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IACM-Informationen vom 21. Juli 2001

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Wissenschaft — Diskussion zum medizinischen Nutzen der Cannabinoide im British Medical Journal

Zwei Übersichtsartikel über historische Daten zur Wirksamkeit von Cannabinoiden bei Schmerzen und Chemotherapie-induzierter Übelkeit in der Zeitung der britischen Ärztegesellschaft 'British Medical Journal' vom 7. Juli erzielte viel Medienaufmerksamkeit.

Die Übersicht von Dr. Fiona A Campbell und Kollegen folgerte, dass "Cannabinoide bei der Schmerzkontrolle nicht wirksamer als Kodein sind (...)." Die Übersicht von Dr. Martin R Tramèr et al. folgerte, dass "Cannabinoide, die in diesen Studien getestet wurden, bei ausgewählten Patienten nützlich als stimmungsaufhellende Zusatzmittel für die Kontrolle chemotherapie-assoziierter Übelkeit sein kann. Mögliche schwere unerwünschte Wirkungen (...) schränken einen weitverbreiteten Einsatz vermutlich ein." In einem Kommentar zweifelte Dr. Eija Kalso von der Universität von Helsinki den Bedarf an Medikamenten auf Cannabinoid-Basis an.

Dr. Roger Pertwee von der Universität Aberdeen sagte dazu in einem Interview: "Daten, die in dem BMJ-Artikel betrachtet wurden, sind die gleichen, die wir in einem Bericht der britischen Ärztegesellschaft aus dem Jahre 1997 betrachtet haben. Dieser Bericht empfahl, dass die Verschreibung von Cannabinoid-Medikamenten bei Patienten mit unbehandelbaren Schmerzen erlaubt werden sollte."

In einem Brief an den Herausgeber merkte Dr. Franjo Grotenhermen vom nova-Institut in Köln an, dass gepoolte Daten "viele interessante Informationen verpassen werden, besonders Unterschiede in der Wirksamkeit bei verschiedenen Zuständen (...). Die interessante Frage ist nicht, ob Cannabinoide im Vergleich zu Kodein potente Schmerzmittel sind, sondern bei welchen schmerzhaften Zuständen Cannabinoide wirksam sind."

Dr. Philip Robson von GW Pharmaceuticals erklärte: "GW stimmt mit den Autoren des Artikels überein, dass post-operative Schmerzen nicht das Gebiet sind, auf dem Cannabinoide wahrscheinlich einen überlegenen therapeutischen Nutzen über bestehende Behandlungen bringt. (...) Allerdings erkennt der Artikel auch an, dass Cannabis in anderen Schmerzbereichen nützlich sein könnte, besonders bei neuropathischen Schmerzen und bei Spastik, und es sind diese Bereiche, auf die GW seine laufende Forschung konzentriert."

(Quellen: Campbell FA, et al. BMJ 2001;323:13; Tramèr MR, et al. BMJ 2001;323:16; Kalso E. BMJ 2001;323:2-3; http://www.gwpharm.com; Grotenhermen F. Leserbrief vom 19. Juli 2001)

Wissenschaft — Neues bei der ICRS-Tagung des Jahres 2001 (II)

Unten finden sich weitere Forschungsergebnisse, die bei der jährlichen Tagung der Internationalen Gesellschaft für Cannabinoid-Forschung (ICRS) in Spanien vom 28. bis 30. Juni präsentiert wurden. (Siehe auch die letzten IACM-Informationen.)

(1) THC und andere Cannabinoide verhinderten den durch Ceramid induzierten programmierten Zelltod (Apoptose) in Nervenzellen (Astrozyten). Dieser Effekt war durch den CB1-Rezeptor vermittelt. (Abstract von Teresa Gómez del Pulgar, et al.)

(2) Pilotstudien mit einem Cannabisextrakt in Großbritannien mit zwei Patientinnen, die an chronischen Rückenschmerzen und Ischiasbeschwerden litten, sowie mit zwei weiblichen Multiple-Sklerose-Kranken zeigen die variable Ansprechbarkeit auf eine Behandlung mit Cannabis. Eine der Patientinnen mit Rückenschmerzen erzielte eine deutliche Verminderung der Schmerzen, während bei der anderen nur der Schlaf etwas verbessert wurde. Auch die beiden MS-Patientinnen zeigten deutliche Unterschiede hinsichtlich Nutzen und Nebenwirkungen. (Zwei Abstracts von William Notcutt, et al.)

