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ACM-Mitteilungen vom 12. November 2022
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Liebe Leserin, lieber Leser,
zwei Beschlüsse haben in den vergangenen Tagen Aufsehen erregt: (1) der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses zur weiteren Ausgestaltung des Cannabis als Medizin-Gesetzes, der die Kostenübernahmen durch die gesetzlichen Krankenkassen weiter erschweren würde, sowie (2) die die Entscheidung des Bundessozialgerichts zur Kostenübernahme von cannabisbasierten Medikamenten durch die gesetzlichen Krankenversicherungen.
Die Tagesschau berichtete über hohe Hürden für eine Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen, die durch das Bundessozialgericht bestätigt wurden. Das Bundessozialgericht hat auf seiner Webseite die vier Fälle, in denen es um die Urteile ging, ausführlich vorgestellt. Nur einer der Kläger war erfolgreich.
Die ACM und andere im Cannabisbereich aktive Institutionen sehen den Beschluss des G-BA (Gemeinsamen Bundesausschusses) kritisch. Die ACM wird daher im Rahmen des Stellungnahmeverfahrens eine ausführliche Stellungnahme anfertigen. Darüber hinaus planen einige Verbände, darunter auch ACM und der Patientenverband SCM, eine gemeinsame kurze Stellungnahme.
Besonders kritisch sehen viele Verbände die geplante weitgehende Verdrängung der Hausärzte aus der Versorgung mit cannabisbasierten Medikamenten im Rahmen der GKV sowie den Versuch, die Therapie mit Cannabisblüten zugunsten von Cannabisextrakten zurückzudrängen. Wir nehmen die Vorschläge des G-BA ernst, da dieser per Gesetz die Entscheidungsgewalt darüber hat, wie das Cannabis als Medizin-Gesetz zukünftig ausgestaltet werden soll.
Kurz gesagt: Die Umsetzung der – vorläufigen – Beschlüsse des G-BA würde zu einer erneuten Erschwerung für Patientinnen und Patienten führen, cannabisbasierte Medikamente von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet zu bekommen. Es bleibt aber noch abzuwarten, wie der Studienbericht nach Berücksichtigung der Stellungnahmen der Verbände endgültig aussehen wird.
Nach dem gegenwärtigen Stand der politischen Diskussion könnte es in den kommenden zwei Jahren Fortschritte bei der Cannabisverwendung für den Freizeitkonsum durch Erwachsene geben, jedoch Rückschritte bei der Versorgung der Bevölkerung mit cannabisbasierten Medikamenten. Zwar gab und gibt es Bekundungen von Fachpolitikern aus dem Deutschen Bundestag, dass auch beim Cannabis als Medizin-Gesetz Verbesserungen notwendig sind. Bisher liegen im Gegensatz zum Eckpunktepapier zur generellen Legalisierung jedoch keine konkreten Pläne oder konkrete Absichten zum Thema Cannabis als Medizin vor.
Und im Übrigen: Das Betäubungsmittelgesetz wurde geschaffen, um Menschen vor gesundheitlichen Schäden durch Betäubungsmittel zu schützen. Es wurde nicht geschaffen, um kranke Menschen durch strafrechtliche Maßnahmen zu schädigen!
Franjo Grotenhermen
Interview mit Vayamed
Vayamed hat neue Anwendungsformen für Cannabis-basierte Medikamente auf den Markt gebracht. Die ACM hat darüber mit Vayamed gesprochen.
ACM: Für wen sind diese Anwendungen gedacht?
Vayamed: Die Vayamed Cannakits sollen die Therapiemöglichkeiten mit alternativen Darreichungsformen erweitern. Das Nasenspray kann eine diskret anwendbare Alternative zur oralen oder inhalativen Einnahme darstellen. Das Rektalzäpfchen kann als Alternative z. B. in der Palliativmedizin Anwendung finden. Die Vaginalzäpfchen eröffnen darüber hinaus mögliche Anwendungsbereiche in der Frauengesundheit, z. B. zur Behandlung von Endometriosesymptomen oder Entzündungen im Vaginalbereich.
ACM: Sind die CannaKits sowohl für CBD als auch THC gedacht?
Vayamed: Die Cannakits eignen sich zur Herstellung von Rezepturen auf Basis von Cannabisextrakten. Sowohl THC- als auch CBD-haltige Extrakte können eingesetzt werden.
