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ACM-Mitteilungen vom 7. April 2012

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Antrag im Deutschen Bundestag: Zugang zu medizinischem Cannabis für alle betroffenen Patientinnen und Patienten ermöglichen

Am 9. Mai 2012 findet im Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages eine öffentliche Anhörung über einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel "Zugang zu medizinischem Cannabis für alle betroffenen Patientinnen und Patienten ermöglichen" statt. Weitere Informationen finden sich auf der Internetseite des Deutschen Bundestages: http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a14/anhoerungen/u_Zugang_zu_medizinischem_Cannabis/index.html

Der Antrag (Bundestagsdrucksache: 17/6127) findet sich als pdf-Datei hier:

http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a14/anhoerungen/u_Zugang_zu_medizinischem_Cannabis/index.html

Die öffentliche Anhörung findet im Anhörungssaal 3 101, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus (MELH), Eingang: Adele-Schreiber-Krieger-Str. 1, 10557 Berlin, statt. Zuhörer werden gebeten, sich im Sekretariat des Ausschusses für Gesundheit mit vollständigem Namen, Geburtsdatum und dem polizeilich gemeldeten Wohnort vorzugsweise per E-Mail (gesundheitsausschuss@bundestag.de) anzumelden.

Hier der Wortlaut des Antrages

der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Maria Klein-Schmeink, Elisabeth Scharfenberg, Kai Gehring, Sven-Christian Kindler, Markus Kurth, Jerzy Montag, Dr. Konstantin von Notz, Brigitte Pothmer, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zugang zu medizinischem Cannabis für alle betroffenen Patientinnen und Patienten ermöglichen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Versorgung bedürftiger Patientinnen und Patienten mit Cannabismedika- menten ist entgegen allen Beteuerungen der Bundesregierung nach wie vor unzureichend.

Zwar können Patientinnen und Patienten seit einigen Jahren beim Bundes- institut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Anträge zur therapeu- tischen Verwendung von Cannabis stellen. In bislang etwa 50 Fällen hat das BfArM eine Erlaubnis zum Bezug eines Cannabisextraktes oder von Cannabis- blüten erteilt.

Allerdings müssen die Betroffenen die Kosten hierfür selbst tragen. Nach An- gaben des BfArM (vgl. Bundestagsdrucksache 17/4789) betragen die monat- lichen Therapiekosten je nach Bedarf bis zu 1 500 Euro. Das übersteigt in vie- len Fällen die finanziellen Möglichkeiten der häufig arbeitsunfähigen Patientin- nen und Patienten. Andere Therapiealternativen wie Dronabinol stehen den Be- troffenen nicht zur Verfügung, da die Krankenkassen die Kostenübernahme hierfür in der Regel ablehnen.

Auch ein womöglich demnächst zugelassenes Fertigarzneimittel auf Basis eines Cannabisextraktes für die Linderung der Spastik bei Multipler Sklerose kann den Zugang zu einem Cannabismedikament nur für einen kleinen Teil der Patientinnen und Patienten verbessern. Für all jene, die nicht an dieser Erkran- kung und diesem Symptom leiden, steht nach wie vor kein für sie erschwing- liches Medikament zur Verfügung.

II. Vor diesem Hintergrund fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf,

a) einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den im Regelfall ein betäubungsmit- telrechtliches Strafverfahren wegen Gebrauchs von Cannabis eingestellt und die Beschlagnahme sowie Einziehung des Betäubungsmittels ausgeschlos- sen wird, wenn die oder der Tatverdächtige Cannabis aufgrund einer ärzt- lichen Empfehlung verwendet und dabei zugleich die Voraussetzungen so- wie das Verfahren zu regeln, nach denen eine solche ärztliche Empfehlung anhand einer Liste von Indikationen ausgestellt und nachgewiesen werden kann,

b) durch das Bundesministerium für Gesundheit eine Expertengruppe nach § 35c Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) einzuberufen, die für eine Beratung und Beschlussfassung im Gemeinsamen Bundesaus- schuss Bewertungen zur zulassungsüberschreitenden Anwendung von Arz- neimitteln auf Basis von Cannabis erstellt und in diesen Fällen für schwerst- kranke jedoch nicht an einer regelmäßig tödlichen verlaufenden Erkrankung leidende Patientinnen und Patienten einen Anspruch auf Kostenübernahme für Medikamente im Off-Label-Use ermöglicht.

