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ACM-Mitteilungen vom 1. Dezember 2019

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Liebe Leserin, lieber Leser,

zwei neue Bücher von Mitgliedern des ACM-Vorstandes bereichern Informationsmöglichkeiten zum Thema Cannabis als Medizin in den deutschsprachigen Ländern. Das Buch „Cannabis und Cannabinoide in der Medizin“, herausgegeben von der Vorsitzenden der ACM Kirsten Müller-Vahl) und dem Geschäftsführer (Franjo Grotenhermen), ist ein 350 Seiten dicker Schmöker für Ärzte und andere Interessierte, die sich tiefergehend mit der Thematik befassen wollen. Hier eine Kostprobe zum Thema Geschichte der Cannabis Anwendung. Das Buch „Die Behandlung mit Cannabis“ richtet sich vor allem an Patientinnen und Patienten, die sich auf einen Besuch bei einem Arzt vorbereiten wollen, der bisher wenig oder keine Erfahrung mit der Behandlung mit Cannabis-Medikamenten hat, und Antworten auf alltägliche Fragen suchen. Hier das Inhaltsverzeichnis sowie eine Leseprobe zum Kapitel „Mein erster Arztbesuch“.

Wie eine Pressemitteilung des drogenpolitischen Sprechers der SPD im Bundestag zeigt, ist innerhalb der SPD auch hinsichtlich der gegenwärtigen Cannabispolitik etwas in Bewegung geraten, was Hoffnung macht, dass dies auch auf die weiterhin unbefriedigende Rechtslage zur medizinischen Versorgung mit Medizinalcannabis abfärben könnte.

Bei CBD geht es auch ums Geschäft und um Machtkämpfe zwischen der Apothekerschaft, die das Geschäft gern an sich ziehen möchten, und denen, die bisher am meisten vom Geschäft profitieren. Ob da immer das Interesse der Patienten bzw. Konsumenten im Vordergrund steht, darf bezweifelt werden.

Viel Spaß beim Lesen!

Franjo Grotenhermen

Presseschau: CBD-Produkte: „Eigentlich müssten die Behörden durchgreifen“ (Apotheke Adhoc)

Die deutsche Rechtslage zu Hanfextrakten, die CBD enthalten und sicherlich gesundheitlich nicht bedenklicher als viele andere legale Nahrungsergänzungsmittel sind, ist aus medizinischer Sicht nicht nachvollziehbar. In Belgien wurden CBD-Blüten gerade legalisiert. In der Schweiz sind sie es schon seit längerer Zeit. Die Situation in Deutschland ist dagegen repressiv. Der Vorsitzende des Verbandes der Cannabis versorgenden Apotheker fordert sogar ein Durchgreifen der Behörden und unterstützt damit die gegenwärtige fragwürdige Rechtslage in Deutschland. Das ist nicht ganz uneigennützig, da alternativ nur teures CBD aus der Apotheke verschrieben werden könnte. Er beklagt sich darüber, dass CBD-Produkte das Gold der Branche seien, und lässt durchblicken, dass er dieses Gold gern selbst verkaufen möchte.

CBD-Produkte: „Eigentlich müssten die Behörden durchgreifen“ (Apotheke ADHOC)

Der Markt für Cannabis-Produkte wächst und wächst. Man könnte aber auch sagen, er wuchert: Denn vor allem beim Thema Cannabidiol (CBD) herrscht nach wie vor vielerorts Unsicherheit und Uneinigkeit bezüglich der Rechtslage. Apotheker, die sich nicht intensiv mit dem Thema befassen, bleiben da oft ratlos zurück: Darf ich CBD-Zubereitungen ohne Rezept abgeben? Warum stehen CBD-Öle in vielen Drogerien, sind aber beim Großhändler nie verfügbar? Ist CBD ein Arznei- oder ein Nahrungsergänzungsmittel (NEM)? Markus Fischer, Gründungsmitglied und Vorstandsvorsitzender des Verbands der Cannabis versorgenden Apotheken (VCA), beklagt den bisher inkonsistenten Umgang mit CBD und hat einen rigorosen Ratschlag an seine Kollegen.