ACM: Was müssen Patient:innen und Ärzt:innen ganz praktisch tun, um diese Produkte anwenden zu können, und wie teuer sind sie?
Vayamed: Der ausgewählte Cannabisextrakt wird auf einem BtM-Rezept als entsprechende Zubereitung verordnet, Die Kosten für die Rezeptur setzen sich aus dem eingesetzten Cannabisextrakt und den verwendeten Hilfsstoffen und Packmitteln zusammen. Die drei Rezeptur-Sets sind mit folgenden Preisen in der Lauer-Taxe gelistet (der Cannabisextrakt ist nicht enthalten):
Vayamed Cannakit® Nasenspray: 22,09 €
Vayamed Cannakit® Rektalzäpfchen: 25,05 €
Vayamed Cannakit® Vaginalzäpfchen: 20,14 €
Interview mit Cansativa
Cansativa hat eine Cannabisblütensorte mit einem THC-Gehalt von 29 % auf den Markt gebracht. Das wäre vor wenigen Jahren noch kaum vorstellbar gewesen. Die ACM hat daher mit Cansativa gesprochen.
ACM: Ich habe erfahren, dass Sie eine Cannabisblütensorte mit einem THC-Gehalt von 29 % auf den Markt bringen möchten. Das wäre ja vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen. Können Sie uns kurz etwas zu den neuen Sorten von Cansativa mitteilen?
Cansativa: Ja, es stimmt. Die neuen Produkte haben einen höheren THC-Gehalt als die üblichen Standardprodukte. Cansativa bringt unter dem Markendach "AMICI" mehrere neue Produkte auf den Markt. Die Marke soll Anbauern, die Qualitätsprodukte liefern können, die Möglichkeit geben, einen Marktzugang nach Deutschland zu erhalten. Der Verkauf in den Apotheken startet ab dem 15.11.2022.
ACM: Beides sind zumindest auf dem Papier indica-dominante Sorten. Gibt es Unterschiede zwischen den beiden Sorten?
Cansativa: Ja, die Unterschiede sind deutlich anhand des Terpenprofils zu erkennen. Der eine Kultivar hat ein eher würziges Profil mit einem hohen Anteil an dem Indica typischen Terpen Myrcen, zudem Limonen und Caryophyllen als Hauptterpene.
Der andere Kultivar hat ein außergewöhnlich fruchtig-süßliches Terpenprofil mit hohen Anteilen an Farnesen und Limonen, zudem Caryophyllen.
ACM: Wo werden die Sorten preislich für den Einkauf durch Apotheken liegen?
Cansativa: Die Produkte werden an Apotheken mit Preisen von 9,52-10,52€/g verkauft.
Presseschau: G-BA: Allgemeinmediziner sollen kein Cannabis mehr verordnen dürfen (Deutsches Ärzteblatt)
Das Deutsche Ärzteblatt berichtete über die vorläufigen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Therapie und Kostenübernahme von Cannabis-Medikamenten durch die gesetzlichen Krankenkassen und hebt dabei die Absicht des G-BA hervor, Hausärzte weitgehend von dieser Therapieoption auszuschließen.
G-BA: Allgemeinmediziner sollen kein Cannabis mehr verordnen dürfen (Deutsches Ärzteblatt)
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) plant Änderungen bei der Regulierung von medizinischem Cannabis. In einem Stellungnahmeverfahren können Fach- und Branchenverbände nun auf Vorschläge des Gremiums für eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) reagieren.
Unter anderem sollen Allgemeinmediziner kein Cannabis mehr verordnen dürfen. Die Verordnung von medizinischem Cannabis könnte damit künftig restriktiver gehandhabt werden als bisher.
Der G-BA schlägt in seinem Beschluss zum Stellungnahmeverfahren vor, in die AM-RL einen neuen Paragrafen einzufügen, wonach die Verordnung von Cannabisarzneimitteln nur noch für gesetzlich Krankenversicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist.
Voraussetzung ist demnach, dass „eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung“ nicht zur Verfügung steht. Außerdem müsse eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome bestehen.
Bisher konnten Ärzte auch eine begründete Einschätzung abgeben, dass sie andere Therapieoptionen ausgeschöpft haben und für nicht geeignet erachten.
