Preisen führen, meinen die Kassen.

Presseschau: Cannabis auf Rezept: Gesetzentwurf sorgt für Diskussionen (Pharmazeutische Zeitung online)

Die Pharmazeutische Zeitung berichtete über die unterschiedlichen Reaktionen, die der Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums ausgelöst hat.

Cannabis auf Rezept: Gesetzentwurf sorgt für Diskussionen

Schmerzpatienten sollen in Zukunft Cannabis von ihrem Arzt bekommen können. Ein entsprechender Gesetzesentwurf von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) löst neben Zustimmung auch Widerstände aus – vor allem beim Thema Kostenübernahme und der sogenannten begleitenden Forschung mit Betroffenen.

Prinzipiell freuen sich die Bundesärztekammer (BÄK), die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) und der GKV-Spitzenverband über den Vorstoß: Mit dem Entwurf für das Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften komme Bewegung in die Debatte über den Einsatz von Cannabis in der Medizin, heißt es. Mit Blick auf das Vorhaben der Regierung allerdings, eine Kostenübernahme von getrockneten Cannabis-Blüten und Extrakten zu ermöglichen, hagelt es Kritik. Im Gegensatz zu den standardisierten Cannabis-Arzneien gebe es für den medizinischen Einsatz der Pflanze keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz, heißt es in einer Stellungnahme der Ärzte. Somit lehnen BÄK und AkdÄ die Kostenübernahme der Krankenkassen aufgrund der möglichen gesundheitlichen Gefahr für die Patienten ab.

Der GKV-Spitzenverband argumentiert hingegen mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit. Dem Gesetzesentwurf zufolge entstehen bei der Cannabis-Therapie eines Patienten geschätzte Kosten von 1800 Euro im Monat. Das sei im Vergleich zu den bisher zugelassenen Arzneimitteln für dieselben Anwendungsgebiete deutlich mehr Geld, so der Verband. Zudem entstehe bei der Abgabe in der Apotheke ein weiteres Preisproblem: Da es sich bei der Cannabisblüte um einen sogenannten Stoff in unveränderter Form handelt, würde der Apotheker laut Arzneimittelpreisverordnung einen Aufschlag von 100 Prozent auf den Einkaufspreis berechnen, heißt es in der Stellungnahme der Kassen. Eine entsprechende Vergütung erscheint dem GKV-Spitzenverband gemessen am Arbeitsaufwand aber zu hoch.

Diskussionen entfacht außerdem die Absicht des Bundesministeriums für Gesundheit, Patienten zur Teilnahme an einem Forschungsprojekt zu verpflichten. Der Gemeinsame Bundesausschuss soll dem Gesetzentwurf zufolge aus den Ergebnissen ableiten, unter welchen Voraussetzungen die Kosten einer Cannabis-Therapie von den Krankenkassen erstattet würden. Vorerst soll die Zahlung demnach explizit an die Teilnahme des Patienten an der Studie geknüpft sein. Die Ärzteschaft hält das für inakzeptabel. Schließlich lasse der gesundheitliche Zwang dem Patienten letztlich keine Wahl, argumentieren sie.

Auch dem GKV-Spitzenverband sind die Umstände der Begleitforschung suspekt, wie er in seiner Stellungnahme betont. Es fehle an Informationen, wer das Projekt organisiert, durchführt und finanziert. Zumal die Ergebnisse bloßer Fallserien weniger aussagekräftig seien als die Prüfung durch offizielle Zulassungsbehörden – wie sie die Erstattung eines Arzneimittels durch die Krankenkassen in der Regel voraussetzt.

Presseschau: Anbau und Anzeige sind der Plan B (Die Oberbadische)

Die Oberbadische berichtete über Alejandro José Häßler, der eine Ausnahmeerlaubnis der Bundesopiumstelle zur Verwendung von Cannabisblüten besitzt. Zur Zeit haben viele Patienten nicht nur das Problem, dass sie sich ihr Medikament finanziell nicht leisten können, sondern dass es weiterhin immer wieder zu Versorgungsengpässen kommt. Bestimmte oder auch alle Cannabissorten sind dann in den Apotheken nicht verfügbar.

