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ACM-Mitteilungen vom 7. November 2015

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Petition für Schmerzpatienten, der 2,5 Jahre ins Gefängnis soll

Mit einem Brief und einer Petition bittet Gabriele Gebhardt den Ministerpräsidenten und den Justizminister von Baden-Württemberg um Gnade für einen Schmerzpatienten, der eine Gefängnisstrafe von 2,5 Jahren antreten soll.

Petition

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann,

sehr geehrter Herr Justizminister Stickelberger,

am 4. Februar 2014 habe ich für Herrn Alexander Jähn ein Gnadengesuch eingereicht. Er war zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden, da er, um seinen Bedarf an medizinischen Cannabis zu decken, eine Kurierfahrt mit Cannabis gemacht hatte.

Nunmehr hat Herr Jähn die Aufforderung zum Haftantritt in die JVA Bruchsal erhalten. Angeraten wird in einem Begleitschreiben, er möge seine Medikation von pflanzlichem Cannabis auf „Drobinal“-Kapseln umstellen.

„Drobinal“ existiert nicht. Der Begriff „Drobinal“ wurde von der zuständigen Amtsärztin genannt, die Herrn Jähn daraufhin beurteilen sollte, ob Cannabisblüten durch Dronabinol (THC) ersetzt werden können. Die fehlende Kompetenz der Ärztin in Sachen Cannabis-Medizin ist ersichtlich.

Bereits durch Herrn Jähns behandelnde Ärzte ist eindeutig dokumentiert, dass Dronabinol nicht ausreichend wirkt, genau so wenig, wie andere Schmerzmedikamente, die Herr Jähn zuvor jahrelang bekommen hat. Die fehlende Medikamenten-Wirksamkeit war und ist überhaupt erst Voraussetzung für die Erteilung einer „Ausnahme- Erlaubnis nach §3 BtMG". Diese Sachlage hat die Bundesopiumstelle in einem Schreiben bestätigt.

Die Androhung, Herrn Jähn im Gefängnis-Krankenhaus gegen seinen erklärten Willen auf Medikamente umzustellen, die nachweislich nicht helfen, verletzt einen schwerkranken Schmerzpatienten in seinem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Das oberste ärztliche Prinzip „nihil nocere“ – niemand darf durch die Behandlung an seiner Gesundheit geschädigt werden – gilt unbedingt auch für staatliche Grundrechtseingriffe. Die medizinische Versorgung von Patienten hat sich daran zu orientieren, was Patienten hilft und nicht am Aufwand der Gefängnisadministration.

Herr Jähn hat eine Ausnahmeerlaubnis nach §3 BtMG. Diese gilt nach Rechtsauffassung des SCM in der gesamten Bundesrepublik. Insbesondere Haft-Anstalten sind kein exterritoriales Gebiet und dürfen nicht durch mangelnde medizinische Kompetenz zu rechtsfreien Räumen gemacht werden. Es ist zutreffend, dass Herr Jähn straffällig geworden ist, aber er hat mit seinem Tun keine andere Person geschädigt, und es besteht auch keine Wiederholungsgefahr, da er inzwischen medizinisch versorgt ist und die Krankenkasse in seinem Fall die Kosten für seine Medikation ausnahmsweise übernimmt.

Bundesweit sind viele andere Patienten, die Cannabis als Medikament benötigen, gezwungen, durch Selbstanbau oder Versorgung auf dem Schwarzmarkt illegal zu handeln. Der bislang 16 Jahre andauernde Klageweg durch Patienten hat bis dato noch nicht dazu geführt, dass die Politik diesen unhaltbaren Zustand in menschenrechtswürdiger Weise geändert hätte.

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Wir gestehen zu, dass gesetzliche Änderungen Aufgabe der Bundespolitik sind, dennoch haben Sie in Ihrer führenden Position die Macht und die Möglichkeit, die unmenschliche Strafverfolgung von Cannabis-Patienten bis dahin auszusetzen. Dies erbitten wir im Rahmen dieses erneuten Gesuchs für Herr Jähn im Speziellen, aber auch für alle anderen Cannabis-Patienten, gegen die zur Zeit in Baden-Württemberg Strafverfahren laufen.

Bitte setzen Sie ein Signal der Menschlichkeit.