Außerdem sollen Ärzte verpflichtet werden, bei einer Therapie mit Cannabisarzneimitteln „die Zweckmäßigkeit einer Weiterbehandlung innerhalb der ersten drei Monate engmaschig und anschließend in regelmäßigen Abständen zu beurteilen“. Die verordnenden Ärzte müssten dann Art, Dauer und Ergebnis des Einsatzes von Cannabisarzneimitteln in der Patientenakte dokumentieren.
Auch beim sogenannten Genehmigungsvorbehalt könnte sich etwas ändern: Bisher dürfen die Krankenkassen die Erstattung bei der ersten Verordnung für einen Versicherten laut Gesetz nur in begründeten Ausnahmefällen ablehnen. Davon machen sie ausgiebig Gebrauch: Unterschiedlichen Erhebungen zufolge werden bundesweit zwischen einem Viertel und einem Drittel der Kostenübernahmeanträge für Cannabistherapie abgelehnt.
Der G-BA schlägt nun eine neue Formulierung zum Anspruch auf Versorgung mit Cannabisarzneimitteln vor: Demnach bedarf die Verordnung von Cannabisarzneimitteln bei der ersten Verordnung einer Genehmigung der Krankenkasse. Die Genehmigung sei dann zu erteilen, wenn die Voraussetzungen zur Leistungsgewährung erfüllt sind. Lediglich in der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) soll es den G-BA-Vorschlägen zufolge keine Genehmigungspflicht mehr geben.
Die vielleicht größte Änderung könnte jedoch mit Blick auf die verordnenden Ärzte anstehen: Demnach sollen Allgemeinmediziner künftig kein Cannabis mehr verordnen dürfen. Stattdessen sollen künftig nur noch Fachärzte mit bestimmter Qualifikation bei bestimmten Indikationen verordnen dürfen.
So dürften beispielsweise bei Epilepsie und Migräne nur noch Fachärzte für Neurologie oder bei Darmkrankheiten nur Fachärzte für Innere Medizin und Gastroenterologie verschreiben. In den meisten Indikationen sind es mehrere Facharztgruppen, beispielsweise Fachärzte für Neurologie sowie solche für Psychiatrie und Psychotherapie bei ADHS.
Außerdem sollen Blüten künftig nur noch die letzte Option sein: Vor einer Verordnung müsse der Arzt prüfen, ob andere Cannabisarzneimittel wie Extrakte zur Behandlung geeignet sind. Eine Verordnung von Blüten müsste demnach dann besonders begründet werden.
Den Beschluss zur Aufnahme des Stellungnahmeverfahrens hat der G-BA am 25. Oktober gefällt. Stellungnahmeberechtigt sind neben mehreren Pharmaverbänden auch die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AkDÄ) und die Cannabisagentur beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
Als Frist zur Stellungnahme sieht der G-BA vier Wochen vor. Die Ergebnisse des Verfahrens sollen dann von den Gremien des G-BA ausgewertet werden und in die weiteren Beratungen einfließen. Ziel der Beratungen ist es, einen Beschlussvorschlag ins Plenum zu bringen.
Wie lange es vom Ende des Stellungnahmeverfahrens bis zu einem Beschluss des Plenums dauern wird, könne im Moment noch nicht abgeschätzt werden, erklärt eine Sprecherin des G-BA auf Anfrage.
Allerdings drängt die Zeit, denn Auslöser des Verfahrens ist das „Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften“, besser bekannt als das „Cannabis-als-Medizin-Gesetz“: Mit ihm wurde das BfArM beauftragt, eine nicht interventionelle Begleiterhebung durchzuführen.
Deren Ergebnisse wiederum musste das BfArM wiederum an den G-BA übermitteln, damit der auf Basis der Auswertungsergebnisse das Nähere zur Leistungsgewährung in seinen Richtlinien regelt. Die Begleiterhebung hatte das BfArM Anfang Juli vorgestellt – das gelte auch als Zeitpunkt der Übermittlung der Daten an den G-BA. Ab da hat er sechs Monate Zeit, sich auf die neuen Regelungen zu einigen.
