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ACM-Mitteilungen vom 28. Januar 2017

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Liebe Leserin, lieber Leser,

die Verabschiedung des Gesetzes zu Cannabis als Medizin am 19. Januar 2017 im Deutschen Bundestag war ein historisches Ereignis. Das zeigen auch die Rückmeldungen aus dem Ausland an die IACM. Die Wortbeiträge der Vertreter aller Parteien waren zum Teil bemerkenswert, und ebenso die einstimmige Verabschiedung ohne Gegenstimmen. Das gibt es nicht oft im Bundestag.

Am Ende eines langen Weges hat sich tatsächlich ein verstehender und verständnisvoller Kontakt zwischen denen da unten und denen da oben entwickelt. Das hilft vielen kranken Menschen, und es hilft darüber hinaus gegen den oft leichtfertig erhobenen Vorwurf der fehlenden Bürgernähe von Politikern. Es hilft über die wichtige Sache hinaus gegen das um sich greifende widerliche Gift des Populismus.

In den vergangenen zwei Jahren ging es vor allem darum, auch konservative Politiker von der Notwendigkeit zu überzeugen, einen Schritt nach vorn zu tun. Dazu war es von unserer Seite wichtig, glaubhaft darzulegen, dass die Verbesserung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung mit Cannabisprodukten nichts mit der generellen Legalisierung von Cannabis zu tun hat. Es war wichtig deutlich zu machen, dass die Legalisierung von Cannabis für medizinische Zwecke nicht der erste Schritt für etwas anderes darstellt, was von konservativer Seite abgelehnt wird. Es ging um den Abbau von Ängsten, die ich in einem Einladungskommentar für die Fachzeitschrift Lancet im Jahr 2004 als „Cannabis-induzierter psychologischer Stress (CI PS)“ bei vielen Politikern diagnostiziert habe.

Der Abbau dieser Befürchtungen hat erst die notwendige Offenheit und einen rationalen Dialog möglich gemacht. Der Inhalt des Gesetzes konnte auch von der CDU/CSU und dem rechten Flügel der SPD überzeugend vertreten werden, obwohl das Gesetz von Legalisierungsbefürwortern unterstützt wird. Beispiele aus anderen Ländern zeigen, dass Organisationen, die für die generelle Legalisierung eintreten, in der Öffentlichkeit und in der Politik ein Glaubwürdigkeitsproblem haben, wenn es um Cannabis als Medizin geht.

Auch in jüngerer Zeit waren es vor allem Patienten und Ärzte, die das Thema glaubwürdig so vertreten haben, dass es bei allen Bundestagsfraktionen auf eine positive Resonanz fiel. Man braucht dazu nur die Entwicklung der letzten Monate betrachten, in denen nach der Anhörung im Gesundheitsausschuss im September 2016 noch Verbesserungen am Gesetz erfolgten. Argumente von Medizinern, wie von den Schmerzgesellschaften, und von Patienten, wie der BAG Selbsthilfe, wurden offensichtlich ernsthaft geprüft und berücksichtigt. Ich bin froh, dass das vorliegende Gesetz mehr darstellt als ein Cannabis-Eigenanbau-Verhinderungsgesetz, wie ich ein aufgrund der juristischen Situation zu erwartendes Gesetz vor zwei Jahren einmal charakterisiert habe.

Damals hatte ich gehofft: „Vom Gesetzgeber könnte mehr Mut erwartet werden, als nur einem gefürchteten Richterspruch vorzubeugen."Habt keine Angst vor Cannabis als Medizin!", möchte man den Parlamentariern in Berlin zurufen. "Die bundesrepublikanische Bevölkerung ist reif für größere Schritte." Ich würde mich sehr freuen, wenn ich mit meiner Einschätzung daneben läge, und wäre bereit in diesem Fall mehr als vier Wochen lang mit einer Glatze oder einem Schnurrbart herumzulaufen bzw. herumzuliegen.“

Der Gesetzgeber hat Mut gezeigt und sich nicht von der Angst leiten lassen. Das verdient unser aller Respekt!

Zwei Tage nach Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag hatte ich ein Gespräch mit einem meiner Patienten. Dieser war gerade von mindestens sechs Polizisten in seiner Wohnung – man muss es so sagen – überfallen worden. Sie haben ihm keinen Durchsuchungsbeschluss vorgelegt, als erstes seine Überwachungskamera in der Wohnung demoliert, damit ihr Tun nicht gefilmt werden konnte, ihm Handschellen angelegt und ihn gezwungen, mit seiner Lebensgefährtin während der Hausdurchsuchung im Schlafzimmer zu bleiben. Dann haben sie seine Wohnung durchsucht, oder besser gesagt, verwüstet. Er hat mir auf meinen Wunsch hin Fotos zugeschickt. Natürlich haben sie nebenbei auch noch seine Cannabispflanzen und sein Aufzuchtequipment konfisziert, ohne sich das quittieren zu lassen.

Diese Geschichte hat sich nicht in Bayern zugetragen, sondern in Niedersachsen, und sie könnte weiterhin in ganz Deutschland stattfinden.

Noch ist viel zu tun!

In den nächsten ACM-Mitteilungen geht es unter anderem um die zukünftigen weiteren Aufgaben der ACM, darunter Fortbildung für Ärzte, Vernetzung von Patienten und gegenseitige Unterstützung und Fortführung des Projektes „Eigenanbau von Cannabis durch Patienten“, da wir uns diese Option erhalten müssen, wenn das geplante Gesetz nicht hält, was es verspricht.

Viel Spaß beim Lesen!

Franjo Grotenhermen

(der sich dennoch für vier Wochen eine Glatze schneiden wird)

Termine

Mittwoch, 8. Februar 2017

Vortrag von Dr. Franjo Grotenhermen: Cannabis in der Onkologie – aktueller wissenschaftlicher Stand und Verordnungsfähigkeit.

Beginn: 18 Uhr.

Ort: Universitäres Cancer Center Hamburg des Universitätsklinikums Hamburg.

Samstag, 25. Februar 2017

Kurs zum Erwerb von Fähigkeiten zum Eigenanbau von Cannabis für den eigenen medizinischen Bedarf

Zeit: 13 bis 18 Uhr

Ort: SAALBAU Nidda, Harheimer Weg 18-22, 60437 Frankfurt am Main

Referenten: Tjalling Erkelens (Geschäftsführer von Bedrocan), Carsten Elfering, Michael Knodt

Teilnahmegebühr: Freie Teilnahme für Mitglieder des SCM. Von anderen Teilnehmern wird eine Gebühr erhoben, die noch festgelegt werden wird.

Anmeldung bei Sebastian Weist (ACM), sebastian.weist@gmail.com

Samstag, 13. Mai 2017

Cannabis und Cannabinoide in der Medizin, eine Fortbildungsveranstaltung der ACM in Zusammenarbeit mit der Ärztekammer Hessen und der Stadt Frankfurt.

Zeit: 10 bis 18 Uhr

Ort: Haus Ronneburg, im Saalbau Ronneburg, Gelnhäuser Str. 2, 60435 Frankfurt am Main

Detaillierte Informationen zum Programm und zur Anmeldung gibt es auf einer separaten Webseite in Kürze.

29.-30. September 2017

Cannabinoid Conference 2017 der IACM,

Ort: Maritim Hotel, Köln.