Hochachtungsvoll

Gabriele Gebhardt

Sprecherin des Selbsthilfenetzwerk Cannabis – Medizin (SCM)

Presseschau: 30 Monate Knast – Keine Gnade für Cannabis-Patienten (Vice.com)

Michael Knodt berichtete in einem Beitrag über die Situation von Alexander Jähn, der nun eine Gefängnisstrafe antreten soll.

30 Monate Knast – Keine Gnade für Cannabis-Patienten

Zugegeben, gute 12 Kilo Gras klingen nicht gerade nach Eigenbedarf. Auch zweieinhalb Jahre Knast sind angesichts dieser Menge nicht ungewöhnlich. Doch der Fall von Alexander Jähn liegt ein bisschen komplizierter.

Alexander hatte 2001 als Beifahrer einen Autounfall, der eine gelähmte Schulter und ein steifes Bein zur Folge hatte. Der 31-Jährige ist zu 100 Prozent schwerbehindert und weder schul- noch berufsfähig. Bevor er seine Erlaubnis für eine „Ausnahmeerlaubnis zur Selbsttherapie mit Cannabis-Blüten" bekam, hatten verschiedene Ärzte versucht, seine chronischen Schmerzen, unter denen er als Folgen des Unfalls litt, mit Tilidin, Morphin, Tramal, Fentanyl und anderen Medikamenten in den Griff zu bekommen. Nichts davon hat richtig gewirkt.

Auch Dronabinol, also reines THC in Tropfenform, brachte als so genanntes „Monopräparat" nicht den erwünschten Behandlungserfolg, zudem ist es viel teuer als die echten Blüten, die Jähn mittlerweile aus der Apotheke bekommt. Seit März 2013 hat Alexander 14.350,65 Euro aus eigener Tasche für Cannabis aus der Apotheke bezahlt, weil er als Schmerzpatient so genannter Off-Label-User ist und die Kasse die Kosten nicht übernimmt.

Als er pleite ist, baut er selbst ein paar Pflanzen an—und wird erwischt. Das Gericht ermahnt ihn lediglich, aber die Pflanzen sind weg und die Versorgung mit täglich sieben Gramm Cannabis, die er für ein schmerzfreies Leben braucht, ist wieder nicht sicher gestellt. Sieben Gramm hört sich mächtig viel an, doch bei chronischen, sehr starken Schmerzen, die im Regelfall mit Opioden oder Opiaten behandelt werden, sind relativ hohe THC-Dosierungen nicht ungewöhnlich.

500 GRAMM ZUM VORZUGSPREIS

In dieser Situation bekommt er ein Angebot von einem Dealer: 500 Gramm zum Vorzugspreis von 800 Euro für eine Kurierfahrt. Für Alexander Jähn zu verlockend, er macht mit. Aber er hat kein Glück: Jähn wird mit den zwölf Kilo an einer Autobahnraststätte erwischt, der Cannabis-Patient landet erneut vor Gericht.

Das kann, auch aufgrund des vorherigen Anbau-Vorfalls, gar nicht anders, als ihn 2013 zu 30 Monaten Haft zu verurteilen. „Der Richter hat gesagt, es täte ihm leid. Ich meinte, das ist schon OK, das ist jetzt halt so."

IM KNAST GIBT ES KEIN GRAS

Auch im Knast braucht ein Cannabis-Patient eine ordentliche Regel-Versorgung. Doch damit scheint man in Deutschland noch überfordert. Als Jähn im Rahmen seiner ersten Ladung zum Haftantritt fragt, ob er auch hinter Gittern regelgerecht versorgt werden könne, wurde der Termin plötzlich verschoben. Jähn wird aufgefordert, sich bei einer Ärztin vorzustellen. Die scheint wenig Ahnung von Cannabinoid-Medizin zu haben und bescheinigt Jähn gegen seinen Willen eine Drobinal-Verträglichkeit. Herr Jähn könne einfach auf dieses „Drobinal" umgestellt werden und dann flugs in den Knast wandern. „Drobinal" gibt es nicht, das Zeug heißt Dronabinol.

Er solle sich in den kommenden Wochen einfach umstellen und mit den „Drobinal"-Kapseln dann Mitte November seine Haft antreten. Stelle er sich nicht freiwillig auf das Präparat um, geschähe das dann nach Haftantritt im Gefängniskrankenhaus. Zur Orientierung: Eine Tagesdosis Cannabis-Blüten kostet 105 Euro, die gleiche Menge Dronabinol in Tropfenform über 900 Euro.

