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ACM-Mitteilungen vom 1. Oktober 2022
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Liebe Leserin, lieber Leser,
als neun Seiten Substanzlosigkeit bezeichnete jüngst Professor Kai Ambros von der Universität Göttingen eine Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags, nach der die Legalisierung gegen EU-Recht verstoßen könnte und über die die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete.
Nach einer 3-jährigen Corona-bedingten Pause treffen sich die Teilnehmer der nächsten Cannabinoid-Konferenz wieder persönlich, am 20. und 21. Oktober 2022 in Basel/Schweiz. Die Mitglieder des IACM-Vorstandes freuen sich schon sehr, wieder persönlich mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ins Gespräch zu kommen.
Wie die Mainpost berichtete, hat Günter Weiglein, ein Schmerzpatient aus Würzburg, der seit Jahren für den Eigenanbau für eigene medizinische Zwecke kämpft, hat nun prominente Unterstützung erhalten. Der bekannte frühere Richter am Bundesgerichtshof Thomas Fischer gilt als Verfechter einer Legalisierung. In der vorerst letzten Instanz war Weiglein zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden.
Und im Übrigen: Das Betäubungsmittelgesetz wurde geschaffen, um Menschen vor gesundheitlichen Schäden durch Betäubungsmittel zu schützen. Es wurde nicht geschaffen, um kranke Menschen durch strafrechtliche Maßnahmen zu schädigen!
Franjo Grotenhermen
Presseschau: Nebenwirkungen bei Cannabistherapie häufig, aber wohl meist eher leicht (Ärzteblatt)
Auch die Begleiterhebung, die in Deutschland durchgeführt wurde, hat bestätigt, was wir regelmäßig bei anderen großen Erhebungen und klinischen Studien sehen: akute Nebenwirkungen einer Cannabistherapie sind häufig, aber meistens leicht, sodass die meisten Patientinnen und Patienten damit gut umgehen kann nur selten die Behandlung deswegen abbrechen müssen.
Nebenwirkungen bei Cannabistherapie häufig, aber wohl meist eher leicht
Müdigkeit, Schwindel, Übelkeit, Mundtrockenheit und Appetitsteigerung sind häufige Nebenwirkungen einer Therapie mit Cannabis. Das berichtet ein Autorenduo aus dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im neuen Bulletin zur Arzneimittelsicherheit, Ausgabe September 22. Die Erhebung umfasste Cannabisblüten, Cannabisextrakte, Dronabinol, Nabilon – gegebenenfalls als Fertigarzneimittel Canemes – und Sativex.
Die Wissenschaftler werteten 16.809 vollständige Datensätze aus. In mehr als drei Viertel der gemeldeten Fälle wurden Schmerzen mit Cannabisarzneimitteln behandelt. Weitere häufig behandelte Symptome waren Übelkeit und Erbrechen, Anorexie sowie muskuläre Spastik unterschiedlicher Ursache.
Bezogen auf die Therapie mit allen verfügbaren Cannabisarzneimitteln tritt sehr häufig Müdigkeit als Nebenwirkung auf. Häufig sind Schwindel, Übelkeit, Mundtrockenheit, Konzentrationsstörungen, Gedächtnisstörungen, Gleichgewichtsstörungen, verschwommenes Sehen, Desorientierung, Lethargie, Depression, Appetitsteigerung und Gewichtszunahme sowie euphorische Stimmung und Diarrhö zu beobachten.
Gelegentlich wurden Palpitationen und Tachykardien, Erbrechen, Konstipation, Hypertonie, Hypotonie, Dysarthrie, Wahnvorstellungen, Sinnestäuschungen, Halluzinationen, Dissoziation und Suizidgedanken berichtet. Nebenwirkungen treten bei Frauen häufiger auf als bei Männern.
„Nebenwirkungen unter der Therapie mit Cannabisarzneimitteln sind häufig“, lautet ein Fazit der Autoren. Über die Schwere der Nebenwirkungen mache die Erhebung aber keine Angaben. Da die Nebenwirkungen aber nur selten zum Therapieabbruch geführt hätten, sei grundsätzlich von weniger schwerwiegenden Nebenwirkungen auszugehen, vermuten sie.
Diese könnten aber dennoch von hoher Relevanz für die Betroffenen sein. Nicht unterschätzt werden dürften etwa psychotische Symptome wie Halluzinationen, Sinnestäuschungen oder auch Angst bis hin zu Panikattacken.
Bei einer Therapie mit Cannabisblüten werden im Vergleich zu den anderen Cannabisarzneimitteln weniger Nebenwirkungen gemeldet. Dabei ist laut dem Beitrag aber zu berücksichtigen, dass das Durchschnittsalter dieser Patienten mit 46 Jahren deutlich geringer sei als bei den anderen verwendeten Cannabisarzneimitteln (57,5 bis 60 Jahre) und die Anwender gegebenenfalls bereits Erfahrungen mit der Anwendung von Cannabisblüten hätten.
„Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass bisher nicht zugelassene Cannabisarzneimittel ein ähnliches Sicherheitsprofil haben wie die Fertigarzneimittel Sativex, Canemes und Marinol“, berichten die Autoren zudem. Es seien aber weitere kontrollierte klinische Studien notwendig, um die Sicherheit der Behandlung mit Cannabisblüten und Cannabisextrakten besser beurteilen zu können.
Presseschau: Cannabis-Pläne der Regierung: Scheitert die Legalisierung am Recht? (ZDF)
Auch das ZDF hat über die Diskussion zur Zulässigkeit der Legalisierung in Deutschland aufgegriffen. Experten halten diese für zulässig.
Cannabis-Pläne der Regierung: Scheitert die Legalisierung am Recht?