Berlin, den 7. Juni 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass Cannabis bei schweren Er- krankungen wie HIV, Multipler Sklerose, chronischen Schmerzen, Epilepsie und Krebs Linderung bewirken kann. So ist ein therapeutischer Effekt im Hin- blick auf Übelkeit, Erbrechen und Appetitlosigkeit bei Tumorpatientinnen und -patienten belegt. Gut abgesicherte Erkenntnisse zur Wirksamkeit gibt es auch bei der Spastik bei Multipler Sklerose, erhöhtem Augeninnendruck, Tourette- Syndrom und bei starken Schmerzen unterschiedlicher Ursache. Bereits im Juni 2000 unterstützte der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages eine Peti- tion von Patienten, die von Cannabis medizinisch profitierten und überwies die Petition „zur Berücksichtigung“ an die Bundesregierung. In der Begründung schrieb der Petitionsausschuss: „Es steht fest, dass Cannabis unter anderem appetitsteigernd, brechreizhemmend, muskelentspannend, schmerzhemmend, bronchienerweiternd, augeninnendrucksenkend und stimmungsaufhellend wirkt“ (Pet 2-14-15-221-005387).

Seit 1998 kann Patientinnen und Patienten Dronabinol (Delta-9-THC), ein Can- nabiswirkstoff, mit einem Betäubungsmittelrezept verschrieben werden. Da Dronabinol allerdings in Deutschland im Gegensatz beispielsweise zu den USA keine arzneimittelrechtliche Zulassung besitzt, werden die erheblichen Behand- lungskosten – je nach Dosis im Allgemeinen zwischen 300 und 600 Euro pro Monat – in der Regel nicht von den Krankenkassen übernommen. Für viele Patientinnen und Patienten, die zudem krankheitsbedingt häufig über kein oder nur ein geringes Erwerbseinkommen verfügen, bleibt Dronabinol daher uner- schwinglich, während sich Patientinnen und Patienten mit hohem Einkommen in Deutschland problemlos ein Privatrezept zur Behandlung mit diesem Canna- binoid leisten können. Die Frage einer adäquaten Behandlung mit Cannabispro- dukten ist in Deutschland daher heute auch eine soziale Frage.

Im Januar 2000 hat das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss festge- stellt, dass Patientinnen und Patienten eine Ausnahmegenehmigung zur medizi- nischen Verwendung von Cannabis beim BfArM beantragen können (BVerfG, Beschluss vom 20. Januar 2000 – 2 BvR 2382/99). Ein solcher Antrag sei nicht von vornherein aussichtslos, da auch die medizinische Versorgung der Bevöl- kerung ein im öffentlichen Interesse liegender Zweck nach § 3 Absatz 2 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) sei, der im Einzelfall eine Ausnahmegeneh- migung rechtfertige. Dennoch wurden in der Folgezeit alle entsprechenden An- träge durch das BfArM abgelehnt. Im Mai 2005 rügte das Bundesverwaltungs- gericht in einem Urteil diese Praxis und stellte fest, dass entsprechende Anträge nicht pauschal abgelehnt werden dürfen, sondern dass die Selbstmedikation mit Cannabis angesichts der oft schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen und des Mangels an alternativen, gleich wirksamen und verfügbaren Behand- lungsmöglichkeiten durchaus im Einzelfall nach § 3 Absatz 2 BtMG erlaubnis- fähig sei. Die Entscheidung liege im Ermessen der Behörde, das diese aber bis- lang aufgrund ihrer strikten Verweigerungshaltung nicht ausgeübt habe.

Am 9. August 2007 hat das BfArM erstmals einen solchen Antrag einer an Mul- tipler Sklerose erkrankten Patientin zur medizinischen Verwendung von Canna- bis nach § 3 Absatz 2 BtMG genehmigt und in der Folgezeit vereinzelt weitere Genehmigungen erteilt. Seitdem haben etwa 50 Patientinnen und Patienten die Erlaubnis zum Bezug eines Extraktes oder von Cannabisblüten durch eine Apo- theke erhalten. Die Kosten hierfür betragen jedoch bis zu 1 500 Euro (vgl. Bun- destagsdrucksache 17/4789) und werden in der Regel nicht von den Kranken- kassen übernommen.