„Ich war gerade bei meiner Apotheke", berichtet er heute am Telefon. „Die bekommen die benötigte Dosis von 1,5 Gramm Dronabinol am Tag gar nicht ran, mehr als ein Gramm geht irgendwie nicht. Außerdem will ich mich gar nicht umstellen, denn ich bekomme die Blüten ja auch deshalb, weil das Monopräparat bei mir viel schlechter anschlägt. Ich habe mich mittlerweile damit abgefunden, ins Gefängnis zu müssen. Aber bitte nicht ohne eine Regelversorgung mit der Medizin, für die ich eine staatliche Ausnahmegenehmigung besitze."

Nachdem das Gericht keine Revision zugelassen hatte, schien ein Gnadengesuch beim Grünen Ministerpräsidenten Kretschmann der letzte Ausweg. Im Februar 2014 schreibt die SCM-Sprecherin Gabriele Gebhard im Gesuch an Kretschmann:

„Es stellt nach unserer Ansicht eine ungerechtfertigte Härte dar, Patienten für die Untätigkeit der Regierung zu bestrafen. Herr Jähn hat nichts Anderes getan, als sein Grundrecht auf Leben und Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen. Ich bitte Sie deshalb, durch einen Gnadenerlass den Vollzug der Gefängnisstrafe auszusetzen, nicht zuletzt weil die Erfahrung zeigt, dass die medizinische Versorgung von Herr Jähn mit Cannabis in der Justizvollzugsanstalt nicht gewährleistet sein wird. Keine angemessene Versorgung mit Cannabinoiden würde aber bedeuten, dass Herr Jähns Gesundheitszustand innerhalb kurzer Zeit sich rapide verschlechtert."

Nach der Ablehnung des Gesuchs bleibt dieaktuelle Petition auf change.org aktuelle Petition auf change.org wohl der einzige Strohhalm, an den sich Alexander Jähn festhalten kann. Die Petition fordert keine Haftverschonung, sondern lediglich den Zugang zur einzigen wirksamem Medikament, für das der Häftling in spe sogar eine staatliche Erlaubnis besitzt.

LEGALE JOINTS UNERWÜNSCHT

Die Hürden, medizinische Cannabis-Blüten zu erhalten, sind in Deutschland ungemein hoch. Man hat eben Angst, es könnten sich Freizeit-User einschmuggeln. Anders als am Strand von L.A. kann man in Deutschland also sicher nicht von Fake-Patienten reden, jeder Einzelfall ist bei der Bundesopiumstelle akribisch geprüft worden. Wenn aber so ein Patient mal in den Knast muss, steht selbst das auf der Kippe. Geht es wirklich noch um den Patienten oder darum, dass in deutschen Knästen selbst aus medizinischen Gründen kein legaler Joint brennen darf? Alexander Jähn wäre auf Nachfrage sogar bereit, eine Fußfessel zu tragen, wenn das die Regelversorgung mit Blüten aus der Apotheke sicher stellen würde.

Presseschau: Staatliche Cannabis-Agentur für Kranke geplant (Berliner Zeitung)

Viele Zeitungen berichteten über die geplanten Erleichterungen bei der medizinischen Verwendung von Cannabisprodukten durch die Bundesregierung. Dabei stand überwiegend der geplante Anbau von Cannabis in Deutschland und weniger die für die Patienten bedeutendere Kostenübernahme entsprechender Produkte und die Verschreibungsfähigkeit von Cannabisblüten im Vordergrund.

Staatliche Cannabis-Agentur für Kranke geplant

Etwa 400 Patienten in Deutschland beziehen legal Cannabis zu medizinischen Zwecken. Bisher wird der Bedarf durch Importe aus den Niederlanden gedeckt. Jetzt plant das Bundesministerium für Gesundheit, den Anbau und Handel der Droge selbst zu organisieren.

Cannabis als Medizin, das wünschen sich viele Patienten. Sie dürfen auf klarere Regelungen, einfacheren Zugang und auf breitere Kostenerstattung durch Krankenkassen hoffen. Wie das Bundesministerium für Gesundheit am Sonntag bestätigte, soll eine staatliche Cannabisagentur Anbau und Handel zur Schmerztherapie in die Hände nehmen. Ein solcher Vorschlag sei in einem Referentenentwurf enthalten. Die Gesamtkoordination soll das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) übernehmen.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und die Drogenbeauftragte Marlene Mortler (CSU) haben sich wiederholt dafür ausgesprochen, den Zugang zu Cannabis als Medizin zu erleichtern. „Wir wollen, dass schwer kranke Menschen, denen nur durch Medizinalhanf geholfen werden kann, gut versorgt werden“, hatte Gröhe erklärt. Missbrauch müsse aber wirksam verhindert werden. Deshalb soll der Eigenanbau durch Patienten weiter verboten bleiben.