Die Ampel-Koalition will Cannabis legalisieren. Doch Deutschland ist durch internationale Abkommen und EU-Recht zur Drogenbekämpfung verpflichtet. Muss Kiffen verboten bleiben?
Cannabis-Pflanze
Anfang der Woche machte ein Papier zur Cannabis-Legalisierung die Runde. Darin hat die Europa-Abteilung der Bundestagsverwaltung zusammengestellt, was das EU-Recht zu einer Legalisierung sagt. Einige Medien interpretierten die Ausführungen als Absage an die Pläne der Bundesregierung. Legalisierung europarechtswidrig, hieß es. Dabei liefert das Papier kein Ergebnis, sondern erläutert nur die relevanten Vorschriften.
EU-Recht: "Keine Macht den Drogen"
Die Frage, ob eine Legalisierung von Cannabis für den persönlichen Konsum rechtlich möglich ist, wird weiter diskutiert. Die Bundesregierung lässt sie in einer Arbeitsgruppe prüfen. Das EU-Recht bezieht sich auf das Völkerrecht. Dort gilt: Keine Macht den Drogen. Deutschland hat sich, wie zahlreiche Staaten der Welt, in mehreren Abkommen dazu verpflichtet, Drogenhandel und Drogenbesitz unter Strafe zu stellen. Zu den verbotenen Drogen gehört nach wie vor auch Cannabis.
Die Bundesrepublik könnte aus den Abkommen zwar generell aus- und mit einem Vorbehalt für Cannabis wieder eintreten. Für eines der Abkommen, geschlossen 1988 in Wien, gestaltet sich das aber schwierig. Denn dieses Wiener Abkommen hat nicht nur Deutschland unterzeichnet, sondern auch die EU. Deutschland ist als EU-Mitglied also doppelt gebunden. Ob die Bundesrepublik das Abkommen im Alleingang kündigen darf, ist daher umstritten.
Straf- und Völkerrechtler: Legalisierung trotzdem umsetzbar
Der Göttinger Straf- und Völkerrechtler Kai Ambos hält die Legalisierung trotzdem für rechtlich umsetzbar. "Das Völkerrecht steht einer staatlich kontrollierten Abgabe zum Eigenkonsum nicht entgegen und es würde meines Erachtens auch einer sinnvollen Auslegung der relevanten Normen widersprechen, wenn sie einen gesellschaftlich ausgehandelten Legalisierungsprozess verhindern würden", so der Rechtsprofessor.
Ambos präsentiert einen Lösungsweg, der ohne einen Austritt Deutschlands aus dem Wiener Abkommen auskommt. Er liest es so, dass die Staaten Cannabis zum Eigenkonsum erlauben dürfen, sofern ihre nationalen Verfassungen und die Grundzüge ihrer Rechtsordnung eine liberale Drogenpolitik zulassen.
Über diesen Vorbehalt sieht Ambos die Möglichkeit zu einer völkerrechtskonformen Cannabis-Legalisierung.
Deutsche Verfassung lässt weiten Spielraum
Denn die deutsche Verfassung lässt dem Gesetzgeber einen weiten Spielraum, wie er mit Cannabis umgehen will. Das Bundesverfassungsgericht hat 1994 geurteilt: Es gibt im Grundgesetz zwar kein "Recht auf Rausch", das heißt, der Gesetzgeber darf Cannabis-Konsum unter Strafe stellen. Er muss das aber nicht tun, sondern kann auch eine andere Drogenpolitik verfolgen, die nicht auf Bestrafung setzt, sondern etwa auf Aufklärung oder kontrollierte Abgabe.
Drogentourismus vorprogrammiert?
Lässt sich das Völkerrechtsproblem so lösen, muss Deutschland eine weitere EU-rechtliche Vorgabe beachten: Wenn die Bundesrepublik Cannabis-Konsum erlaubt, wird "Gras" hierzulande zur legalen Ware. Und für legale Waren gilt innerhalb der EU, dass grundsätzlich alle EU-Bürger Zugang dazu haben müssen. Deutschland müsste seinen nationalen Cannabis-Markt also für Bürger aller EU-Staaten öffnen.
Drogentourismus scheint da vorprogrammiert. Doch gerade den will das "Schengener Durchführungsübereinkommen", ein Zusatzdokument zum Schengen-Abkommen, verhindern. Es verpflichtet Deutschland sowie die Benelux-Staaten und Frankreich dazu, den grenzüberschreitenden Handel mit Cannabis zu unterbinden. "Deutschland müsste also mit Kontrollen dafür sorgen, dass Konsumenten das 'Gras' nicht in andere Länder ausführen", erklärt Rechtsprofessor Ambos. Und: Deutschland darf nicht selbst zum Cannabis-Händler werden, also nicht selbst das staatlich kontrollierte Cannabis exportieren.
Cannabis legalisieren und nicht nur dulden
Mit einer vollständigen Legalisierung wäre Deutschland Vorreiter in der EU. Auch in den für ihre liberale Drogenpolitik bekannten Niederlanden ist der Cannabis-Konsum illegal, wird aber bis zu einer gewissen Menge nicht verfolgt.
Anders als die Niederlande will die deutsche Regierung Cannabis nicht nur dulden, sondern tatsächlich legalisieren. Die rechtlichen Hürden dafür sind hoch, zum Scheitern verurteilt ist das Projekt Cannabis-Legalisierung aber nicht.
Veranstaltungen
5. und 6. Oktober 2022 in Bonn
9. Oktober 2022 um 15:00 bis 17:00 Uhr
Kostenübernahmeantrag und Widerspruch
20. und 21. Oktober 2022 in Basel/Schweiz
13. November von 15:00 bis 17:00 Uhr
Die Therapie mit Cannabis und Cannabinoiden
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