„Der G-BA ist bemüht, die gesetzliche Frist zur Regelung des Näheren zur Leistungsgewährung durch eine Beschlussfassung Anfang des nächsten Jahres einzuhalten“, erklärt die Sprecherin. „Nach abschließender Beschlussfassung und Inkrafttreten der Vorgaben in der Arzneimittel-Richtlinie werden diese dann bei der Verordnung von Cannabis-Arzneimittel zu berücksichtigen sein.“
Hintergrund: Wissenswertes zum Beschluss des G-BA zu Cannabis als Medizin
Hier einige Informationen und erste Anmerkungen zum Beschluss des G-BA (Gemeinsamen Bundesausschusses)
1. Der G-BA arbeitet auf der Grundlage des Cannabis als Medizin-Gesetzes aus 2017
Der G-BA (Gemeinsame Bundesausschuss) regelt nach dem Cannabis als Medizin-Gesetz aus 2017 die weitere Umsetzung des Gesetzes. Im § 31 Abs. 6 Sozialgesetzbuch V, der bisher im Wesentlichen die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung regelte, weist den G-BA erhebliche Kompetenzen bei der weiteren Ausgestaltung zu. So heißt es „Auf der Grundlage der Ergebnisse der Begleiterhebung nach Satz 5 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss innerhalb von sechs Monaten nach der Übermittlung der Ergebnisse der Begleiterhebung in Form eines Studienberichts das Nähere zur Leistungsgewährung in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Studienbericht wird vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf seiner Internetseite veröffentlicht.“
2. Der G-BA unterliegt der Rechtsaufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit
Der G-BA unterliegt der Rechtsaufsicht durch das Bundesministerium für Gesundheit. So entwickelt der G-BA Richtlinien, die er zur Prüfung der Rechtmäßigkeit dem Bundesgesundheitsministerium vorlegt. Das Gesundheitsministerium hat also nur einen begrenzten Einfluss auf diese Richtlinien.
So heißt es auf der Seite des Gemeinsamen Bundesausschusses: „Die Rechtsaufsicht über den G-BA hat – so ist es in § 91a SGB V geregelt – das Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Der G-BA legt dem BMG die Richtlinien zur Prüfung der Rechtmäßigkeit vor. Das Ministerium hat das Recht, die vorgelegten Richtlinien innerhalb von zwei Monaten zu beanstanden; bei Beschlüssen nach § 35 Abs. 1 SGB V (Festbetragsgruppen für Arzneimittel) beträgt die Frist vier Wochen.“
3. Der G-BA hat in seiner Stellungnahme zum Cannabis als Medizin-Gesetz die Begleiterhebung als unzureichend kritisiert
In seiner Stellungnahme vom 16. September 2016 zum Cannabis als Medizin-Gesetz hat der G-BA die geplante und schließlich auch durchgeführte Begleiterhebung zwischen 2017 und 2022 als unzureichend kritisiert und erklärt, dass weitergehende Maßnahmen notwendig sind, um eine aussagekräftige Grundlage für das weitere Vorgehen zu schaffen. Dennoch muss der G-BA entsprechend des gesetzlichen Auftrags auf einer Grundlage entscheiden, die er vor 6 Jahren als unzureichend kritisiert hatte.
So heißt es in der Stellungnahme des G-BA von 2016: "Aus Sicht des G-BA ist zudem eine geeignete und aussagefähige Evidenzgrundlage notwendige Voraussetzung zur Regelung der Einzelheiten der Leistungsgewährung nach Abschluss der vorgesehenen Begleiterhebung. Insofern ergibt sich im Zusammenhang mit der zunächst allein in der ärztlichen Verantwortung liegenden Therapie mit Medizinalhanf und Cannabisextrakten die Notwendigkeit der methodisch adäquaten und aussagekräftigen Begleitforschung in Form einer klinischen Studie mit patientenrelevanten Endpunkten. Die alleinige Erhebung von Routinedaten aus der ärztlichen Praxis ist nach Einschätzung des G-BA nicht als aussagefähige Evidenzgrundlage geeignet."
4. Der G-BA arbeitet auf der Grundlage der Ergebnisse der Begleiterhebung, die allgemein als wenig aussagekräftig betrachtet wird
In den Abschlussbericht der Begleiterhebung gingen etwa 16.000 Patientinnen und Patienten ein, von insgesamt etwa 100.000 Patienten, die eine cannabisbasierte Therapie in Deutschland erhalten. Die mangelnde Repräsentativität wurde selbst von den Autoren des Abschlussberichts der Begleiterhebung eingeräumt. Entsprechend wurde von der ACM und anderen Verbänden kritisiert, dass es auf der Grundlage der Begleiterhebung nicht möglich ist, valide Aussagen zu machen über geeignete Indikationen für Cannabismedikamente, über die in der Praxis verwendeten Dosierungen, über ein Vergleich der Kosten zwischen Cannabisextrakten und Cannabis Blüten sowie über Vor- und Nachteile der verschiedenen Medikamente.