Verkauf in Apotheken

„Die Cannabisagentur schreibt den voraussichtlichen Bedarf an Medizinalhanf nach den Vorgaben des Vergaberechts aus, vergibt in wettbewerblichen Verfahren Aufträge über die Belieferung mit Medizinalhanf an Anbauer und schließt mit diesen zivilrechtliche Liefer- beziehungsweise Dienstleistungsverträge“, heißt es laut Welt am Sonntag in dem Entwurf. „Die Cannabisagentur verkauft den Medizinalhanf anschließend insbesondere an Hersteller von Cannabisarzneimitteln, Großhändler und Apotheken.“

Die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin in Rüthen begrüßte die Entwicklung. Ihr Vorsitzender Franjo Grotenhermen wies in einer Stellungnahme jedoch darauf hin, dass der Aufbau einer staatlichen Cannabisagentur seine Zeit brauche. In den Niederlanden etwa habe es von der Ankündigung bis zur ersten Belieferung der Apotheken zwei Jahre gedauert.

Therapie für 300 bis 500 Euro

Grotenhermen sieht mit der geplanten Gesetzesänderung zudem eine Chance, dass künftig mehr Cannabis-Medikamente als bisher von den Krankenkassen erstattet werden. Die Medikamente Dronabinol (THC) sowie die Cannabisextrakte Sativex und Nabilon könnten bereits jetzt auf Kassenrezept verschrieben werden, sagte der Experte. Offenbar sollten die Krankenkassen nun dazu verpflichtet werden, unter bestimmten Voraussetzungen weitere Medikamente auf Cannabisbasis sowie Cannabisblüten zu erstatten. Für die Verschreibungsfähigkeit von Cannabisblüten muss das Betäubungsmittelgesetz entsprechend geändert werden.

Derzeit dürfen etwa 400 Patienten in Deutschland legal Cannabis zu medizinischen Zwecken beziehen. Der Bedarf wird durch Importe aus den Niederlanden gedeckt. Die Kosten für die Präparate werden bisher nur einer Patientengruppe erstattet: Menschen mit Multipler Sklerose, die an spastischen Krämpfen leiden.

Cannabis kann aber auch bei anderen Diagnosen helfen, zum Beispiel bei Übelkeit und Erbrechen infolge einer Krebs-Chemotherapie, als Schmerztherapie bei Nervenerkrankungen und bei Störungen wie dem Tourette-Syndrom. Eine Therapie kostet zwischen 300 und 500 Euro im Monat. Bei Cannabisblüten ist es etwa ein Drittel davon. Bauen Patienten in der eigenen Wohnung Hanfpflanzen an, geraten sie derzeit rasch ins Visier von Ermittlern. (dpa/BLZ)

Presseschau: Cannabis vom Staat (Süddeutsche Zeitung)

Auch die Süddeutsche Zeitung berichtete.

Cannabis vom Staat

Eine Regierungs-Agentur soll den Handel mit Hanf für Schmerzpatienten regeln und auch die Preise der Präparate festlegen. Der Eigenanbau von Cannabis durch die Patienten soll aber weiter verboten bleiben.

Die Bundesregierung will den Anbau und Handel von Cannabis zur Schmerztherapie in die Hände einer staatlichen Stelle geben. Das Bundesgesundheitsministerium bestätigte am Sonntag, dass der Vorschlag einer "Cannabisagentur" in einem Referentenentwurf enthalten sei. Die Welt am Sonntag hatte zuvor darüber berichtet. Die Gesamtkoordination soll beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angesiedelt werden.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und die Drogenbeauftragte Marlene Mortler (CSU) haben sich wiederholt dafür ausgesprochen, den Zugang zu Cannabis als Medizin zu erleichtern. "Wir wollen, dass schwer kranke Menschen, denen nur durch Medizinalhanf geholfen werden kann, gut versorgt werden", hatte Gröhe versprochen. Missbrauch müsse aber wirksam verhindert werden. Deshalb soll der Eigenanbau durch Patienten weiter verboten bleiben.