Das vorläufige Programm wird in Kürze bekannt gegeben. Es wird diesmal sehr praktisch ausgerichtet sein.

Bücher und Artikel

Die ACM wird sich in der Zukunft verstärkt der Fortbildung von Ärztinnen und Ärzten widmen. Ende Februar oder Anfang März wird ein Artikel von Prof. Kirsten Müller-Vahl und Dr. Franjo Grotenhermen im Deutschen Ärzteblatt über das neue Gesetz informieren.

Zudem informieren zwei Bücher Apotheker und Ärzte ausführlicher über die medizinische Verwendung von Cannabis und Cannabinoiden und die aktuelle rechtliche Grundlage in Deutschland.

Grotenhermen F, Häußermann K. Cannabis: Verordnungshilfe für Ärzte. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart. Erscheint im März 2017.

Häußermann K, Grotenhermen F. Cannabis: Arbeitshilfe für die Apotheke. Deutscher Apotheker Verlag. Erscheint im März 2017.

Übersicht der rechtlichen Änderungen

Informationen des Bundesgesundheitsministeriums zum Gesetz finden sich hier und Antworten auf häufig gestellte Fragen hier.

Hier finden sich Informationen der Bundesopiumstelle, unter anderem für Erlaubnisinhaber, die eine Ausnahmeerlaubnis für die Verwendung von Cannabisblüten im Rahmen einer ärztlich begleiteten Selbsttherapie besitzen. Beispielsweise wird darüber informiert, dass die Ausnahmeerlaubnisse nach Inkrafttreten des Gesetzes noch 3 Monate gültig sind. Spätestens dann sollte man den Arzt bitten, Cannabisblüten auf einem Betäubungsmittelrezept zu verschreiben.

Die aktuelle Gesetzesänderung umfasst eine Änderung des Betäubungsmittel-Gesetzes, der Betäubungsmittel-Außenhandelsverordnung, der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung, des Fünften Buches Sozialgesetzbuch sowie des Grundstoffüberwachungsgesetzes.

Im Einzelnen handelt es sich um folgende Änderungen:

1. Cannabisblüten und Cannabisblütenextrakte in pharmazeutischer Qualität werden durch eine Einstufung in die Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes verschreibungsfähig. Ein Antrag auf eine Ausnahmeerlaubnis bei der Bundesopiumstelle für die medizinische Verwendung von Cannabisblüten und Blütenextrakten aus der Apotheke, wie dies zuvor erforderlich war, entfällt. Eine Antragstellung auf eine Ausnahmeerlaubnis lohnt sich nicht mehr, weil das Gesetz vor Abschluss der Bearbeitung in Kraft treten wird.

2. Cannabisblüten und -extrakte können dann auf einem Betäubungsmittelrezept von jedem niedergelassenen Arzt für jede Indikation, bei der sich Arzt und Patient einen Behandlungserfolg versprechen, verschrieben werden. Allerdings müssen Kassenärzte die Frage der Kostenübernahme durch die Krankenkasse klären, um nicht später einem möglichen Regress ausgesetzt zu sein. Eine Verschreibung auf einem Privatrezept ist jederzeit möglich. Tierärzte und Zahnärzte dürfen diese Präparate nicht verschreiben.

3. Als Höchstmenge zur Verschreibung in 30 Tagen wurden 100 g bzw. 100 000 mg Cannabisblüten ohne Beschränkung auf eine bestimmte Sorte festgelegt. Es steht Arzt und Ärztin frei, mehrere Sorten gleichzeitig zu verschreiben. Bei einem höheren Bedarf kann die vorgegebenen Höchstmengen unter Verwendung des Ausnahmekennzeichens „A“ überschritten werden. Es ist also durchaus auch möglich, in einem Monat auch 150 g zu verschreiben und dies auf 3 Sorten zu verteilen.

4. Die Kosten für cannabisbasierte Medikamente wie Sativex®, Nabilon und Dronabinol sowie von Cannabisblüten und Cannabisextrakten sollen unter bestimmten Voraussetzungen von den Krankenkassen übernommen werden. Dazu muss vor der ersten Verschreibung eines cannabisbasierten Arzneimittels eine Genehmigung der Krankenkasse eingeholt werden, die seitens der Kasse nur in begründeten Fällen abgelehnt werden darf. Die Entscheidung muss innerhalb von 3 Wochen nach Antragseingang erfolgen, wenn die Kasse einen Gutachter (z.B. Medizinischer Dienst) einschaltet, innerhalb von 5 Wochen. Bei geplanter Verordnung im Rahmen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung muss die Entscheidung innerhalb von 3 Tagen nach Antragseingang gefällt werden.

5. Erste Voraussetzung zur Verschreibung eines cannabisbasierten Arzneimittels ist, dass eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung entweder nicht zur Verfügung steht oder im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung von Arzt bzw. Ärztin unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkung und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann. Weiterhin muss eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome bestehen.

6. Der Arzt muss an einer nichtinterventionellen anonymisierten Begleiterhebung teilnehmen und den Patienten im Voraus darüber informieren. Name und Adresse des Patienten werden also nicht erfasst. Diese Begleiterhebung findet über einen Zeitraum von 5 Jahren statt. Das Bundesgesundheitsministerium legt fest, welche Daten ein Arzt auf welchem Weg an das BfArM übermitteln muss. Die Daten dürfen vom BfArM nur anonymisiert und ausschließlich zur wissenschaftlichen Begleiterhebung genutzt und gespeichert werden. 6 Monate nach Abschluss der 5-jährigen Begleiterhebung wird der Gemeinsame Bundesausschuss das Nähere zur Leistungsgewährung in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Nr. 6 SGB V regeln.

7. Ein kontrollierter Cannabisanbau soll in Deutschland organisiert werden: Es soll einen staatlich überwachten Cannabisanbau in Deutschland geben, um so besser den zukünftigen Bedarf abdecken zu können und nicht vollständig auf einen Import aus dem Ausland angewiesen zu sein. Es gab in der Vergangenheit bereits einen dezenten Hinweis des niederländischen Gesundheitsministeriums, dass man auf Dauer den Bedarf in Deutschland nicht abdecken möchte. Bis zur Umsetzung des Anbaus in Deutschland muss der Bedarf an Cannabisblüten weiterhin durch Importe aus dem Ausland, gegenwärtig aus Kanada und den Niederlanden, gedeckt werden. Voraussetzung zur Herstellung von Medizinalcannabis ist die Umsetzung einer international verbindlichen Vorgabe aus dem Einheits-Übereinkommen von 1961 (Single Convention on Narcotic Drugs). Diese verlangt die Einrichtung einer staatlichen Stelle, die den Anbau überwacht. Diese Cannabisagentur ist verpflichtet, die produzierte Menge vollständig aufzukaufen und dann für eine medizinische Nutzung verfügbar machen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wird diese Funktion wahrnehmen. Es wird vermutlich bald eine Ausschreibung für Bewerber geben, die sich am pharmazeutischen Cannabisanbau in Deutschland beteiligen wollen.

8. Patienten dürfen Cannabisblüten und Blütenextrakte wie andere Betäubungsmittel mit einer entsprechenden beglaubigten Bescheinigung für maximal 30 Tage ins Ausland mitführen, sofern das besuchte Land dies zulässt. Dies sollte im Einzelfall bei der Deutschen Botschaft oder einem Konsulat des Ziellandes erfragt werden.