„Cannabidiol-Produkte sind gerade das Gold der Branche“, sagt Fischer und meint das nicht nur positiv. Denn Gold lockt immer auch Goldgräber an, die oft mit zweifelhaften Methoden arbeiten. „Das Dilemma ist, dass solche Goldgräber gerade versuchen, CBD als NEM für viel Geld zu verkaufen. Da wird gerade viel Schindluder getrieben, was leider den edlen Einsatz in der Medizin zunichte macht.“ Auch wenn sich weiter hartnäckig die Ansicht halte, dass es einen Graubereich gebe oder CBD vollkommen frei verkäuflich sei: Die Rechtslage sei eindeutig, sagt Fischer.

Als Arzneimittel ist CBD verkehrsfähig – steht aber in der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) und darf deshalb nur auf Rezept abgegeben werden. Außerhalb der rein medizinischen Anwendung ist die Rechtslage Fischer zufolge aber ebenso eindeutig: „CBD ist als NEM nicht verkehrsfähig – da gibt es keine zwei Meinungen“, so der Inhaber der Inhaber dreier Apotheken in Bochum und Oberhausen. „Deshalb wundert es mich, dass dieser Markt noch so funktioniert und die Behörden da nichts machen.“

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die europäische Novel-Food-Verordnung. Anfang 2019 hatte die EU-Kommission Cannabinoide in den Katalog der Novel Foods aufgenommen, da auf europäischen Märkten immer mehr Produkte auftauchten, die CBD enthalten. Ein Erzeugnis unterliegt dann der Novel-Food-Verordnung und braucht eine gesonderte Zulassung, wenn es vor dem Stichtag 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr in der EU verwendet wurde. Eine Zulassung von CBD als neuartiges Lebensmittel ist aber bisher nicht erfolgt. Das Bundesinstitut für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), das hierzulande für die Umsetzung der Novel-Food-Verordnung überwacht, stuft derartige Produkte deshalb als nicht verkehrsfähig ein.

(...)

Pressemitteilung des drogenpolitischen Sprechers der SPD: Klare Position der SPD zum Cannabisverbot ist überfällig

Dirk Heidenblut, drogenpolitischer Sprecher der SPD im Bundestag, erklärt in einer Pressemitteilung vom 25. November 2019: “Aufschieben einer vernünftigen Cannabispolitik schadet“

Klare Position der SPD zum Cannabisverbot ist überfällig!

„Ein Jahr ist es her, dass alle Facharbeitsgruppen der SPD-Bundestagsfraktion ein Positionspapier verabschiedet haben. Die Gesundheitspolitiker der SPD-Bundestagsfraktion fordern, dass künftig der Besitz kleiner Mengen von Cannabis nicht mehr strafrechtlich verfolgt, sondern nur noch als Ordnungswidrigkeit behandelt werden soll. Zudem sollen Modellprojekte ermöglicht werden, in denen die legale und regulierte Abgabe von Cannabis an Konsumentinnen und Konsumenten erprobt werden können.

"Ich habe es satt, weiter zu warten. Im Januar wurde unser Positionspapier vom November 2018 kurzfristig von der Tagesordnung der Fraktionssitzung genommen und ein Jahr später ist, trotz dauernder Nachfrage, nichts passiert. Die Cannabiskonsumenten erwarten zurecht eine zukunftsfähige Lösung von uns. Selbst in der Union mehren sich progressive Stimmen. Wir haben dennoch dicke Bretter zu bohren. Es ist endlich Zeit zu handeln, zumal das ja sowieso nur der Beginn einer neuen Politik sein kann", erklärt der Abgeordnete Dirk Heidenblut, drogenpolitischer Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion.