Auch den Preis der Präparate soll die Agentur festlegen.

"Die Cannabisagentur schreibt den voraussichtlichen Bedarf an Medizinalhanf nach den Vorgaben des Vergaberechts aus, vergibt in wettbewerblichen Verfahren Aufträge über die Belieferung mit Medizinalhanf an Anbauer und schließt mit diesen zivilrechtliche Liefer- beziehungsweise Dienstleistungsverträge", heißt es dem Zeitungsbericht zufolge in dem Entwurf. "Die Cannabisagentur verkauft den Medizinalhanf anschließend insbesondere an Hersteller von Cannabisarzneimitteln, Großhändler und Apotheken." Auch der Preis, den Krankenkassen für jedes an Patienten abgegebene Präparat zahlen müssen, soll demnach von der Agentur festgelegt werden. Der Referentenentwurf befindet sich nach Angaben des Ministeriums in der Ressortabstimmung. Wann die vorgesehene Änderung des Betäubungsmittelgesetzes in Kraft treten kann, ist noch unklar.

Derzeit dürfen etwa 400 Patienten in Deutschland legal Cannabis zu medizinischen Zwecken beziehen. Der Bedarf wird durch Importe aus den Niederlanden gedeckt. Die Bundesregierung kann keine Schätzung dazu abgeben, wie vielen Patienten in Deutschland eine Behandlung mit cannabishaltigen Arzneimitteln verordnet werden könnte. Auch Kranken ist es nicht erlaubt, Cannabis etwa in der eigenen Wohnung anzubauen.

Presseschau: Cannabis in der Medizin: Hanf-Medikamente auf dem Vormarsch (Wirtschaftswoche)

Die Wirtschaftswoche berichtete über mehrere Aspekte, die zeigen, dass Medikamente auf Cannabisbasis in Deutschland und der Schweiz auf dem Vormarsch sind und stellt den Nutzen dieser Substanzen hervor.

Cannabis in der Medizin-Hanf-Medikamente auf dem Vormarsch

Hanf-Präparate helfen Schwerkranken gegen Schmerzen. Die Regierung will nun dafür sorgen, dass Kranke Cannabis-Medikamente bekommen und dafür Hanf in Deutschland anbauen lassen. Die Kassen sollen die Kosten übernehmen.

„Ein Hanf-Medikament hat mein Leben gerettet“, sagt Ute Köhler. Vierzehn Jahre lang litt die 61-Jährige Thüringerin infolge einer Operation unter starken Schmerzen, Erschöpfung und Schlafstörungen. Die Frührentnerin galt bei den Ärzten als „austherapiert“ – als ein hoffnungsloser Fall. Bis sie ihr Schmerztherapeut auf Dronabinol aufmerksam machte: „Das war, als hätte jemand den Schalter umgelegt.“ Die Schmerzen gingen weitgehend zurück, erstmals seit längerer Zeit konnte Köhler wieder durchschlafen, psychisch ging es ihr viel besser.

Dronabinol entsteht aus der Hanfpflanze, genauer gesagt aus deren Wirkstoff Thc, der vom Hersteller Bionorica chemisch aufbereitet wird. Das bayerische Unternehmen aus Neumarkt in der Oberpfalz ist ansonsten eher für seine Erkältungsmittel Sinupret und Bronchipret bekannt.

Nicht nur Patienten, auch immer mehr Mediziner und Gesundheitspolitiker setzen auf die heilende Wirkung von Cannabis, das Schmerzen lindert, entzündungshemmend wirkt und oft weniger gefährliche Nebenwirkungen zeigt als etwa Morphine oder Opiate. Die Bundesregierung, will nun dafür sorgen, dass schwerkranke Patienten auf Kassenrezept ihren Medizinalhanf aus der Apotheke erhalten und, so steht es in einem Gesetzentwurf, dafür sogar Hanf in Deutschland anbauen lassen. Der staatlich kontrollierte Hanfanbau soll dann von der deutschen Arznei-Zulassungsbehörde, dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) kontrolliert werden. Das BfArM vergibt dann den Züchtungsauftrag an private Anbieter, etwa landwirtschaftliche Betriebe. Mitte 2016 könnte das Gesetz in Kraft treten.