Einige Tipps zur Vorgehensweise

von Dr. Franjo Grotenhermen

Erlaubnisinhaber: Wer gegenwärtig als gesetzlich versicherter Patient bei einem privatärztlich tätigen Arzt im Rahmen einer ärztlich begleiteten Selbsttherapie aufgrund einer Ausnahmeerlaubnis durch die Bundesopiumstelle in Behandlung ist, muss einen Kassenarzt finden, wenn eine Kostenübernahme durch die eigene gesetzliche Krankenkasse angestrebt wird. Ein privatärztlich tätiger Arzt kann nur ein privates Betäubungsmittelrezept ausstellen, das nur von privaten Krankenversicherungen akzeptiert wird. Natürlich kann der privatärztlich tätige Arzt auch Kassenpatienten private Betäubungsmittelrezepte ausstellen. Die Cannabisblüten müssen dann allerdings wie bisher selbst bezahlt werden.

Kostenübernahme bei der Krankenkasse: Aus Unkenntnis wurden nach Kenntnis der ACM bereits einige wenige Kassenrezepte über Cannabisblüten von Ärzten ausgestellt und von der zuständigen Krankenkasse eine Kostenübernahme zugesagt. Der jeweilige Arzt hat dabei gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen, weil Cannabisblüten erst nach Inkrafttreten des Gesetzes verschreibungsfähig sind. Bisher befinden sie sich noch in der Anlage 1 des Betäubungsmittelgesetzes der nicht verkehrsfähigen und nicht verschreibungsfähigen Betäubungsmittel. Unser Anwalt geht davon aus, dass dies voraussichtlich aufgrund eines Verbotsirrtums keine rechtlichen Konsequenzen haben wird. Wir empfehlen jedoch, mit der Bitte um Verschreibung von Cannabisblüten beim behandelnden Arzt und einem Antrag für eine Kostenübernahme bei der Krankenkasse bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zu warten. Wir rechnen mit dem 1. März. Also bitte noch ein wenig Geduld.

Kontaktaufnahme mit Ärzten: Wer unsicher ist, ob die eigene Ärztin und der eigene Arzt auf das Thema ansprechbar ist, sollte überlegen, diesen vielleicht erst einige Zeit nach Inkrafttreten des Gesetzes anzusprechen. Auch in ärztlichen Fachzeitschriften wird über das Thema informiert werden. Es wird Bücher und Fortbildungsveranstaltungen für Ärzte geben. Wer zu früh handelt, holt sich möglicherweise eine grundsätzlich ablehnende Reaktion ein, die später nur noch schwer korrigiert werden kann. Vielleicht braucht der eigene Arzt auch ein halbes Jahr oder länger, um sich langsam mit dem Gedanken einer Verschreibung von Cannabis oder Cannabis-basierten Medikamenten anzufreunden. Auch in anderen Ländern, wie Israel, Kanada und den Niederlanden, hat es eine gewisse Zeit gedauert, bevor eine größere Zahl von Ärzten sich für eine solche Therapie geöffnet hat.

Probleme mit Führerschein: Wer bereits Probleme mit dem Führerschein hat und sich in eine Auseinandersetzung mit seiner Führerscheinstelle verstrickt hat, muss nun schauen, ob die Führerscheinstelle die neue Rechtslage akzeptiert. Führerscheinstellen haben einen großen Entscheidungspielraum, den sie auch nutzen. Oft sind durch einen längeren Briefwechsel und rechtliche Auseinandersetzungen die Fronten verhärtet, sodass eine Auflösung schwierig ist. In diesem Fall ist zu überlegen, ob es nicht günstig sein kann, den Wohnsitz zu wechseln, damit eine andere Behörde am neuen Wohnort zuständig ist, oder ob man den Rechtsweg beschreitet.

Einige Irrtümer im Zusammenhang mit dem Gesetz

von Dr. Franjo Grotenhermen

Im Internet kursieren seit der Verabschiedung des Gesetzes Interpretationen und Fragen zum Gesetz, die zum Teil nicht immer zur Klarheit beitragen.

Bei welchen Erkrankungen dürfen Cannabis und Cannabis-basierte Medikamente verschrieben werden?

Weit verbreitet ist die Aussage, dass nicht klar sei, bei welchen Erkrankungen Cannabisprodukte nun vom Arzt verschrieben werden dürfen und bei welchen Erkrankungen die Kosten einer Therapie von den Krankenkassen übernommen werden müssen. Schließlich sei in den Diskussionen immer wieder von Schwerkranken wie Schmerzpatienten, Krebspatienten und Patienten mit neurologischen Erkrankungen die Rede gewesen, nicht jedoch beispielsweise von Tinnitus, Schlafstörungen oder ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung).

Cannabisprodukte dürfen vom Arzt nach dem neuen Gesetz, das voraussichtlich am 1. März in Kraft treten wird, bei jeder Erkrankung verschrieben werden.

Der Vorstellung, bestimmte vermeintlich nicht so schwere Erkrankungen könnten vom Gesetz ausgenommen, liegt die irrige Ansicht medizinischer Laien zu Grunde, Tinnitus oder Schlafstörungen seien möglicherweise grundsätzlich keine schwerwiegenden Erkrankungen. Es geht hier aber nicht um Diagnosen, sondern um schwere Erkrankungen. Ein Tinnitus mit einer Stärke von 60 dB ist eine sehr schwere Erkrankung, die die Patienten nicht selten in den Selbstmord treibt. Viele Patienten mit Tinnitus leiden aber nicht an einer schweren Erkrankung. Das gleiche gilt für Schlafstörungen. Schlafstörungen können äußerst massiv sein, sogar zum Tode führen. Ich habe einen Patienten, der ohne Cannabis nur 2-3 Stunden pro Nacht schlafen kann und durch die Verwendung von Cannabis eine Verdoppelung der Schlafdauer und eine Verbesserung der Schlafqualität erzielen konnte. Dies wurde im Schlaflabor durch eine Untersuchung ohne und eine Untersuchung mit Cannabis nachgewiesen. Die meisten Schlafstörungen stellen jedoch keine schweren Erkrankungen dar. Das gilt aber auch für die meisten Schmerzen oder Entzündungen.

Ob eine Erkrankung eine schwere Erkrankung ist, hat häufig nichts mit der Diagnose zu tun.

Auf der anderen Seite wird im Internet gelegentlich über kalifornische Verhältnisse frohlockt, weil der deutsche Gesetzgeber sinnvollerweise und auch notwendigerweise darauf verzichtet hat, eine Liste von Erkrankungen zu erstellen, bei denen Cannabisprodukte oder Cannabis-basierte Medikamente verschrieben werden dürfen, um damit gleichzeitig andere Patienten von einer möglichen wirksamen Therapie auszuschließen. Denn einerseits braucht jemand mit chronischen Schmerzen nicht unbedingt eine Therapie mit Cannabis, während andererseits ein Patient mit einer hinsichtlich Cannabis bisher unerforschten Erkrankung, wie beispielsweise Hyperhidrosis (vermehrtes Schwitzen) oder Akne inversa, dringend eine Therapie benötigt, um seine Erkrankung zu lindern. Auch in den Niederlanden dürfen Ärzte Cannabis bei jeder Indikation verschreiben. Sie halten sich aber zurück. Und auch in Deutschland kann ich nicht erkennen, dass Ärztinnen und Ärzte zukünftig nicht weiterhin sorgfältig mit der Abwägung von Nutzen und möglicher Risiken einer Therapie mit Cannabisprodukten im Einzelfall umgehen. Auch Dronabinol kann bereits seit 1998 bei jeder Indikation eingesetzt werden, wird es aber nicht. Das gleiche gilt für Sativex seit 2011.