Anbau und Anzeige sind der Plan B

Alejandro Josè Häßler will aufrütteln, informieren und endlich wieder ein normales Leben führen. Der 24-jährige Rheinfelder hat die Diagnose ADHS/ADS. Nur der Konsum von Cannabis hilft ihm, seinen Alltag zu meistern. Die Hürden, an seine Medizin zu kommen, sind aber sehr hoch.

Die Erlaubnis nach Paragraf 3 Absatz 2 des Betäubungsmittelgesetzes hat der Familienvater vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte erteilt bekommen. Er darf Cannabisblüten aus der Apotheke zur ärztlich begleiteten Selbsttherapie beziehen. Der Knackpunkt: Pro Monat muss der Rheinfelder für das als Einstiegsdroge und auch als Medizin geltende Cannabis zwischen 1700 bis 1800 Euro berappen. Denn: „Die Krankenkasse weigert sich, wie bei allen nicht tödlich Kranken, diese notwendige Therapie zu bezahlen.“ Der Schwarzmarkt bleibt daher als einzige Alternative, die er aber nicht nutzen will. „Ich habe mir das Recht auf das Medikament erkämpft, doch nun werde ich in die Illegalität getrieben. Ich habe doch eine Frau und ein Kind zuhause.“

Die schulmedizinische Behandlung mit den bekannten Präparaten Ritalin, Medikinet, Strattera zeigt bei Häßler keine Wirkung oder starke Nebenwirkungen. Ohne die Linderung seiner Krankheit sinkt jedoch die Impulskontrolle. Das Aggressionspotenzial steigt, die Zurückhaltung sinkt. „Ich bin sehr leicht reizbar, werde schnell laut und rege mich auf.“

Seine Krankheit hat den 24-Jährigen bereits einige Nerven gekostet. Wegen Cannabis-Konsums musste er zudem seinen Führerschein abgeben, seinen Arbeitsplatz hat er im September vergangenen Jahres verloren und auch seine Ausbildung beim Zoll musste er krankheitsbedingt abbrechen.

Aufgeben will Häßler aber nicht. Vielmehr hofft er aktuell darauf, dass das Lörracher Jobcenter mit Beteiligung des medizinischen Dienstes ihm einen neuen Weg aufzeigen kann. „Dann habe ich viele Möglichkeiten.“ Doch dazu müsse er Cannabis als Medizin nutzen können.

Euphorie bezüglich der Zukunftsperspektive bricht aber nicht aus. „Viele Arbeitgeber tabuisieren noch das Thema Cannabis als Medizin, wodurch ich auch bei meiner Jobsuche auf viele verschlossene Türen stoße.“

Ähnliche Schwierigkeiten habe er bei Medizinern gehabt. Weder sein Hausarzt noch dessen Kollegen, heimische Psychologen oder auch Heilpraktiker wollten den Weg zum legalen Cannabis-Konsum ebnen. „Es herrschte ein grundlegende Desinteresse, sich damit auseinander zu setzen.“ Außerdem will Häßler erkannt haben, dass die Ärzte um ihren Ruf fürchten und sie die Praxis lieber frei von solchen Drogen halten. „So musste ich über 600 Kilometer fahren.“ Den Arzt-Tipp erhielt er über ein Soziales Netzwerk. Drei Monate später lag dann die Erlebnis zum Bezug von Cannabis aus der Apotheke vor.