Im Einzelnen hat die ACM aufgrund ihrer Analyse festgestellt:
1. Insgesamt wurde nur ein Bruchteil der Cannabispatient:innen in Deutschland durch die Begleiterhebung erfasst.
2. Mit der Begleiterhebung wurde nur ein Teil der Patient:innen erfasst, die gemäß Auskunft der gesetzlichen Krankenkassen eine Kostenübernahme erhalten haben.
3. Es wurde nur ein Teil der Indikationen erfasst, bei denen cannabisbasierte Medikamente verschrieben wurden.
4. Die Kostenübernahme war offenbar abhängig von der Art des verordneten Medikamentes.
5. Der Abschlussbericht liefert keine Erklärung für unterschiedliche Dosen bei der Verschreibung von Extrakten einerseits und Blüten andererseits.
6. Cannabispatienten sind durchschnittlich älter als Freizeitkonsumenten.
7. Viele Patienten erlebten durch Cannabis-Medikamente eine Verbesserung der Lebensqualität.
8. Bei der Verschreibung von Blüten waren im Vergleich zur Verschreibung von Cannabisextrakten der Therapieerfolg höher und die Nebenwirkungen geringer.
9. Nebenwirkungen sind häufig, aber in der Regel nicht schwerwiegend.
10. Die Abbruchrate aufgrund von mangelnder Wirksamkeit war gering.
11. Spekulationen über Missbrauch und Abhängigkeit bei der medizinischen Verwendung von Cannabis durch Männer und Patienten mit geringem Alter entbehren einer Basis.
12. Die Daten des Abschlussberichts liefern keine gute Grundlage für Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses für die zukünftige Kostenübernahme von cannabisbasierten Medikamenten.
Auch der G-BA erkennt ebenfalls an, dass der Abschlussbericht der Begleiterhebung nur eingeschränkt als Evidenzgrundlage nutzbar ist. So schreibt dieser in seiner Stellungnahme: „Bei der durchgeführten Begleiterhebung des BfArM handelt es sich um eine Erhebung von Behandlungsdaten, aus der kein Beleg für die Wirksamkeit und Sicherheit abgeleitet werden kann. Somit ergeben sich aus ihr grundsätzlich keine Kriterien zur Abgrenzung von Patientengruppen oder bestimmten Produkten, für die ein Nutzen als belegt gelten … kann.“
5. Es ist fraglich, ob der G-BA seinem rechtlichen Auftrag nachkommt
Der GBA ist angehalten, seinen Studienbericht auf „der Grundlage der Ergebnisse der Begleiterhebung“ zu erstellen.
Wenn dies tatsächlich die Grundlage für seinen Studienbericht sein soll, dann ist fragwürdig, dass der G-BA Hausärzte, die bisher einen großen Anteil der Verschreibungen von Cannabis-Medikamenten zulasten der GKV ausmachen, nun weitgehend ausgeschlossen werden sollen. Aus dem Abschlussbericht über die Begleiterhebung ergeben sich keinerlei Hinweise, dass Hausärzte eine Cannabistherapie weniger qualifiziert, weniger sorgfältig oder weniger erfolgreich durchgeführt haben als Fachärzte. Wenn der Abschlussbericht dazu keine Informationen liefert, wie kann dann der G-BA eine solche Differenzierung vornehmen?
Gemäß des Abschlussberichts der Begleiterhebung war der Therapieerfolg bei der Verschreibung von Cannabisblüten im Vergleich zur Verschreibung von Cannabisextrakten höher und die Nebenwirkungen geringer. Dennoch möchte der G-BA die Hürden für eine Kostenübernahme von Cannabisblüten höher legen als bei einer Kostenübernahme für Cannabisextrakte. Wenn jedoch bei den Blüten die Therapieerfolge höher und die Nebenwirkungen geringer sind, warum sollen Krankenkassen primär Kosten für die weniger wirksamen und mit stärkeren Nebenwirkungen verbundenen Cannabisextrakte verschreiben?
Diese Beispiele zeigen, dass die Ausführungen und die so genannten “Tragenden Gründe“ des G-BA in wesentlichen Punkten nicht auf dem Abschlussbericht der Begleiterhebung, sondern auf anderen Überlegungen beruhen.