„Stoff für Herz und Hirn“

Cannabis-Medikamente helfen nicht nur bei Schmerzen, sondern zeigen auch bei multipler Sklerose, der Augenkrankheit Grüner Star oder dem Tourette-Syndrom oftmals gute Heilerfolge. „Wir erleben im klinischen Alltag immer wieder, dass es Schmerzpatienten gibt, die vom Einsatz von Cannabinoiden stark profitieren“, sagt Michael Schäfer, der Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft.

Eine vom Schweizer Bundesamt für Gesundheit finanzierte Studie bescheinigte Cannabis-Medikamenten erst kürzlich ein „vielversprechendes Heilmittelpotenzial“. Und selbst die „Apotheken Umschau“ preist medizinisches Cannabis neuerdings als „Stoff für Herz und Hirn“.

Bislang fehlen allerdings aussagefähige Studien, vor allem zu Langzeitwirkungen. Bei Jugendlichen ist Vorsicht geboten. Das Gros der Cannabis-Patienten ist allerdings im fortgeschrittenen Alter, so Schäfer. Das Suchtrisiko bei medizinischem Cannabis hält der Schmerzmediziner für „gering“.

Wie Cannabis konsumiert wird

Tatsächlich gibt es allerdings bislang nur ein Cannabis-Präparat, das in Deutschland als Arzneimittel zugelassen ist: Das Mittel Sativex des spanischen Herstellers Almirall hilft gegen spastische Krämpfe bei multipler Sklerose. Zwischen 2000 und 3000 Patienten profitieren pro Jahr von dem Mittel. Die Kassen zahlen in der Regel nur, wenn die vorgeschriebene Anwendung genau eingehalten wird.

Bei Dronabinol – dem Medikament der Thüringerin Köhler ¬- sind die Kassen nicht zur Zahlung verpflichtet, da es lediglich als Betäubungsmittel zugelassen ist. Die 600 bis 700 Euro kostet das Medikament im Monat; den Betrag müssen die Patienten in der Regel selbst aufbringen. Die Frührentnerin Köhler sagt, dass sie ohne die finanzielle Hilfe von Bekannten aufgeschmissen wäre.

Erst kürzlich ist Bionorica-Chef Michael Popp mit einem Versuch gescheitert, Dronabinol unter dem Markennamen Kachexol als Arzneimittel zuzulassen und damit die Chance auf eine Kassen-Erstattung zu erhalten. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte lehnte den Antrag ab.

Bionorica muss nun teure, klinische Studien mit Patienten durchführen – die begehrte Zulassung als Arzneimittel dürfte das Unternehmen erst in drei bis vier Jahren erhalten.

Selbst zahlen müssen bislang auch rund 400 Patienten, die mittels einer Sondergenehmigung ihre Hanfblüten aus der Apotheke erhalten. Die Bundesopiumstelle, eine Unterabteilung des BfArM, erteilt die Erlaubnis jedoch nur, wenn den Schmerzkranken nichts anderes mehr hilft. Nach dem Willen der Bundesdrogenbeauftragten Marlene Mortler (CSU) sollen künftig die Kassen für den Medizinalhanf aufkommen.

Eine entsprechende Genehmigung zu erhalten, ist nicht einfach: Die 50-jährige Angelika Lingelbach aus Gelsenkirchen musste mehrere Monate auf die Erlaubnis warten. Etliche Formulare musste die langjährige Schmerzpatientin dafür einreichen – inklusive eines ausführlichen Arztberichtes mit Angaben etwa zur Diagnose, bisherigen Behandlungen und einer Einschätzung zur Therapietreue der Patientin.

Lingelbach hat früher Morphine geschluckt – mit schlimmen Nebenwirkungen. Seit sie das Apotheken-Hanf raucht, sind ihre Schmerzen stark gelindert, Depressionen und Suizidgedanken verschwunden: „Ich bin ansprechbarer und besser konzentriert.“ Ihre Tochter sagt: „Meine Mutter lebt und lacht wieder.“

Für die schwerbehinderte Frührentnerin gehen die Kosten allerdings ans Eingemachte: Fünf Gramm kosten 85,95 Euro, das reicht für etwa drei bis fünf Tage. Zum Vergleich: Auf dem Schwarzmarkt könnte Lingelbach die gleiche Menge schon für fünfzig Euro beschaffen.

