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ACM-Mitteilungen vom 11. Mai 2024

 Liebe Leserin, lieber Leser,

diese Meldung überrascht, zumindest auf den ersten Blick: „Apotheken sollen Cannabis auch ohne Rezept verkaufen können“, fordert der Chef des Apothekerverbandes Nordrhein. Gleichzeitig sind bei einigen Ärzten die Schwelle für die Verschreibung von cannabisbasierten Medikamenten gesunken. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland hat hier vor allem den Doktor Internet ausgemacht. Entwickelt sich hier gerade eine Koalition geschäftlicher Interessen einiger Ärzte und Apotheker zur Umsetzung einer unerwarteten Form der Cannabislegalisierung? Offensichtlich findet zumindest eine zunehmende Vermischung von medizinischer Verwendung und Freizeitkonsum statt?

Die CSU stellt noch eine weitere Frage. Darf in der PULS Reportage des Bayerischen Rundfunks darüber informiert werden, wie man Cannabis selbst anbaut? Die Berliner Zeitung berichtete darüber, dass die CSU die Löschung der Reportage fordert.

Die Entwicklung neuer THC-Grenzwerte für Cannabiskonsumenten, die am Straßenverkehr teilnehmen, nimmt konkretere Formen an. Die Diskussion im Deutschen Bundestag steht online zur Verfügung. Nach unserem Eindruck haben wir in den zuständigen Bundestagsabgeordneten in der Regierungskoalition – Swantje Michaelsen (Grüne), Mathias Stein (SPD) und Jürgen Lenders (FDP) – engagierte Verfechter für eine sinnvolle und machbare Neugestaltung der wissenschaftlich unhaltbaren Rechtslage. Einen ganz konkreten Gewinner haben die aktuellen Gesetzespläne bereits: Das Amtsgericht Dortmund sprach einen Verkehrsteilnehmer frei, bei dem 3,1 ng/ml THC im Blutserum festgestellt wurden. Es betrachtete die Vorschläge der Expertengruppe als „antizipiertes Sachverständigengutachten“.

Heiter weiter

Franjo Grotenhermen

 

Online-Fortbildungsveranstaltung der ACM am 25. Mai

Der ACM-Vorstand hat beschlossen, die geplante Online-Fortbildungsveranstaltung am 25. Mai nicht im Charakter einer Konferenz mit vorwiegend Frontalvorträgen, sondern eher im Stile eines kostenlosen Intensiv-Workshops für Ärztinnen und Ärzte mit maximaler Beteiligung der Teilnehmer:innen durchzuführen.

Zeit: Samstag, 25. Mai 2024 von 14:00 Uhr bis etwa 18:30 Uhr

Ort: Online als Zoom-Webinar

Teilnahmegebühr: Nullkommanix

Referent:innen: Rechtsanwalt Professor Oliver Tolmein, Professorin Kirsten Müller-Vahl, Dr. Franjo Grotenhermen und ungenannte erfahrene und weniger erfahrene Kolleginnen und Kollegen

Programm: Das Programm besteht aus 3 Blöcken.

1. Block: 14:00 Uhr bis 15:30 Uhr: Einführung in die Cannabis-Therapie (Indikationsstellung, Auswahl geeigneter Medikamente, oral und/oder inhalativ, CBD und/oder THC, häufige Anfängerfehler, etc.)

2. Block: 15:30 Uhr bis 17:00 Uhr: Rechtliche Fragen (Kostenübernahme, Cannabis und Führerschein, etc.)

3. Block: 17:00 Uhr bis 18:30 Uhr: Einsatzgebiete (Überblick und Fallberichte)

Wir haben in der internen ACM-Mailingliste für Ärztinnen und Ärzte eingeladen, sich mit Erfahrungen und interessanten Fällen in die Fortbildung und Diskussion einzubringen. Wir erwarten Fallberichte über einen Regress wegen Überschreitung der damaligen Verschreibungshöchstmenge für Cannabisblüten von 100 g im Monat, die Verwendung bei Cluster-Kopfschmerzen und Mamma-Karzinom, eine interessante Beobachtung mit CBD und viele andere.

Wir möchten Sie herzlich einladen, ebenfalls das ACM-Büro (info@arbeitsgemeinschaft-cannabis-medizin.de)  zu kontaktieren und einen interessanten Fall aus Ihrer Arztpraxis vorzuschlagen. Falls wir während des Workshops genug Zeit haben, so könnte es auch möglich sein, spontan noch einen Fall zur Diskussion zu stellen.