Zuletzt hat das BfArM einem Patienten die Erlaubnis verwehrt, Cannabis zum Eigengebrauch anzubauen. Der Patient hatte geltend gemacht, die in seinem Fall erheblichen Kosten für einen Cannabisextrakt nicht tragen zu können. Das Verwaltungsgericht Köln hat am 21. Januar 2011 diese Entscheidung des BfArM als „rechtswidrig“ verworfen (Az. 7 K 3889/09).

Wegen der erheblichen Kosten für eine Behandlung mit Dronabinol, Cannabis- blüten oder einem Cannabisextrakt, verschaffen sich viele bedürftige Patientin- nen und Patienten Cannabis auf andere Weise und geraten so unweigerlich mit dem Betäubungsmittelgesetz in Konflikt. Die Folge sind häufig Strafverfahren, die nur unter der Auflage eingestellt werden, zukünftig keinen Cannabis mehr zu konsumieren. Da viele Patientinnen und Patienten auf eine regelmäßige Ein- nahme von Cannabis angewiesen sind, werden sie zudem nicht selten als Wie- derholungstäter oder wegen des Besitzes nicht geringer Mengen zu empfind- lichen Geld- oder Haftstrafen nicht unter einem Jahr verurteilt. Damit werden ausgerechnet jene Menschen der Strafverfolgung ausgesetzt, die aufgrund ihrer teilweise schweren Erkrankung ohnehin körperlich und seelisch erheblich be- lastet sind.

Auch der Verweis auf ein womöglich bald zugelassenes Fertigarzneimittel auf Basis eines Cannabisextraktes hilft nicht weiter, weil für dieses Präparat ledig- lich eine Zulassung für die Behandlung der Spastik bei Multipler Sklerose be- antragt wurde. Patientinnen und Patienten mit einer anderen Erkrankung könn- ten dieses Medikament daher nicht verschrieben bekommen. In einigen Jahren ist zwar mit weiteren Zulassungen bzw. der Erweiterung um andere Indikatio- nen zu erwarten, es wird jedoch immer Patientinnen oder Patienten geben, die von diesen Zulassungen nicht profitieren. Cannabisprodukte haben ein breites Wirkungsspektrum (siehe beispielsweise die Vielzahl der Indikationen, bei de- nen Ausnahmegenehmigungen durch die Bundesopiumstelle erteilt wurden). Es ist zu erwarten, dass nur für häufig auftretende Erkrankungen Zulassungs- anträge gestellt werden, da sich für andere Indikationen der hohe finanzielle Aufwand für eine Zulassung nicht lohnt. Daher ist dieses Problem nicht allein durch die arzneimittelrechtliche Zulassung von Cannabisprodukten zu lösen.

Zudem ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes die Kostenüber- nahme bei der Verwendung eines Arzneimittels außerhalb des zugelassenen Anwendungsgebietes in der Regel derzeit nur dann möglich, wenn die Patientin bzw. der Patient an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig zum Tode füh- renden Erkrankung leidet (Az. B 1 KR 30/06 R).

Vor diesem Hintergrund schlägt dieser Antrag eine Regelung vor, durch die ein betäubungsmittelrechtliches Strafverfahren bei Patientinnen und Patienten ver- mieden werden kann, wenn sie Cannabis auf der Basis einer ärztlichen Empfeh- lung besitzen, anbauen oder sich verschaffen. Derzeit werden Strafverfahren von den Staatsanwaltschaften in der Regel nur dann eingestellt, wenn es sich um eine geringe Menge handelt. Im Wiederholungsfall kommt es völlig unab- hängig von der Menge in vielen Fällen zu Strafverfahren. Verfahrenseinstellun- gen aufgrund der §§ 34 und 35 des Strafgesetzbuchs finden in der Regel erst in der Hauptverhandlung statt und führen damit häufig zu einer unnötigen psychi- schen und finanziellen Belastung der Betroffenen. Eine Regelung zur Vermei- dung betäubungsmittelrechtlicher Strafverfahren könnte zudem auch die Rechtssicherheit bei Staatsanwaltschaften und Gerichten erhöhen und dort zu einer Arbeitsentlastung führen.