Die Prohibition von Cannabis in Deutschland ist gescheitert. Sie kriminalisiert Konsumenten, begünstigt einen ausufernden Schwarzmarkt und überlastet Polizei und Justiz. In Modellprojekten soll gewillten Kommunen der Weg zu einer legalen und regulierten Abgabe von Cannabis ermöglicht werden. Ein regulierter Verkauf durch spezialisierte Abgabestellen, ein effektiver Jugendschutz und eine zertifizierte Produktqualität würden so den Schwarzmarkt aushöhlen, sowie Jugend- und Gesundheitsschutz verbessern.“

Dirk Heidenblut ist seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages und für die SPD-Bundestagsfraktion Mitglied im Ausschuss für Gesundheit sowie im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz. Er vertritt als direkt gewählter Abgeordneter den Essener Norden und Osten (Wahlkreis 119 - Essen II) in Berlin.

Presseschau: 3 Fragen an... (Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft)

Anlässlich der Veröffentlichung eines neuen umfangreichen Fachbuches mit dem Titel „Cannabis und Cannabinoide in der Medizin“ wurde die Vorsitzende der ACM, Professorin Dr. Kirsten Müller-Vahl zu Entwicklung des Cannabis als Medizin-Gesetzes interviewt.

3 Fragen an... (Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft)

Prof. Dr. Kirsten Müller-Vahl ist Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie und Oberärztin an der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie an der Medizinische Hochschule Hannover. Ihr Forschungsschwerpunkt ist das Tourette-Syndrom; seit 1998 ist sie Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der „Tourette-Gesellschaft Deutschland e.V.“ (TGD). Zudem engagiert sich Müller-Vahl im Bereich "Cannabis als Medizin" auf nationaler und internationaler Ebene und ist Vorstandsmitglied der „Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin“ (ACM) sowie Vorsitzende der Internationalen Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (IACM).

1. Wie hat sich die medizinische Nutzung von Cannabis und Cannabinoiden seit dem„Cannabis als Medizin“-Gesetz im Jahr 2017 entwickelt? Wie bewerten Sie das Gesetz nach zwei Jahren Test auf Praxistauglichkeit?

Das „Cannabis-als-Medizin-Gesetz“ hat uns hinsichtlich der Behandlungsmöglichkeiten mit Cannabinoiden einen großen Schritt nach vorne gebracht und die Verschreibung von Medizinalcannabisblüten und daraus hergestellten Extrakten ermöglicht. Die Tatsache, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Kosten der Behandlung von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) übernommen werden, ist einzigartig in Europa, stellt geleichzeitig aber auch einen Systembuch dar – da Kosten einer nichtzugelassenen Therapie von der GKV übernommen werden. Mit dem Gesetz wurde durch eine Versorgungslücke geschlossen, da PatientInnen, die von einer Behandlung mit Cannabis-basierten Medikamenten profitieren, schon heute eine solche Behandlung erhalten können und nicht Jahre warten müssen, bis aussagekräftige Studien vorliegen.

Die Tatsache, dass die Verschreibungszahlen für Cannabis-basierte Medikamente seit Inkrafttreten des Cannabis-Gesetzes bis heute kontinuierlich angestiegen sind, verdeutlicht, dass Cannabinoide mittlerweile ihren festen Platz in der ärztlichen Therapie schwerkranker PatientInnen gefunden haben. Nun müssen wir in den Indikationen, in denen aufgrund der vorliegenden Daten eine Wirksamkeit anzunehmen ist, möglichst schnell große kontrollierte Studien durchführen, um fundierte Aussagen zur Wirksamkeit und Verträglichkeit treffen zu können.

2. Trifft die Verschreibung von Cannabis und Cannabinoiden in der Praxis noch immer auf Vorbehalte? Wenn ja, wie kann mit diesen umgegangen werden?