Krankenkassen: über 2 Mio. Euro Bruttoumsatz im Jahr 2023

Nach Angaben der gesetzlichen Krankenkassen betrugen die Umsätze für cannabisbasierte Medikamente zwischen Januar und Dezember 2023 etwa 210 Millionen Euro bei über 400.000 Verordnungen von Cannabinoidhaltigen Fertigarzneimitteln und Zubereitungen.
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen veröffentlichte die Arzneimittelausgaben. Damit wurden laut GKV-Arzneimittel-Schnellinformation (GAmSi) im vergangenen Jahr 209.333.943 Millionen Euro Bruttoumsätze und über 403.732 Verordnungen von Cannabinoidhaltigen Fertigarzneimitteln und Zubereitungen von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Die Zahl an Verordnungen über ein Privatrezept können statistisch nicht erfasst werden.

Presseschau: Apotheken sollen Cannabis auch ohne Rezept verkaufen können (n-tv)

Viele Apotheker stehen nach eigenen Angaben mit dem Rücken zur Wand und suchen nach neuen Einkommensquellen. Schon im vergangenen Jahr gab es aus der Apothekerschaft Stimmen, nach denen die Cannabislegalisierung zwar abgelehnt werde, aber wenn sie schon stattfinde, dann sollte das Geschäft in den Apotheken stattfinden und nicht in spezialisierten Cannabis-Shops.

Apotheken sollen Cannabis auch ohne Rezept verkaufen können

Der Chef des Apothekerverbands Nordrhein, Thomas Preis, fordert von der Politik, Apotheken den Verkauf von Cannabis auch ohne Rezept zu erlauben. "Nachdem Cannabis in Apotheken seit dem 1. April nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft wird, wäre es für die Politik nur noch ein kleiner Schritt, Cannabis in bestimmten Fällen aus der Verschreibungspflicht zu entlassen, damit Patienten bestimmte Erkrankungen selbst therapieren können", so Preis in der "Rheinischen Post".

"Nach der Teillegalisierung von Cannabis sollte die Politik darüber nachdenken, ob es sinnvoll ist, Menschen alleine zu lassen, die nur gelegentlich aus therapeutischen Gründen Cannabis anwenden wollen. Es ist durchaus vorstellbar, dass Apotheken unter strengen Rahmenbedingungen kleine Mengen Cannabis auch ohne Rezept zu medizinischen Zwecken an Patienten abgeben."

Trotz Legalisierung des Konsums zum 1. April brauchen Bürger für den Erwerb von Cannabis in der Apotheke derzeit noch immer ein Rezept. Für Patienten sei die Apotheke der richtige Abgabeort, findet Preis, denn es stehe qualitativ einwandfreies Medizinalcannabis oder medizinische Cannabistropfen zur Verfügung, man müsse nicht "auf dubiose Quellen zurückgreifen". Wichtig sei auch die heilberufliche Beratung, und auch der Rat, einen Arzt aufzusuchen, gehöre dazu. "Das alles würde bei der Eigentherapie mit Cannabis aus Eigenanbau, einem Cannabis-Club oder dem Kauf auf dem Schwarzmarkt nicht stattfinden", so Preis. Zugleich betont der Verbandschef: "Als Abgabestelle von Cannabis zu Genusszwecken oder als Cannabisshop stehen Apotheken hingegen nicht zur Verfügung."

Die Geschäftsführerin des Verbandes der Cannabis versorgenden Apotheken (VCA), Christiane Neubauer, kritisiert allerdings Preis' Äußerungen als "sehr gefährlich". Bei vielen Patienten handele es sich um erkrankte Menschen mit MS, schwersten Chronischen Schmerzen, Epilepsie, ADHS, Tic-Störungen. Sie seien auf schnelle Wirkstoffanflutung und damit auf Cannabisblüten angewiesen. "Da sie so schwer erkrankt sind, dass sie oft nicht arbeitsfähig sind, ist es wirtschaftlich unzumutbar, wenn Sie ihre Medikation selbst bezahlen müssten", so Neubauer. Zugleich stellt sie fest: "Eine Selbstmedikation unbegleitet von Ärzten ist absolut unmöglich für diese Patienten!"

Presseschau: Cannabis im Straßenverkehr – AG Dortmund legt THC-Grenzwert einfach selbst fest (Legal Tribune Online)

Offiziell gilt noch der alte analytische Grenzwert von 1 ng/ml THC im Blutserum, nach dem sich ein Verkehrsteilnehmer bei diesem Wert unter dem akuten Einfluss von Cannabis befinde. Das Amtsgericht Dortmund hat nun einen Autofahrer freigesprochen, der mit 3,1 ng THC pro Milliliter Blutserum angetroffen wurde und damit ein klares Zeichen gesetzt.