Eine zweite Regelung hat zum Ziel, schwerkranken Patientinnen und Patienten den Zugang zu einem Medikament auf Basis von Cannabis zu ermöglichen, wenn für die Erkrankung keine andere Standardtherapie vorhanden ist. Dazu wird das Bundesministerium für Gesundheit beauftragt, eine Expertengruppe nach § 35c Absatz 1 SGB V zu berufen, deren Aufgabe es ist, Empfehlungen zur zulassungsüberschreitenden Anwendung von Arzneimitteln auf Basis von Cannabis zu erstellen. Aufträge an die Expertengruppe können der Gemein- same Bundesausschuss oder das Bundesministerium für Gesundheit erteilen. Auf Grundlage der Empfehlungen des Expertengremiums und mit Zustimmung der jeweiligen pharmazeutischen Unternehmen beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss über die Kostenübernahme durch die gesetzliche Kranken- versicherung. Damit wird in diesen Fällen die Kostenübernahme auch für jene Patientinnen und Patienten ermöglicht, die entgegen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes nicht an einer lebensbedrohlichen oder zum Tode füh- renden Erkrankung leiden.

Presseschau: Cannabis hilft Duisburger mit Tourette-Syndrom gegen Tics (Westdeutsche Allgemeine Zeitung)

Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung berichtete über zwei Patienten, die am Tourette-Syndrom leiden und eine Ausnahmegegenehmigung von der Bundesopiumstelle zur Verwendung von Cannabis aus der Apotheke besitzen.

Cannabis hilft Duisburger mit Tourette-Syndrom gegen Tics

2. April 2012

Presseschau: IQWiG: Sativex ohne Zusatznutzen (apotheke-adhoc.de)

Auf der Internetseite apotheke-adhoc.de wurde über eine Bewertung des Cannabisextraktes Sativex, der seit 2011 in Deutschland arzneimittelrechtlich zugelassen ist, durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) berichtet. Das IQWiG schreibt, dass die bisherigen Daten zu diesem Medikament keinen Zusatznutzen bei der Behandlung der Spastik von MS-Patienten belegen.

IQWiG: Sativex ohne Zusatznutzen

Karoline Schumbach, 2. April 2012

Presseschau: Die Kombinationsbehandlung von Cannabis mit Ketamin (Hanf Journal)

Das Hanf Journal berichtete in der April-Ausgabe von dem Fall einer Patientin mit starken chronischen Schmerzen im Unterarm, die erst durch eine Kombination aus Cannabis und einer Ketaminsalbe ausreichend gelindert werden konnten.

Die Kombinationsbehandlung von Cannabis mit Ketamin

Franjo Grotenhermen, 2. April 2012

Cannabisprodukte wurden in den vergangenen Jahrzehnten von Millionen von Menschen, die eine Vielzahl unterschiedlicher Medikamente eingenommen haben oder einnehmen, verwendet, ohne dass bisher starke unerwünschte Wechselwirkungen bekannt geworden sind. Cannabis und THC können die Wirkung einiger Medikamente verstärken, während die Wirkung anderer Medikamente herabgesetzt werden kann. Weit verbreitet ist die Kombination von Cannabisprodukten mit anderen Schmerzmitteln, insbesondere Opiaten. Erste Studien haben gezeigt, dass Cannabis bei Schmerzpatienten, die bereits Opiate einnehmen und diese auch während der Studie beibehalten, eine zusätzliche Schmerzlinderung erzielen kann. Weitere Medikamente, die in der Regel gut zusammen mit Cannabisprodukten eingenommen werden können, sind brechreizhemmende Mittel, muskelentspannende Medikamente, Asthmamittel sowie Mittel zur Senkung eines erhöhten Augeninnendrucks.

Jüngst berichtete ein Professor eines niederländischen Instituts für neuropathische Schmerzen von der erfolgreichen Kombination einer Ketamin-Salbe mit Cannabis, das eine Patientin in Keksen einnahm. Sie litt an starken chronischen Schmerzen aufgrund einer Nervenschädigung im rechten Arm. Bereits im Alter von 7 Jahren hatte sich die jetzt 56 Jahre alte Frau erstmals die Speiche des rechten Unterarms gebrochen. Dieser Knochen war 6 Wochen später erneut gebrochen worden, um die Heilung zu verbessern. Mit 11 Jahren brach sie sich bei einem Unfall erneut die gleiche Speiche. Drei Jahre später trat ein weiterer Bruch an diesem Knochen auf. Dabei gelang es nicht einen Knochensplitter wieder in den Knochen zu integrieren. Mit 17 Jahren konnte sie plötzlich aufgrund des wandernden Knochensplitters den Ellbogen nicht mehr bewegen. Bei der anschließenden Operation wurde ein Nerv verletzt. Mit 22 Jahren wurde ihr Ellbogen bei einem Fahrradunfall verletzt. Zu dieser Zeit begannen Schmerzen im rechten Unterarm, begleitet von Muskelschwäche und Krämpfen. Mit 41 Jahren nahmen diese Schmerzen deutlich zu, konnten jedoch durch eine Operation mit Verlegung des betroffenen Nervs verbessert werden. Mit 49 Jahren nahmen die Schmerzen erneut deutlich zu. Seit dieser Zeit wurde eine Vielzahl von Schmerzmitteln verwendet.