Presseschau: Hohe Hürden für Cannabisverordnung auf Kassenkosten (Deutsches Ärzteblatt)
Das Bundessozialgericht hat über mehrere Klagen von Patienten gegen eine Ablehnung der Kostenübernahme durch Ihre Krankenkasse entschieden.
Hohe Hürden für Cannabisverordnung auf Kassenkosten
Für die Verordnung von Cannabis zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gelten hohe Anforderungen. Die Krankheit der Patienten muss sich deutlich „von durchschnittlichen Erkrankungen abheben“, wie heute das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel entschied.
Danach müssen die behandelnden Ärzte umfassend begründen, warum andere Therapien nicht in Betracht kommen (Az: B 1 KR 21/21 R und weitere). Die ärztliche Verordnung von Cannabis ist bei „schwerwiegenden Erkrankungen“ grundsätzlich schon seit März 2017 möglich, wenn dies zur Linderung führen kann. Insbesondere bei chronischen Schmerzen gilt die Droge oft als gute Behandlungsmöglichkeit.
Voraussetzung für eine Verordnung ist laut Gesetz, dass es keine anderen Therapien gibt oder diese im konkreten Fall nicht angewendet werden können. Anders als üblich ist zudem vor der erstmaligen Verordnung eine Genehmigung der Krankenkasse erforderlich.
Um diese Voraussetzungen gibt es immer wieder Streit – etwa darum, wie oft und wie lange Kranke alternative Therapien erproben müssen, ehe Ärzte Cannabis verordnen dürfen. Umstritten war auch, inwieweit mehrere weniger schwere Erkrankung in der Summe als „schwerwiegende Erkrankung“ gelten können und ob eine Cannabisabhängigkeit der Verordnung entgegensteht.
Erstmals entschied das BSG nun in vier Fällen hierzu. Die Kläger leiden unter Epilepsie, ADHS, Schmerzen sowie psychischen und weiteren Erkrankungen. In allen Fällen verweigerten die Krankenkassen die Genehmigung aus verschiedenen Gründen.
Nach den Kasseler Urteilen ist in der Regel von einer „schwerwiegenden Erkrankung“ auszugehen, wenn ein Grad der Behinderung von 50 besteht oder die bestehenden Erkrankungen dem gleichkommen. Auch darunter kann die Verordnung von Cannabis aber möglich sein. Auch sei eine formelle Feststellung des Behinderungsgrads nicht erforderlich.
Maßgeblich seien die durch Schmerzen oder Funktionsstörungen ausgelösten Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit, der Fähigkeit zur Selbstversorgung sowie der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, erklärte das BSG.
Zugunsten der Patienten urteilte das BSG, dass auch mehrere leichtere Erkrankungen in der Summe zu einer Beeinträchtigung führen können, welche die Verordnung von Cannabis erlaubt. Früherer Cannabiskonsum oder auch eine Abhängigkeit stehen der Verordnung nicht generell entgegen.
Allerdings betonte das BSG, dass es sich zumindest in der Summe um besonders schwere Erkrankungen handeln muss. Dabei reicht die Diagnose solcher Erkrankungen nicht aus. Vielmehr müssen die Ärzte genau begründen, warum sie Cannabis verordnen wollen.
An diese „begründete Einschätzung“ stellten die Kasseler Richter besonders hohe Anforderungen. Sie muss eine Beschreibung des Krankheitszustands und des Behandlungsziels enthalten. Weiter müssen die Ärzte beschreiben, welche alternativen Therapien sie erprobten und zu welchen Ergebnissen und Nebenwirkungen dies führte.
Dies müssen sie dann mit den möglichen Folgen und Nebenwirkungen des Cannabiskonsums abwägen. Die Krankenkasse darf dann nur prüfen, ob diese Einschätzung „vollständig und nachvollziehbar“ ist – wenn ja, darf sie die Cannabisversorgung nicht ablehnen.
Im Ergebnis wies das BSG drei Klagen ab. Überwiegend hatten die behandelnden Ärzte sich nach Überzeugung der Kasseler Richter unzureichend mit anderen Therapiemöglichkeiten auseinandergesetzt. Den Fall des ADHS-Kranken verwies das BSG zur weiteren Klärung an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in Celle zurück.