Lieferungen aus Holland

Das Hanf beziehen die Apotheken von holländischen Plantagen. Der holländische Hersteller Bedrocan hat dafür von der holländischen Behörde für medizinisches Cannabis eine exklusive Lizenz erhalten. Doch häufig stockt die Lieferung aus Holland - wenn der Hanf-Nachschub stockt, werden im Zweifel die niederländischen Patienten zuerst versorgt.

Besonders schlimm war es Ende 2014. „Von November bis Mitte Februar blieben die Lieferungen aus“, sagt Patientin Lingelbach, die sich dann noch etwas Hanf über Freunde besorgen konnte. Eine staatlich kontrollierte Cannabisagentur in Deutschland, wie sie nun im Gesetzentwurf vorgesehen ist, würde gegen solche Engpässe helfen.

Durch die geplante Neuregelung hofft die Bundesregierung auch, den Eigenanbau von Hanf eindämmen zu können. Im vergangenen Jahr haben einige Patienten vor dem Kölner Verwaltungsgericht das Recht erstritten, ihr Hanf zuhause selbst anbauen zu dürfen. Der Eigenanbau solle jedoch eine Ausnahme bleiben.

Die CSU-Bundesdrogenbeauftragte Mortler wendet sich klar gegen den Eigenanbau. Gegen die Entscheidung des Gerichts hat das BfArM Klage eingereicht. Das Argument der Kritiker: Die Patienten hätten zu wenig Erfahrung mit dem Anbau. Schädigungen, etwa durch Verunreinigungen, seien nicht auszuschließen. Die oft beengten Wohnverhältnisse der Schmerzpatienten, etwa in Heimen, ließen den Eigenanbau auch häufig nicht zu.

Derweil wird sich Bionorica-Chef Michael Popp über die nächsten Jahre weiter mühen, für sein Dronabinol eine Zulassung als Arzneimittel zu erhalten, um mehr Patienten wie Ute Köhler- und auf Kosten der Kassen - versorgen zu können. Einen Vorteil haben die Medikamenten-Hersteller auf alle Fälle gegenüber dem Eigenanbau: Sie können eine gleichbleibende, hohe Qualität ihrer Hanfpräparate garantieren. Zudem klappt die Lieferung zuverlässiger als mit dem Medizinalhanf aus Holland.

Presseschau: Cannabis-Tropfen auf Kassen-Kosten? (Ärztezeitung.de)

Zwei Urteile – eines vom Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, das sich auf unserer Webseite befindet, und eines vom Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, das in der Ärztezeitung vorgestellt wurde, - zeigen, dass Cannabinoid-Medikamente und Cannabisblüten im Einzelfall von den Krankenkassen bezahlt werden müssen.

Patientenurteile auf der IACM-Webseite

Cannabis-Tropfen auf Kassen-Kosten?

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen prüft, ob Cannabis-Tropfen zur Schmerztherapie in Einzelfällen von der Kasse bezahlt werden müssen.

Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in Celle will prüfen, ob die gesetzlichen Krankenkassen im Einzelfall Cannabis-Tropfen zur Schmerzbehandlung bezahlen müssen.

Nach einem Eilbeschluss ist dies dann der Fall, wenn die Auswirkungen der Schmerzen dem Verlust wichtiger Körperfunktionen wertungsgemäß gleichstehen.

Danach kann ein 54-jähriger Mann aus Niedersachsen vorerst die Tropfen beanspruchen. Er leidet seit seinem neunten Lebensjahr unter einem Morbus Bechterew mit progredientem Verlauf. Die dadurch verursachten Schmerzen haben nach Angaben des behandelnden Arztes ein inzwischen nahezu unerträgliches Ausmaß erreicht. Analgetika zeigten keine ausreichende Wirkung mehr.

Die Bundesopiumstelle beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erteilte dem Mann eine Ausnahmeerlaubnis zum Erwerb von Cannabis zu Therapiezwecken.

Bei seiner Krankenkasse beantragte der Mann daraufhin die Kostenübernahme für Cannabis-Extrakt-Tropfen. Die Kasse verweigerte dies: Eine Schmerztherapie mit Cannabis gehöre nicht zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung.

Nach Überzeugung des LSG in Celle kann dies aber zumindest in Einzelfällen anders sein. Zwar gebe es für die Cannabis-Therapie keine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses.

Der Schmerzpatient könne sich aber eventuell auf die gesetzliche Ausnahmeklausel für tödliche und besonders schwere Krankheiten berufen. Das Bundessozialgericht in Kassel hatte den Verlust wichtiger Körperfunktionen hier einbezogen.