Im Jahr 2009 betrug die Schmerzintensität 9 auf einer Skala von 0 (keine Schmerzen) bis 10 (stärkste vorstellbare Schmerzen). Mit Paracetamol, Pregabalin und einem Opiat (Oxycodon) ließ sich die Schmerzintensität auf 7 reduzieren. Die Patientin litt jedoch unter starken Nebenwirkungen. Die Schmerzen wurden als brennend, kribbelnd, stechend, juckend oder als ein kaltes schmerzhaftes Gefühl beschrieben. Eine transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) reduzierte die Schmerzintensität auf 5, was allerdings nur eine Stunde anhielt.

Wegen der schweren Nebenwirkungen ihrer Medikamente brach sie die Behandlung ab und begann mit der Einnahme von Cannabis in Form von hausgemachten Keksen. Der Cannabis war der Patientin von den Schmerztherapeuten verschrieben worden. Zehn Gramm Cannabis aus der Apotheke verarbeitete sie zu 20 Keksen. Davon nahm sie täglich dreimal ein Drittel Keks, entsprechend 0,5 g pro Tag. Unter dieser Therapie reduzierten sich die Schmerzen auf eine Intensität von 5. Durch Zugabe eines Antidepressivums verbesserten sich die Schmerzen nicht weiter, die Betroffene schlief jedoch besser und empfand ihre Schmerzen als weniger belastend.

Dazu verordneten die Ärzte ihr eine Salbe mit Ketamin, die sie auf die betroffenen Stellen auftrug, was zu einer weiteren Reduzierung der Schmerzintensität auf Werte zwischen 2 und 3 führte. Ketamin ist ein Medikament, das Schmerzlinderung, Anästhesie, Halluzinationen, erhöhten Blutdruck und Bronchienerweiterung verursacht. Es wird vor allem verwendet, um eine Vollnarkose einzuleiten und aufrecht zu erhalten. Ketamin ist auch als Partydroge bekannt („Vitamin K“, „Kitti“, und andere gebräuchliche Namen). Wie andere Schmerzmittel (Opiate, Cannabis) wirkt Ketamin auch bei lokaler Verabreichung schmerzlindernd.

Dieses Beispiel zeigt, wie Cannabis zusammen mit anderen Medikamenten in ein Konzept zur Behandlung schwerster Schmerzen integriert werden kann, wenn Ärzte unbefangen mit dieser Möglichkeit verfahren. Wenn die Rahmenbedingungen für Ärzte in den Niederlanden auch günstiger sind, so besteht grundsätzlich auch die gleiche Möglichkeit für Ärzte in Deutschland und Österreich. Dabei können sowohl Arzneimittel auf Cannabisbasis wie Nabilon, Dronabinol oder Sativex als auch natürliche Cannabisprodukte im Rahmen einer Ausnahmegenehmigung durch die Bundesopiumstelle zum Einsatz kommen. Tatsächlich verwenden auch einige Patienten mit einer solchen Erlaubnis Cannabis in einer sinnvollen Kombination mit anderen Medikamenten.

Presseschau: Wundermedizin aus Selbstgebranntem und Haschisch Staatsanwalt jagt Leipziger Miraculix (Bild-Zeitung)

Die Bild-Zeitung berichtete über einen Mann aus einem kleinen Ort in Sachsen-Anhalt, der eine Kräuterzubereitung hergestellt und diese bei sich und in seinem Umfeld erfolgreich zur Linderung verschiedener Beschwerden angewendet hat. Er wird nun strafrechtlich verfolgt, da diese Zubereitung auch Cannabis enthalten soll.

Wundermedizin aus Selbstgebranntem und Haschisch Staatsanwalt jagt Leipziger Miraculix

T. Scholtyseck, 26. Februar 2012