Dürfen Patienten, die Cannabisblüten aus medizinischen Gründen einnehmen, am Straßenverkehr teilnehmen?

Ein weiteres Thema, das verunsichert, ist das Thema medizinische Verwendung von Cannabisprodukten und Fahrtüchtigkeit bzw. Fahreignung. Cannabisblüten konnten bisher nur mit einer Ausnahmeerlaubnis verwendet werden, wurden also vom Arzt nicht verschrieben, sodass bei einer formalen Anwendung des Wortlautes des Gesetzes (siehe unten) der Schluss gezogen werden konnte, dass diese Patienten gegen das Straßenverkehrsgesetz verstoßen, wenn sie Cannabis im Rahmen einer ärztlich begleiteten Selbsttherapie medizinisch verwendeten. Cannabisblüten werden nun verschreibungsfähig, sodass kein Verstoß gegen das Straßenverkehrsgesetz mehr vorliegt.

Dies hat auch Auswirkungen auf die Beurteilung der Fahreignung nach der Fahrerlaubnisverordnung.

Die Teilnahme am Straßenverkehr und die Verwendung illegaler Betäubungsmittel schließen sich aus – wie das Fahren unter Alkoholeinfluss. Das ist dem § 24a des Straßenverkehrsgesetzes und der Anlage 4 der Fahrerlaubnisverordnung zu entnehmen. Anders sieht die Rechtslage aus, wenn man ein Betäubungsmittel als Patient im Zusammenhang mit einer entsprechenden Erkrankung einnehmen muss, also aus medizinisch-therapeutischen Gründen. Hier ist das Fahren grundsätzlich zulässig. So heißt es im § 24a, Satz 2, des Straßenverkehrsgesetzes: „Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.“

Analog unterscheidet auch die Fahrerlaubnisverordnung zwischen der illegalen Verwendung von Drogen und der Einnahme von Arzneimitteln. So heißt es in einem Merkblatt des Bundesverkehrsministeriums: „Während der illegale Konsum von Betäubungsmitteln (außer Cannabis) die Fahreignung nach Anlage 4 Nr. 9.1 FeV ausschließt, führt die Einnahme von Medikamenten nur dann zum Ausschluss der Fahreignung, wenn es zu einer Beeinträchtigung des Leistungsvermögens unter das erforderliche Maß kommt (Anlage 4 Nr. 9.6.2 FeV)“. Voraussetzung ist dafür allerdings, dass der Patient sich in einem stabilen, gut eingestellten Zustand befindet und die Einnahme des betreffenden BtM seinen Allgemeinzustand nicht wesentlich negativ beeinflusst – und dass sich der Patient vor Fahrtantritt kritisch hinterfragt.

In diesem Zusammenhang erinnere ich daran, dass das Straßenverkehrsgesetz 1997 geändert wurde. Ich war damals als Gutachter beteiligt und kann mich noch gut erinnern. Alle Gutachter und die beteiligten Fachpolitiker waren sich bei der Anhörung im Verkehrsausschuss einig, dass eine medizinische Verwendung von Medikamenten, seien es nun Opiate oder Cannabinoide, nicht die Teilnahme am Straßenverkehr ausschließen sollten.

Am 24. Oktober 2013 fand in der Bundesanstalt für Straßenwesen ein Expertentreffen zu Grenzwerten von THC im Blut statt. Die Teilnehmer waren vor allem Rechtsmediziner und Toxikologen von deutschen Universitäten, einige auch aus Norwegen und den Niederlanden. Im Rahmen dieser Veranstaltung hatte ich die Möglichkeit erhalten, über den Umgang der deutschen Führerscheinbehörden mit der medizinischen Verwendung von Cannabis und Cannabinoiden im Zusammenhang mit der Teilnahme der Patienten am Straßenverkehr zu referieren. Alle Teilnehmer waren sich einig, dass die Verwendung von Cannabis zu medizinischen Zwecken nicht die Teilnahme am Straßenverkehr ausschließen darf. Ein ausführlicher Bericht über die Veranstaltung und meinen Vortrag findet sich hier.

Die rechtliche Situation ist damit klar. Das bedeutet aber nicht, dass das Gesetz nicht möglicherweise so gedehnt wird, dass Patienten, die Cannabis und Cannabis-basierte Medikamente verschrieben bekommen haben, nicht doch bei einer Anzahl von Führerscheinstellen und Begutachtungsstellen eine Ungleichbehandlung mit einer Benachteiligung gegenüber Patienten, die andere verschriebene Medikamente einnehmen, erfahren.

Die bekannte Geschichte des Gesetzes

Die juristische Auseinandersetzung, die schließlich zur Durchsetzung von Ausnahmeerlaubnissen für die Verwendung von Cannabisblüten und zu einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts für den Eigenanbau von Cannabis durch Patienten führte, begann mit einer von der ACM initiierten und finanzierten Verfassungsbeschwerde durch acht Patienten am 14. Dezember 1999. Das Bundesverfassungsgericht veröffentlichte am 20. Januar 2000 einen Beschluss, nach dem Patienten bei der Bundesopiumstelle des BfArM eine Ausnahmeerlaubnis zur Verwendung von Cannabis beantragen können. Davon haben mehr als 100 Patienten Gebrauch gemacht. Darunter war auch ein Rechtsanwalt, der an multipler Sklerose mit schweren Symptomen litt, die sein Leben massiv beeinträchtigten. Alle Anträge wurden durch die Bundesopiumstelle mit dem Verweis auf die Möglichkeit der Verwendung von Dronabinol abgelehnt. Mehrere Patienten klagten gegen diese Ablehnungen vor den Verwaltungsgerichten. Am 19. Mai 2005 verpflichtete das Bundesverwaltungsgericht das BfArM den Antrag des MS-Patienten erneut zu prüfen (BVerwG 3 C 17.04).

Dieses Urteil führte schließlich zur Etablierung eines Verfahrens, bei dem Patienten einen Antrag auf eine Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG bei der Bundesopiumstelle stellen können, mit dem Ziel einer ärztlich begleiteten Selbsttherapie mit Cannabisblüten oder einem Cannabisextrakt. Dabei musste der behandelnde Arzt darlegen, dass Standardtherapien nicht ausreichend wirksam waren oder ausgeprägte Nebenwirkungen verursachten, sodass ein Therapieversuch mit Cannabisprodukten indiziert war. Häufig hatten die Antragsteller bereits festgestellt, dass eine Therapie mit Cannabis ihre Leiden linderte. Nach Angaben der Bundesopiumstelle besaßen im Oktober 2016 etwa 900 Personen eine solche Erlaubnis.