Im konkreten Fall will das LSG in Celle nun prüfen, ob die starken Schmerzen des Klägers Auswirkungen haben, die dem Verlust wichtiger Körperfunktionen "wertungsmäßig gleichzustellen" sind.

Bis zu einer Entscheidung hierüber im Hauptverfahren muss die Kasse die Kosten der Cannabis-Tropfen vorläufig übernehmen. Ein Abwarten sei dem Patienten angesichts seiner starken Schmerzen nicht zumutbar, so das LSG.

Im März hatte die deutsche Schmerzgesellschaft die Kostenübernahme in Einzelfällen befürwortet. Das Bundesverfassungsgericht hatte entschieden, dass Schmerzpatienten im Einzelfall Cannabis für medizinischen Eigenbedarf anbauen dürfen.

LSG Celle Az.: L 4 KR 276/15 B ER

Presseschau: Bionorica: Arzneiprüfer Stoppen Medizinhanf

Das Unternehmen Bionorica in Neumarkt in der Oberpfalz strebt eine Zulassung für ein Dronabinol Fertigpräparat an. Nun hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte den Antrag wegen unvollständiger Unterlagen abgelehnt. Das Unternehmen will gegen die Entscheidung klagen.

Bionorica: Arzneiprüfer Stoppen Medizinhanf

Das Bonner Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) lehnt die Zulassung eines Cannabis-Medikaments des bayerischen Naturarznei-Herstellers Bionorica wegen „unvollständiger Unterlagen“ ab.

Das Medikament Kachexol sollte insbesondere Krebs- und Aids-Patienten gegen Schmerzen helfen. Bionorica-Chef Michael Popp sagte der WirtschaftsWoche, die Arzneiprüfer verlangten umfangreiche Studien an Patienten. Das Unternehmen hatte lediglich durch eine klinische Studie eine vergleichbare Wirkung von Kachexol zum identischen US-Präparat Marinol belegt. Popp nennt die Entscheidung der Prüfer „unlogisch“, zumal Marinol schon einmal in der EU zugelassen war. Bionorica hat daher gegen die Entscheidung des BfArM Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln eingereicht, wie Popp der WirtschaftsWoche sagte. Das Unternehmen will dennoch die geforderten Studien durchführen, die jedoch drei bis vier Jahre dauern und einen zweistelligen Millionenbetrag kosten dürften.

Laut Branchenschätzungen erzielt Bionorica mit Sinupret in Deutschland einen zweistelligen Millionenumsatz pro Jahr. 2014 erlöste Bionorica insgesamt 230 Millionen Euro.

Presseschau: Bionorica: Arzneiprüfer stoppen Medizinhanf (Wirtschaftswoche)

Das Unternehmen Bionorica in Neumarkt in der Oberpfalz strebt eine Zulassung für ein Dronabinol-Fertigpräparat an. Nun hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte den Antrag wegen unvollständiger Unterlagen abgelehnt. Das Unternehmen will gegen die Entscheidung klagen.

Bionorica: Arzneiprüfer stoppen Medizinhanf

Das Bonner Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) lehnt die Zulassung eines Cannabis-Medikaments des bayerischen Naturarznei-Herstellers Bionorica wegen „unvollständiger Unterlagen“ ab.

Das Medikament Kachexol sollte insbesondere Krebs- und Aids-Patienten gegen Schmerzen helfen. Bionorica-Chef Michael Popp sagte der WirtschaftsWoche, die Arzneiprüfer verlangten umfangreiche Studien an Patienten. Das Unternehmen hatte lediglich durch eine klinische Studie eine vergleichbare Wirkung von Kachexol zum identischen US-Präparat Marinol belegt. Popp nennt die Entscheidung der Prüfer „unlogisch“, zumal Marinol schon einmal in der EU zugelassen war. Bionorica hat daher gegen die Entscheidung des BfArM Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln eingereicht, wie Popp der WirtschaftsWoche sagte. Das Unternehmen will dennoch die geforderten Studien durchführen, die jedoch drei bis vier Jahre dauern und einen zweistelligen Millionenbetrag kosten dürften.

Laut Branchenschätzungen erzielt Bionorica mit Sinupret in Deutschland einen zweistelligen Millionenumsatz pro Jahr. 2014 erlöste Bionorica insgesamt 230 Millionen Euro.