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ACM-Mitteilungen vom 1. September 2007

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Leiter der Bundesopiumstelle spricht sich für eine gesetzliche Grundlage für eine Therapie mit Cannabis aus

Die Presseagentur ddp berichtete über die erstmalige Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zur Verwendung eines Cannabisextraktes an eine deutsche MS-Patientin.

"Erstmals kann in Deutschland eine Patientin mit Multipler Sklerose (MS) legal in der Apotheke Cannabis beziehen. Die Bundesopiumstelle beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte erteilte der Frau die Erlaubnis für eine Behandlung mit der Droge, die unter das Betäubungsmittelgesetz fällt. Der Leiter der Bundesopiumstelle, Johannes Lütz, sagte am Dienstag, es handle sich um eine "Ausnahme". Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) begrüßte die Entscheidung. Die Patientin aus Baden-Württemberg darf fortan ihre Beschwerden mit einem Extrakt behandeln, der den Cannabis-Wirkstoff Tetrahydrocannabiol (THC) enthält. Dieser kann Studien zufolge Spastiken und Schmerzen lindern. Laut "Süddeutscher Zeitung" musste die Patientin zuvor nachweisen, dass alle verfügbaren anderen Therapien keine Wirkungen erzielt hätten und dass es kein anderes zugelassenes Arzneimittel gebe, welches ihre Beschwerden lindere. Die Erlaubnis sei an strenge Auflagen geknüpft. Zudem müsse ein Arzt die Therapie begleiten. Lütz machte zur persönlichen Situation der Frau aus Gründen des Patientenschutzes keine Angaben. Für eine Erlaubnis müsse jedoch grundsätzlich die Voraussetzung vorliegen, dass andere Therapieformen gescheitert seien. Die Erlaubnis sei zunächst auf ein Jahr beschränkt, könne aber bei einer positiven Wirkung der Therapie verlängert werden. Dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte liegen noch rund 50 vergleichbare Anträge von Patienten vor, die überprüft werden. Grundlage für die Möglichkeit, legal Cannabis beziehen zu können, ist ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Mai 2005. Die Richter hatten damals entschieden, dass eine Erlaubnis im Einzelfall möglich sei, weil die medizinische Versorgung der Bevölkerung im öffentlichen Interesse liege. Die Bundesopiumstelle muss dieses Urteil nun umsetzen, wobei sie nach Angaben ihres Leiters Lütz auf Schwierigkeiten stößt. "Wir befinden uns in einem Dreieck zwischen dem Gerichtsurteil, dem Betäubungsmittelgesetz und den Patientenrechten", betonte er. Zwar habe das Gericht die Grenzen für eine Erlaubnis eng gesetzt. Eine gesetzliche Grundlage für eine Cannabis-Therapie im Einzelfall wäre jedoch sinnvoll. Die Präsidentin der Bundesapothekerkammer, Magdalene Linz, sagte, schwerkranke Menschen sollten in medizinisch angezeigten Einzelfällen Cannabis über die Apotheke beziehen dürfen - "legal und pharmazeutisch korrekt dosiert". Von daher sei die Entscheidung zu begrüßen. Dies sei aber "kein Freibrief". Cannabis sei nicht für jeden Patienten geeignet. Auch handelten Patienten, die sich auf dem Schwarzmarkt versorgen, weiterhin illegal, warnte Linz."

(Quelle: ddp vom 21. August 2007, Süddeutsche Zeitung vom 21. August 2007)

Einige Links zum Thema:

- Artikel in der Süddeutschen Zeitung

- Webseite des BfArM zur Beantragung eines Cannabisextraktes

- Drogenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen zum Thema Cannabis als Medizin

- Ein Interview mit Dr. Schinkel von der Bundesopiumstelle zur Prüfung von Anträgen auf eine Ausnahmegenehmigung

- Webseite des Selbsthilfenetzwerkes-Cannabis-Medizin

Protestmailer an die Mitglieder des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages

Das Selbsthilfenetzwerk-Cannabis-Medizin hat auf seiner Internetseite einen Protestmailer mit folgendem Text eingerichtet:

"Am 9. August hat die Bundesopiumstelle beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn einer Multiple-Sklerose-Kranken eine Erlaubnis zur Verwendung eines Cannabisextraktes erteilt. Wegen der restriktiven Handhabung der Gewährung solcher Erlaubnisse durch die Bundesopiumstelle stellt diese Möglichkeit für viele Patienten, die Cannabis aus medizinischen Gründen verwenden, allerdings leider keine realistische Option dar, um aus der Illegalität und der drohenden Kriminalisierung herauszukommen.