Da sich viele Erlaubnisinhaber die Cannabisblüten aus der Apotheke, die pro Gramm 12–24 €, gelegentlich auch mehr kosteten, allerdings nicht oder nicht in dem medizinisch erforderlichen Umfang leisten konnten, beantragten einige den für sie finanzierbaren Eigenanbau von Cannabispflanzen für die eigene medizinische Versorgung. Diese Anträge wurden von der Bundesopiumstelle sämtlich abgelehnt. Nachdem das Verwaltungsgericht Köln mehreren Antragstellern das Recht auf einen Eigenanbau zugestanden hatte, war absehbar, dass auch das Bundesverwaltungsgericht seiner Linie treu bleiben würde und schwerkranken Bundesbürgern einen bezahlbaren Zugang zu Cannabisprodukten eröffnen, und wenn es keine Alternative gibt, den Eigenanbau erlauben würde. Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. April 2016 (BVerwG 3 C 10.14) sorgte dann auch dafür, dass einem MS-Patienten, der seit Jahren gerichtlich für eine Erlaubnis zum Eigenanbau stritt, am 28. September 2016 als erster Patient in Deutschland eine Genehmigung zum Anbau von Cannabis für eigene medizinische Zwecke erhielt.

Parallel mit dieser juristischen Entwicklung gab es in den vergangenen Jahren eine zunehmende Offenheit aller im Bundestag vertretenen Parteien hinsichtlich der Notwendigkeit, Patienten einen Zugang zu einer Therapie mit Cannabisprodukten unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten zu eröffnen. Als Alternative zum Eigenanbau entwickelte die Bundesregierung einen Gesetzentwurf, der vorsah, dass die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet werden, unter bestimmten Voraussetzungen eine Behandlung mit Cannabisprodukten zu finanzieren. Dieser Gesetzentwurf wurde von der Bundesregierung am 28. Juni 2016 in den Bundestag eingebracht und dort am 7. Juli in erster und am 19. Januar 2017 in 2. Lesung beraten.

Einige Meilensteine auf dem Weg zur medizinischen Cannabisverwendung in Deutschland

1998: Änderung der Einstufung von Dronabinol – (–)-trans-Delta-9-Tetrahydrocannabinol – von der Anlage II in die Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes

2000: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, nach dem Patienten einen Antrag auf eine Ausnahmeerlaubnis zur Verwendung von Cannabisblüten beim BfArM stellen können

2000–2005: Ablehnungen aller Anträge von Patienten auf eine solche Ausnahmeerlaubnis

2005: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, nach dem das BfArM diese Anträge nicht pauschal ablehnen darf

2007: Erste Ausnahmeerlaubnis durch die Bundesopiumstelle beim BfArM, zunächst für einen Cannabisextrakt, später überwiegend für Cannabisblüten

2011: Arzneimittelrechtliche Zulassung von Sativex® für die Behandlung der therapieresistenten mittelschweren bis schweren Spastik bei Erwachsenen mit multipler Sklerose

2016: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, nach dem einem Patienten eine Ausnahmeerlaubnis für den Eigenanbau von Cannabisblüten erteilt werden muss

2016: Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Veränderung betäubungsmittelrechtlicher Bestimmungen zu Cannabis und cannabisbasierten Medikamenten

2017: Verabschiedung des Gesetzes am 19. Januar im Deutschen Bundestag mit deutlichen Verbesserungen

Eine ausführliche Darstellung der Entwicklung findet sich hier.

Die weniger bekannte Geschichte des Gesetzes

1995

Ein Gutachten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 2. November 1995 auf Anforderung der Bundesregierung, ist die Grundlage für die Beantwortung einer kleinen Anfrage der PDS, Vorläuferin der im Jahr 2005 gegründeten Partei Die Linke, im Deutschen Bundestag (Bundestagsdrucksache 13/3282). In dem Gutachten heißt es: „So entbehrt sowohl eine unkritische Euphorie hinsichtlich der therapeutischen Möglichkeiten von Cannabis bzw. THC der Grundlage wie andererseits eine auf entgegengesetzten Positionen resultierende generelle Ablehnung mit der Behauptung, es gebe „auf jedem Gebiet bessere therapeutische Alternativen.“

1996

Der Sachverständigenausschuss für Betäubungsmittel empfahl auf seiner Sitzung am 29. Januar 1996 der Bundesregierung eine Umstufung von Dronbinol/THC in die Anlage III BTMG, sodass es nun verschreibungsfähig würde.

1997

Gründung der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin am 12. April in Köln. In den Vorstand wurden gewählt: Dr. med. Franjo Grotenhermen (1. Vorsitzender), Dr. med. Thomas Poehlke (2. Vorsitzender), Joachim Biermanski (Verein Grüne Hilfe), Robert Schönberger und Volker Steimel (Redakteur der Zeitschrift Hanf!).

Fachtagung der ACM „Cannabis und Cannabinoide als Medizin“ am 22. November 1997 in Köln. Zu den Referenten zählten Dr. Manfred Fankhauser, Dr. med. Robert Gorter, Dr. med. Ulrike Hagenbach, Dr. med. Andreas Ernst, Prof. Dr. Rudolf Brenneisen, Dave Pate, Dr. med. Franjo Grotenhermen und Prof. Dr. Lorenz Böllinger.

in den Grußworten zur Tagung hieß es:

„Der erwiesenermaßen nützliche medizinisch-therapeutische Einsatz von Cannabis muss legal möglich werden, damit die derzeitige Kriminalisierung von Ärzten und Patienten endlich aufhört.“ (Dr. med. Ingo Flenker, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Vorsitzender des Ausschusses Sucht und Drogen der Bundesärztekammer)

„Das schmerztherapeutische Kolloquium als größte schmerztherapeutische Gesellschaft in Europa unterstützt die Ziele der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin, um hiermit das Spektrum der schmerztherapeutischen Verfahren zu erweitern.“ (Dr. med. Gerhard Müller-Schwefe, Präsident des schmerztherapeutischen Kolloquium e.V.)

1998

Im Februar 1998 wurde der Cannabiswirkstoff Dronabinol in Deutschland von der Anlage II in die Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes eingestuft, sodass das Cannabinoid verschreibungsfähig wurde. Da eine Behandlung mit Dronabinol von den Krankenkassen nicht erstattet wurde, hatten nur wenige Patienten Zugang zu einer solchen Therapie. In den folgenden Jahren konnten Patienten in einer juristischen Auseinandersetzung zunächst die Möglichkeit einer Ausnahmeerlaubnis zur Verwendung von Cannabisblüten und Cannabisextrakten aus der Apotheke – im Jahr 2007 – und schließlich den Eigenanbau von Cannabis für eigene medizinische Zwecke – im Jahr 2016 – vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig durchsetzen.

Der Petitionsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses hat am 29. September einstimmig die medizini¬sche Verwendung von Cannabis befürwortet. Dieser Beschluss gründet sich auf eine Petition der Berliner Selbsthilfegruppe Cannabis als Medizin und Bündnis 90/Die Grünen vom 25. März 1998, in der die Mög¬lichkeit einer arzneilichen Verwendung von Cannabis gefordert wird.