Cannabis im Straßenverkehr – AG Dortmund legt THC-Grenzwert einfach selbst fest

Der Joint am Steuer ist selbstverständlich verboten. Aber auch Tage nach dem Kiffen kann THC noch im Blut nachweisbar sein. Deshalb kommt es auf den Grenzwert an. Foto loreanto/stock-adobe.com

Noch gibt es keine Neuregelung für den THC-Grenzwert im Straßenverkehr. Das AG Dortmund sieht im Vorschlag der Expertengruppe Cannabis ein "antizipiertes Sachverständigengutachten" – und spricht einen Autofahrer mit 3,1 ng im Blut frei.

Seit dem 1. April 2024 ist der Besitz und Anbau von Cannabis für über 18-jährige unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Viele Stimmen fordern in diesem Zusammenhang auch eine Liberalisierung der Rechtslage für Cannabiskonsumenten im Straßenverkehr. Noch gilt hier ein Grenzwert von 1,0 Nanogramm (ng) Tetrahydrocannabinol (THC) pro Milliliter Blutserum. Dieser dient als Nachweis für eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit im Zusammenhang mit dem Cannabis-Konsum. Eine von Verkehrsminister Volker Wissing eingesetzte, interdisziplinäre Arbeitsgruppe hat vorgeschlagen, den Wert auf 3,5 ng anzuheben und das Straßenverkehrsgesetz (StVG) entsprechend zu ändern.

Umgesetzt wurde das bislang noch nicht. Das Amtsgericht (AG) Dortmund hat jetzt einen Autofahrer mit einer THC-Konzentration von 3,1 nh/ml im Blut freigesprochen (Urt. v. 11.04.2024, Az. 729 OWi-251 Js 287/24 -27/24). Ihm war das Führen eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung berauschender Mittel vorgeworfen worden, eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 und 3 StVG.

Zur Begründung führte das Gericht an, der Gesetzgeber habe in § 44 Konsumcannabisgesetz (KCanG) ausdrücklich eine Regelung getroffen, wie zur Bemessung des THC-Grenzwertes im Straßenverkehr weiter zu verfahren ist, nämlich mit dem bereits vorgelegten Gutachten der Arbeitsgruppe Cannabis. Dies sei ein sogenanntes "antizipiertes Sachverständigengutachten". Dass der Gesetzgeber beabsichtige, den gefundenen Wert noch in das StVG zu übernehmen, spreche nicht "gegen die Anwendung des Wertes bereits zum jetzigen Zeitpunkt", so das Gericht.

Die Situation sei in rechtlicher Hinsicht bezüglich § 24a StVG gleichgeblieben. Allerdings habe sich die Risikobewertung beim Cannabis geändert. Deshalb dürften die Gerichte seit dem 1. April 2024 den empfohlenen neuen Grenzwert von 3,5 ng/ml zugrundelegen.

Presseschau: Cannabis von Doktor Internet: Eine Hintertür für Jugendliche? (Redaktionsnetzwerk Deutschland)

Das Redaktionsnetzwerk Deutschland recherchierte zu einigen dubiosen Anbietern von Telemedizin im Cannabisbereich.

Cannabis von Doktor Internet: Eine Hintertür für Jugendliche?

Sie wollen Patienten den Gang zum Arzt ersparen: Telemedizinische Anbieter. Seit der Cannabislegalisierung umgehen einige damit aber auch das Gespräch mit einem Arzt und machen es so einfacher, an ein Rezept zu gelangen. Damit gefährden sie auch den Jugendschutz.

 Telemedizin kann für viele Hilfesuchende eine Entlastung sein. Besonders seit der Corona-Krise ist das Interesse an medizinischen Videosprechstunden gestiegen. Und das könnte noch weiter wachsen: Denn seit der Teillegalisierung können Medizinerinnen und Mediziner das für alle Medikamente übliche E-Rezept auch für Cannabis nutzen. Es hat damit denselben Status wie starke Schmerzmittel und Antidepressiva.

Der Stoff kann also scheinbar einfach per Klick verschrieben werden. Für manche Konsumentinnen und Konsumenten eine praktische Lösung – auch wenn sie eigentlich kein medizinisches Cannabis benötigen. Denn noch ist es schwierig, legal an Hanf zu kommen: die Cannabis-Clubs in Deutschland können erst in mehreren Monaten mit der Abgabe beginnen, der Anbau von Gras benötigt auch seine Zeit und wer nicht über den Schwarzmarkt kaufen will, für den ist die Telemedizin eine bequeme Alternative – und eine mögliche Hintertür für Jugendliche.