Nach wie vor lehnen viele Kolleginnen und Kollegen eine Verschreibung von Cannabinoiden aus unterschiedlichen Gründen ab. So fühlen sich viele nicht ausreichend darüber informiert, wie überhaupt eine Verschreibung vorzunehmen ist. Andere fürchten den bürokratischen Aufwand durch die Beantragung der Kostenübernahme bei der Krankenkasse und die Teilnahme an der Begleiterhebung. Schließlich lehnen manche Ärztinnen und Ärzte eine off-label oder no-label-Behandlung ab und verweisen auf die schlechte Datenlage für die Mehrzahl der diskutierten Indikationen oder haben Sorge vor Nebenwirkungen und Abhängigkeit oder dass die Verschreibung für einen Freizeitkonsum missbraucht werden könne.

Mittlerweile werden zahlreiche, zum Teil auch CME-zertifizierte Weiterbildungen und Webinare zum Thema „Cannabis als Medizin“ angeboten. In der klinischen Praxis hat sich gezeigt, dass „der erste Patient“ der schwierigste und zeitaufwändigste ist, sich dann aber rasch eine Routine einstellt und der mit der Behandlung verbundene Aufwand gering ist. Sofern die Risiken, Kontraindikationen und Dosierungsempfehlungen beachtet werden, gelten Cannabis-basierte Medikamente als sehr sicher und allgemein gut verträglich. Im Rahmen einer ärztlich überwachten Therapie stellt das Eintreten einer Abhängigkeit kaum je ein Problem dar. Insofern stellen Cannabis-basierte eine Erweiterung des Behandlungsspektrums dar und sollten für Patienten dann in Betracht gezogen werden, wenn die im Sozialgesetzbuch V genannten Voraussetzungen für eine Kostenübernahme durch die GKV erfüllt sind: (i) Bestehen einer schweren Erkrankung, (ii) Fehlen einer Behandlungsalternative und (iii) Vorliegen einer nicht ganz entfernt liegenden Aussicht auf Erfolg.

3. Inwiefern unterscheiden sich die gewünschte Wirkung und Einnahmeform von Cannabis und Cannabinoiden bei medizinischem Gebrauch und Freizeitkonsum?

Grundsätzlich können auch mit ärztlich verordneten Cannabis-basierten Medikamenten Rauscheffekte erzielt werden, wie sie von Freizeitkonsumenten meist gezielt herbeigeführt werden. Allerdings werden derartige psychische Wirkungen von PatientInnen praktisch ausnahmslos als unerwünschte (Neben-)Wirkungen wahrgenommen und die Behandlung ansonsten entsprechend angepasst oder sogar wieder abgebrochen. Im Gegensatz zu Freizeitkonsumenten wünschen PatientInnen eine Linderung ihrer Krankheitssymptome – und dies idealerweise ohne Nebenwirkungen und Einschränkungen der Leistungsfähigkeit. Um dies zu erreichen, wird die Behandlung niedrig dosiert begonnen und nur langsam gesteigert. Dadurch tritt in aller Regel eine Toleranzentwicklung gegenüber unerwünschten physischen und psychischen Effekten ein wie Schwindel, Benommenheit und Müdigkeit. Auch die Einnahmeart unterscheidet sich oft: so bevorzugen viele PatientInnen eine orale Einnahme, die wegen des viel langsameren Anflutens der Cannabinoide im Blut nur selten zu Rauschzuständen führt.

Einige Pressemeldungen und Informationen der vergangenen Tage

Afrika will Führungsrolle bei Cannabis einnehmen (Ärzte Zeitung)

Medizinisches Cannabis für mehr Lebensqualität (Nachrichten für Südtirol)

Schritt zur Cannabis-Legalisierung? Hanfverband trifft neue Drogenbeauftragte (Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag)

Kann Cannabidiol doch ein BtM sein? (Deutsche-Apotheker-Zeitung)