Am 9. Juli wurde ein Morbus-Crohn-Patient aus Baden- Württemberg, dessen Antrag vom BfArM abgelehnt worden war, wegen des Imports von Cannabis in Untersuchungshaft genommen.

Am 16. August wurde ein Patient mit Hepatitis C aus Schleswig-Holstein zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr ohne Bewährung wegen Cannabisbesitzes verurteilt.

Ich finde es beschämend und unerträglich, dass der deutsche Gesetzgeber bisher keine zivilisiertere Lösung gefunden hat, als die Betroffenen wie Kriminelle zu behandeln. Ich kann nicht erkennen, worin ihr von der Justiz zu verfolgendes Unrecht bestehen soll, wenn sie ihr Leiden mit Cannabis zu lindern suchen. Schwerkranke, die von Cannabis medizinisch profitieren, brauchen die Unterstützung der Politik, benötigen eine politische Lösung, um wirksam vor Strafverfolgung geschützt zu werden.

Ich bitte Sie daher inständig, Ihren Beitrag dazu zu leisten,

* dass eine gesetzliche Regelung geschaffen wird, die diese Patienten vor Strafverfolgung schützt,

* dass die zuständigen Politiker in Zusammenarbeit mit Experten aus Medizin und Rechtswesen Möglichkeiten erarbeiten, wie solche Regelungen konkret ausgestaltet werden können."

(Quelle: www.selbsthilfenetzwerk-cannabis-medizin.de)

Verurteilung einer Herstellerin von Cannabisprodukten für medizinische Zwecke in der Schweiz

In einer Pressemitteilung vom 29. August 2007 von Hedy und Urs Wolfer, Leiter der Friedreich-Ataxie-Selbsthilfegruppe der Gesellschaft für Muskelkranke in der Schweiz, heißt es:

"Das Kantonsgericht Schaffhausen hat heute eine Herstellerin von Cannabisprodukten wegen Verstosses gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt. Damit verlieren über 100 unheilbar Kranke ihre Lieferantin für Cannabistropfen, für viele das einzige wirksame Mittel gegen Muskelkrämpfe und Schmerzen bei neuromuskulären Erkrankungen.

Bei vielen, meist unheilbaren, Krankheiten bieten Cannabistropfen die einzige Möglichkeit bei Symptomen wie Schmerzen, Spasmen etc. Linderung zu verschaffen. (…)

Gemäss heute gültigem Betäubungsmittelgesetz ist es, selbst für medizinische Zwecke, verboten Cannabisprodukte herzustellen und zu verkaufen. Damit werden diese ohnehin schon schwer geprüften Patienten zusätzlich kriminalisiert. Seit 2004 ist das Parlament daran, diese Bestimmungen zu ändern. Der Nationalrat hat im Dezember 2006 die Liberalisierung beschlossen. Wegen der anstehenden Probleme mit der IV und der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen ist das Thema heute noch nicht einmal auf der Traktandenliste der zuständigen Ständeratskommission. Dabei würde diese Gesetzesanpassung auch zur Kostensenkung beitragen.

Die von diesem Gerichtsurteil betroffenen Patienten und Angehörige fordern die Politiker und die Verwaltung auf, rasch und unbürokratisch eine Lösung umzusetzen, um diesen Zustand zu beseitigen. Es kann nicht angehen, dass das Parlament an einer Liberalisierung arbeitet und auf der anderen Seite Gerichte weitere Urteile fällen."

(Quelle: Pressemitteilung von Hedy und Urs Wolfer vom 29. August 2007)