Cannabisrezept für einen Euro

Manche Telemedizinanbieter für Cannabis bewerben ihr Geschäftsmodell offensiv. Dass es sich hierbei immer noch um ein medizinisches Produkt handelt, gerät dabei oft in den Hintergrund. Beispielsweise wirbt der Rapper Xatar in einem mittlerweile gelöschten Instagram-Beitrag für Algea Care. Nutzerinnen und Nutzer müssten für ihre Bestellung „das Haus nicht verlassen“ – und es dauere „max. 5 Minuten“. Am Ende heißt es: „Leitet diese Nachricht an drei Freunde weiter und erhalte dein erstes Rezept für einen 1 Euro!“ Nach eigenen Angaben will Algea Care mit ihrer Werbeaktion allein an den ersten drei Apriltagen 50.000 Menschen für sich gewonnen haben. Der Firmenserver soll an Ostern zwischenzeitlich zusammengebrochen sein.

Der Ablauf bei Telemedizinanbietern für Cannabis ist tatsächlich simpel: Über ein Formular müssen Angaben zur Person und über die eigenen Beschwerden gemacht werden. Dazu muss das Feld, in denen man die Richtigkeit der Angaben bestätigt, angeklickt werden. Anschließend soll in einem Arztgespräch die genaue Symptomatik abgeklärt werden, um ein Rezept auszustellen. Aber wie wird das kontrolliert? Und wer stellt sicher, dass Leute unter 18 Jahren die Anbieter nicht ausnutzen?

Eine Stichprobe des RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) ergab, dass nicht alle Anbieter beziehungsweise deren Ärzte die Angaben so genau prüfen, wie sie es vorgeben. Zwar setzen die meisten eine telemedizinische Sprechstunde voraus – durchgeführt wird sie am Ende aber nicht zwingend.

Keine Videosprechstunde, keine Identitätsprüfung

Das RND hat dafür einen Bestellungsablauf nachgezeichnet: Einmal im Portal des Anbieters Canngo registriert, folgt ein Formular zu persönlichen sowie medizinischen Daten. Bei dem Test durch das RND wurde als medizinischer Befund „Migräne mit Aura“ angegeben. Das Portal meldete dann, dass die Angaben durch einen Arzt überprüft werden. Eine Videosprechstunde gab es nicht. Nach fünf Tagen erfolgte ein positiver Bescheid, sechs Tage später wurde das Paket mit den Cannabisblüten geliefert. Bei der Übergabe erfolgte keine Identitäts- oder Altersprüfung durch den Paketzusteller. Das Unternehmen hat da mittlerweile nachgesteuert.

Gras als Schmerzmittel: Wird Cannabis das neue Ibu 600?

Im Windschatten der Cannabislegalisierung öffnet sich auch der Markt für medizinisches Gras. Ärzte können nun E-Rezepte ausstellen, die Branche hofft auf einen Goldrausch. Greift die breite Masse bei Alltagsschmerzen bald zu Marihuana?

Über ihre Erfahrungen mit Canngo haben auch einige Userinnen und User auf Plattformen wie Reddit und X (ehemals Twitter) begeistert berichtet. Auf X schreiben sie, dass sie Samstag bestellt und am Dienstag ihr Rezept erhalten hätten: „Kosten 14,99 Euro.“ Auch wird sich darüber ausgetauscht, welche Beschwerden am besten angegeben werden, um tatsächlich ein Rezept zu erhalten: „Wichtige Frage, will genau das gleiche! Was hast du für ‚Probleme‘ eingegeben? Rückenschmerzen? etc.? Grüße!“ Ein anderer schreibt: „Der nette und freundliche DHL Mann wird die Tage kommen und mir was Leckeres aus der Apotheke bringen.“

Nach Schätzung des Verbandes der Cannabis versorgenden Apotheken (VCA) hat sich die Zahl der zu bearbeitenden Cannabisrezepte in den ersten Aprilwochen verfünffacht. Der Bund Deutscher Cannabis-Patienten e.V. (BDCan) sieht darin ein Problem: „Telemediziner, die meist sehr kurze und oberflächliche Videocalls als Untersuchung deklarieren und dabei oft auf Ärzte im Ausland zurückgreifen, mögen eine lukrative Rechtslücke gefunden haben“, sagt Sprecher Michael Kambeck dem RND. „Für den Jugendschutz, chronisch Erkrankte und den Ruf der eigentlich vielversprechenden Cannabismedizin sind solche Praktiken aber Gift!“

Behandlungsfehler und Körperverletzung?