Bei der Tagung „Medical Marijuana“ in Frankfurt vom 2. bis 4. Dezember haben die AIDS-Hilfen und die Hessische Gesellschaft für Demokratie und Ökologie die Frankfurter Resolution zur me¬dizinischen Verwendung von Marihuana vorgestellt. Der Vorstand der ACM hat sich dieser Resolution an¬geschlossen und weitere medizinische Gesellschaften mit ins Boot geholt. Die Resolution besagt:

"In der Erkenntnis, daß zur Heilung Kranker und zur Minderung ihres Leids alle menschenwürdigen medizinischen Möglichkeiten auszuschöpfen sind, fordern wir den Bundestag auf:

1. Die medizinische Nutzung von Marihuana zu erlauben,

2. zu therapeutischen Zwecken auch die rauchbare Anwendung natürlichen Marihuanas zu gestatten,

3. die medizinische Verwendung von Marihuana begleitend wissenschaftlich zu erforschen und diese Forschung zu fördern."

Die ACM beginnt in Zusammenarbeit mit Professor Lorenz Böllinger ihre Planungen für eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht. Zunächst wurde eine Verfassungsbeschwerde von Ärzten, die ihre Patienten bzw. einen Patienten gern mit Cannabis behandeln möchten, dies aber nicht dürfen, geplant. Schließlich wurde 1999 eine Verfassungsbeschwerde von Patienten eingereicht.

1999

Der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Christa Nickels (Bündnis 90/die Grünen), wurden 11.000 Unterschriften von Personen übergeben, die die Frankfurter Resolution unterstützen. Im ACM-Rundbrief ist zu lesen: „Tatsächlich wurden wesentlich mehr Unterschriften geleistet. Viele – vielleicht etwa 5.000 – ent¬hielten jedoch eine unvollständige oder unlesbare Adresse, so dass wir diese Unterschrif¬ten nicht gezählt haben. Darin drückt sich sicherlich die Angst im Zusammenhang mit einer Cannabisverwendung aus.“

In einem Gespräch mit der Drogenbeauftragten Bundesregierung Christa Nickels, zeigt diese Sympathie für die ACM-An¬lie¬gen. Die Grünen befanden sich damals in einer Koalition mit der SPD. Letztere leh¬nen eine Legali¬sierung von Cannabis für medizinische Zwecke ab. Frau Nickels bemüht sich jedoch um Verbesserungen bei der me¬dizinischen An¬wendung.

Am 14. Dezember 1999 haben acht Mandanten von Lorenz Böllinger, Professor an der Universität Bremen, und Robert Wenzel, Assistent von Prof. Böllinger, vor dem Bundesverfassungsgericht Verfassungsbe¬schwerde gegen das Verbot der medizinischen Verwendung von Cannabis eingelegt. Die Mandanten leiden an verschiedenen Erkrankungen (Multiple Sklerose, HIV-Infektion, Hepatitis C, Migräne, Tourette-Syn¬drom, Epilepsie). Die Medien (Zeitung, Rundfunk und Fernsehen) haben das Thema sehr positiv behandelt. Die Finanzierung der Beschwerde hat die ACM übernommen.“

2000

ACM-Mitteilungen Spezial vom 08.02.2000: „Mit seinem Beschluss vom 20. Januar, der heute veröffentlicht wurde, hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG Karlsruhe durch die Präsidentin des BVerfG, Frau Limbach, und die Verfassungsrichter Hassemer und Broß die Verfassungsbeschwerde aus formalen Gründen nicht zur Entscheidung angenommen. Die Beschwerdeführer hätten zunächst einmal den Rechtsweg ausschöpfen müssen, erklärten die Richter in ihrer Begründung.“

Kommentar von Prof. Böllinger vom 08.02.2000: "Die Entscheidung zeigt trotz der Nichtannahme, dass das BVerfG die Option einer medizinischen Behandlung mit Cannabis ernst nimmt und bemüht ist, dafür einen gangbaren Weg aufzuzeigen. Sie bindet Verwaltung und Gerichte für zukünftige Verfahren. Patienten können nunmehr über ihre Behandler entsprechende Anträge beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte stellen, welches die Maßgaben des BVerfG berücksichtigen muss. Gegebenenfalls muss eine ablehnende Entscheidung dann vor den Verwaltungsgerichten angefochten werden. Im äußersten Falle bleibt eine erneute Verfassungsbeschwerde."

Kommentar von Dr. Grotenhermen vom 08.02.2000: "Es bleibt abzuwarten, ob das BfArM sich zukünftig weiterhin so strikt ablehnend verhält wie bisher. Mittelfristig ist es sicherlich kein sinnvoller Zustand, dass das Institut in einem langwierigen Verfahren über die Behandlungswürdigkeit eines Patienten mit Cannabis entscheidet. Dies sollte, wie bei anderen Medikamenten auch, die Entscheidung des behandelnden Arztes in Abstimmung mit seinem Patienten sein. Die Ausführungen des BVerfG können jedoch als weiterer Ansatzpunkt gesehen werden, der Bewegung in die unbefriedigende rechtliche Situation bringen kann und daher genutzt werden sollte. Sie können auch als Aufforderung an die Politik verstanden werden, rechtliche Grundlagen für eine medizinische Verwendung von Cannabisprodukten zu schaffen und das Betäubungsmittelgesetz entsprechend zu ändern."

Am 16. März fand in Berlin auf Einladung der Arbeitsgruppe Gesundheit der SPD-Bundestagsfraktion und Bündnis 90/Die Grünen ein Expertengespräch zu den strafrechtlichen, betäubungs- und arzneimittelrechtlichen Aspekten der medizinischen Verwendung von Cannabis und THC (Dronabinol) statt.

Am 28. Juni befürwortete der 29-köpfige Petitionsausschuss des Bundestages eine Petition der Selbsthilfegruppe Cannabis als Medizin in Berlin und der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin für die Möglichkeit einer medizinischen Verwendung natürlicher Cannabisprodukte und einzelner Cannabinoide. Am 6. Juli folgte der Deutsche Bundestag der Empfehlung des Petitionsausschusses und überwies die Petition "zur Berücksichtigung" an die Bundesregierung. Mit den Stimmen der Ausschussmitglieder von PDS (Sozialisten), Grünen und SPD (Sozialdemokraten), gegen die Stimmen der CDU/CSU (Christdemokraten) und bei Enthaltung der FDP (Freiheitliche Demokraten) hatte der Petitionsausschuss sich für die Petition ausgesprochen, weil das vorgebrachte Anliegen begründet sei. Der Ausschuss kam zu dem Ergebnis, dass Cannabis vielen Erkrankten hilft, "ihre Erkrankungen zu heilen bzw. zu lindern und ihr Leben wieder lebenswert zu gestalten"

Die Frankfurter Firma THC Pharm hat die Erlaubnis erhalten, Apotheken in Deutschland mit Dronabinol (THC) zu beliefern, damit diese daraus entsprechende arzneiliche Zubereitungen (Kapseln, Tinkturen) selbst herstellen können. THC wird von der Firma halbsynthetisch hergestellt. Dazu wird natürliches Cannabidiol aus Faserhanf extrahiert, das dann in einem zweiten Schritt in THC (Dronabinol) umgewandelt wird.

2001

Die damalige Parlamentarische Staatssekretärin bei der deutschen Bundesministerin für Gesundheit, Christa Ni¬ckels, hat im Namen der Bundesregierung am 28. September 2000 dem Petitionsausschuss auf die vom Ausschuss unterstützte Petition der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin und der Berliner Selbsthil¬fegruppe geantwortet. Darin heißt es:

"Aus der Sicht des Bundesministeriums für Gesundheit wird der Einsatz von Arzneimitteln auf der Basis von Cannabis befürwortet. Ordnungsgemäß ist dies nur möglich, wenn dabei die arzneimittel¬rechtlichen Bestimmungen eingehalten werden. (...)"