Dort ist aber auch nicht immer die passende Blüte erhältlich, erzählt Häßler. Seine Erlaubnis beinhalte zwar den Konsum von fünf verschiedenen Sorten, doch nur drei seien tatsächlich für ihn möglich, zwei davon jedoch nicht lieferbar. „Und die eine Blüte ist nicht die Optimalste.“

Die Kostenübernahme will er aber bei der Krankenkasse oder alternativ durch das Jobcenter einklagen beziehungsweise einfordern. Einen Plan B hat der Familienvater zudem als Alternative im Blick: der Eigenanbau seiner Medizin. Dabei bezieht er sich auf ein Urteil aus dem vergangenen Jahr, das eine Einzelfallprüfung des Cannabis-Anbaus zur Eigennutzung vorsieht. Konkret heißt das für Häßler, dass er die Cannabis-Pflanzen bis zur Reife züchtet und zugleich eine Selbstanzeige bei der Staatsanwaltschaft vornimmt, bis der Staat eine gesetzliche Regelung für solche medizinischen Fälle getroffen hat. Denn: „Die politischen Entscheidungsprozesse gestalten sich extrem schleppend.“ Natürlich bestehe beim Selbstanbau das Risiko, dass die Polizei kommt. „Man muss es abwägen.“ Doch zurück auf den Schwarzmarkt will er auch nicht.

Presseschau: SG Dortmund zu verspäteter Entscheidung über Leistungsantrag: Krankenkasse muss Cannabis bezahlen (Legal Tribune Online)

Nach einem Urteil des Sozialgerichts Dortmund muss eine Krankenkasse innerhalb eines angemessenen Zeitraums darüber entscheiden, ob die Kosten für eine Behandlung mit Cannabis-basierten Medikamenten übernommen werden. Sonst muss die Krankenkasse zahlen.

SG Dortmund zu verspäteter Entscheidung über Leistungsantrag: Krankenkasse muss Cannabis bezahlen

Die Krankenkasse muss rechtzeitig über Leistungsanträge ihrer Mitglieder entscheiden. Sonst greift die Genehmigungsfiktion. So auch bei Cannabis-Produkten, entschied nun das SG Dortmund.

Krankenkassen sind verpflichtet, die Kosten für Cannabis, für welches der Versicherte ein Rezept hat, zu tragen, wenn sie nicht rechtzeitig über den Leistungsantrag entschieden haben. Das Sozialgericht (SG) Dortmund hat entschieden, dass die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V) auch im Zusammenhang mit betäubungsmittelrechtlichen Sondergenehmigungen zum Erwerb von Cannabis anwendbar ist (Urt. v. 22.01.2016, Az. S 8 KR 435/14).

Der klagende Versicherte leidet nach einem Unfall an schweren chronischen Schmerzzuständen, für deren Behandlung ihm eine betäubungsmittelrechtliche Sondergenehmigung zum Erwerb von Medizinal-Cannabisblüten erteilt wurde. Bei seiner Versicherung, der Barmer GEK, beantragte er die Übernahme der Kosten. Zweieinhalb Monate darauf lehnte diese den Antrag jedoch ab, nachdem sie eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen eingeholt hatte. Zur Begründung trug sie vor, dass es sich bei Cannabisblüten weder um ein Arzneimittel noch um eine Rezepturvorbereitung handele. Darüber hinaus stünden dem Versicherten andere geeignete Medikamente zur Verfügung.

Die Ablehnung erfolgte jedoch zu spät und sei daher, ebenso wie die Gründe der Versicherung, unbeachtlich, entschied nun das SG und verurteilte die Barmer GEK, die Kosten für die monatliche Versorgung des Versicherten zu übernehmen.

Unabhängig von der Frage, ob eine Krankenversicherung generell zur Übernahme der Kosten für Cannabisblüten verpflichtet ist, sei hier die gesetzliche Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB V eingetreten. Danach muss eine Krankenkasse innerhalb von fünf Wochen über den Antrag des Versicherten befinden und ihre Entscheidung begründen. Versäumt sie diese Frist, tritt die Genehmigungsfiktion ein. Dadurch seien sämtliche Einwendungen der Barmer GEK ausgeschlossen.

Durch die 2013 eingeführte Genehmigungsfiktion solle generalpräventiv die Zügigkeit des Verwaltungsverfahrens der Krankenkassen verbessert werden. Es liefe diesem Zweck zuwider, wenn die Krankenkasse die Leistung noch nach Fristablauf verweigern dürfte.

Sozialgericht Dortmund, Urteil vom 22.01.2016 - S 8 KR 435/14 –