Presseschau: Überfällig oder gefährlich? (Deutschlandfunk)
In einem Beitrag des Deutschlandfunks fand eine Diskussion über die Haltung der Ärzteschaft zur geplanten Cannabislegalisierung statt. Dabei kamen die Vorsitzende der ACM, Professorin Dr. Kirsten Müller-Vahl, sowie der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, zu Wort.
In Deutschland wird gekifft: Fast jeder dritte Erwachsene hat mindestens einmal zum Joint gegriffen. Um den Schwarzmarkt auszutrocknen, will die Bundesregierung Cannabis legalisieren. Befürworter jubeln, Kritiker warnen vor gesundheitlichen Schäden.
Die Pläne der Bundesregierung für eine andere Drogenpolitik
Fakt ist: In Deutschland wird gekifft. Fast jeder dritte Erwachsene hat bereits mindestens ein Mal in seinem Leben zum Joint gegriffen – bei unter 25-Jährigen jeder Vierte. Jährlich werden 200 bis 400 Tonnen Cannabis konsumiert, so der Deutsche Hanfverband.
„Eine drogenfreie Welt wird es nicht geben“
„Ich glaube, dass die bisherige Verbotspolitik ihr Ziel nicht erreicht, hat“, sagt Prof. Dr. Kirsten Müller-Vahl, Oberärztin an der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover und Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin. „Das Ziel war ja, dass möglichst wenig Menschen Cannabis einnehmen, und das ist komplett gescheitert.“
Die Medizinerin gehört zu den Befürwortern einer kontrollierten Freigabe an Erwachsene, auch, um die Qualität der Substanzen zu garantieren und den Schwarzmarkt auszutrocknen.
Ihr Plädoyer: „Der richtige Weg ist Aufklärung, informieren, dass jede Droge Risiken hat. Alkohol hat Risiken, Nikotin hat Risiken. Auch Cannabis hat Risiken. Und wenn man das versteht, dann kann man sicherlich verantwortungsbewusst damit umgehen.“
Es sei Zeit für einen realistischeren Umgang mit dem Thema, so Müller-Vahl. Denn: „Eine drogenfreie Welt wird es nicht geben.“
„Das hat mit Jugendschutz nichts zu tun“
„Es ist erschreckend, dass sich ein Gesundheitsminister, der zugleich Arzt ist, für die Legalisierung einer Droge einsetzen muss“, sagt Dr. Klaus Reinhardt. Der Präsident der Bundesärztekammer ist ein vehementer Kritiker einer Freigabe von Cannabis.
„Das ist eine Substanz, von der wir wissen, dass sie potenziell süchtig machend ist“, warnt er. „Dass sie bei Menschen, die noch nicht das 21., 22. Lebensjahr erreicht haben, hirnorganische Veränderungen macht. Eine Substanz, von der wir wissen, dass sie eine Zunahme von Psychosen, von Depressionen, von Angststörungen und kognitiven Störungen auslöst. Das hat mit Jugendschutz nichts zu tun!“
Auch die Erwartung, dass durch die Regulierung, Legalisierung und Entkriminalisierung der Schaden verringert werde, sei nicht belegt. Ziel müsse es vielmehr sein, die Verbreitung suchtauslösender Substanzen einzuschränken, so der Allgemeinmediziner.
Veranstaltungen
13. November von 15:00 bis 17:00 Uhr
Die Therapie mit Cannabis und Cannabinoiden
22.- 23. November
06.-07. Dezember
Cannabis is our Business. Der Fachkongress zur Legalisierung von Cannabis
11. Dezember 2022 um 15:00 bis 17:00 Uhr
Cannabis als Medizin und Führerschein
Einige weitere Meldungen der vergangenen Tage
Hohe Hürden für Cannabis-Verordnung auf Kosten der Krankenkassen (Juraforum)
Heilen mit Hanf: Wie Cannabis bei Krankheiten helfen kann (Geo)
BÄK-Präsident: Cannabis-Legalisierung hat „nichts mit Jugendschutz zu tun“ (Ärztezeitung)
Die Tschechische Republik auf dem Weg zur Cannabis-Legalisierung“ (Deutsche Welle)
Was Deutschland bei der Cannabis-Legalisierung von Uruguay lernen kann“(Wirtschaftswoche)
VCA plädiert für OTC-Cannabis in der Apotheke“ (DAZ.Online)
Merz will gegen Legalisierung von Cannabis kämpfen“ (Deutsches Ärzteblatt)