"Zusammenfassen kann festgestellt werden, dass bereits jetzt Arzneimittel mit den Cannabiswirkstof¬fen Dronabinol und Nabilon auf ärztliche Verschreibung zur Verfügung gestellt werden können. Die Bereitstellung von Arzneimitteln mit standardisiertem Cannabisextrakt wird vorbereitet. Somit be¬steht für die arzneiliche Anwendung von ungeprüften Cannabisprodukten auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 BtMG kein Bedarf mehr, auch wenn es im Einzelfall nachvollziehbar ist, dass schwerkranke Patienten diesen Wunsch äußern. Es ist jedenfalls nicht gewünscht, dass diese Menschen strafrecht¬lich verfolgt werden."

2002

Die Delta 9 Pharma GmbH, ein Unternehmen der Bionorica AG (Neumarkt), beliefert seit Juni 2002 Apotheken mit Dronabinol, die daraus nach entsprechenden Rezepturen des deutschen Apotheker¬verban¬des Medikamente (Kapseln, Tropflösungen) herstellen können. Delta 9 Pharma ist nach THC Pharm (Frankfurt) die zweite deutsche pharmazeutische Firma, die Dronabinol herstellt und an Apothe¬ken ab¬gibt. Die Bionorica AG ist ein führender Hersteller pflanzlicher Arzneimittel. Beide Firmen stellen THC (Dronabinol) durch Isomerisierung aus Cannabidiol (CBD) von Faserhanf her.

Die Vorstandsvorsitzenden der ACM und der IACM haben am 24 Juni alle Bundestagsabgeordneten angeschrieben und sie gebeten, sich für einen neuen Paragraphen im Betäubungsmittelgesetz, einen § 31b, einzusetzen, der es Rich¬tern und Staatsanwälten ermöglichen würde, bei medizinischer Verwendung sonst illegaler Cannabispro¬dukte unter bestimmten Bedingungen von der Strafverfolgung abzusehen.

Reaktionen auf den Vorschlag eines § 31b (aus dem ACM-Rundbrief): Wie im letzten Rundbrief berichtet, haben die Vorstandsvorsitzenden der ACM und der IACM alle Bun-destagsabgeordneten angeschrieben und sie gebeten, sich für einen neuen Paragraphen im Betäubungs¬mittelgesetz, einen § 31b, einzusetzen, der es Rich¬tern und Staatsanwälten ermöglichen würde, bei medi¬zinischer Verwendung sonst illegaler Cannabispro¬dukte unter bestimmten Bedingungen von der Strafver¬folgung abzusehen. Zudem haben wir diesen Vorschlag auch den Justizministern der Länder unterbreitet. Folgende Personen bzw. Institutionen haben darauf schriftlich reagiert: Bundesgesundheitsministerium, Christa Nickels (Grüne), Barbara Höll (PDS), Ulla Jelpke (PDS), Heidemarie Lüth (PDS, Vorsitzende des Petitionsausschusses), Pia Maier (PDS), Herr Pfeiffer (Justizminister von Niedersachsen), Herr Sellering (Justizmi¬nister Mecklenburg-Vorpommern), Hubert Hüppe (CDU/CSU, drogenpolitischer Sprecher der Fraktion), Ursula Heinen (CDU/CSU), Regina Schmidt-Zadel (SPD), Birgit Naase (FDP, Referentin für Gesund¬heitspolitik).

Das Bundesgesundheitsministerium sowie Mitglieder des Bundestages von SPD und CDU/CSU haben in ihren Schreiben die Ablehnung unseres Vorschlages zum Ausdruck gebracht. Es wurde darin betont, dass als Arzneimittel nur Stoffe definierter Qualität Verwendung finden sollten, und daher keine gesetzlichen Ausnahmegenehmigungen für die Verwendung sonst illegaler Cannabisprodukte geschaffen werden soll¬ten. Für das Bundesgesundheitsministerium komme das "nicht in Betracht".

Die beiden Justizminister der Länder haben unseren Vorschlag dagegen wohlwollend aufgenommen. Prof. Pfeiffer auf Niedersachsen fand ihn sogar zu wenig weitgehend. Die Vorstellungen der Vertreter der Bundestagsfraktion von Grünen und der PDS gehen bekanntermaßen ebenfalls über einen § 31 b hinaus, so dass wir von dort Unterstützung bekamen. Die Vertreterin der FDP schrieb, dass ein "standardisierter Cannabisextrakt die optimale Lösung wäre. Sollte sich jedoch herausstellen, dass dies aus welchen Grün¬den auch immer, nicht der Fall ist, muss man über andere Wege nachdenken. Ihren Vorschlag, einen § 31 b in das Betäubungsmittelgesetz einzufügen, ... werden wir deshalb eingehend und wohlwollend prüfen."

Prozesse wegen medizinischer Verwendung (aus dem ACM-Rundbrief): „Im letzten Rundbrief haben wir angekündigt, einen Überblick über juristische Verfahren zur Durchset¬zung einer medizinischen Cannabisverwendung zu geben. Dazu möchten wir auch auf die beiliegende Bewerbung um den Multiple-Sklerose-Preis der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung verweisen.

Grundsätzlich unterstützt die ACM mit den Spenden auf das Rechtshilfekonto mehrere Strategien.

Dazu zählen:

Strafverfahren wegen illegalen Cannabisbesitzes. Hier soll versucht werden, Freisprüche zu erzielen. Am 15. Mai 2003 wurde erstmals ein Patient, der illegales Cannabis angebaut und verwendet hat, von einem deutschen Gericht freigesprochen. (Siehe den Weg bis zu diesem Freispruch unter Punkt 5 der Bewerbung um den Multiple-Sklerose-Preis.) Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig, da der Staatsanwalt Berufung vor dem Landgericht Mannheim eingelegt hat. Die ACM wird weiterhin das Verfahren von Michael F. unterstützen und finanzieren.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 20. Januar 2000 in Reaktion auf die Verfas¬sungsbeschwerde von acht Patienten darauf hingewiesen, dass sie zunächst andere Wege be¬schreiten müssten, bevor sich das Bundesverfassungsgericht mit dem Thema der medizinischen Ver¬wendung von Cannabis befassen würde. Dazu zählten Anträge beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf eine Ausnahmegenehmigung für die medizinische Verwendung von Cannabis und Anträge auf vorbeugenden Rechtsschutz bei den Oberlandesgerichten. Wie wir be¬reits früher berichtet haben, wurden mehr als 100 Anträge beim BfArM gestellt, die alle abgelehnt wurden. Einige Antragsteller haben Widerspruch gegen diese Ablehnung vor den Verwaltungsge¬richten eingelegt. Diese Verfahren laufen zur Zeit. Im Falle von Michael F. wurde auch ein Antrag auf vorbeugenden Rechtsschutz gestellt.