Das Risiko durch telemedizinische Anbieter hätte vorab registriert werden müssen, meint Kambeck. Das Problem der einfachen Bestellung von Cannabisprodukten treffe aber nicht nur Jugendliche. Die Regierung habe durch die Teillegalisierung eine enorme Nachfrage geschaffen, die erst in wenigen Wochen und Monaten legal gedeckelt werden könne. „Man kann weder den Freizeitkonsumenten noch interessierten Jugendlichen vorwerfen, dass sie sich in dieser Lage auf Medikamentenmissbrauch als Ausweg einlassen, oder auf den Schwarzmarkt“, sagt Kambeck.

Ähnlich sieht das auch die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V. (ACM). Dessen 2. Vorsitzender, Franjo Grotenhermen sieht mit „wachsender Sorge“ die 2021 begonnene Gründung von Telemedizinunternehmen im Cannabisbereich, bei denen der Eindruck entstehe, „dass es hier nicht primär um einen Beitrag zu einer Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung, sondern primär um pekuniäre Interessen geht.“ Unseriöse Anbieter brächten sowohl Telemedizin als auch die Abgabe von cannabisbasierten Medikamenten per Privatrezept in Verruf. „Sie schaden damit dem Interesse von Patienten, die einer entsprechenden Therapie bedürfen, sowie von Ärzten, die in diesem Bereich sehr engagiert sind“, sagt Grotenhermen, der auch ärztlicher Leiter eines Telemedizinunternehmens im Cannabisbereich ist.

Finde keine Videosprechstunde statt, die den medizinischen Cannabisnutzen für Jugendliche ausreichend abwägt, besteht für Grotenhermen ein „Behandlungsfehler, und darüber hinaus steht der Verdacht einer Körperverletzung im Raum.“

Unternehmen sichert Jugendschutz zu

Was sagt Canngo selbst zu der Lücke? Und wie halten es andere Anbieter mit dem Jugendschutz? Auf Anfrage des RND erklärt ein Sprecher von Canngo, dass Jugendliche auf der Plattform von vornherein nicht bestellen könnten. Ähnlich antwortet auch das Unternehmen Algea Care. Dort gebe es zudem eine Überprüfung des Personalausweises während des Arztgespräches.

Patientinnen und Patienten müssten mindestens 18 Jahre alt sein, um eine Behandlungsanfrage durch einen kooperierenden Arzt über die Plattform zu beantragen. Wer jünger sei, bekomme bei Canngo beispielsweise eine automatische Ablehnung. Wer sich älter ausgebe, mache sich zudem strafbar.

Doch eine Lücke bleibt: Zwar würden die angegebenen Daten sowie die der Zahlungsdienstleister überprüft, eine falsche Identität, beispielsweise von einem älteren Freund, lässt sich dadurch aber nicht ausschließen. Außer durch ein Videogespräch mit einem behandelnden Arzt oder Ärztin.

Canngo erklärt auf Anfrage, dass nicht in jedem Fall eine Videosprechstunde erforderlich sei. Es sei Abwägungssache des behandelnden Arztes oder der behandelnden Ärztin. Eine Darstellung, der der Verband der Cannabis versorgenden Apotheken widerspricht: „Für eine telemedizinische Behandlung ist ein persönliches Erstgespräch verpflichtend“, erklärt Geschäftsführerin Christiane Neubaur. „Findet kein Erstgespräch und entsprechende verifizierte Alterskontrolle statt, ist der Jugendschutz gefährdet und dies ist sicherlich nicht im Sinne des Gesetzgebers.“ Auch das Bundesgesundheitsministerium erklärt auf Anfrage, dass die Verschreibung von Cannabis zu medizinischen Zwecken nach allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen hat, „was eine sorgfältige Indikationsstellung – selbstverständlich auch bei Behandlungen von Kindern und Jugendlichen – voraussetzt.“

Man arbeite zurzeit an einer Optimierung des Prozesses, erklärt Canngo: „Wir hatten in der Vergangenheit im Zuge einer internen stichprobenartigen Kontrolle Auffälligkeiten bei einem kooperierenden Arzt entdeckt.“

Die Zusammenarbeit mit dem Arzt, der auch in der Stichprobe das medizinische Cannabis ohne Videosprechstunde verschrieb, ist laut Unternehmenssprecher mittlerweile beendet. Eine Beobachtung, die ebenfalls auf X bemerkt wurde. „Das erklärt, warum ich seit dem 09. 04. auf eine Antwort zu meinem Rezept warte“, schreibt ein Nutzer. Er wolle sich jetzt bei einem anderen Unternehmen umschauen.

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