(3) Der Cannabinoidrezeptor-Antagonist SR141716 hat antidepressive Effekte in einem Tiermodell für Depressionen. Dabei wurden Mäuse mit einem Klebeband am Schwanzende aufgehängt und ihr Verhalten beobachtet. (Abstract von Richard E. Musty, et al.)

(4) Endocannabinoide sind wichtig für die normale Nahrungsaufnahme von Neugeborenen, was durch den Antagonisten SR141716 gestört werden kann. Die Hemmung der Nahrungsaufnahme und des Wachstums durch den Antagonisten ist überwiegend ein Ergebnis einer spezifischen CB1-Rezeptorblockade. (Abstract von Ester Fride, et al.)

(5) Die schmerzhemmenden Eigenschaften von THC (20 mg) und Morphin (30 mg) allein und in Kombination wurden an gesunden Probanden getestet. THC reduzierte den Schmerz in den Tests nicht signifikant. Eine geringe analgetische Wirkung wurde nur in Kombination mit Morphin beobachtet. (Abstract von Rudolf Brenneisen, et al.)

(6) Die Aktivierung peripherer CB2-Rezeptoren verursacht eine Schmerzreduzierung von Wärmereizen. CB2-Rezeptoragonisten könnten vielversprechende Mittel zur Behandlung von Schmerzen sein, ohne zentrale CB1-vermittelte Wirkungen zu verursachen. (Abstract von T. Philip Malan, et al.)

KORREKTUR: In den letzten IACM-Informationen wurde eine Studie von Hagenbach et al. vorgestellt. Irrtümlicherweise wurde angegeben, dass THC die Überaktivität des Blasenschließmuskels reduziert. Tatsächlich reduzierte THC die Überaktivität des Blasenmuskels (Detrusor).

(Quelle: Programm und Kurzfassungen des ICRS-Symposiums zu Cannabinoiden im Jahr 2001)

Kurzmeldungen

Kanada — Apotheker sind vorbereitet

Die Apotheker von Alberta erklären, dass sie vorbereitet sind, Cannabis für medizinische Zwecke zu verteilen, wenn es einen Lieferanten gibt. "Wir würden dies genauso behandeln, wie jedes andere Medikament," erklärte Greg Eberhart von der Hochschule für Pharmazie in Alberta. Die Hochschule drängt seinen Berufsstand, sich mit richtigen Dosierungen, Nebenwirkungen und möglichen Wechselwirkungen zu befassen. (Quelle: Calgary Herald vom 19. Juli 2001)

USA — Colorado/Kaiser Permanente

Rechtsanwälte von Kaiser Permanente in Colorado haben ihren Ärzten vorläufig grünes Licht gegeben, die medizinische Verwendung von Cannabis für Patienten mit entsprechenden Voraussetzungen gutzuheißen. Die Ärzte haben in den letzten Wochen rechtlichen Rat von den Rechtsanwälten der Organisation erbeten, nachdem sie in Sorge waren, strafrechtlich verfolgt werden zu können. Nach den staatlichen Gesetzen müssen Ärzte offizielle Dokumente unterzeichnen und darin bestätigen, dass ihre Patienten von Marihuana profitieren könnten. Kaiser Permanente ist Amerikas größte gemeinnützige Organisation für Gesundheitspflege mit 8,1 Millionen Mitgliedern in mehreren Staaten. (Quellen: Denver Rocky Mountain News vom 7. Juli 2001, http://www.kaiserpermanente.org/)

Großbritannien — Umfrage zu Cannabis

Eine am 8. Juli veröffentlichte Umfrage ergab, dass eine wachsende Zahl von Briten die Legalisierung von Cannabis befürwortet. Die Umfrage für die Zeitung Independent on Sunday berichtete, dass 37 Prozent der Briten für eine Legalisierung der Droge waren gegenüber 51, die dies ablehnen. Im Jahre 1996 waren 66 Prozent dagegen und 26 Prozent dafür. Die Umfrage wurde zwei Tage nachdem Peter Lilley, ein Vertreter des rechten Flügels der Konservativen, der Mitglied der Kabinette der früheren Premierminister von Margaret Thatcher und John Major erklärte, Cannabis sollte legalisiert werden. (Quelle: Reuters vom 7. Juli 2001).