Verfahren vor den Sozialgerichten gegen die Weigerung einzelner Krankenkassen, die Kosten einer Behandlung mit Dronabinol zu erstatten. Bisher gingen einige Verfahren in der ersten Instanz verlo¬ren, jedoch wurde zum Teil Berufung eingelegt. Wir gehen davon aus, dass der Ausgang dieser Ver¬fahren auch für die spätere Verschreibung eines Cannabisextraktes als Rezepturarznei¬mittel von Be¬deutung ist. Die Chancen, diese Verfahren zu gewinnen, werden sich vermutlich durch die Ergebnisse neuer klinischer Studien immer weiter verbessern.“

2003

Am 27. November 2003 erhielt Michael Große aus Berlin, der an einer entzündlichen Darmerkrankung leidet, dem so genannten Morbus Crohn, die richterliche Erlaubnis zum Anbau und zur Verwendung von Can¬nabis. Richter Michael Zimmermann vom Amtsgericht Tiergarten in Berlin urteilte, dass sich der An¬geklagte in einer Notstandslage befunden habe und die medizinische Verwendung von Cannabis daher gerechtfertigt sei. Das Aktenzeichen des Urteils: lautet: 4 Op Js 1431/00 Ls (168/00). Der Staatsanwalt verzichtete darauf, in Revision zu gehen. Damit darf erstmals seit vie¬len Jahrzehnten ein Patient in Deutschland Cannabis zu medizinischen Zwecken anbauen und konsumieren.

Am 15. Mai 2003 war erstmals ein Patient (Michael Fischer), der an multipler Sklerose leidet, in Deutschland von einem Mannheimer Amtsgericht freigesprochen worden. Allerdings ist der Staatsanwalt in Revision gegangen, so dass dieses Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Das Berliner Urteil wird es jedoch dem Beru¬fungsgericht erleichtern, das Urteil des Amtsgerichts zu bestätigen. Später wurde auch Michael Fischer freigesprochen.

2004

Das Oberlandesgericht Karlsruhe urteilt, dass die Einnahme von Cannabis zur medikamentösen Behandlung aus Notstandsgesichtspunkten gerechtfertigt sein kann. In einer Pressemitteilung schreibt das Oberlandesgericht: „Dies hat heute der 3.Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe entschieden, jedoch an das Vorliegen einer Straf¬freiheit strenge Anforderungen geknüpft. Der 44-jährige Angeklagte leidet als Folge einer Mitte der 80-er Jahre bei ihm aufgetretenen Multiplen-Sklerose-Erkrankung an einer Ataxie, welche zu einer Störung seiner Grob- und Feinmotorik, seines freien Gangs, des Stan¬des sowie des Sprachvermögens führt. Diese Ataxie ist nach derzeitigem Stand der Wissenschaft nicht behandel¬bar. Zur Linderung seiner Beeinträchtigungen nimmt der Angeklagte seit 1987 Haschisch und Marihuana vornehm¬lich in Form von „Joints“ zu sich, wobei er u.a. Hanfstauden in einer Zwischendecke in seinem Wohnzimmer selbst aufgezogen hat. Wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - insgesamt wurden bei einer Wohnungsdurchsu¬chung im Februar 2002 bei ihm 381,99 Gramm Marihuana sichergestellt - erhob die Staatsanwaltschaft Mann¬heim deshalb im Juli 2002 Anklage zum Amtsgericht Mannheim, welches den Angeklagten im Mai 2003 vom Vorwurf eines strafrechtlichen relevanten Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz freisprach. Nach Ansicht des Amtsgerichts hat sich der Angeklagte nicht strafbar gemacht. Zwar sei der Besitz von Betäubungsmitteln nach dem BtmG verboten, der Angeklagte könne sich jedoch auf den Rechtfertigungsgrund des Notstandes (§ 34 StGB) berufen, weil die bei ihm vorliegende Ataxie nicht anders behandelbar sei und sein Interesse, ein annähernd erträgliches Dasein zu führen, die Belange des Staates am Verbot von Betäubungsmitteln überwiege.

Selbstanzeige (aus dem ACM-Rundbrief): „Wie im letzten Rundbrief berichtet, hat sich Frau Ute Köhler aus Thüringen wegen Cannabisbesitzes selbst ange¬zeigt. Siehe dazu den Bericht aus der Süddeutschen Zeitung vom 24. August 2004. Am 17. August hat Frau Köhler in Begleitung ihres Anwalts und einiger Journalisten beim Oberlandesgericht in Jena einen Antrag auf vorbeugenden Rechtsschutz gestellt. Mit diesem Antrag sollten die Richter die Staatsanwaltschaft daran hindern, gegen Frau Köh¬ler wegen Besitzes illegaler Betäubungsmittel zu ermitteln. Zudem ist sie mit einer Hanfpflanze zur Polizei gegan¬gen, um sich selbst anzuzeigen. Das Oberlandesgericht hat überraschend schnell entschieden und den Antrag abge¬lehnt. Der zuständige Ermittlungsrichter beim Amtsgericht Meiningen, der nun gegen Frau Köhler hätte ermitteln müssen, hat sich allerdings als nicht zuständig erklärt. Staatsanwalt und Polizei sind ebenfalls nicht aktiv geworden, so dass Frau Köhler immer noch unbehelligt ihre Cannabispflanzen zu Hause stehen hat. Es hat den Anschein, dass die Justiz nicht aktiv werden möchte, weil niemand der Buh-Mann sein möchte, der einer Schmerzpatientin die Hanfpflanzen wegnimmt.“

Hanfapotheke startet im August (aus dem ACM-Rundbrief): „Die Hanfapotheke soll Schwerkranken helfen, Cannabis zu medizinischen Zwecken zu erhalten, denn die Betroffenen können nicht warten, bis die Politik akzeptable Lösungen findet, und auch die Ratschläge des Bundesverfassungsgerichts sind nicht realitätstauglich. Den Cannabis erhalten sie von anonymen Spendern, die den Betroffenen konkret helfen möchten. Die Hanfapotheke (www.hanfapotheke.org) startet im August 2005. Ein konkreter Termin wird in den nächsten Tagen auf der Webseite angekündigt.“ Die Hanfapotheke hat bis 2007 gearbeitet, als erstmals eine Patientin eine Ausnahmeerlaubnis für die Verwendung von Cannabis durch die Bundesopiumstelle erhielt.

Pressemeldungen zur Verabschiedung des Medizingesetzes durch den Deutschen Bundestag am 19. Janaur

Berliner Morgenpost: Cannabis als Medizin rückt näher

Westfalenpost: Freigabe für Cannabis als Medizin

Apotheke Adhoc: Koalition präzisiert Cannabis-Verordnung

Deutsche Apotheker Zeitung: Cannabis auf Rezept aus der Apotheke für Schmerzpatienten

Die Linke: Cannabismedizin gegen den Willen der Bundesregierung erkämpft

Deutscher Bundestag: Bundestag lässt Cannabis-Arzneimittel für schwerkranke Patienten zu

Bundesgesundheitsministerium: Gesetz „Cannabis als Medizin“ einstimmig vom Bundestag beschlossen

BfArM: FAQ- Cannabis

Aerzteblatt.de: Cannabistherapie bei Krebs oder Multipler Sklerose

WVG: Cannabis als Medizin

Tagesschau: Cannabis raus aus der Schmuddelecke

Deutschlandfunk: "Verwendung von Drogen als Medizin ist nicht so besonders"

Ärzte Zeitung: Bundestag macht den Weg frei für Cannabis auf Rezept

Goettinger Tageblatt: Bundestag stimmt für Cannabis auf Rezept

Gesundheitsstadt-berlin: Cannabis wird Arzneimittel für Schwerkranke